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  • · Fachbeitrag · Familienrecht

    Rückübertragung von GmbH-Anteilen aufgrund von Falschberatung als rückwirkendes Ereignis

    von VRiFG Prof. Dr. Volker Kreft, Dipl.-FinW, Bielefeld

    | Überträgt ein Ehegatte aufgrund eines Ausgleichsanspruchs wegen der Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft dem anderen Ehegatten Anteile an einer Kapitalgesellschaft, so liegt darin eine Veräußerung i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG. Wird ein Ehepaar diesbezüglich vor der Übertragung steuerlich falsch beraten, kann der Ehevertrag ausnahmsweise mit steuerlicher Rückwirkung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nachträglich angepasst werden (FG Niedersachsen 14.12.22, 9 K 162/21, Abruf-Nr. 234647 , Rev. BFH IX R 4/23 ). |

    1. Hintergrund

    Die Rückabwicklung oder Modifikation geschlossener und bereits vollzogener Verträge berührt in der Beratungspraxis zwei Ebenen:

     

    • Zum einen ist auf der zivilrechtlichen Ebene zwischen den Vertragspartnern zu klären, ob ein Rechtsgrund für eine Rückabwicklung oder Modifikation einer vorhandenen zivilrechtlichen Vereinbarung besteht und welche zivilrechtlichen Konsequenzen hieran zu knüpfen sind.

     

    • Zum anderen ist die steuerrechtliche Ebene zu berücksichtigen, denn Regelungen oder Handlungen, die zivilrechtlich eine ex-tunc-Wirkung haben (können), müssen steuerrechtlich nicht zwangsläufig die gleiche Wirkung entfalten (Carlé, KÖSDI 3/2017, 20209).

     

    Die steuerrechtliche Problematik bei Rückabwicklungen auf der Grundlage vertraglicher oder gesetzlicher Rechte sowie bei Bedingungseintritten liegt darin, dass das Steuerrecht an Lebenssachverhalte, Rechtsgeschäfte sowie Rechtsverhältnisse anknüpft und diese abschnittsbezogen besteuert, während die Rückabwicklung oder Modifikation in aller Regel nicht in dem Besteuerungsabschnitt erfolgt, in dem das Rechtsverhältnis begründet und die steuerliche Konsequenz ausgelöst wurde. Verfahrensrechtlich eröffnet in solchen Fällen die Norm des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO die Möglichkeit, einen Steuerbescheid zu ändern, wenn ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat.

     

    Klassisch ist in der Vertragspraxis die Vereinbarung von Steuerklauseln, in denen die Gültigkeit eines Vertrags oder einzelner Bestandteile von einer bestimmten steuerrechtlichen Würdigung abhängig gemacht wird. Diese fallen bei Eintritt des Ereignisses i. d. R. in den Anwendungsbereich des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, d. h., eine Rückabwicklung wirkt dann auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück.

     

     

    Ebenfalls in den Anwendungsbereich des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO fallen aber auch Rückabwicklungen und Anpassungen infolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB; vgl. etwa BFH 28.10.09, IX R 17/09, BStBl II 10, 539; vollständige Rückgängigmachung eines Verkaufs der Anteile einer GmbH wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage). Mit einer solchen Fallkonstellation hatte sich das FG Niedersachsen zu befassen.

    2. Sachverhalt

    Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Ehepaar beschlossen, zur erbschaftsteuerlichen Optimierung von ihrer bisherigen Zugewinngemeinschaft zur Gütertrennung zu wechseln. Dabei sollte die Erfüllung der errechneten Zugewinnausgleichsforderung der Klägerin vom Kläger durch Übertragung von GmbH-Anteilen erfolgen.

     

    Vor Abschluss des entsprechenden Ehevertrags ließen sich die Ehegatten speziell zu den einkommensteuerlichen Folgen der Übertragung der GmbH-Anteile beraten. Der Steuerberater erteilte die ‒ später schriftlich bestätigte ‒ Auskunft, dass sich keine einkommensteuerlichen Folgen ergeben. Er war der Meinung, die Übertragung der GmbH-Anteile zur Erfüllung der Zugewinnausgleichsforderung sei keine Veräußerung i. S. v. § 17 Abs. 1 EStG. Daraufhin schlossen die Kläger den entsprechenden Ehevertrag mit der Umsetzung ihres Vorhabens vor einem Notar.

