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  • 23.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122642

    Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 12.07.2012 – C-269/09

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    C-269/09

    In der Rechtssache C-269/09

    betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 15. Juli 2009,

    Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und F. Jimeno Fernández als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

    Klägerin,

    gegen

    Königreich Spanien, vertreten durch M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

    Beklagter,

    unterstützt durch

    Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke sowie durch K. Petersen als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

    Königreich der Niederlande, vertreten durch C. Wissels und M. de Ree als Bevollmächtigte,

    Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,

    Streithelfer,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter M. Safjan, M. Ilesi und E. Levits sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),

    Generalanwalt: J. Mazák,

    Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2011,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    Tenor:
    1. Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG verstoßen, dass es mit Art. 14 Abs. 3 der Ley 35/2006 del Impuesto sobre la Renta de las Personas Físicas y de modificación parcial de las leyes de los Impuestos sobre Sociedades, sobre la Renta de no Residentes y sobre el Patrimonio (Gesetz 35/2006 über die Steuer auf das Einkommen natürlicher Personen und zur teilweisen Änderung der Gesetze über die Körperschaftsteuer, die Steuer auf das Einkommen Gebietsfremder und die Vermögensteuer) vom 28. November 2006 eine Bestimmung erlassen und beibehalten hat, nach der Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, dazu verpflichtet sind, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige einzubeziehen.

    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    3. Das Königreich Spanien trägt drei Viertel der gesamten Kosten. Die Europäische Kommission trägt das übrige Viertel.

    4. Die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich der Niederlande und die Portugiesische Republik tragen ihre eigenen Kosten.

    Entscheidungsgründe
    Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG sowie aus den Art. 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass es in Art. 14 der Ley 35/2006 del Impuesto sobre la Renta de las Personas Físicas y de modificación parcial de las leyes de los Impuestos sobre Sociedades, sobre la Renta de no Residentes y sobre el Patrimonio (Gesetz 35/2006 über die Steuer auf das Einkommen natürlicher Personen und zur teilweisen Änderung der Gesetze über die Körperschaftsteuer, die Steuer auf das Einkommen Gebietsfremder und die Vermögensteuer) vom 28. November 2006 (BOE Nr. 285 vom 29. November 2006, S. 41734, berichtigt in BOE Nr. 57 vom 7. März 2007, S. 9634) eine Bestimmung erlassen und beibehalten hat, nach der Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, dazu verpflichtet sind, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige einzubeziehen.

    Spanisches Recht
    1
    Art. 14 Abs. 1 des Gesetzes 35/2006 stellt für die zeitliche Berücksichtigung steuerbarer Einkünfte folgende allgemeine Regel auf:

    "Die Einkünfte und Aufwendungen, nach denen sich das in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehende Einkommen bestimmt, werden dem jeweiligen Veranlagungszeitraum nach folgenden Kriterien zugeordnet:

    a) Einkünfte aus Arbeit und Kapital werden dem Veranlagungszeitraum zugeordnet, in dem der Anspruch des Berechtigten fällig wird;

    b) Einkünfte aus wirtschaftlichen Tätigkeiten werden vorbehaltlich etwaiger gesetzlicher Sonderregelungen nach den Bestimmungen der Regelung über die Körperschaftsteuer zugeordnet;

    c) Vermögenszuwächse und -verluste werden dem Veranlagungszeitraum zugeordnet, in dem die Vermögensänderung stattfindet."
    2
    Art. 14 Abs. 2 des Gesetzes 35/2006 sieht eine Reihe von Sonderregeln für die zeitliche Zuordnung bei verschiedenen Einkunftsarten vor.
    3
    Art. 14 Abs. 3 des Gesetzes 35/2006 bestimmt:

    "Endet die Steuerpflicht wegen Verlegung des Wohnsitzes, werden sämtliche noch nicht zugeordneten Einkünfte des Betroffenen dem letzten Veranlagungszeitraum, für den für die betreffende Steuer eine Erklärung abzugeben ist, zugeordnet, unter den gesetzlich festgelegten Bedingungen und gegebenenfalls durch ergänzende Selbstveranlagung, ohne Sanktion, Verzugszinsen oder sonstige Zuschläge."

