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  • · Fachbeitrag · Nachfolgeberatung

    Die sechs häufigsten Ängste der Senior-Generation bei der Unternehmensnachfolge

    von Tim Richter, www.richter-unternehmensberatung.de

    | In der Praxis stellt die Unternehmensnachfolge für alle Beteiligten und das Unternehmen eine besondere Herausforderung dar. Hauptgründe dafür sind zwischenmenschliche und psychologische Konflikte. Außerdem können Konflikte auch aus Ängsten der Beteiligten entstehen, wenn diesen keine Beachtung geschenkt bzw. falsch mit diesen umgegangen wird. Daraus resultiert ein beträchtliches Risiko, dass die Unternehmensnachfolge bzw. der Generationswechsel scheitert. PU befasst sich mit den sechs häufigsten Ängsten der abgebenden Generation und erläutert, wie ihnen zu begegnen ist. |

    1. Die Angst vor dem Unbekannten

    Die meisten Unternehmer stehen in ihrer Karriere nur einmal vor der Herausforderung, das Unternehmen an die nächste Generation zu übergeben. Einige haben vielleicht früher schon eine Nachfolge aus der Sicht der Nachfolgegeneration erlebt. Es ist allerdings ein Unterschied, ob die Nachfolge aus der Perspektive der nachfolgenden oder der abgebenden Generation erlebt wird. Außerdem liegt die eigene Nachfolge in den meisten Fällen Jahre zurück. Daher verfügen die meisten Unternehmer kaum über fundierte Erfahrung, wie man eine Nachfolge plant, vorbereitet und durchführt. Außerdem kommt erschwerend hinzu, dass sich die meisten Unternehmer keinen Plan für die Zeit nach der aktiven Unternehmerrolle überlegt haben. Dies führt dazu, dass die Nachfolgeplanung so lange aufgeschoben wird, bis Handlungszwang entsteht. Die Nachfolge und der darauffolgende neue Lebensabschnitt sind etwas Unbekanntes, das eine gewisse Angst auslösen kann.

     

    MERKE | Daher sollte die Nachfolgeplanung anhand eines strukturierten Prozesses und gemeinsam mit externer Expertise erfolgen, damit beide Generationen auf diesem unbekannten Weg optimal gelotst werden. Darüber hinaus sollte die abgebende Generation für sich frühzeitig einen ausführlichen Plan für die Zeit nach der aktiven Rolle im Unternehmen ausarbeiten. Dabei ist der Lebenspartner unbedingt mit einzubeziehen.

     

    2. Angst vor Kontrollverlust

    Die meisten Unternehmer geben ungern die Kontrolle ab. Das gilt insbesondere, wenn es um das eigene Unternehmen geht. Die abgebende Generation war in allen unternehmerischen Entscheidungen federführend. Sie war stets ein gefragter Ansprechpartner und für Erfolg oder Misserfolg (allein) verantwortlich. Dieser Umstand ändert sich mehr oder weniger schlagartig im Rahmen der Nachfolge. Auf einmal gibt es mindestens eine weitere Person im Unternehmen, die in den Prozess der Entscheidungsfindung einbezogen werden möchte oder bereits über Entscheidungsbefugnisse für Teilbereiche des Unternehmens verfügt. Die Angst vor dem Kontrollverlust ist einer der häufigsten Gründe, warum die Nachfolgeplanung nicht aktiv angegangen oder herauszögert wird. Unternehmensinhaber nehmen häufig an, dass sie dann im Unternehmen nichts mehr zu sagen haben und ihnen die Geschicke aus der Hand gerissen werden. Ein weiterer Grund kann die Unsicherheit darüber sein, ob die Nachfolgegeneration schon über alle Kompetenzen verfügt, die für die Leitung des Unternehmens erforderlich sind. Auch deshalb sollte die abgebende Generation die Nachfolgegeneration involvieren und dies als Möglichkeit des Wissentransfers verstehen.

     

    MERKE | Kontrollverlust muss nicht zwangsläufig der Fall sein. Insbesondere die familieninterne Nachfolge ist ein Prozess, in dem die Übergabe von Zuständigkeiten und Verantwortung über einen längeren Zeitraum erfolgt. Diese schrittweise Übergabe gibt der abgebenden Generation die nötige Sicherheit, um die Kontrolle sukzessive zu übertragen. Dadurch kann die abgebende Generation auch darauf vertrauen, dass die Nachfolgegeneration über die erforderlichen Kompetenzen verfügt. Im Zuge einer strukturierten Nachfolgeplanung sollten die Übergabe der Kontrolle und der Zeitrahmen der Übergabe zentrale Themen sein.

