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  • 28.05.2025 · IWW-Abrufnummer 248331

    Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 24.07.2024 – 1 K 903/21

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.07.2024, Az. 1 K 903/21

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand
    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger als Rechtsnachfolger seines Vaters dessen Abzugsbeträge nach § 10f EStG fortführen kann.

    Die Eltern des Klägers erwarben ein Objekt im Sinne des § 10f Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Sie sanierten das Objekt umfangreich und setzten die Außenanlagen instand. Der zuständige Denkmalschutzbehörde bescheinigte die Aufwendungen zuletzt mit Bescheiden vom August 2019. Die Eltern des Klägers nutzten das Objekt ab 2016 zu eigenen Wohnzwecken. Auch der Kläger wohnte bzw. wohnt in diesem Objekt. Die Eltern des Klägers nahmen Abzugsbeträge nach § 10f EStG in Anspruch. Dabei ließ der Beklagte die seiner Ansicht nach auf die Außenanlagen entfallenden Beträge bei der Ermittlung der wie Sonderausgaben abzugsfähigen Beträge nach § 10f EStG außer Betracht. Über die auf das Gebäude entfallenden Aufwendungen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

    Der Vater des Klägers verstarb Anfang 2017. Erben nach dem Vater des Klägers waren der Kläger selbst zu 45/100, seine Mutter zu 32/100 und seine Schwester zu 23/100. Im April 2017 setzten sich der Kläger, seine Mutter und seine Schwester über das Erbe dergestalt auseinander, dass die vormals dem Vater des Klägers gehörenden Anteile an dem Objekt auf den Kläger übergingen, so dass dieser fortan - wie seine Mutter vor dem Erbfall und nach dieser Vereinbarung - zur Hälfte am Objekt beteiligt war. Seit spätestens 2019 ist der Kläger Alleineigentümer des Objekts.

    Für das Streitjahr reichten der Kläger und seine Mutter eine Feststellungserklärung ein, mit der sie die Feststellung eines wie Sonderausgaben abzugsfähigen Betrages nach § 10f EStG in Höhe von € begehrten, der je zur Hälfte auf den Kläger und seine Mutter entfallen sollte.

    Mit Bescheid vom 7. Oktober 2020 stellte der Beklagte für die Mutter des Klägers einen wie Sonderausgaben abzugsfähigen Betrag nach § 10f EStG in Höhe von € und für den Kläger einen solchen in Höhe von € fest.

    Zur Begründung des hiergegen im Namen der Grundstücksgemeinschaft eingelegten Einspruchs trug diese vor, für den Kläger sei wegen seiner Stellung als Rechtsnachfolger ein Abzugsbetrag entsprechend seiner Beteiligung in Höhe von € festzustellen. Zur Begründung verwies der Kläger auf die Kommentierungen von Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach § 10f EStG Rz. 7, Eberhard in Blümich, § 10f EStG Rz 11 und Pfirrmann in Kirchhof/Seer, § 10f EStG Rz. 3. Gesetzestypisch sei der Abzugsbetrag nach § 10f EStG mit den Vorschriften zur Absetzung für Abnutzung vergleichbar. Die AfA-Grundsätze seien auf § 10f EStG übertragbar. Insbesondere gelte § 11d EStDV, wonach der Gesamtrechtsnachfolger in die "Fußstapfen" des Rechtsvorgängers trete, wenn auch dieser die persönlichen Abzugsvoraussetzungen erfülle.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, nach § 10f Abs. 1 EStG könne (nur) der Steuerpflichtige für Baumaßnahmen an einem eigenen Gebäude im Kalenderjahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den folgenden neun Jahren jeweils bis zu 9 v.H. der Aufwendungen wie Sonderausgaben abziehen, wenn die Voraussetzungen des § 10h oder §10i Einkommensteuergesetz vorlägen. Der Gesamtrechtsnachfolger könne die Steuervergünstigung nicht fortführen. Da § 10f EStG keine AfA-Vorschrift sei, komme die sog. "Fußstapfen-Theorie" des § 11d Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) nicht zur Anwendung. Dies entspreche auch der mit Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Dezember 2007 (GrS 2/04 BStBl II 2008, 608) geänderten Rechtsprechung. Der BFH habe mit dem Beschluss klargestellt, dass in der Person des Erblassers begründete höchstpersönliche Aufwendungen nicht nach § 45 Abgabenordnung (AO) auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen. Diese Ansicht werde im Übrigen auch von Schmidt/Kulosa EStG § 10f Rz. 7 und 12, Dathe/Schilde in Bordewin/Brandt EStG § 10f Rn. 7, KKB/Eckardt, EStG Kommentar § 10f Rz. 11, Klein DStR 2016, 1399, 1404, Koller DStR 1990, 128, 130 und Biergans, FR 1990, 133, 137 vertreten.