    Vorverfahren
    4
    Da die Kommission der Auffassung war, dass die in dem nationalen Gesetz vorgesehene steuerliche Behandlung einer natürlichen Person, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt, gegen die Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG sowie gegen die Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens verstoße, richtete sie am 29. Februar 2008 ein Mahnschreiben an das Königreich Spanien, in dem sie u. a. geltend machte, dass durch diese diskriminierende Behandlung Personen, die den Mitgliedstaat verließen, gegenüber den dort bleibenden benachteiligt würden, da Erstere die Steuer im Zeitpunkt der Verlegung zahlen müssten, ohne dass sie die Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs hätten.
    5
    Das Königreich Spanien legte in seiner Antwort vom 7. Mai 2008 die Gründe für seine Ansicht dar, dass die betreffende Regelung weder gegen den EG-Vertrag noch gegen das EWR-Abkommen verstoße.
    6
    Da die vom Königreich Spanien vorgebrachten Argumente die Kommission nicht überzeugten, richtete sie an diesen Mitgliedstaat am 17. Oktober 2008 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie ihm für den Erlass der Maßnahmen, die erforderlich sind, um dieser Stellungnahme nachzukommen, eine Frist von zwei Monaten setzte.
    7
    Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 wiederholte der Mitgliedstaat im Wesentlichen die bereits in seiner früheren Mitteilung dargelegten Argumente.
    8
    Da diese Antwort der Kommission nicht genügte, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
    9
    Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. November 2009 sind die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich der Niederlande und die Portugiesische Republik im vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Spanien zugelassen worden.