     

    Nachdem die Kläger im Rahmen der Festsetzung der ESt-Vorauszahlungen erkannten, dass die Übertragung der GmbH-Anteile entgegen ihrer Annahme Einkommensteuer auslöste, nahmen sie sogleich im Folgejahr eine Anpassung ihres Ehevertrags vor und vereinbarten hierin u. a. die Rückübertragung der GmbH-Anteile und stattdessen eine Stundung der Zugewinnausgleichsforderung. Vergeblich vertraten die Eheleute gegenüber dem FA die Auffassung, die Rückübertragung sei infolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (Fehlvorstellung über die einkommensteuerlichen Folgen der Übertragung der GmbH-Anteile) erfolgt und entfalte steuerliche Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Abschlusses des ursprünglichen Ehevertrags. Das FA führte an, dass der ursprüngliche Ehevertrag keinen Hinweis darauf enthalte, dass eine bestimmte (Fehl-)Vorstellung der Kläger über die Steuerfolgen der Übertragung der GmbH-Anteile zur Grundlage des Vertrags gemacht worden wäre. Damit komme § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO nicht zur Anwendung mit der Folge, dass die Rückübertragung der Anteile im Folgejahr nicht auf die Veräußerung des Streitjahrs zurückwirke.

    3. Entscheidungsgründe

    Die Klage vor dem FG Niedersachsen hatte Erfolg. Das FG ging zunächst auf Grundlage der bisherigen BFH-Rechtsprechung davon aus, dass die Übertragung der GmbH durch den Kläger zum Ausgleich des seiner Ehefrau wegen der Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft zustehenden Zugewinnausgleichsanspruchs eine Veräußerung i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG darstellt (BFH 30.3.11, IX B 114/10, BFH/NV 11, 1323).

     

    Entgegen der Auffassung des FA kam das FG jedoch zu dem Schluss, dass die Rückübertragung der GmbH-Anteile auf den Kläger aufgrund des angepassten Ehevertrags im Folgejahr, die zivilrechtlich auf Grundlage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB erfolgt war, ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO darstellt und dass die Rückübertragung damit auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags zurückwirkt. Die Gründe für die Rückübertragung seien im ursprünglichen Rechtsgeschäft (Ehevertrag) „angelegt“ i. S. d. bisherigen BFH-Rechtsprechung zu § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO (hierzu etwa BFH 4.2.20, IX R 7/18, BFH/NV 20, 864). Diese Gründe müssten sich ‒ anders als das FA meint ‒ nicht unmittelbar aus der Vertragsurkunde des ursprünglichen Rechtsgeschäfts ergeben.

     

    Ausreichend sei, wenn sich dies aus den erkennbaren Begleitumständen ‒ im Streitfall das schriftliche Beratungsprotokoll des Steuerberaters ‒ ergeben würde. Angesichts der gravierenden tatsächlichen Steuerfolgen war aus Sicht des FG auch nicht anzunehmen, dass die Kläger den Ehevertrag so abgeschlossen hätten, hätten sie die wirklichen steuerlichen Konsequenzen gekannt.

     

    Überblick / Von der bisherigen BFH-Rechtsprechung zur Rückwirkung bei Veräußerungsgeschäften

    Verändert sich der Wert der Gegenleistung nach vollständiger Erfüllung der Gegenleistungspflicht, beeinflusst dies die Höhe des Veräußerungspreises grundsätzlich nicht mehr. Anders ist dies nur, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft bereits angelegt war. Eine derartige Einschränkung sieht die Rechtsprechung für tatsächliche oder rechtliche Veränderungen, die vor der Erfüllung des Anspruchs auf die Gegenleistung eintreten, nicht vor (vgl. z. B. BFH 13.10.15, IX R 43/14, BStBl II 16, 212).