     

    3. Angst vor Transparenz

    Ein Unternehmen aufzubauen ist eine außergewöhnliche Leistung, die mit „Macherqualitäten“ und persönlicher Stärke verbunden wird. Über Jahre oder auch Jahrzehnte war der Unternehmer allein für alles verantwortlich und musste sich für Entscheidungen nur bedingt rechtfertigen. Dieser Umstand ändert sich mit der Nachfolge schlagartig. Das ist ein weiterer Grund, warum die Nachfolgeplanung oft bewusst oder unbewusst hinausgezögert wird. Es besteht die Angst, dass vermeintliche Schwächen, ungenutzte Chancen, Versäumnisse der Vergangenheit etc. durch die Nachfolgegeneration aufgedeckt werden und der Unternehmer damit konfrontiert werden könnte. Dabei ist diese Angst unbegründet! Entscheidungen lassen sich rückblickend fast immer kritisieren. Mit dem heutigen Wissen kann einfach von ungenutztem Potenzial der Vergangenheit gesprochen werden.

     

    MERKE | Folgendes sollte sich die abgebende Generation in einer solchen Situation vor Augen führen: Es wurde ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut, das an die nächste Generation übergeben werden kann. Das ist ein großer Erfolg! Daneben ist es von der Nachfolgegeneration eine legitime Herangehensweise, gewisse Punkte zu hinterfragen. Damit sich das Unternehmen weiterentwickeln kann, ist es zielführend und empfehlenswert, dieses und das unternehmerische Handeln von Zeit zu Zeit kritisch zu beleuchten. Dies ist kein einfacher oder angenehmer Prozess, aber ein sehr wirkungsvoller.

     

    4. Angst vor Fehlern

    Die Angst vor Fehlern ist eine der verbreitetsten Ängste in unserem Kulturkreis. Fehler werden u. a. gleichgesetzt mit Misserfolg, Scheitern, persönlicher Niederlage usw. Es gilt das Motto: „Als Unternehmer muss ich erfolgreich sein und darf niemals falsche Entscheidungen treffen“. Gerade im Rahmen der Unternehmensnachfolge gilt es aber sehr viele ‒ zum Teil weitreichende ‒ Entscheidungen zu treffen. Daher ist es verständlich, dass die Angst vor Fehlern hier sehr häufig anzutreffen ist.

     

    MERKE | Fehler können und werden passieren. Daher sollten Fehler als Chance angesehen werden, aus ihnen zu lernen, sowie als Möglichkeit zur Verbesserung. Dies trifft insbesondere auf die Unternehmensnachfolge zu. Beide Generationen durchlaufen einen unbekannten und hoch emotionalen Prozess. Dabei ist es wichtig, dass beide Generationen sowohl sich selbst als auch der jeweils anderen Generation erlauben, Fehler zu machen. Andernfalls wird die Nachfolgeplanung möglicherweise nicht begonnen oder verzögert.

     

    Insbesondere wenn die abgebende Generation der Nachfolgegeneration nicht zugesteht, Fehler zu machen, kann dies zum Scheitern der Unternehmensnachfolge führen. Die Angst vor Fehlern führt in vielen Fällen dazu, dass Entscheidungen der Nachfolgegeneration immer wieder nachbearbeitet werden. Ein solches Verhalten kann von der Nachfolgegeneration so verstanden werden, dass die abgebende Generation nicht loslassen kann und kein Vertrauen hat. Darüber hinaus hat dieses Verhalten auch erhebliche Auswirkungen darauf, wie die Nachfolgegeneration von Mitarbeitern und externen Interessengruppen (z. B. Kunden) wahrgenommen wird. Es kann dazu führen, dass das Standing der Nachfolgegeneration Stück für Stück untergraben wird.

    5. Angst vor dem Unperfekten

    Viele Unternehmer streben nach Perfektion und wollen immer das Optimum aus allem herausholen. Gerade in einem so wichtigen Projekt wie der Unternehmensnachfolge soll alles perfekt verlaufen. Durch diesen „Perfektionismus“ kann es sehr schnell dazu kommen, dass Unternehmer auf den „richtigen Zeitpunkt“ und/oder die „perfekte Lösung“ für die Unternehmensnachfolge warten. Allerdings gibt es nicht den richtigen Zeitpunkt! Jedoch schwindet die Anzahl von Möglichkeiten, je länger die Unternehmensnachfolge hinausgezögert wird. Wenn Unternehmer sich das erste Mal über ihre persönliche Nachfolge Gedanken machen, sollten sie mit der Planung beginnen.

