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  • · Fachbeitrag · Liste der nicht kooperierenden Gebiete

    Russland steht auf der schwarzen Liste der EU: steuerliche Folgen für deutsche Unternehmen

    von Prof. Dr. David Eberhardt, Lemgo

    | Am 14.2.23 haben die EU-Außenminister Russland auf die schwarze Liste der Steueroasen gesetzt. Diese Maßnahme steht auch im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und stellt eine weitere Sanktionsmaßnahme dar. Was auf den ersten Blick wie ein rein politisches Statement wirkt, führt steuerlich zu großen Auswirkungen bei betroffenen Unternehmen mit Russlandinvestitionen. Anhand von Beispielsfällen werden die steuerlichen Konsequenzen dargestellt. |

    1. Hintergrund

    Die schwarze Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete der EU enthält diejenigen Länder, die als Steueroasen gelten. Innerhalb der EU wurde sich darauf verständigt, diese Steueroasen mit diversen steuerlichen Abwehrmaßnahmen zu bekämpfen. In Deutschland ist dafür das Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) implementiert worden (zu den zentralen Praxiseffekten des Steueroasen-Abwehrgesetzes s. Loose, PIStB 21, 217). Die in diesem Gesetz enthaltenen Abwehrmaßnahmen knüpfen zwar nicht unmittelbar an die schwarze Liste an, faktisch kommt es aber allein darauf an (vgl. Eberhardt, StuB 21, 317, 319). Daneben spielt die schwarze Liste noch bei den EU-weit koordinierten Anzeigepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen eine Rolle.

    2. Steuerliche Auswirkungen

    2.1 Betriebsausgabenabzugsverbot

    Aufgrund des Status als Steueroase wird zukünftig das Betriebsausgabenabzugsverbot des § 8 S. 1 StAbwG zu beachten sein. In Anlehnung an die Zinsschranke kann man hier von einer „Steueroasen-Schranke“ sprechen (vgl. Woitok, IStR 21, 777, 781). Erfasst werden davon im Grundsatz Aufwendungen aus sämtlichen Transaktionen mit Russlandbezug. Bei extensiver Auslegung sind ebenfalls Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Wirtschaftsgütern betroffen, auch wenn sich diese erst bei Verbrauch, Weiterveräußerung oder durch die AfA auswirken.

     

    Der Anwendungsbereich der Steueroasen-Schranke wird nach § 8 S. 2 StAbwG jedoch deutlich eingeschränkt. Zum einen greift das Betriebsausgabenabzugsverbot gemäß § 8 S. 2 Nr. 1 StAbwG nicht, wenn die korrespondierenden Erträge der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch die Anwendung des § 10 StAbwG gerade der Umfang der beschränkten Steuerpflicht deutlich vergrößert wird. Zum anderen sieht § 8 S. 2 Nr. 2 StAbwG eine Ausnahme von der Steueroasen-Schranke vor, wenn die Erträge der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Im Zusammenspiel mit den Verschärfungen der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 9 StAbwG wird die Steueroasen-Schranke somit insbesondere in Konzernfällen kaum zur Anwendung kommen (vgl. Woitok, IStR 21, 777, 782).

     

    • Beispiel 1

    Die deutsche A-GmbH erhält von der russischen B-OOO ein Darlehen und zahlt dafür Zinsen. Das Darlehen ist nicht durch inländischen Grundbesitz o. Ä. dinglich besichert. Die A-GmbH und die B-OOO sind keine verbundenen Unternehmen. Der Anwendungsbereich der Zinsschranke ist nicht eröffnet.

     

    Lösung: Grundsätzlich findet die Steueroasen-Schranke gemäß § 8 S. 1 StAbwG Anwendung. Eine unbeschränkte Steuerpflicht scheidet genauso aus wie die beschränkte Steuerpflicht, weil das Darlehen nicht den von § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c) Doppelbuchst. aa) EStG geforderten Inlandsbezug aufweist. Allerdings greift § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StAbwG und unterwirft die Zinsen der Besteuerung in Deutschland. Dementsprechend wird die Steueroasen-Schranke gemäß § 8 S. 2 StAbwG suspendiert.

