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  • · Fachbeitrag · Schlussauskehrungen

    Kapitalertragsteuer in grenzüberschreitenden Liquidationsfällen

    von RA Christian Gaßmann, Düsseldorf

    | Die Pflicht zum Kapitalertragsteuereinbehalt auf Ausschüttungen an ihre beschränkt steuerpflichtige Muttergesellschaft besteht grundsätzlich auch bei Ausschüttungen einer in Liquidation befindlichen, in Deutschland ansässigen Kapitalgesellschaft. Dieser Beitrag schildert die Anwendbarkeit eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) bzw. der Mutter-Tochter-Richtlinie (vgl. § 43b EStG ) in solchen Fällen, beleuchtet die derzeitige Auffassung der Finanzverwaltung zu dieser Thematik und stellt Handlungsempfehlungen für die Praxis vor. |

    1. Zum Hintergrund

    Bei Ausschüttungen an in- oder ausländische Gesellschafter von in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften fällt grundsätzlich Kapitalertragsteuer von 25 % an (vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1a EStG in Verbindung mit § 43a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG). Werden die Dividenden an beschränkt steuerpflichtige Muttergesellschaften ausgeschüttet (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5a EStG), kann die Kapitalertragsteuer nach einem DBA, nach § 43b EStG, § 44a Abs. 9 EStG (jeweils in Verbindung mit § 50d EStG) oder § 32 Abs. 5 KStG reduziert bzw. erstattet werden, sofern die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind. Befindet sich die ausschüttende Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt der (potenziellen) Entstehung der Kapitalertragsteuer in Liquidation, stellt sich die Frage, ob eine Entlastung hinsichtlich der Schlussauskehrung durch DBA oder § 43b EStG möglich ist. Um diese Frage beantworten zu können, muss zunächst geklärt werden, ob es sich bei einer solchen Ausschüttung um Dividenden i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG oder um Liquidationsraten i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG handelt.

     

    MERKE | Liegt ein Liquidationsfall vor, in dem § 17 Abs. 4 S. 1 EStG anzuwenden ist (Auflösung, Kapitalherabsetzung und Ausschüttung aus dem steuerlichen Einlagenkonto), kommt eine Kapitalertragsteuer dem Grunde nach schon nicht in Betracht. Dies wird in der Regel der Fall sein, wenn die Gesellschaft überschuldet und Auflösungsgründe nach den §§ 60 bis 62 GmbHG (z. B. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens) greifen (vgl. Weber-Grellet in: Schmidt, § 17 EStG, Rn. 214.). Führt die Auflösung einer Gesellschaft hingegen zu Bezügen aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG, gilt § 17 Abs. 4 S. 1 EStG nicht (vgl. § 17 Abs. 4 S. 3).

     

    2. Beispiel

    Die NL B. V., ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in den Niederlanden. Sie verfügt dort über einen eigenen angemessen eingerichteten Gewerbebetrieb mit acht Mitarbeitern und generiert Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit. Die Gesellschaft ist in den Niederlanden im Handelsregister eingetragen. Die NL B. V. gehört zum Konzern der brasilianischen Muttergesellschaft Brasil SA. Sämtliche Anteile an der NL B. V., werden von der NL International B. V. in den Niederlande gehalten.

     

    Die Schuldnerin der Kapitalerträge, die Deutschland GmbH iL, die in Deutschland bis zu ihrer Liquidation tätig war, wurde nach Beendigung der Liquidation aufgelöst und Ende Dezember 2016 im Handelsregister gelöscht. Die Liquidation erfolgte nicht aufgrund einer Überschuldung der Gesellschaft. Da die Gesellschaft schon seit längerer Zeit aufgrund einer Umstrukturierung und Neuausrichtung des Hauptbeschäftigungsfeldes des Konzerns nicht aktiv genutzt wurde, ordnete die Konzernmutter die Liquidation an.

     

    Das zum Ende der Liquidation verbleibende Nettovermögen der Deutschland GmbH iL belief sich auf ca. 10.000.000 EUR. Mit Gesellschafterbeschluss von Ende Juni 2016 wurde die Schlussauskehrung des Vermögens an die alleinige Gesellschafterin, die NL B. V., mit Wirkung zum 25.6.16 beschlossen.

     

    Auf Kapitalerträge, welche aus der Schlussauskehrung resultieren, wurde auf Rechnung der NL B. V. Kapitalertragsteuer sowie der Solidaritätszuschlag einbehalten und abgeführt (vgl. nachfolgende Skizze).

     

     

    Die NL B. V. beantragte daraufhin die Erstattung der insgesamt entrichteten Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag.