     

    Dementsprechend kann ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung u. a. anzunehmen sein, wenn die nachträgliche Veränderung des zunächst geschuldeten Kaufpreises auf einem dem Veräußerungsvorgang selbst anhaftenden Mangel, wie z. B. einer Leistungsstörung, beruht (vgl. z. B. BFH 6.12.16, IX R 49/15, BStBl II 17, 673). Auch soweit der Erwerber die geschuldete Gegenleistung bereits erbracht hat, kann in diesen Fällen regelmäßig davon ausgegangen werden, dass der Grund für das Ereignis, das zur späteren Änderung der Gegenleistung führt, im ursprünglichen Rechtsgeschäft selbst angelegt war. Dies gilt ebenfalls, wenn der Kaufpreis infolge des Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage zurückgezahlt werden muss (vgl. z. B. BFH 28.10.09, IX R 17/09, BStBl II 10, 539).

     

    Der erforderliche Zusammenhang mit dem Veräußerungsvorgang kann zudem auch dann vorliegen, wenn die Vertragsparteien im Zeitpunkt der Übertragung einer Beteiligung keine abschließende Einigung über die Höhe des Kaufpreises erzielt haben und dieser erst nachträglich (z. B. im Rahmen eines Vergleichs) festgelegt wird oder die endgültige Höhe des Kaufpreises (teilweise) von der künftigen Gewinnentwicklung des Unternehmens abhängig sein soll (vgl. z. B. BFH 14.6.05, VIII R 14/04, BStBl II 06, 15). Auch der Eintritt einer auflösenden Bedingung kann ein rückwirkendes Ereignis sein, und zwar unabhängig davon, ob der Kaufpreis bereits (zum Teil) entrichtet und damit zurückzugewähren ist oder noch in vollem Umfang geschuldet wird (vgl. z. B. BFH 19.8.03, VIII R 67/02, BStBl II 04, 107).

     

    4. Relevanz für die Praxis

    Das Besprechungsurteil dürfte sowohl für die steuerliche Gestaltungs- als auch Abwehrberatung eine große praktische Bedeutung haben. Da die steuerliche Rückwirkung von Rückübertragungen und Anpassungen in Fällen von konkreten Steuerklauseln unproblematisch ist, sollten steuerliche Berater bestimmte gemeinsame Grundlagen und Vorstellungen der Vertragsbeteiligten, die eine Geschäftsgrundlage bilden sollen und die ggf. später zu einer Vertragsanpassung oder -rückabwicklung führen können, möglichst präzise festschreiben. Weist der ursprüngliche Vertrag keine solche Steuerklausel auf, waren die steuerlichen Rahmenbedingungen aber eine entscheidende Vertragsgrundlage der Beteiligten, könnte für den Fall gemeinsamer Fehlvorstellungen über die Steuerfolgen ggf. das Besprechungsurteil helfen ‒ soweit es vom BFH bestätigt wird. Dann müssten sich aber mindestens aus den erkennbaren Begleitumständen bei Vertragsschluss die Gründe für die Rückabwicklung oder Anpassung ergeben.

     

    Der Besprechungsfall zeigt auch, dass es angezeigt ist, unmittelbar nach Erkennen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage ‒ z. B. zu dem Zeitpunkt, in dem die wahren Steuerfolgen festgestellt werden ‒ zu handeln und die Anpassung oder Rückabwicklung vorzunehmen. Man darf aber gespannt sein, wie der BFH sich zu der Frage der steuerlichen Fehlvorstellung der Vertragsbeteiligten als gemeinsame Geschäftsgrundlage sowie der Rückwirkungsproblematik („angelegt“ im ursprünglichen Rechtsgeschäft) positioniert und ggf. seine bisherige Rechtsprechung konkretisiert (soweit ersichtlich zu der konkreten Problematik der Steuerfolgen als Geschäftsgrundlage nur BFH 28.10.09, IX R 17/09, BStBl II 10, 539). Zu beachten ist in jedem Fall, dass nicht jedes durch eine Falschberatung oder Fehlvorstellungen über Steuerfolgen ausgelöste steuerliche Ergebnis über § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO „korrigiert“ werden kann. Eine steuerliche Rückwirkung kommt nur in Betracht, wenn eine gemeinsame Fehlvorstellung der Vertragsbeteiligten über die steuerlichen Folgen Geschäftsgrundlage geworden ist. Bei einem Beratungsfehler und einer falschen Vorstellung über die Steuerfolgen, die nur eine Vertragspartei betreffen, kommt eine Rückwirkung dagegen nicht infrage.

    Quelle: ID 49205190

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