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  • · Fachbeitrag · Der steuerliche Wegzug

    Steuerglück im Ausland? Herausforderungen an die Aufgabe des Wohnsitzes bei Untervermietung

    von RA Dr. Constantin Frank-Fahle, LL. M., Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate

    | Erzielt ein Mitarbeiter aufgrund einer Entsendung oder eines sonstigen Wegzugs ins Ausland dort Einkünfte, hat er ein großes Interesse daran, dass diese in Deutschland nicht der Einkommensteuerpflicht unterliegen. Dies hängt jedoch insbesondere von dem Bestehen eines steuerlichen Wohnsitzes im Inland ab. Somit ist bei einem Wegzug ins Ausland auf die ordnungsgemäße Aufgabe des eigenen Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinne zu achten. Der Beitrag stellt die Rechtslage hinsichtlich der konkreten Anforderungen an die Wohnsitzaufgabe unter Einbeziehung der entsprechenden Rechtsprechung dar. |

    1. Ausgangsüberlegungen

    Aufgrund der wachsenden Globalität des Wirtschaftslebens entsenden deutsche Unternehmen zunehmend Mitarbeiter zu ausländischen Tochtergesellschaften (s. ausführlich zu Arbeitnehmerentsendungen in das Ausland pistb.iww.de, Abruf-Nr. 45604221). Auch Freiberufler suchen ihr kulturelles und steuerliches Glück zunehmend im Ausland. Für die entsprechenden Personen kann dies aus vielen Gründen interessant sein. So kann eine Tätigkeit im Ausland die Übernahme größerer Verantwortungsbereiche bedeuten, ebenso stellt die Auslandserfahrung eine zusätzliche Qualifikation dar, die zu Einkommenssteigerungen oder besseren Aufstiegschancen berechtigt.

     

    Entsendungen und sonstige Arbeitsverlagerungen in das Ausland bedürfen einer gründlichen Vorbereitung nicht nur in Bezug auf die zu treffenden Vorkehrungen im Gaststaat. Ebenso sollten die Auswirkungen im Heimatland nicht außer Acht gelassen werden. Dies gilt in erhöhtem Maße für einkommensteuerliche Erwägungen. Die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland entfällt nämlich nur, wenn der Wohnsitz im deutschen Inland vollständig aufgegeben wurde. Dabei wird an den Wohnsitz im steuerrechtlichen Sinne angeknüpft, sodass die Steuerpflicht weiterhin bestehen kann, obwohl sich der Mitarbeiter im Ausland befindet und eine Wohnung in Deutschland tatsächlich nicht nutzt. Besonders relevant sind in diesem Zusammenhang solche Konstellationen, in denen der Mitarbeiter die zuvor genutzte Wohnung aufgrund verschiedener Beweggründe beibehalten möchte und sie beispielsweise untervermietet. Dies kann zur doppelten Besteuerung des Einkommens führen.

    2. Rechtslage

    Für das Ende der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ist die vollständige Aufgabe des Wohnsitzes in Deutschland erforderlich. Da nach dem deutschen Steuerrecht keine ausschließliche Zuordnung eines Wohnsitzes erfolgt und ein Doppelwohnsitz unproblematisch möglich ist, führt der Umzug ins Ausland nicht zwingend zur Aufgabe des Wohnsitzes. Vielmehr sind hieran weitere Voraussetzungen geknüpft.

     

    2.1 Gesetzliche Anforderungen nach dem EStG und AO

    Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 EStG sind Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (anzunehmen bei einem bis auf kleine Unterbrechungen zusammenhängenden Aufenthalt von mehr als sechs Monaten jährlich) haben. Folglich unterliegen sämtliche Einkünfte, wo auch immer sie erzielt werden, der deutschen Steuerpflicht (sog. Welteinkommensprinzip). Obwohl der gewöhnliche Aufenthalt durch den Wegzug ins Ausland in der Regel unproblematisch dorthin verlagert wird, kann sich die Steuerpflicht aufgrund eines beibehaltenen deutschen Wohnsitzes ergeben, denn der Umzug steht nicht immer einer Wohnungsaufgabe gleich.