     

    Beachten Sie | In zeitlicher Hinsicht sieht § 3 Abs. 2 S. 2 StAbwG vor, dass das Betriebsausgabenabzugsverbot erst ab Beginn des vierten Jahres nach Inkrafttreten der geänderten Rechtsverordnung, in der Russland als Steueroase aufgeführt ist, zur Anwendung kommt. Da die geänderte Rechtsverordnung aller Voraussicht nach im Jahr 2023 in Kraft treten wird, ist das Betriebsausgabenabzugsverbot somit ab dem 1.1.27 zu beachten.

     

    2.2 Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung

    Von besonderer Bedeutung wird zukünftig die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 9 StAbwG sein. Die Verschärfung besteht darin, dass neben den passiven auch die aktiven Einkünfte der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Die allgemeinen Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung (insbesondere Inländerbeherrschung und niedrige Besteuerung von weniger als 25 %) müssen aber weiterhin erfüllt sein.

     

    Für deutsche Unternehmen mit russischen Tochtergesellschaften, die aktiv z. B. in den Bereichen Vertrieb oder Produktion tätig sind, ergeben sich dadurch enorme negative Konsequenzen. So kommt es zu einer deutschen Besteuerung von Einkünften, die der Steuerpflichtige gar nicht selbst erzielt hat und die ihm auch nicht zugeflossen sind. Die russische Steuer von im Regelfall 20 % kann zwar auf die deutsche Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer gemäß § 12 AStG angerechnet werden. Eine Berücksichtigung des ggf. entstehenden Anrechnungsüberhangs bei der Gewerbesteuer ist aber nicht möglich (vgl. Middendorf/Eberhardt, StuB 21, 693, 698).

     

    Beachten Sie | Der Hinzurechnungsbetrag muss nach deutschem Steuerrecht ermittelt werden (vgl. Middendorf/Eberhardt, StuB 21, 693, 698). Das wird in vielen Fällen ein großes Problem für die betroffenen Unternehmen darstellen.

     

    • Beispiel 2

    Die deutsche C-GmbH hält 100 % der Anteile an der in Russland ansässigen D-OOO. Die D-OOO vertreibt die Produkte der C-GmbH im russischen Markt (aktive Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG) und erzielt daraus einen Gewinn. Die Belastung mit russischer Körperschaftsteuer beträgt 20 %.

    Lösung: Sämtliche Voraussetzungen der regulären Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG mit Ausnahme des Vorhandenseins passiver Einkünfte liegen vor. Wegen § 9 StAbwG ist die Hinzurechnungsbesteuerung aber dennoch vorzunehmen. Die aktiven Einkünfte unterliegen der Besteuerung auf Ebene der C-GmbH auch ohne Ausschüttung. Die russische Steuer kann auf die deutsche Körperschaft-, nicht aber auf die Gewerbesteuer angerechnet werden.

     

    Beachten Sie | Anders als die Steueroasen-Schranke ist die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 StAbwG ab dem Beginn des Folgejahrs des Inkrafttretens der geänderten Rechtsverordnung anzuwenden. Voraussichtlich bereits im Jahr 2024 wird erstmals eine Hinzurechnungsbesteuerung für aktive Einkünfte russischer Konzerngesellschaften vorzunehmen sein. Deshalb sollte zeitnah überlegt werden, wie die Ermittlung dieser Einkünfte nach deutschen Regelungen umgesetzt werden kann.

     

    2.3 Quellensteuermaßnahmen

    Vorsicht ist aus Sicht deutscher Unternehmen auch geboten, wenn sie Leistungsempfänger von Transaktionen mit russischen Unternehmen sind. Denn § 10 StAbwG erweitert den Anwendungsbereich der beschränkten Steuerpflicht deutlich um Einkünfte aus Finanzierungsbeziehungen, Versicherungsprämien, Dienstleistungen, dem Verkauf von Waren, der Vermietung und Verpachtung sowie der Veräußerung von Rechten, die in ein inländisches Register eingetragen sind. Weitere Voraussetzung ist, dass die Vergütungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Inland abzugsfähig sind. Für betroffene deutsche Unternehmen ergibt sich daraus zwar keine eigene Steuerbelastung. Aber für die Vergütungen ist ein Quellensteuerabzug von 15 % auf Bruttobasis vorzunehmen (ausführlich dazu: Grotherr, IWB 23, 127). Unterbleibt die Einbehaltung der Quellensteuer, droht die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner.