    Zur Klage

    Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
    10
    Die Kommission ist der Auffassung, durch die in Rede stehende spanische Rechtsvorschrift würden natürliche Personen, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegten, insofern finanziell benachteiligt, als die noch nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige einbezogen würden. Sie müssten somit die Steuer im Zeitpunkt der Verlegung ihres Wohnsitzes entrichten, während die Steuerpflichtigen, die ihren Wohnsitz im Steuerinland behielten, keiner solchen Verpflichtung unterlägen. Durch diese Rechtsvorschrift werde daher eine diskriminierende Behandlung zugelassen, während unabhängig davon, ob die natürliche Person ihren Wohnsitz im Inland behalte oder nicht, ein und dieselbe Regel zu gelten habe.
    11
    Die Kommission stützt ihr Vorbringen im Wesentlichen auf die im Urteil vom 11. März 2004, de Lasteyrie du Saillant (C-9/02, Slg. 2004, I-2409) genannten Grundsätze, wobei sie allerdings einräumt, dass der Sachverhalt dieser Rechtssache anders gelagert gewesen sei als der vorliegende.
    12
    Dem Argument, dass die in Rede stehende spanische Rechtsvorschrift allenfalls sehr geringe Beschränkungen mit sich bringen könne, entgegnet die Kommission zunächst mit dem Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung jede nationale Maßnahme, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar sei, aber geeignet sei, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, eine Beschränkung darstelle.
    13
    Die genannte Rechtsvorschrift stelle somit eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit dar. Diese könne zwar grundsätzlich aus Gründen des Allgemeininteresses, die sich aus der Notwendigkeit, eine effektive Steuereinziehung und die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zu gewährleisten, ergäben, gerechtfertigt sein. Jedoch sei diese Rechtsvorschrift nicht verhältnismäßig.
    14
    Insoweit macht die Kommission als Erstes geltend, dass die Effektivität der nationalen Steuerregelung nicht gefährdet sein könne, da sie sich mit anderen geeigneten Mitteln gewährleisten lasse. Die Kommission verweist insbesondere auf die Richtlinie 76/308/EWG des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen (ABl. L 73, S. 18) in der durch die Richtlinie 2001/44/EG des Rates vom 15. Juni 2001 (ABl. L 175, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 76/308), die Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Steuern auf Versicherungsprämien (ABl. L 336, S. 15) in der durch die Richtlinie 2004/106/EG des Rates vom 16. November 2004 (ABl. L 359, S. 30) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 77/799) und die Richtlinie 2008/55/EG des Rates vom 26. Mai 2008 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen (ABl. L 150, S. 28).
    15
    Zu der Behauptung des Königreichs Spanien, dass die genannten Rechtsvorschriften der Union nicht ausreichten, um die Wirksamkeit der Steuersysteme zu gewährleisten, macht die Kommission geltend, es sei Sache der Mitgliedstaaten, die nötigen Mechanismen vorzusehen, um eine wirksame Umsetzung dieser Richtlinien sicherzustellen und bestimmte Mängel, die etwa bei der praktischen Durchführung des Systems des gegenseitigen Beistands festgestellt worden seien, zu korrigieren. Die Mitgliedstaaten dürften jedoch keine Maßnahmen ergreifen, die wie die in Rede stehende nationale Rechtsvorschrift zu Diskriminierungen führten.
    16
    Auf das Vorbringen, dass sie die Unzulänglichkeit der genannten Rechtsvorschriften selbst eingeräumt habe, erwidert die Kommission, das Königreich Spanien führe als Beleg dafür lediglich isolierte Zitate aus der Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen vom 2. Februar 2009 (KOM[2009] 28 endgültig) an. Zur Rechtfertigung der Begründung des Richtlinienvorschlags verweist die Kommission darauf, dass durch die Richtlinie eine Reihe von Verbesserungen eingeführt werden sollten und sie nicht der Einführung eines neuen Beistandssystems diene, was auch für die Rechtsvorschriften über den Informationsaustausch gelte. Zudem seien die Schlussfolgerungen, die das Königreich Spanien aus dem genannten Vorschlag ziehe, unzutreffend, insbesondere was die Zahl der tatsächlich beigetriebenen Forderungen gegenüber der Zahl der Forderungen, für die ein Ersuchen gestellt worden sei, angehe.
    17
    Als Zweites macht die Kommission geltend, dass unbeschadet des Rechts der Mitgliedstaaten, ihr Steuerrecht auf in ihrem Hoheitsgebiet erzielte Einkünfte auch dann anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige seine Tätigkeiten in einen anderen Mitgliedstaat verlagere, es die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten nicht rechtfertige, dass sich nur aufgrund einer Wohnsitzverlegung ins Ausland die für die Steuerpflichtigen geltenden Regeln änderten.
    18