     

    Bei der Unternehmensnachfolge gibt es genauso viele Varianten und Gestaltungsmöglichkeiten wie es Unternehmen gibt. Somit gibt es auch nicht die perfekte Lösung! Vielmehr gilt es, sich intensiv mit diesem wichtigen strategischen Projekt auseinanderzusetzen und die Variante zu identifizieren, die für die abgebende Generation, die Nachfolgegeneration, das Unternehmen sowie die Inhaberfamilie die beste ist.

    6. Angst vor der erfolgreichen Nachfolge

    Unternehmer haben ihre Identität, ihre Ziele und ihr Leben eng mit dem Unternehmen verbunden. Sie sind das Gesicht des Unternehmens sowie geschätzte Ansprechpartner für Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und andere Interessengruppen. Sie haben die Geschicke des Unternehmens allein verantwortet und in vielen Fällen gesellschaftliche Verantwortung in der Region übernommen. Im Rahmen der Regelung der Unternehmensnachfolge kann es daher vorkommen, dass sich Unternehmer ein Leben ohne das Unternehmen und/oder ein Unternehmen ohne sie selbst schwer vorstellen können. Eventuell befürchten sie, dass sie nach der erfolgreichen Übergabe im Unternehmen nicht mehr gebraucht und somit bedeutungslos werden und sich dies auch auf ihr erlangtes gesellschaftliches Ansehen auswirkt. All dies kann durch einen strukturierten Prozess der Nachfolgeplanung vermieden werden.

     

    Eine umfassende Nachfolgeplanung beinhaltet u. a. einen Übergabeplan, in dem die Verantwortung und Zuständigkeiten schrittweise von einer auf die andere Generation übertragen werden. Dies schafft Sicherheit sowie Vertrauen bei der abgebenden Generation und erleichtert das Loslassen. Weiterhin sollten beide Generationen gemeinsam erarbeiten, wie die zukünftige Rolle der abgebenden Generation im Unternehmen aussieht. Darüber hinaus ist es wichtig, der abgebenden Generation zu zeigen, dass ihre gesellschaftliche Stellung zwar das Fundament in ihrer unternehmerischen Tätigkeit und ihren unternehmerischen Erfolgen hat. Viel entscheidender aber ist die Persönlichkeit und diese wird sich durch den Vollzug der Unternehmensnachfolge ebenso wenig verändern wie die gesellschaftliche Wahrnehmung.

     

    FAZIT | Es ist nachvollziehbar, dass eine so große und einschneidende Veränderung wie die Unternehmensnachfolge bei der abgebenden Generation gewisse Ängste auslösen kann. Immerhin haben Unternehmer z. T. über Jahrzehnte ihre volle Energie dem Unternehmen gewidmet und oft auf vieles verzichtet. Dann soll auf einmal im Zuge der Unternehmensnachfolge alles ganz anders werden. Daher ist es wichtig, sich Zeit für eine ausführliche und umfassende Nachfolgeregelung zu nehmen. Damit diese erfolgreich ist, ist es ratsam, sie basierend auf einem strukturierten Prozess zu durchlaufen. Dabei sollte das oberste Ziel der abgebenden Generation sein, das eigene Lebenswerk sorgfältig zu übergeben, um dieses in guten Händen zu wissen und somit beruhigt den neuen Lebensabschnitt genießen zu können. Beide Generationen sollten das Ziel verfolgen, den Prozess der Nachfolge so konfliktfrei wie möglich zu gestalten.

     

    Eine entscheidende Rolle spielt außerdem, dass die abgebende Generation ihre Ängste offen kommuniziert, sofern solche im Zuge der Planung, Vorbereitung sowie der Durchführung der Nachfolge entstehen. In vielen Fällen hilft bereits das offene Gespräch darüber, diese Ängste zu beseitigen. Sollte dies nicht ausreichen, können entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Dabei kann es hilfreich sein, wenn die Nachfolge von einem externen Spezialisten begleitet wird.

     

    Eine umfassende und ganzheitliche Nachfolgeregelung zeugt von Respekt gegenüber sich selbst, der Familie und dem Unternehmen. Und dabei ist es keine Schande, offen über seine Ängste bei diesem einschneidenden und wichtigsten strategischen Projekt eines Familienunternehmens zu sprechen und gemeinsam mit allen Beteiligten eine gute Lösung zu finden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • „Die 14 häufigsten Fehler in der familieninternen Unternehmensnachfolge“, Abruf-Nr. 47965497
    Quelle: Ausgabe 04 / 2022 | Seite 132 | ID 48571996

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