     

    2.1.1 Steuerlicher Wohnsitz

    Ein Wohnsitz ist der räumliche Lebensmittelpunkt einer Person. Ob ein Wohnsitz im steuerrechtlichen Sinne begründet wird, ergibt sich aus § 8 AO. Demnach muss die Person die Wohnung unter solchen Umständen innehaben, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und nutzen wird. Dieses „Innehaben“ erfordert eine tatsächliche Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten, welche aufgrund tatsächlicher äußerer Merkmale bestimmt wird. Dem subjektiven Willen des Steuerpflichtigen kommt insoweit keine Bedeutung zu. Der Mitarbeiter hat die Wohnung daher bereits inne, wenn er tatsächlich über sie verfügen kann und sie zumindest mit einer gewissen Regelmäßigkeit nutzt, die auf eine Beibehaltung bzw. künftige Nutzung schließen lässt.

     

    2.1.2 Aufgabe des steuerlichen Wohnsitzes

    Eine Aufgabe des Wohnsitzes bedarf einer vollständigen Beseitigung dieser Umstände. Somit ist erforderlich, dass die äußeren Merkmale nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht mehr den Schluss zulassen, dass die Wohnung durch den Mitarbeiter genutzt und beibehalten wird. Ausreichend ist im Falle einer Mietwohnung die Kündigung und vollständige Räumung. Eine Rückkehr muss jedenfalls in absehbarer Zeit ausgeschlossen sein.

     

    Auch eine Untervermietung kann zur Aufgabe des Wohnsitzes führen, wenn nach Wegzug ins Ausland keine Nutzungsmöglichkeit verbleibt. Hierbei wird unter anderem auf die tatsächliche Verfügungsgewalt abgestellt. Wird die Untervermietung hingegen nur zur Bewachung der Wohnung oder zeitlich begrenzt geschlossen, kann dies wiederum gerade gegen den Verlust der Verfügungsgewalt sprechen.

     

    MERKE | Wenngleich sich pauschale Aussagen verbieten, muss ein langfristiger Auslandsaufenthalt jedenfalls die Dauer von einem Jahr überschreiten, um eine Aufhebung des Wohnsitzes zu begründen. Maßgeblich ist aber stets eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.

     

    Der Annahme eines fortbestehenden Wohnsitzes steht auch nicht ein weiterer Wohnsitz im Ausland entgegen. Ein Steuerpflichtiger kann gleichzeitig mehrere Wohnsitze i. S. d. § 8 AO haben, die auch jeweils als gleichwertig anzusehen sind. Eine Unterscheidung nach „Hauptwohnsitz“ und „Nebenwohnsitz“ verbietet sich. Gleiches gilt für eine Anknüpfung an den allgemeinen Lebensmittelpunkt.

     

    2.2 Rechtsprechung

    Um die Frage bezüglich der verschiedenen Fallgruppen einheitlicher beantworten zu können, ist eine Orientierung an der Rechtsprechung hilfreich. Bezüglich der Wohnungsaufgabe im Falle eines beruflich bedingten Wegzugs ins Ausland sind demnach zwei Faktoren ausschlaggebend:

     

    • Die Länge des Auslandsaufenthaltes und
    • die Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Nutzung der Wohnung, vor allem bei Untervermietungen.

     

    In diesem Zusammenhang haben sich zwei Urteile des FG Hamburg hervorgetan.

     

    2.2.1 FG Hamburg 7.2.98, III 70/97

    Wird das Mietverhältnis aufrechterhalten, bleibt die Wohnung mit eigenen Möbeln eingerichtet, besteht der Telefonanschluss weiterhin und erfolgt auch keine Ab- und spätere Wiederanmeldung, so liegt keine Aufgabe des Wohnsitzes vor. Auch eine zeitlich begrenzte Untervermietung der eingerichteten Wohnung ändert daran nichts.