     

    Beachten Sie | Prinzipiell stehen der Erweiterung der deutschen Quellenbesteuerung die Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Russland entgegen. § 1 Abs. 3 StAbwG enthält aber einen umfassenden Treaty Override, sodass die abkommensrechtlichen Schranken nicht relevant sind (vgl. Woitok, IStR 21, 777, 782).

     

    • Beispiel 3

    Die russische E-OOO erbringt in Russland Vertriebsunterstützungsleistungen für ihre deutsche Muttergesellschaft, die F-GmbH & Co. KG. Sie erhält dafür eine fremdübliche Provision.

     

    Lösung: Wegen § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StAbwG unterliegt die Provision der deutschen Besteuerung. Die F-GmbH & Co. KG ist zum Quellensteuerabzug von 15 % der Provisionszahlung verpflichtet. Daneben greift grundsätzlich noch die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 9 StAbwG. Allerdings ist die deutsche Quellenbesteuerung bei der Ermittlung der maßgeblichen Steuerbelastung zu berücksichtigen, sodass eine Hinzurechnungsbesteuerung mangels niedriger Besteuerung ausscheidet, wenn in Russland keine Anrechnung der deutschen Steuer erfolgt.

     

    Beachten Sie | Auch für die Quellensteuermaßnahmen ist keine Karenzzeit vorgesehen. Voraussichtlich greifen diese Regelungen bereits ab dem 1.1.24.

     

    2.4 Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinne

    Als weitere Abwehrmaßnahme werden nach § 11 StAbwG Gewinnausschüttungen von russischen Gesellschaften nicht mehr nach § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG (teilweise) freigestellt. Ebenso wenig findet der Abgeltungsteuertarif Anwendung. Dasselbe gilt für Anteilsveräußerungsgewinne (§ 11 Abs. 1 S. 2 StAbwG).

     

    § 11 Abs. 3 StAbwG sieht Ausnahmen von der vollen Besteuerung vor, wenn bereits eine Quellenbesteuerung (§ 10 StAbwG) erfolgt ist oder die Steueroasen-Schranke (§ 8 StAbwG) greift. Ferner ist der Kürzungsbetrag nach § 11 AStG zu berücksichtigen, wenn die Hinzurechnungsbesteuerung anwendbar ist.

     

    Beachten Sie | Durch Anwendung des Schachtelprivilegs des Art. 23 Abs. 2 Buchst. a) S. 3 DBA-Russland kann die Besteuerung nicht verhindert werden. Denn gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StAbwG sind entsprechende abkommensrechtliche Regelungen nicht anzuwenden.

     

    • Beispiel 4

    Die russische G-OOO tätigt eine Gewinnausschüttung an ihren deutschen Gesellschafter, die H-GmbH. Diese hält seit Jahren 100 % der Anteile an der G-OOO.

     

    Lösung: Grundsätzlich ist die Dividende wegen § 8b Abs. 1 und 5 KStG zu 95 % freizustellen. § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StAbwG verhindert diese Freistellung, wenn nicht § 8 StAbwG oder § 10 StAbwG Anwendung findet oder die Ausschüttung aus Beträgen gespeist wird, die zuvor der Hinzurechnungsbesteuerung unterlegen haben. Gewerbesteuerlich kommt es zu einer Kürzung der Dividende nach § 9 Nr. 7 GewStG. Insoweit enthält § 11 StAbwG keine Regelung. Damit bleibt es für die Gewerbesteuer bei der Freistellung. Sie beträgt sogar 100 % statt 95 %, weil keine nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG angesetzt werden.

     

    PRAXISTIPP | Die Abwehrmaßnahmen für Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungsgewinne sind nach § 3 Abs. 2 S. 2 StAbwG erst ab Beginn des dritten Jahres nach Inkrafttreten der geänderten Rechtsverordnung, in der Russland als Steueroase aufgeführt ist, anzuwenden. Da die geänderte Rechtsverordnung voraussichtlich im Jahr 2023 in Kraft treten wird, ist § 11 StAbwG somit ab dem 1.1.26 zu beachten. Soweit keine anderweitigen Restriktionen dem entgegenstehen, kann es daher sinnvoll sein, thesaurierte Gewinne rechtzeitig vorher auszuschütten. Ebenso ist es ratsam, im Zusammenhang mit einem möglichen Verkauf von russischen Beteiligungen diese zeitliche Grenze in der Planung zu berücksichtigen.