     

    Um eine vollständige Erstattung der abgeführten Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags zu erlangen, beantragte die NL B. V. die Erstattung sowohl nach DBA als auch nach § 43b EStG. Der Großteil des Erstattungsanspruchs von 95 % beruhte hierbei auf dem DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande (DBA-NL). Der darüber hinausgehende Erstattungsanspruch von 5 % beruhte auf § 43b EStG in Verbindung mit der EU-Richtlinie 90/435/EWG, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2015/121/EG vom 27.1.15, über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten („Mutter-Tochter-Richtlinie“).

    3. Erstattungsanspruch gemäß DBA NL

    Die NL B. V. ist zur Erstattung von Kapitalertragsteuer nach DBA berechtigt, soweit die tatsächlich einbehaltene Abzugsteuer die nach dem DBA NL maßgebende Quellensteuer übersteigt.

     

    Nach Art. 10 Abs. 1 DBA-NL (2012) können Dividenden grundsätzlich in dem Staat besteuert werden, in dem der Empfänger ansässig ist (hier: Niederlande). Gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. a) DBA NL ist die Besteuerung von Dividenden zwar auch in dem Staat möglich, in dem die die Dividende zahlende Gesellschaft ansässig ist (hier: Deutschland). Die Steuer darf aber 5 % des Bruttobetrags der Dividenden nicht übersteigen, wenn der Nutzungsberechtigte eine Kapitalgesellschaft ist, die unmittelbar mindestens 10 % der Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft hält.

     

    MERKE | Gemäß Abschnitt X des Protokolls zum DBA-NL finden die für die Dividenden maßgebenden Grundsätze auch für Kapitalerträge im Zusammenhang mit der Schlussauskehrung einer Kapitalgesellschaft Anwendung.

     

    Die NL B. V. ist grundsätzlich abkommensberechtigt für Zwecke des DBA-NL. Sie ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz bzw. Ort der Geschäftsleitung in den Niederlanden und ist in den Niederlanden unbeschränkt steuerpflichtig. Sie erfüllt auch die Voraussetzungen für die Ermäßigung der Abzugsteuer auf 5 %, da sie bis zur Löschung der Deutschland GmbH iL sämtliche Anteile an der Gesellschaft hielt. Die erforderliche Mindestgrenze von 10 % ist damit erfüllt.

     

    Beachten Sie | Der Steuerentlastung nach dem DBA-NL steht auch § 50d Abs. 3 EStG nicht entgegen. Zum einen ist an der NL B. V. allein die NL International B. V., beteiligt, die grundsätzlich ebenfalls die Erstattung bzw. Freistellung nach dem DBA-NL beanspruchen könnte. Zum anderen verfügt die NL B. V. über einen angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb und nimmt am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil. So hat die Gesellschaft eigenes Personal (acht Mitarbeiter im Inland mit nicht unerheblichen Personalkosten), sie nutzt eigene Geschäftsräume, verfügt über Kommunikationsverbindungen, etc. Die Bruttoerträge der NL B. V. stammen ausschließlich aus eigener Wirtschaftstätigkeit, sodass eine Versagung der Entlastung nach § 50d Abs. 3 EStG nicht in Betracht kommt.

     

    Die NL B. V. beantragte daher nach der hier vertretenen Auffassung zu Recht die Ermäßigung der Kapitalertragsteuer und die Erstattung von darüber hinausgehenden einbehaltenen Quellensteuern nach dem DBA-NL.

    4. Erstattungsanspruch gemäß § 43b EStG i. V. m. Mutter-Tochter-Richtlinie

    § 43b EStG wurde zur Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie (MTRL) in Deutschland eingeführt. Neben der generellen Freistellung der Muttergesellschaft sind nach § 43b EStG die von einer inländischen Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft mit Geschäftsleitung in einem anderen EU-Staat ausgeschütteten Gewinne vom Steuerabzug an der Quelle zu befreien (vgl. Weber-Grellet in: Schmidt, § 43b EStG Rn. 1). Darüber hinaus ist die Erstattung der Kapitalertragsteuer notwendig, um die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit zu gewährleisten.

     

    4.1 Sachlicher Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie

    Bei der NL B. V. und ihrer Tochtergesellschaft (Deutschland GmbH iL) in Deutschland handelt(e) es sich um Gesellschaften i. S. d. MTRL. Bei der Tochtergesellschaft muss es sich demnach ‒ wie vorliegend ‒ um eine inländisch unbeschränkte Kapitalgesellschaft i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG handeln. Die Muttergesellschaft muss eine Gesellschaft der in Anlage 2 zu § 43b EStG aufgeführten Rechtsformen sein. Gemäß Anlage 2 zu § 43b EStG Nr. 1 Buchst. t) gehört die Rechtsform der niederländischen B. V. zu den von § 43b EStG erfassten Gesellschaften.