    Insoweit sei zweifelhaft, ob die Urteile vom 3. Oktober 2006, FKP Scorpio Konzertproduktionen (C-290/04, Slg. 2006, I-9461), und vom 12. Juli 2005, Schempp (C 403/03, Slg. 2005, I 6421), vorliegend relevant seien, und zwar im Fall des erstgenannten Urteils, weil in der zugrundeliegenden Rechtssache kein Wohnsitzwechsel des Steuerpflichtigen in einen anderen Mitgliedstaat stattgefunden habe, und im Fall des Urteils Schempp insbesondere deswegen, weil die Verlegung des Wohnsitzes nicht zu einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung des Steuerpflichtigen geführt habe und die Freizügigkeit bzw. Niederlassungsfreiheit nicht beeinträchtigt worden sei.
    19
    Auch das Urteil vom 7. September 2006, N (C-470/04, Slg. 2006, I-7409), sei nicht einschlägig, da der Gerichtshof darin anerkannt habe, dass die Steuerschuld im Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung bestimmt werden könne, was die Kommission anders als die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende Regelung, die auch die Begleichung der Steuerschuld vorsehe, für zulässig hält.
    20
    Ferner tritt die Kommission in diesem Kontext allen für eine Übertragung des Urteils vom 22. Dezember 2008, Truck Center (C-282/07, Slg. 2008, I-10767), geltend gemachten Argumenten entgegen und verweist u. a. auf die unterschiedliche Art der Besteuerung, um die es in der Rechtssache, die zu diesem Urteil geführt habe, gegangen sei.
    21
    Was als Drittes die behauptete Unterbrechung der Verbindung zwischen dem Steuerpflichtigen und der spanischen Finanzverwaltung angeht, die bei der Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland eintrete, bestreitet die Kommission, dass der Steuerpflichtige jede Verbindung zur Finanzverwaltung verliere und somit wegen der Wohnsitzverlegung eine etwaige Steuerschuld nicht mehr im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden könne.
    22
    Außerdem hält die Kommission dem Vorbringen, der Steuerpflichtige, der seinen Wohnsitz ins Ausland verlege, könne einen Zahlungsaufschub erwirken, indem er bestimmte Garantien beibringe, die jedenfalls nicht belastender seien als die von dem in Spanien bleibenden Steuerpflichtigen verlangten, entgegen, dass die Letztgenannten automatisch eine Möglichkeit zur Stundung der Steuerzahlung hätten, ohne die Anforderungen erfüllen zu müssen, die dem Steuerpflichtigen auferlegt würden, der seinen Wohnsitz ins Ausland verlege.
    23
    Zur Anwendung der in Rede stehenden Rechtsvorschrift auf die Vertragsstaaten des EWR-Abkommens, die nicht Mitgliedstaaten der Union sind, weist die Kommission darauf hin, dass, auch wenn die in Randnr. 15 des vorliegenden Urteils genannten Richtlinien nicht für diese Staaten gälten, der hinter ihnen stehende Gedanke gleichwohl auch auf die Fälle zutreffe, in denen ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Informationsaustauschklausel geschlossen worden sei. Überdies könne in einem Fall, in dem ein Mechanismus, der demjenigen dieser Richtlinien gleichwertig sei, fehle und es damit keine direkte Möglichkeit zur Einziehung einer Steuerschuld gebe, der betreffende Steuerpflichtige noch Vermögen in Spanien besitzen, auf das mit Zwangs- und Vollstreckungsmaßnahmen zugegriffen werden könne.
    24
    Das Königreich Spanien bestreitet als Erstes, insoweit unterstützt von der Portugiesischen Republik, dass die in Rede stehende Rechtsvorschrift eine Beschränkung der von der Kommission angeführten Grundfreiheiten darstelle, und widerspricht einer Übertragung des Urteils Lasteyrie du Saillant auf den vorliegenden Fall unter Hinweis darauf, dass diese Rechtsvorschrift nicht die Besteuerung von nicht realisierten Wertzuwächsen, sondern von bereits erzielten Einkünften vorsehe.
    25
    Insoweit machen das Königreich Spanien und die Portugiesische Republik außerdem zum einen geltend, dass nach dieser Rechtsvorschrift nicht ein Einkommen des seinen Steuerwohnsitz verlagernden Steuerpflichtigen besteuert werde, das dieser noch nicht erzielt habe und über das er folglich nicht verfüge.
    26
    Zum anderen könne diese Rechtsvorschrift, da sie lediglich eine vorgezogene Berücksichtigung von in Spanien bereits vereinnahmten Einkünften und nicht die Zahlung einer Steuer auf künftige Einkünfte vorsehe, keinesfalls zu einer Doppelbesteuerung führen. Folglich könne eine solche Rechtsvorschrift die Entscheidung einer Person, von ihrer Freizügigkeit, ihrem Aufenthaltsrecht bzw. ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen, nicht negativ beeinflussen.
    27
    Als Zweites macht das Königreich Spanien, unterstützt von allen Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, geltend, dass die in Rede stehende Rechtsvorschrift, sofern sie eine Beschränkung der von der Kommission angeführten Freiheiten darstelle, durch im Allgemeininteresse liegende Ziele gerechtfertigt sei, mit denen eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten, eine effektive Steuereinziehung und die Kohärenz des spanischen Steuersystems gewährleistet werden solle.
    28