     

    2.5 Gesteigerte Mitwirkungspflichten

    Ebenfalls von besonderer praktischer Bedeutung werden die erhöhten Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten gemäß § 12 StAbwG in Bezug auf Geschäftsbeziehungen mit Russlandbezug sein. Die nach § 12 Abs. 2 StAbwG anzufertigenden Aufzeichnungen entsprechen zwar im Wesentlichen dem, was bereits Inhalt der Verrechnungspreisdokumentation im Falle von Geschäftsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen sein wird. Die Aufzeichnungspflichten betreffen aber auch Geschäftsbeziehungen mit fremden Dritten. In diesen Fällen wird es naturgemäß oftmals schwierig werden, die notwendigen Informationen vom russischen Geschäftspartner zu erhalten.

     

    Es wird zudem gefordert, dass die Aufzeichnungen spätestens ein Jahr nach Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahrs erstellt werden. Hinzu kommt, dass die Aufzeichnungen ohne vorherige Aufforderung dem zuständigen Finanzamt bzw. in Fällen, in denen das Country-by-Country-Reporting gemäß § 138a AO anzuwenden ist, dem Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln sind.

     

    • Beispiel 5

    Die deutsche I-GmbH vertreibt ihre Produkte in Russland über die J-OOO, bei der es sich um einen fremden Dritten handelt. Weitere Geschäftsbeziehungen mit Russlandbezug bestehen nicht.

     

    Lösung: Die I-GmbH hat zeitnah für ihre Geschäftsbeziehung mit der J-OOO eine Art Verrechnungspreisdokumentation zu erstellen, auch wenn es sich nicht um ein verbundenes Unternehmen handelt. Die Aufzeichnungen sind unaufgefordert der zuständigen Finanzbehörde zu übermitteln.

     

    Beachten Sie | Die erweiterten Mitwirkungspflichten sind bereits für das Wirtschaftsjahr anzuwenden, das dem Inkrafttreten der geänderten Rechtsverordnung folgt, in der Russland erstmals als Steueroase aufgeführt wird. Aller Voraussicht nach wird somit der Zeitraum ab dem 1.1.24 betroffen sein. Die Aufzeichnungen nach § 12 StAbwG sind dann spätestens mit Ablauf des 31.12.25 zu erstellen und an die zuständige Finanzbehörde zu übermitteln.

     

    2.6 Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen

    Darüber hinaus ist bei Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen zwingend die Anzeigepflicht nach § 138d AO für grenzüberschreitende Steuergestaltungen zu beachten. Denn eines der Kennzeichen, das zur Anzeigepflicht führt, ist gemäß § 138e Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) AO die Tatsache, dass der Empfänger grenzüberschreitender Zahlungen in einem Staat ansässig ist, der auf der schwarzen Liste der Steueroasen steht.

     

    Beachten Sie | Der Begriff der Gestaltung ist sehr weit gefasst und umfasst auch Transaktionen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (vgl. BMF 29.3.21, IV A 3 - S 0304/19/10006 :010; IV B 1 - S 1317/19/10058 :011; BStBl I 21, 582, Tz. 9; Middendorf/Eberhardt, StuB 18, 549, 550).

     

    Die Anzeigepflicht gilt für sämtliche Zahlungen an russische verbundene Unternehmen, die in Deutschland zu abzugsfähigen Betriebsausgaben führen. Neben Vergütungen für Dienstleistungen oder die Darlehensüberlassung kommen bei weiter Auslegung des Betriebsausgabenabzugs auch Aufwendungen für Waren in Betracht, bei denen sich erst bei Verbrauch, Weiterveräußerung oder durch die AfA ein gewinnmindernder Effekt ergibt. Wenn und soweit zukünftig das Betriebsausgabenabzugsverbot gemäß § 8 StAbwG greift (s. o.), wird keine Anzeigepflicht mehr zu beachten sein.

