· Fachbeitrag · PKH-/VKH-Checkliste
Diese Werbungskosten und Versicherungsfreibeträge müssen Sie für PKH/VKH kennen
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Bei der Bewilligung von PKH/VKH muss die Partei nach § 115 ZPO ihr Einkommen (= alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert) einsetzen ( RVG prof. 21, 32 ). Davon sind bestimmte Freibeträge abzusetzen ( RVG prof. 21, 87 ). Der folgende Beitrag erläutert, welche Werbungskosten und Versicherungsfreibeträge hierbei berücksichtigt werden. |
1. Werbungskosten zur Erwerbstätigkeit
Abzugsfähig sind Werbungskosten, die zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und der beruflichen Leistungsfähigkeit erforderlich sind (§ 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SBG XII). Sie sind konkret darzulegen ‒ anderenfalls bleiben sie in der Regel unberücksichtigt.
Checkliste / Werbungskosten bei PKH/VKH | |
Art | Berücksichtigungsfähige Werbungskosten |
Arbeitsmittel | Ein monatlicher Pauschbetrag von 5,20 EUR, wenn nicht im Einzelfall höhere Aufwendungen nachgewiesen werden (vgl. § 3 Abs. 5 Verordnung zur Durchführung [DVO] zu § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII). |
Berufsverbände | Beiträge zur Berufsgenossenschaft, zur Gewerkschaft und zum Beamtenbund, nicht dagegen Beiträge an politische Parteien (§ 3 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 DVO zu § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII; OLG Celle FamFR 12, 396). |
Berufliche Aus- und Fortbildung | Den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Partei angemessene Kosten (§ 3 Abs. 4 S. 1, 2 DVO zu § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII; Lissner/Dietrich, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 2. Aufl., Rn. 52; Münchener Kommentar zur ZPO, Rn. 28 zu § 115). |
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte | Mit dem Kfz: pro Entfernungskilometer 5,20 EUR monatlich, jedoch nur, wenn Inanspruchnahme kostengünstigerer öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich und zumutbar ist (§ 3 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 Buchst. a DVO zu § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII).
Merke | Es ist nicht vorgesehen, die unterhaltsrechtlichen Leitlinien anzuwenden oder die Entfernung auf 40 km zu begrenzen (BGH JurBüro 12, 657).
Mit einem Kleinkraftwagen: bei einem Hubraum von nicht mehr als 500 ccm 3,70 EUR pro Entfernungskilometer (§ 3 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 Buchst. b DVO zu § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII).
Mit einem Motorrad oder Motorroller: 2,30 EUR pro Entfernungskilometer (§ 3 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 Buchst. c DVO zu § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII). |
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln: die tariflich günstigste Zeitkarte (§ 3 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 DVO zu § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII).
Merke | Die Pauschalen decken nur die Betriebskosten einschließlich Steuern ab. Zusätzlich sind angemessene Versicherungskosten (§ 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII) und konkret nachgewiesene, angemessene Anschaffungskosten als besondere Belastungen gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 ZPO zu berücksichtigen (BGH JurBüro 12, 534; OLG Karlsruhe FamRZ 09, 1165; LAG Baden-Württemberg 2.9.09, 4 Ta 7/09; OLG Bremen FamRZ 13, 1242). | |
Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung | Wenn die tägliche Rückkehr an den Ort des eigenen Hausstandes oder ein Umzug unzumutbar sind, können die durch Führung eines doppelten Haushalts nachgewiesenen Mehr-aufwendungen höchstens bis 130 EUR monatlich sowie zusätzlich Fahrtkosten der zweiten Wagenklasse für eine Familienheimfahrt im Kalendermonat berücksichtigt werden (§ 3 Abs. 7 DVO zu § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII; LAG Schleswig-Holstein 26.8.08, 2 Ta 142/08). |
2. Versicherungsbeiträge
Bei den zu berücksichtigenden Versicherungsbeiträgen ist danach zu unterscheiden, ob die Beiträge zu gesetzlich vorgeschriebenen oder freiwilligen Versicherungen gezahlt werden.
a) Beiträge zu gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen
Beiträge zu gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen sind grundsätzlich abzugsfähig (§ 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 Buchst. a ZPO i. V. m. § 82 Abs. 2 SGB XII). Hierzu zählen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung wie Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Das gilt auch für versicherungspflichtige Selbstständige, z. B. für Handwerker- oder Unfallversicherung (Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl. 20, § 115 ZPO, Rn. 26).
b) Beiträge zu gesetzlich nicht vorgeschriebenen Versicherungen
Beiträge zu gesetzlich nicht vorgeschriebenen Sozialversicherungen sind nur dann abzugsfähig, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach angemessen sind und einer angemessenen Altersversorgung dienen (z. B. freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung; Zöller/Schultzky, Rn. 27 m. w. N.).
Auch im Übrigen gilt: Es sind grundsätzlich nur freiwillige Versicherungen mit Vorsorgecharakter in angemessenem Umfang als besondere Aufwendungen zu berücksichtigen. Diese Versicherungen müssen zur Absicherung typischer Risiken des Alltags wirtschaftlich sinnvoll sein (BSG BSGE 94, 109).
