· Fachbeitrag · Ressourcenschonung für Altgeräte
Was ist Schrott, was nicht ‒ und wie gelingt echte Kreislaufwirtschaft für Elektronikprodukte?
von Dennis Dahrendorff, Unternehmer in der Kreislaufwirtschaft für Elektronik und Geschäftsführer von Global Circular Tech (GCT)
| Ressourcen schonen statt wegwerfen: Was ist wirklich Schrott ‒ und was hat ein zweites Leben verdient? Der Beitrag zeigt, warum Kreislaufwirtschaft bei Elektronik weit über Recycling hinausgeht, wie Geräte sicher zurückkommen, professionell aufbereitet werden und als Werttreiber zurückkehren. Er erklärt, warum für Verbraucher einfache Rückgabewege zählen, während Unternehmen klare Prozesse und Kennzahlen brauchen. Erfahren Sie, welche Rolle globale Warenströme spielen, wenn lokale Grenzen erreicht sind ‒ und warum das „Circularity Delta“ Restwerte vom Kostenposten zur Ertragsquelle macht. |
1. Warum Kreislaufwirtschaft mehr als Recycling ist
Die Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) verfolgt das Ziel, Produkte, Materialien und Ressourcen so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf zu halten, um Abfälle und den Verbrauch natürlicher Rohstoffe zu minimieren. Laut den ESRS beschreibt sie ein System, in dem Wertschöpfung durch Wiederverwendung, Reparatur, Aufarbeitung und Recycling entsteht. Der Gegensatz ist die Linearwirtschaft, die auf dem Prinzip „Take, Make, Waste“ basiert.
Im Elektronikbereich zeigt sich die Schwäche der Linearwirtschaft besonders klar: schnelle Innovationszyklen, hoher Ressourcenbedarf in der Produktion, viele verbaute Materialien ‒ das belastet die Umwelt massiv. Geräte enthalten komplexe Materialmixe, darunter seltene Erden und Metalle, deren Gewinnung viel Energie kostet und Schadstoffe freisetzt. Zugleich ist die Nutzungsdauer oft kurz: Funktionsfähige Geräte landen wegen Software-Updates oder Designtrends auf dem Elektroschrott.
Diese Diskrepanz wird zur Chance für die Kreislaufwirtschaft: Elektronische Geräte haben oft einen hohen Restwert, lassen sich gut aufbereiten und vielseitig weiter nutzen. Mit dem richtigen Umgang laufen Geräte mehrfach ‒ in unterschiedlichen Kontexten. Das ist eine Win-win-Situation für Umwelt und Wirtschaft. Kreislauf-IT schont nicht nur Ressourcen, sie wirkt als strategischer Hebel für nachhaltige Wertschöpfung.
2. So funktioniert Kreislaufwirtschaft im Elektronikbereich
Die Kreislaufwirtschaft für Elektronik hat eigene Regeln. Sie hängt stark von Zielgruppe und Rahmenbedingungen ab. Verbraucher erreicht man mit Einfachheit: klare digitale Wege, unkomplizierte Rücknahme, transparente Schritte. Unternehmen haben eine andere Aufgabe: Sie verankern Kreisläufe im Betrieb. Das heißt: Zuständigkeiten festlegen, Abläufe standardisieren, Kennzahlen messen ‒ und den Prozess durchgängig steuern, vom Einkauf über Design und Nutzung bis zur Rückführung in die Produktion. So wächst aus Einzelmaßnahmen ein geschlossener Kreislauf, der funktioniert, skaliert und Bestand hat.
2.1 Private Verbraucher
Gebrauchte Elektronik hat großes Potenzial ‒ doch viele zögern. Sie fürchten Datenlecks und zweifeln an der Qualität. Dabei schafft Refurbishment Abhilfe: Profis bereiten Geräte auf, prüfen sie, löschen Daten und verlängern ihre Lebensdauer deutlich. Plattformen wie „everlectro“ machen Verbrauchern den Weg einfach: Altgeräte sicher verkaufen oder wieder kaufen ‒ mit zertifizierter Datenlöschung und geprüfter Qualität. Reparaturinitiativen helfen zusätzlich.
Die Hürden bleiben: Viele wissen nicht, wie sie Geräte datensicher weitergeben. Vertrauen in aufbereitete Ware ist noch nicht überall angekommen. Die Lösung wäre: klare Anleitung, sichtbare Prüfsiegel, transparente Prüfprotokolle und einfache Wege ‒ vom Abgeben bis zum erneuten Einsatz. So wird aus Unsicherheit Nutzung ‒ und aus Elektroschrott ein zweites Leben.