     

    • Sachverhalt

    Eine Lehrerin beabsichtigte aufgrund gewährten Sonderurlaubs, in den USA zu unterrichten, wobei der Arbeitsvertrag von Anfang an auf zwölf Monate begrenzt war. Nach Ablauf des Auslandsaufenthalts wollte sie in ihre alte Wohnung zurückkehren. Diese hatte sie aufgrund der verhältnismäßig kurzen Abwesenheit nicht gekündigt, der Mietvertrag lief weiter. Auch die Einrichtung sowie Möbel blieben unverändert und selbst der private Telefonanschluss wurde nicht abgemeldet. Allerdings vermietete sie die Wohnung in dem einschlägigen Zeitraum unter, wobei sich der Untermieter vertraglich gegenüber der Lehrerin verpflichtete, die Wohnung zu „betreuen“ und nicht länger als sechs Wochen unbeaufsichtigt zu lassen.

     

    Das FG entschied anhand einer Gesamtschau der objektiven Umstände, dass die Lehrerin auch mit dem in den USA erzielten Einkommen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, denn sie habe ihren Wohnsitz nicht aufgegeben. Dafür spreche die von vornherein auf ein Jahr begrenzte Dauer des Auslandsaufenthalts und die Beibehaltung ihres Mietverhältnisses. Dem stehe auch nicht die Untervermietung entgegen, da diese maßgeblich der „Betreuung“ der Wohnung diente. Schließlich spreche auch der nicht gekündigte Telefonanschluss und die fortbestehende Einrichtung mit eigenen Möbeln für einen Wohnsitz in Deutschland.

     

    2.2.2 FG Hamburg 20.6.01, I 468/98

    Ein ähnlich gelagerter Fall ‒ allerdings mit signifikanten Unterschieden, welche letztlich zu einem anderen Ergebnis führten ‒ wurde 2001 vom FG Hamburg entschieden. Danach kann eine Wohnung im Inland auch dann aufgegeben sein, wenn die bisherige Wohnung zeitlich begrenzt untervermietet und für die Zukunft eine Rückkehr ins Inland geplant wird.

     

    • Sachverhalt

    Ein Jurist zog nach England, um dort als angestellter Rechtsanwalt tätig zu werden, der Arbeitsvertrag war zeitlich unbegrenzt. Seine zuvor bewohnte zweigeschossige Wohnung in Hamburg wollte er allerdings beibehalten. Er baute sie im Vorfeld des Auslandsaufenthaltes um, sodass sie anschließend aus zwei separaten Wohneinheiten bestand, welche er wiederum jeweils für ein Jahr untervermietete. Während dieser Zeit hatte der Rechtsanwalt keine Zutritts- oder Nutzungsmöglichkeit. Beim Einwohnermeldeamt Hamburgs hatte er sich jedoch nicht abgemeldet. Nach etwa einem Jahr zog er wieder zurück nach Hamburg.

     

    Das FG Hamburg entschied in diesem Fall, dass der Rechtsanwalt trotz der zeitlich begrenzten und vorübergehenden Untervermietung während des Auslandsaufenthaltes keinen steuerlichen Wohnsitz in Deutschland innegehabt und somit keine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht bestanden habe. Die Untervermietung spreche gegen eine regelmäßige Benutzung und für eine Aufgabe der Wohnung. Daran hätten auch die Umstände nichts geändert, dass der Untermietvertrag zeitlich begrenzt und die zukünftige Rückkehr, wenngleich zeitlich noch nicht festgelegt, durchaus vorgesehen war. Dies gelte insbesondere, da die zeitliche Begrenzung nur erfolgte, um sicherzustellen, dass die Wohnung im Falle der Rückkehr wieder zur Verfügung steht. Entscheidend sei nämlich die Verfügungsmacht über die Wohnung und ob der Rechtsanwalt die Wohnung jederzeit nach eigenem Belieben als Bleibe nutzen könne. Dies war durch die Weitervermietung ausgeschlossen. Demgegenüber komme den weiteren Umständen, beispielsweise der ausbleibenden Abmeldung, lediglich Indizwirkung zu, sodass sich hieraus noch kein Innehaben der Wohnung ergebe.