MERKE | Die Angemessenheit von gesetzlich nicht vorgeschriebenen Versicherungen ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Basis ist der durchschnittliche Bedarf in der Situation des Antragstellers und ob der Versicherte im Verhältnis zur Allgemeinheit ein schutzwürdiges Bedürfnis für den Abschluss einer freiwilligen Versicherung geltend machen kann. Die Allgemeinheit muss nur zwingend notwendig erscheinende Versicherungen finanzieren, die wirtschaftlich existenzbedrohende Schäden abwehren sollen. |
Beachten Sie | Wenn Versicherungsverträge erst nach Anhängigkeit des PKH-/VKH-Verfahrens oder des Prozesses geschlossen werden, sind die Prämien nicht abzuziehen (OLG Bamberg JurBüro 90, 1644). Ausnahme: Es handelt sich um Pflichtversicherungen bzw. bei freiwilligen Versicherungen um Folgeversicherungen für erforderliche und angemessene Vorversicherungen (Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 14. Aufl. 2018, § 115 Einsatz von Einkommen und Vermögen, Rn. 38).
Checkliste / Versicherungen bei PKH/VKH | |
Art | Abzugsfähige Versicherungsbeträge? |
Ausbildungsversicherung | Nein, auch nicht, wenn das im Todesfall bezugsberechtigte Kind behindert ist (OLG Karlsruhe FamRZ 07, 1109). |
Auslandsreisekrankenversicherung | Nein (VGH München 4.3.16, 12 C 14.2069). |
Berufsunfähigkeitsversicherung | Ja (OLG Bremen FamRZ 12, 48). |
Gebäudehaftpflicht | Ja, für Hauseigentümer (OLG Stuttgart 23.6.06, 8 WF 84/06; LAG Berlin-Brandenburg FamRZ 10, 143; OLG Bamberg JurBüro 81, 611). |
Hausratversicherung | Streitig:
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Kapitallebensversicherung | Nein, wenn sie nur der Vermögensbildung/Kapitalansammlung dient (OLG Nürnberg FamRZ 15, 1917; ArbG Regensburg JurBüro 90, 1303; OLG Saarbrücken 29.7.14, 6 WF 131/14 n. v.).
Ja, wenn sie einer angemessenen Altersversorgung dient (OLG Stuttgart 15.7.04, 17 WF 110/04; OLG Bremen FamRZ 12, 48). |
Kfz-Versicherung (Haftpflicht- und Kaskoversicherung) | Ja. Gesondert absetzbar sind die Beiträge zur Haftpflichtversicherung und im Rahmen der Angemessenheit auch zur Kaskoversicherung. Die Auffassung, dass der Pauschbetrag (5,20 EUR je km nach DVO) auch die Kosten für die Kfz-Versicherungen umfasst, widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII (BGH JurBüro 12, 657).
Die Kosten für eine Kfz-Versicherung sind zu berücksichtigen, wenn die Notwendigkeit besteht, einen Pkw zu nutzen (OLG Saarbrücken MDR 14, 408).
Ja, wenn das Kfz für die Erzielung des Einkommens benötigt wird (OLG Frankfurt 28.12.15, 4 WF 174/15; a. A. aber OLG Hamm JurBüro 2014, 542).
Vollkasko streitig:
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Krankentagegeldversicherung | Ja für Selbstständige.
Nein für gesetzlich Versicherte, da sie über die Entgeltfortzahlung genügend geschützt sind (OLG Bremen FamRZ 12, 48; OLG Düsseldorf 21.10.92, 2 WF 202/92, OLGR 93,12). |
Privathaftpflichtversicherung | Ja (OLG Stuttgart 23.6.06, 8 WF 84/06). |
Rechtsschutzversicherung | Nein, da nicht generell wirtschaftlich sinnvoll (OLG Brandenburg JurBüro 09, 202).
Keine dringend notwendige Versicherung, die jeder Haushalt haben sollte (OLG Brandenburg 5.11.08, 9 WF 309/08). |
Riester-Rente | Ja, sie dient der Alterssicherung (OLG Stuttgart FamRB 20, 68; OLG Frankfurt FamRZ 20,1856). |
Risikolebensversicherung | Nein, da es sich nur um eine allgemeine Risikoabsicherung handelt (VGH München 4.3.16, 12 C 14.2069). |
Rürup-Rente | Ja, da es sich um eine zertifizierte Altersvorsorge nach dem AltZertG handelt (OLG Brandenburg FamRZ 18, 607; OLG Thüringen JurBür 15, 541). |
Sterbegeldversicherung | Streitig:
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Unfallversicherung | Ja,
Nein, unter Beachtung des Verbraucherschutzes handelt es sich dabei um eine nicht notwendige Versicherung, die eher am Ende eines Versicherungsbedarfs steht (OLG Brandenburg NJW 09, 2069). |
Zahnzusatzversicherung | Streitig:
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Weiterführende Hinweise
- Dieses Einkommen muss der Antragsteller zur Prozesskostenfinanzierung einsetzen, RVG prof. 21, 32
- Diese Freibeträge müssen Sie bei PKH und VKH berücksichtigen, RVG prof. 21, 87