2.2 Unternehmen oder Institutionen
Auf Seiten der Unternehmen geht es weniger um Einzelfälle als um strukturierte Prozesse: Der Umgang mit ausgedienter Elektronik wird zunehmend zum Bestandteil ganzheitlicher ESG-Strategien. Der Begriff IT Asset Disposition (ITAD) beschreibt den geregelten Rückführungsprozess nicht mehr benötigter Hardware. Circular Platforms ‒ wie sie bspw. von Global Circular Tech (GCT) betrieben werden ‒ bieten hier Komplettlösungen an: von der Rücknahme über zertifizierte Datenlöschung bis zur Wiedervermarktung und Wiederverwendung.
Solche Modelle ermöglichen nicht nur eine ressourcenschonende Nutzung, sondern auch eine direkte CO2-Ersparnis und monetäre Rückflüsse. Gleichzeitig schaffen sie die Grundlage für eine transparente Berichterstattung nach den Anforderungen der CSRD und ESRS ‒ ein immer wichtigerer Bestandteil der Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen.
3. „Regional denken ‒ global handeln“ verlangt transparente Warenströme
Ein entscheidender Erfolgsfaktor für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft im Elektronikbereich ist das ausgewogene Zusammenspiel zwischen regionalen und globalen Prozessen. Der Grundgedanke dabei ist einfach: Wo immer möglich, sollten elektronische Geräte regional wiederverwendet werden. Das spart Transportkosten, reduziert CO2-Emissionen und fördert die lokale Wertschöpfung.
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Gerade im kommunalen Bereich oder in regional tätigen Unternehmen lassen sich aufbereitete Geräte oft problemlos erneut einsetzen ‒ sei es im Schulbetrieb, in der Verwaltung oder im Mittelstand. |
Doch so sinnvoll und ökologisch effizient die regionale Wiederverwendung ist, stößt sie in der Praxis schnell an Grenzen. Technologiezyklen, Nutzungskontexte und Nachfrageverhalten unterscheiden sich erheblich von Region zu Region.
Ein Gerät, das in Europa als technisch überholt gilt, kann in Südamerika oder Teilen Afrikas noch über Jahre hinweg einen wertvollen Beitrag zur Digitalisierung leisten. Genau hier beginnt der globale Teil der Kreislaufwirtschaft.
Damit gebrauchte Elektronikprodukte sinnvoll und verantwortungsvoll dorthin gelangen, wo sie tatsächlich gebraucht und eingesetzt werden können, braucht es strukturierte, rechtssichere und transparente Warenströme. Plattformlösungen ‒ wie sie etwa von Global Circular Tech entwickelt wurden ‒ ermöglichen es, diese Prozesse zu steuern ‒ vom Exportmanagement über rechtliche Konformität (z. B. EWR-Bestimmungen) bis hin zur qualitätsgesicherten Verwertung.
MERKE | Kreislaufwirtschaft in der Elektronik endet also nicht an Ländergrenzen ‒ sie beginnt lokal, entfaltet ihr volles Potenzial aber erst im globalen Zusammenspiel. Denn: Nachhaltige Digitalisierung ist ein weltweites Projekt ‒ und jedes Gerät, das nicht neu produziert werden muss, spart Ressourcen weltweit. |
4. Wirtschaftlicher und ökologischer Nutzen der Wiederverwendung
Die Kreislaufwirtschaft für Elektronik liefert nicht nur ökologische Argumente, sondern lässt sich auch betriebswirtschaftlich klar beziffern. Unternehmen, die konsequent auf Wiederverwendung statt Neukauf setzen, senken ihren ökologischen Fußabdruck erheblich. Die CO2-Einsparung ist dabei ein zentrales Argument: So verursacht die Herstellung eines neuen Laptops je nach Modell mehrere Hundert Kilogramm CO2. Wird ein Gerät hingegen wiederverwendet, fallen lediglich Bruchteile dieser Emissionen an ‒ vor allem, wenn die Aufbereitung in einem energieeffizienten, regionalen Prozess erfolgt.
Betriebswirtschaftlich lohnt der Kurswechsel. Das „Circularity Delta“ von Peter C. Evans und Guennaël Delorme misst die Lücke zwischen Hardwarebudget und dem Geld, das am Ende über Rücknahme, Aufbereitung und Weiterverkauf zurückfließt. Bei spontaner Entsorgung kommen oft nur 10‒15 % zurück. Mit zirkulären Plattformmodellen steigt die Quote auf 30 % und mehr. Die Folge: Restwerte werden vom Kostenposten zur Ertragsquelle.