    Eine analoge Anwendung des § 11d EStDV komme nicht in Betracht. Bei dieser Vorschrift handele es sich nicht um einen allgemeinen Grundsatz des Einkommensteuerrechts. Es handele sich vielmehr um eine vom Regelsystem abweichende Ausnahmevorschrift. So habe der BFH in seinem Urteil vom 13. März 2018 (IX R 22/17, BFH/NV 2018, 824 [BFH 08.05.2018 - VIII B 124/17]) für Erhaltungsaufwendungen entschieden, dass § 11d EStDV insoweit nicht anwendbar sei. Das von der Grundstücksgemeinschaft angeführte Urteil des Finanzgerichts des Landes Brandenburg vom 22. Juni 2005 (4 K 498/03) sei vor Ergehen der Rechtsprechungsänderung durch den Großen Senat ergangen.

    Zur Begründung der hiergegen am 27. Dezember 2021 erhobenen Klage wiederholt der Kläger den Vortrag aus dem Einspruchsverfahren. Ergänzend verweist der Kläger auf das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 8. März 2010, Az. 10 K 2706/08.

    Der Kläger beantragt,

    den Bescheid für 2018 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2018 vom 7. Oktober 2020 und die Einspruchsentscheidung vom 29. November 2021 dahingehend zu ändern, dass zusätzlich für den Kläger in Höhe seiner im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erworbenen Beteiligung an der Grundstücksgemeinschaft (45 v.H. von 50 v.H.) ein wie Sonderausgaben abzugsfähiger Betrag nach § 10f EStG in Höhe von € festgestellt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Das Urteil des FG Baden-Württemberg hält der Beklagte nicht für einschlägig, weil die Bautätigkeit im dortigen Fall von Anfang an den einzelnen Gesellschaftern zuzuordnen gewesen sei. Aufgrund der gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise seien die personenbezogenen Voraussetzungen der Steuervergünstigung beim Gesellschafter als Gesamtrechtsnachfolger der Personengesellschaft erhalten geblieben.

    Entscheidungsgründe
    I. Die Klage ist jedenfalls unbegründet. Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

    Der Kläger kann den verbliebenen Teil der von dem Erblasser getragenen Aufwendungen nicht wie Sonderausgaben nach § 10f EStG abziehen, da es an einer gesetzlichen Grundlage für einen interpersonellen Übergang auf den Kläger fehlt.

    Mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über, § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das hierin für den Erbfall statuierte Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge gilt ausdrücklich auch für das Steuerrecht, § 45 Abgabenordnung (AO). Danach gehen bei der Gesamtrechtsnachfolge "die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis" auf den Rechtsnachfolger über. In ständiger Rechtsprechung leitet der BFH aus dieser Bestimmung her, dass der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger grundsätzlich in einem umfassenden Sinne sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers eintrete.

    Zwar hatte der (zukünftige) Abzug der Aufwendungen nach § 10f EStG eine potenzielle Vermögensqualität beim Erblasser, allerdings kann aus der dem Erblasser zustehenden Berechtigung zum Abzug der von ihm getragenen Aufwendungen noch nicht auf deren Vererblichkeit geschlossen werden. Hierfür sind vielmehr die Prinzipien und grundlegenden Wertungen des Einkommensteuerrechts heranzuziehen. Hieraus ergibt sich, dass die vom Erblasser nicht wie Sonderausgaben abgezogenen Aufwendungen nicht auf den Erben übergehen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04 BStBl II 2008, 608).