     

    Im Endeffekt sei der wesentliche Unterschied zu dem ersten Urteil aus 1998, dass der Arbeitsvertrag unbegrenzt und damit die Rückkehr gerade nicht absehbar war. Das Gericht entschied daher, dass der Rechtsanwalt während seines Auslandsaufenthaltes keinen steuerlichen Wohnsitz in Deutschland innehatte. Er habe diesen wirksam durch die Untervermietung unter Hinzuziehung der weiteren Einzelheiten aufgegeben und war folglich nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Sein Einkommen in England durfte in Deutschland nicht versteuert werden.

     

    Beachten Sie | Ein beibehaltener, lediglich der Lagerung von Möbeln und Bücherkisten dienender Raum stand der Aufgabe des Wohnsitzes im konkreten Fall nicht entgegen.

    3. Schlussfolgerungen für die Praxis

    Insbesondere angesichts des zweiten Urteils des FG vermag man im Falle einer Entsendung bzw. eines sonstigen Wegzugs ins Ausland hinsichtlich der Aufgabe des Wohnsitzes im Inland optimistisch sein und sich insofern auf die Untervermietung der eigenen Wohnung verlassen. Anders lautende Gerichtsentscheidungen zeigen trotz ähnlich gelagerter Fälle jedoch, dass diesbezüglich keine 100%ige Sicherheit besteht. Die konkreten Anforderungen können keineswegs pauschalisiert werden, sie hängen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Die zeitliche Begrenzung des Auslandsaufenthaltes stellt in diesem Zusammenhang lediglich ein starkes Indiz dar.

     

    Für die Praxis heißt dies, dass der entsandte Mitarbeiter durch Maßnahmen sicherstellen muss, dass er seine Wohnung objektiv nicht mehr innehat. Er muss hierfür jedenfalls grundsätzlich seine Verfügungsgewalt aufgeben. Besonders geeignet ist nach wie vor die Untervermietung der Wohnung über einen längeren Zeitraum, jedenfalls wenn dem Untermieter das vollständige Nutzungsrecht eingeräumt wird. Persönliche Gegenstände sollten vollständig entfernt werden, bestenfalls verbleiben selbst die eigenen Möbel nicht in der Wohnung oder werden in einem „Lagerraum“ untergebracht. Darüber hinaus sollten keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen, die für eine geplante absehbare Rückkehr sprechen. Hierzu zählen insbesondere die Abmeldung beim Einwohnermeldeamt sowie von Telefon- und Internetanschlüssen, Pkw oder Verträgen, die auf die betroffene Person gemeldet sind oder auf deren Namen laufen. Die entsprechenden Kündigungen/Abmeldungen müssen zur Vermeidung einer Steuerpflicht vorgenommen werden. Gegebenenfalls können bei dem zuständigen Finanzamt zusätzlich weitere konkrete Anforderungen angefragt werden. Beachtenswert ist jedoch, dass im Falle der Beibehaltung der Wohnung trotz aller Maßnahmen stets ein Restrisiko verbleibt.

     

    Immerhin gibt es zur Thematik noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung, welche die Kriterien grundlegend bestimmt. Selbst die bereits ergangenen (unterinstanzlichen) Urteile sind sehr einzelfallbezogen, sodass sie kaum Aufschluss über ähnliche Fälle geben. Ein erhöhtes Restrisiko verbleibt insbesondere dann, wenn der Arbeitsvertrag zeitlich begrenzt ist und eine Rückkehr wahrscheinlich erscheint.

     

    Zum Autor | Dr. Constantin Frank-Fahle ist Gründungspartner bei der emltc Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzlei. Zuvor war er an den Standorten Berlin, Jakarta, München und Bangkok tätig. Die Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen in der Beratung bei Markteintritt, Lokalisierung, Restrukturierung, im nationalen und internationalen Steuerrecht sowie in der projektbegleitenden Beratung bei Infrastrukturvorhaben und Erneuerbare-Energie-Projekten. Kontakt: frank-fahle@em-ltc.com

    Quelle: Ausgabe 11 / 2021 | Seite 322 | ID 46618314

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