5. Praxisbeispiele
Wie sich Kreislaufwirtschaft konkret in der Praxis umsetzen lässt, zeigen zahlreiche Beispiele aus der Unternehmens- und Verwaltungswelt.
- Kommunen müssen große IT‑Bestände regelmäßig erneuern ‒ vor allem in Schulen und Verwaltungen. Altgeräte einzulagern oder zu verschrotten lohnt nicht. Immer mehr Städte setzen auf klare Rücknahmeprozesse. Mit spezialisierten Partnern sammeln sie die Geräte ein, löschen Daten rechtskonform, bereiten sie auf und setzen sie wieder ein oder verkaufen sie weiter. Das schont Rohstoffe und entlastet die Haushalte.
- Auch mittelständische Unternehmen erkennen zunehmend das Potenzial zirkulärer IT-Strategien. Austauschprogramme für Mitarbeitende, bei denen gebrauchte, aber voll funktionsfähige Geräte intern weitergegeben oder extern „neu vermarktet“ werden, sind ein typisches Beispiel. Neben der Einsparung von Anschaffungskosten ergeben sich dadurch auch neue Einnahmequellen ‒ und ein messbarer Beitrag zu den ESG-Zielen.
Was diese erfolgreichen Beispiele eint: Sie basieren auf klar definierten Prozessen, transparenter Kommunikation und der Einhaltung regulatorischer Anforderungen. Compliance ist Pflicht ‒ von der zertifizierten Datenlöschung bis zu rechtssicheren Exporten. Ohne sie funktioniert keine Circular‑IT‑Strategie.
6. Ein Ausblick
Die Zukunft nachhaltiger IT liegt in intelligenten Plattformen, die Wiederverwendung, Rückführung und Verwertung in einem System bündeln. Sie bringen nicht nur Effizienz, sondern geben Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen Steuerung in die Hand ‒ mit echten Daten, klaren Prozessen und Lösungen, die sich skalieren lassen.
Im Zuge der zunehmenden regulatorischen Anforderungen ‒ etwa durch die CSRD und die ESRS ‒ wird die Nachweisbarkeit von Kreislaufprozessen immer wichtiger. Circular Platforms können hier als operative Basis dienen, um über Kennzahlen wie CO2-Ersparnis, Rücklaufquoten oder „Circularity Scores“ aussagekräftig berichten zu können.
Auch die Rolle der Verbraucher wird sich weiterentwickeln: Von passiven Nutzern hin zu aktiven Mitgestaltenden der Elektronikzukunft. Durch bewusste Kaufentscheidungen, Nutzung von Rückgabeprogrammen und Vertrauen in geprüfte Gebrauchtware können sie den Wandel maßgeblich mitbestimmen. Unternehmen wiederum sind gefordert, Transparenz zu schaffen und Kreislauflösungen nicht als Nische, sondern als Standard zu etablieren.
FAZIT | Die Kombination aus technologischer Innovation, regulatorischem Druck und wachsendem Umweltbewusstsein führt zu einer neuen Normalität ‒ in der nachhaltige Elektronik kein Sonderfall mehr ist, sondern gelebte Realität. Die nächste Dekade wird zeigen, wer diesen Wandel aktiv mitgestaltet ‒ und wer zurückbleibt. |
Zum Autor | Dennis Dahrendorff ist Unternehmer in der Kreislaufwirtschaft für Elektronik und Geschäftsführer von Global Circular Tech (GCT), einer auf Rückkauf, Wiederaufbereitung und Wiedervermarktung von Geräten spezialisierten Plattform im B2B-Umfeld. Er bringt über 15 Jahre Erfahrung in der Gestaltung zirkulärer Wertschöpfungsketten für Consumer Electronics mit, darunter Buyback-, Trade‑in-, Refurbishment- und Recycling-Programme für Hersteller, Netzbetreiber, Versicherer, Händler und Unternehmenskunden.
Zum Unternehmen | Global Circular Tech (GCT) baut Kreislaufprozesse für Konsumelektronik auf: Rücknahme, zertifizierte Datenlöschung, Aufbereitung (Refurbishment) und Wiedervermarktung von Smartphones, Tablets und Notebooks für Hersteller, Netzbetreiber, Händler, Versicherer und Unternehmen. Das Unternehmen entwickelt und betreibt Trade‑in‑Programme, organisiert Reparatur- und Recyclingströme und unterstützt Modelle wie Device as a Service, um Nutzungsdauer und Restwerte zu erhöhen. Ziel ist es, Vertrauen in gebrauchte Elektronik zu schaffen, Kosten zu senken und messbare Nachhaltigkeit in globalen Warenströmen zu ermöglichen.