     

    Die Anzeigepflicht greift in allen Fällen, in denen eines der auslösenden Ereignisse gemäß § 138f Abs. 2 AO am 14.2.23 oder später eingetreten ist.

     

    MERKE | Allein dadurch, dass Russland nun auf der schwarzen Liste steht, ergibt sich noch keine Anzeigepflicht bei bereits bestehenden Geschäftsbeziehungen. Gerade für Dauersachverhalte ist aber zu beachten, dass wesentliche Vertragsanpassungen als neue Gestaltung zu werten sind und damit die Meldepflicht auslösen (vgl. BMF 29.3.21,IV A 3 - S 0304/19/10006 :010; IV B 1 - S 1317/19/10058 :011; DOK 2021/0289747, BStBl. I 21 S. 582, Tz. 43, 45).

     

    Anders als bei vielen anderen Kennzeichen ist bei Zahlungen an Ansässige in Steueroasen nicht von Belang, ob sich überhaupt ein steuerlicher Vorteil ergibt. Der sog. Main-Benefit-Test kommt nicht zur Anwendung.

     

    Beachten Sie | Bereits die Entscheidung zur Umsetzung der jeweiligen Gestaltung löst eine Anzeigepflicht aus. Aufgrund der sehr kurzen Frist für eine ordnungsgemäße Anzeige von nur 30 Tagen nach Eintritt des auslösenden Ereignisses sind entsprechende Vorkehrungen (insbesondere die Information der relevanten Funktionsbereiche im Unternehmen sowie die Implementierung von Berichtspflichten) empfehlenswert. Nur so kann sichergestellt werden, dass die für die Anzeigepflicht zuständigen Personen oder der beauftragte Steuerberater rechtzeitig die Anzeige vornehmen können.

     

    • Beispiel 6

    Die D-GmbH hat eine 100%ige russische Tochtergesellschaft, die R-OOO. Am 15.2.23 beschließt die Geschäftsführung der D-GmbH, einen Vertriebsunterstützungsvertrag mit der R-OOO abzuschließen. Es soll eine fremdübliche Provision an die R-OOO gezahlt werden. Der Vertragsabschluss erfolgt am 14.4.23.

     

    Lösung: Es liegt eine anzeigepflichtige Steuergestaltung vor, weil Zahlungen an ein in Russland ansässiges verbundenes Unternehmen geleistet werden, die als Betriebsausgabe abzugsfähig sind. Auslösendes Ereignis gemäß § 138 f Abs. 2 Nr. 2 AO ist bereits die Entscheidung der Geschäftsführung der D-GmbH, weil in diesem Moment der Nutzer zur Umsetzung bereit ist. Die Frist zur Anzeige beträgt 30 Tage und endet mit Ablauf des 17.3.23.

     

    Abwandlung: Der Vertriebsunterstützungsvertrag ist bereits am 1.1.20 geschlossen worden und seitdem läuft die vertragsgemäße Umsetzung.

     

    Lösung Abwandlung: Es ist keine Anzeigepflicht zu beachten, weil die Steuergestaltung bereits implementiert war, bevor Russland auf die schwarze Liste der EU gesetzt wurde. Kommt es zukünftig allerdings zu einer wesentlichen Änderung des Vertrags, wird eine Anzeigepflicht ausgelöst.

     

    FAZIT | Die Aufnahme Russlands auf die schwarze Liste nicht kooperativer Staaten zieht vielfältige steuerliche Konsequenzen nach sich. Die einschlägigen Regelungen sind höchst komplex und haben teilweise gravierend negative Wirkungen. Deutsche Unternehmen mit russischen Geschäftsbeziehungen sollten zeitnah prüfen, inwieweit sie davon betroffen sind und entsprechende Vorbereitungen treffen. Anderenfalls besteht die Gefahr, eine böse Überraschung zu erleben.

     

    Zum Autor | Prof. Dr. David Eberhardt, M. Sc. ist Professor für Allgemeines und Besonderes Steuerrecht an der Hochschule für Finanzen NRW. Der Beitrag ist nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt die private Meinung des Autors wieder.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2023 | Seite 139 | ID 49225504

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