     

    Der sachliche Anwendungsbereich der MTRL umfasst nach Art. 1 MTRL Gewinnausschüttungen.

     

    Beachten Sie | Die MTRL selbst definiert nicht, was unter Gewinnausschüttungen zu verstehen ist. Nach der Begründung des Rats der Europäischen Union (Amtsblatt der Europäischen Union 2004, L 7 S. 41) zielt die MTRL darauf ab, „Dividendenzahlungen und andere Gewinnausschüttungen“ von Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaften von Quellensteuern zu befreien.

     

    Gemäß Art. 5 Abs. 1 der MTRL sind die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne vom Steuerabzug an der Quelle befreit. Dies umfasst sämtliche Arten von Gewinnausschüttungen, wie z. B. Dividendenzahlungen oder eben Ausschüttungen im Rahmen einer Liquidation. Eine Einschränkung findet auf Ebene der MTRL nicht statt.

     

    Die Begriffe „Gewinnausschüttungen“ und „ausgeschüttete Gewinne“ sind als Oberbegriffe und damit umfassend zu verstehen. Das folgt aus der amtlichen Begründung der MTRL, dem Wortlaut der Richtlinie, nachdem die Sätze 1 bis 3 des § 43b EStG nur in Fällen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG greifen und Nr. 2 ausdrücklich nicht genannt ist (vgl. auch Bullinger, IStR 04, 406 [41O]; Grotherr, IWB Fach 3 Gruppe 2, 1157 [1165]) sowie ihre Systematik in den Art. 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 MTRL). Insbesondere enthält die Befreiung von der Quellensteuer in Art. 5 Abs. 1 MTRL keine Einschränkung hinsichtlich etwaiger Liquidationsfälle.

     

    Dividenden i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und Bezüge, die nach Auflösung einer Körperschaft anfallen und nicht in der Rückzahlung von Nennkapital i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG bestehen, sind in diesem Zusammenhang Unterfälle dieses Oberbegriffs und sollten somit von § 43b EStG ebenfalls erfasst sein.

     

    Beachten Sie | Eine separate Definition der „Gewinnausschüttungen“ bedarf es nach Auffassung der EU-Mitgliedstaaten nicht, da diesbezüglich der Begriff des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA entscheidend sein soll (vgl. Thömmes/Nakhai, Kommentar zur Mutter-Tochter-Richtlinie, in: Thömmes/Fuks, EC Corporate Tax Law, Amsterdam, Art. 5 EU Mutter-Tochter-Richtlinie, Rn. 153).

     

    Die Endauskehrung des Vermögens (Liquidationsauskehrung) fällt ‒ wie reguläre Gewinnausschüttungen ‒ in den Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 der MTRL. § 43b EStG, auf den § 50d Abs. 1 S. 1 EStG Bezug nimmt, setzt die MTRL nicht richtlinienkonform in nationales Recht um und verstößt somit gegen sekundäres Gemeinschaftsrecht. § 43b EStG begrenzt den sachlichen Anwendungsbereich richtlinienwidrig auf Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und schließt Liquidationsraten i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG von seinem Anwendungsbereich aus. Insoweit verstößt § 43b EStG nach der hier vertretenen Auffassung gegen Art. 5 Abs. 1 MTRL.

     

    Dies sehen auch gewichtige Stimmen in der einschlägigen Fachliteratur so (vgl. z. B. Kofler, Mutter-Tochter-Richtlinie, Kommentar, S. 159; Knobbe-Keuk, EuZW 92, 336; Bullinger, IStR 04, 406).

     

    Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nur unzulänglich in das nationale Recht transformiert hat (vgl. EuGH 12.2.09, C-138/07, EuZW 2009, 329 [332], m. w. N.). Die Muttergesellschaft, als Gläubigerin der Ausschüttungen, kann sich vor den nationalen Gerichten und Behörden unmittelbar auf Art. 5 Abs. 1 MTRL berufen, da Art. 5 Abs. 1 MTRL klar und eindeutig vorsieht, dass Muttergesellschaften vom Steuerabzug an der Quelle zu befreien sind (vgl. EuGH 17.10.96, C-283/94, C-291/94, C-292/94, DStRE 97, 22 [25] zu Art. 5 Abs. 1 MTRL in der Fassung per Richtlinie 90/435/EWG 23.7.90). Aus diesen Gründen ist ein Erstattungsanspruch der NL B. V. in Höhe des über die DBA-Erstattung hinausgehenden Kapitalertragsteuerbetrags m. E. nach zwingend.