    Die Einkommensteuer ist eine Personensteuer. Sie erfasst die im Einkommen zu Tage tretende Leistungsfähigkeit der einzelnen natürlichen Person. Sie wird daher vom Grundsatz der Individualbesteuerung und vom Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit beherrscht. Die personale Anknüpfung der Einkommensteuer garantiert die Verwirklichung des verfassungsrechtlich fundierten Gebots der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die einzelne natürliche Person ist das Zurechnungssubjekt der von ihr erzielten Einkünfte (§ 2 Abs. 1 EStG). Die persönliche Steuerpflicht erstreckt sich auf die Lebenszeit einer Person; sie endet mit ihrem Tod. In diesem Fall ist die Veranlagung auf das bis zum Tod erzielte Einkommen zu beschränken. Erblasser und Erbe sind verschiedene Rechtssubjekte, die jeweils für sich zur Einkommensteuer herangezogen werden und deren Einkünfte getrennt ermittelt und dem jeweiligen Einkommensteuerrechtssubjekt zugerechnet werden (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04 BStBl II 2008, 608 m.w.N.).

    Diese Grundsätze sprachen nach Auffassung des Großen Senats des BFH dagegen, die beim Erblasser bis zu seinem Tod nicht aufgezehrten Verlustvorträge nach § 10d EStG auf ein anderes Einkommensteuerrechtssubjekt - und sei es auch nur auf seinen Erben (Gesamtrechtsnachfolger) - zu übertragen und diesem zu gestatten, die "Verluste" mit eigenen - positiven - Einkünften zu verrechnen.

    Der Senat folgt der Auffassung des Großen Senats und hält die Grundsätze auch im Streitfall für den Abzugsbetrag nach § 10f EStG für anwendbar (so im Ergebnis auch Schmidt/Kulosa EStG § 10f Rz. 7 und 12, Dathe/Schilde in Bordewin/Brandt EStG § 10f Rn. 7, Schießl in Brandis/Heuermann Ertragssteuerrecht § 10f EStG Rz. 11, Ebner in Kirchhof/Kulosa/Ratschow § 10f Rz. 17.2, Klein DStR 2016, 1399, 1404, Koller DStR 1990, 128, 130 und Biergans, FR 1990, 133, 137, a.A. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach EStG § 10f EStG Rz. 7, Lüdemann in Kirchhof/ Söhn/ Mellinghoff EStG § 10f Rz. B 12, Boeker in Lademann EStG § 10f Rz. 11, Kratzscg in Frotscher EStG § 10f Rz. 3, Schindler in Littmann/Bitz/Pust EStG § 10f Rn. 14), Pfirrmann in Kirchhof/Seer EStG § 10f Rz. 3 [" erscheint vertretbar" ]). Der Kläger begehrt letztlich die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen, die nicht er selbst, sondern ein Dritter, hier sein verstorbener Vater, getragen hat. Der Abzug sog. Drittaufwandes ist dem Einkommensteuerrecht aber fremd.

    § 10f EStG gehört zu den Vorschriften über den Sonderausgabenabzug. Da es keine AfA-Vorschrift ist, kommt die sog. "Fußstapfen-Theorie" des § 11d EStDV nicht zur Anwendung. Eine analoge Anwendung des § 11d EStDV kommt ebenfalls nicht in Betracht, denn wie der Beklagte in der Einspruchsentscheidung zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei dieser Vorschrift nicht um einen allgemeinen Grundsatz des Einkommensteuerrechts. § 11d EStDV ist vielmehr eine vom Regelsystem abweichende Ausnahmevorschrift. Der BFH hat in seinem Urteil vom 13. März 2018 (IX R 22/17, BFH/NV 2018, 824 [BFH 08.05.2018 - VIII B 124/17]) für Erhaltungsaufwendungen entschieden, dass § 11d EStDV insoweit nicht anwendbar ist. Die dortige Situation ist mit der Situation im Streitfall vergleichbar.

    Das von der Grundstücksgemeinschaft angeführte Urteil des Finanzgerichts des Landes Brandenburg vom 22. Juni 2005 (4 K 498/03) ist, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, vor Ergehen der Rechtsprechungsänderung durch den Großen Senat ergangen. Die Entscheidung konnte sich daher gar nicht mit der Rechtsprechungsänderung des BFH auseinandersetzen.

    Das vom Kläger ebenfalls für seine Rechtsauffassung angeführte Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 8. März 2010, Az. 10 K 2706/08 betrifft nach Auffassung des Senats eine andere Konstellation.

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    III. Der Senat hat die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen, da in der Literatur unterschiedliche Ansichten über den Abzug von Aufwendungen nach § 10f EStG beim Rechtsnachfolger vertreten werden.

    Vorschriften§ 10f EStG