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  • · Abkommensrecht

    Keine Arbeitgebereigenschaft einer Betriebsstätte nach Abkommensrecht

    Bild: © kapinon ‒ stock.adobe.com

    von Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

    | Eine ausländische Betriebsstätte einer im Inland ansässigen rechtlich selbstständigen Person kann nach Ansicht des BFH mangels Ansässigkeit in einem der Vertragsstaaten nicht Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne sein ( BFH 12.12.24, VI R 25/22, DStR 25, 891). |

     

    Sachverhalt

    Eine in Deutschland ansässige AG betreibt weltweit Zweigniederlassungen. Die Arbeitnehmer, die in diesen Auslandsniederlassungen tätig sind, haben ihren Wohnsitz jeweils im Staat ihrer Beschäftigung. In unregelmäßigen Abständen reisen sie für kurze Dienstreisen, etwa zu Schulungen oder Projektarbeiten, nach Deutschland zur Mutter-AG. Diese Dienstreisen nach Deutschland erfolgen im Interesse der jeweiligen Auslandszweigniederlassung, die auch sämtliche Reisekosten sowie die komplette Tätigkeitsvergütung trägt. Alle mit der Tätigkeit dieser Mitarbeiter verbundenen Kosten werden in der Buchführung der jeweiligen Auslandsniederlassung erfasst. Die deutsche Mutter-AG erstattet diese Kosten weder vollständig noch teilweise.

     

    Das FA nahm bei der AG als inländischer Arbeitgeberin nach § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG den Lohnsteuerabzug von dem Arbeitslohn vor, der auf die Inlandsdienstreisen der Arbeitnehmer aus den ausländischen Betriebsstätten entfällt. Die hiergegen erhobene Klage der AG blieb sowohl vor dem FG Niedersachsen (16.12.21, 11 K 14197/20) als auch im Revisionsverfahren vor dem BFH erfolglos.

     

    Anmerkungen

    Die in ihrem jeweiligen Beschäftigungsstaat wohnhaften Arbeitnehmer der AG sind in Deutschland mit dem für ihre Tätigkeit in Deutschland bezogenen Arbeitslohn beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4, § 19 Abs. 1 und § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) EStG). Nach dem nationalen (Lohn-)Steuerrecht war die AG als inländische Arbeitgeberin zum Einbehalt und zur Anmeldung der Lohnsteuer hinsichtlich der Vergütung verpflichtet, die auf die inländischen Dienstreisen der im Ausland ansässigen Arbeitnehmer entfällt (§ 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 S. 1 EStG, § 39b EStG, § 41a EStG).

     

    Die AG durfte auch nicht nach den maßgeblichen DBA von der Anmeldung der Lohnsteuer absehen. Denn das Besteuerungsrecht steht auch nach dem Abkommensrecht Deutschland als Tätigkeitsstaat zu.

     

    Etwas anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht aus der sog. 183-Tage-Klausel, die sämtliche einschlägigen DBA enthalten. Danach ist das ausschließliche Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats wiederum nur dann begründet, wenn sämtliche Voraussetzungen der Regelung kumulativ vorliegen (vgl. u. a. Art. 14 Abs. 2 DBA-Niederlande, Art. 15 Abs. 2 DBA-Belgien oder Art. 13 Abs. 4 DBA-Frankreich).

     

    Streitig war insoweit allein die Frage, ob die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im anderen Vertragsstaat (hier: Deutschland) ansässig ist. Diese Voraussetzung haben im Streitfall sowohl das FG Niedersachsen als auch der BFH verneint, weil die ausländischen Betriebsstätten nicht als Arbeitgeberinnen i. S. d. einschlägigen Abkommensrechts in Betracht kommen:

     

    • Die ausländischen Zweigniederlassungen sind lediglich Betriebsstätten der AG. Eine Betriebsstätte kann aber, wie das FG zutreffend entschieden hat, bereits dem Grunde nach nicht Arbeitgeber i. S. d. Abkommensrechts sein. Abkommensrechtlich kommt als Arbeitgeber nur eine Person in Betracht, die die Fähigkeit besitzt, in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig zu sein. Eine Betriebsstätte kann jedoch nicht ansässig sein und falle damit grundsätzlich nicht unter den Arbeitgeberbegriff (zuletzt BFH 16.5.24, VI R 31/21, BStBl II 24, 646, Rz. 29).

     

    • Aus dem Begriff des wirtschaftlichen Arbeitgebers ergibt sich abkommensrechtlich nichts anderes. Denn die AG ist als einzige Arbeitgeberin der im In- und im Ausland wohnhaften Arbeitnehmer nicht nur zivilrechtliche, sondern gleichzeitig auch wirtschaftliche Arbeitgeberin. Außer der AG gibt es keine (andere) Person, die den Arbeitslohn der in das Inland entsandten ausländischen Arbeitnehmer wirtschaftlich trägt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Mit dem AmtshilfeRLUmsG (26.6.13, BGBl I 13, 1809) wurde der sog. Authorised OECD Approach (AOA) in nationales Recht übernommen. In Art. 7 Abs. 1 und 2 OECD-MA wird seitdem eine Betriebsstätte für die steuerliche Gewinnabgrenzung weitestgehend als selbstständiges und unabhängiges Unternehmen angesehen. Fraglich war aber, ob die hiermit erfolgte Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte auch Auswirkungen auf den Arbeitgeberbegriff im DBA-Recht nach sich zieht und eine Betriebsstätte entgegen der bisherigen BFH-Rechtsprechung als abkommensrechtlicher Arbeitgeber zu qualifizieren ist. Diese Frage hat der BFH nunmehr verneint und damit die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt (s. aktuell BMF 12.12.23, IV B 2 - S 1300/21/10024 :005, BStBl 23, 2179, Tz. 144, 216).

     

    Daher gilt: Betriebsstätten sind keine Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne. Das Stammhaus bleibt auch bei finanzieller Trennung und Zahlung der Vergütungen über die Betriebsstätten regelmäßig der lohnsteuerlich relevante Arbeitgeber, sollte die Tätigkeit in dessen Ansässigkeitsstaat ausgeübt werden. In diesen Fällen ist daher anteilig Lohnsteuer einzubehalten. Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen bedeutet das: Es ist große Sorgfalt bei der lohnsteuerlichen Behandlung von Dienstreisen geboten.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zum Arbeitgeberbegriff nach dem DBA-GB beim internationalen Arbeitnehmerverleih s. PIStB 03, 62 ff.
    Quelle: Ausgabe 07 / 2025 | Seite 176 | ID 50406571