     

    PRAXISHINWEIS | Dem Antragsteller auf Erstattung der gezahlten Kapitalertragsteuer entsteht ‒ anders als im finanzgerichtlichen Klageverfahren ‒ kein erhöhtes Kostenrisiko, wenn er sich sowohl auf eine Erstattung nach DBA als auch auf eine Erstattung nach § 43b EStG beruft und ein Antrag abgelehnt wird. Daher ist dem Mandanten in Zweifelsfällen anzuraten, sowohl einen Antrag auf Erstattung nach DBA als auch nach § 43b EStG zu stellen. Um das Verfahren einheitlich zu gestalten, sollten beide Anträge zeitgleich und unter Zuhilfenahme eines erläuternden Begleitschreibens beim Bundeszentralamt für Steuern durch die Muttergesellschaft gestellt werden.

     

    4.2 Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit

    Ferner liegt m. E. nach ein nicht gerechtfertigter Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EGV und gegebenenfalls auch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 EGV vor, sofern der Erstattungsanspruch der Antragstellerin bzgl. des Liquidationserlöses abgelehnt wird.

     

    Die NL B. V. ist nach § 2 Nr. 1 KStG mit ihren inländischen Einkünften i. S. v. § 8 Abs. 1 S. 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a), 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Die Körperschaftsteuer ist nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG für die Liquidationsraten durch die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer abgegolten (§ 31 Abs. 1 S. 1 KStG, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG). Eine Erstattung nach § 32 Abs. 5 S. 1 KStG kommt vorliegend nicht in Betracht, da sich die Vorschrift nur auf Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bezieht und Erträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht erfasst werden. Gewinnausschüttungen ‒ basierend auf Liquidationserlösen bei beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften ‒ unterliegen demnach einer höheren Steuerbelastung als unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften, bei denen die Kapitalertragsteuer nach § 31 Abs. 1 S. 1 KStG i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die Körperschaftsteuer anzurechnen ist, bei gleichzeitiger Steuerbefreiung der erhaltenen Liquiditätsraten nach § 8b KStG.

     

    Die mit der Abgeltung verbundene Definitivbelastung mit Kapitalertragsteuer führt zu einer europarechtswidrigen Diskriminierung ausländischer Kapitalgesellschaften im Vergleich zu inländischen Kapitalgesellschaften. Die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit untersagen es den Mitgliedstaaten, grenzüberschreitende Gewinnausschüttungen gegenüber Gewinnausschüttungen inländischer Gesellschaften zu benachteiligen. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG verstößt somit gegen die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit.

     

    Beachten Sie | Mit Urteil vom 20.10.11 hat der EuGH entschieden, dass eine solche Ungleichbehandlung von nicht ansässigen und ansässigen Muttergesellschaften gegen das geltende EU-Recht verstößt (EuGH 20.10.11, C-284/09).

     

    Die Erstattung von Kapitalertragsteuer sollte daher auch beantragt werden, soweit sie über den Erstattungsanspruch gemäß dem DBA-NL hinausgeht.

    5. Auffassung der Finanzverwaltung

    Wie die jüngst gesammelten Erfahrungen zeigen, tendiert die Finanzverwaltung dazu, Anträgen in Fällen ‒ wie den hier vorliegenden ‒ zumindest nach dem DBA-NL zuzustimmen, während Anträge nach § 43b EStG auf Erstattung der verbleibenden 5 % mit dem Hinweis auf die Nichtanwendbarkeit abgelehnt werden. In Fällen ‒ wie dem hier vorliegenden ‒ wurde nach Erfahrung des Autors eine Erstattung nach dem DBA-NL somit gewährt, während eine darüber hinausgehende Erstattung versagt blieb.

     

    FAZIT | Es wird einiges an Überzeugungsarbeit bedürfen, ausländische Mandanten davon zu überzeugen, das streitige Verfahren vor deutschen Gerichten zu suchen, sofern der Antrag nach § 43b EStG abgelehnt wird. Erfahrungsgemäß scheuen insbesondere ausländische Mandanten das Kostenrisiko und die Unsicherheit vor deutschen Gerichten. Aus Sicht des Verfassers sollte sich ein solches Verfahren unter Bezugnahme auf die hier dargelegten Gründe für die jeweils betroffenen Mandanten im Einzelfall lohnen. Es wird Aufgabe des Beraters sein, die Risiken und Erfolgsaussichten in der jeweiligen Sache abzuwägen, einzuschätzen und dem Mandanten letztendlich zu überzeugen, das streitige Verfahren zu betreiben oder auch nicht. Die vorgenannten Argumente sollten im Rahmen eines Einspruchverfahrens jedoch stets benannt werden, um die Erfolgsaussichten einer vollständigen Erstattung zu erhöhen.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2017 | Seite 334 | ID 44990053

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