    In Bezug auf die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis sei das Urteil N für die Prüfung der in Rede stehenden Rechtsvorschrift relevant, da diese demselben Ziel diene wie die niederländische Regelung, um die es in diesem Urteil gegangen sei.
    29
    Hinsichtlich der Gewährleistung der Steuereinziehung solle mit der in Rede stehenden Rechtsvorschrift ein Hinausschieben der Berücksichtigung bereits erzielter Einkünfte von Steuerpflichtigen, die, weil sie ihren Wohnsitz nicht mehr in Spanien hätten, jede Verbindung zur spanischen Finanzverwaltung verlören, ausgeschlossen werden.
    30
    Das Königreich Spanien verweist insoweit auf die ständige Rechtsprechung, wonach sich bei den direkten Steuern Gebietsansässige und Gebietsfremde in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation befänden. Gebietsansässige Steuerpflichtige unterlägen unmittelbar der Kontrolle der Steuerverwaltung des betreffenden Mitgliedstaats, die somit die Steuer zwangsweise beitreiben könne. Dagegen sei bei Gebietsfremden für die Steuereinziehung jedenfalls die Unterstützung der Steuerverwaltung ihres Wohnsitzstaats erforderlich.
    31
    Unter diesen Umständen sei es offensichtlich, dass, wenn ein Steuerpflichtiger den Status als Gebietsansässiger Spaniens verliere, dies für die spanische Verwaltung rechtliche und tatsächliche Beschränkungen mit sich bringe, die eine Begleichung von Steuerschulden und die Ausübung der Einziehungsbefugnisse dieser Verwaltung erschwerten oder ausschlössen.
    32
    In diesem Kontext lägen die innerstaatlichen Mechanismen und die Formen der Zusammenarbeit der Union nicht auf derselben Ebene. So sei unbestreitbar, dass eine Bestimmung, die in dem Fall eines gebietsfremden Steuerschuldners gerade die Hauptschwierigkeiten für eine Einziehung beseitigen solle, auch dann gerechtfertigt sein könne, wenn der Rückgriff auf ein Verfahren der Zusammenarbeit möglich sei. Im Übrigen trägt das Königreich Spanien, unterstützt insbesondere durch die Bundesrepublik Deutschland, vor, dass dieser Standpunkt vom Gerichtshof im Urteil Truck Center anerkannt worden sei.
    33
    Was das Ziel, die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten, angeht, rechtfertigt es nach Ansicht des Königreichs Spanien, insbesondere insoweit unterstützt von der Portugiesischen Republik, der Umstand, dass der Steuerpflichtige, der seinen Wohnsitz ins Ausland verlege, die Verbindung zur nationalen Steuerverwaltung verliere, dass auf ihn eine andere Rechtsvorschrift zur Anwendung komme und der Vorteil des Aufschubs der Steuerzahlung entfalle.
    34
    Als Drittes trägt das Königreich Spanien, unterstützt von der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik, vor, die in Rede stehende Rechtsvorschrift stehe in angemessenem Verhältnis zu der Verwirklichung der angestrebten Ziele, da sich die Richtlinien 76/308, 77/799 und 2008/55 als offenkundig unzureichend erwiesen hätten, um die Wirksamkeit des Steuersystems zu gewährleisten, wie dies nicht nur von der Kommission, sondern auch vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie vom Rat der Europäischen Union insbesondere in den Vorarbeiten von Rechtsetzungsakten wiederholt anerkannt worden sei. Diese Organe hätten somit anerkannt, dass die Instrumente einer gegenseitigen Unterstützung unzulänglich seien und einer gründlichen Reform bedürften.
    35
    Die spanische Regierung trägt unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss mit dem Titel "Wegzugsbesteuerung und die Notwendigkeit einer Koordinierung der Steuerpolitiken der Mitgliedstaaten" vom 19. Dezember 2006 (KOM[2006] 825 endgültig) sowie auf die Entschließung des Rates vom 2. Dezember 2008 zur Koordinierung im Bereich der Wegzugsbesteuerung (ABl. C 323, S. 1) vor, angesichts dessen, dass eine Einziehung von Steuerschulden eines Steuerpflichtigen, der seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt habe, mittels des Systems der gegenseitigen Amtshilfe nur geringe oder gar keine Erfolgsaussichten habe, sei der administrative Aufwand für eine solche Einziehung offensichtlich unverhältnismäßig.
    36
    Das Königreich Spanien bestreitet, dass es weniger restriktive Mittel als die nach der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschrift gebe. Nach dem Standpunkt der Kommission werde dem Wegzugsstaat zwar ein Besteuerungsrecht zugebilligt, doch würden ihm die wirksamen Mittel zur Einziehung der Steuer vorenthalten.
    37
    Die Bundesrepublik Deutschland weist als Erstes darauf hin, dass die in Rede stehende Rechtsvorschrift weder unmittelbar noch mittelbar an die Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen anknüpfe. Da nämlich diese Regelung nicht zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen unterscheide, sei das differenzierende Merkmal allein die Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat. Zwar sei nicht auszuschließen, dass sich eine solche Regelung auf die Ausübung der Rechte, die in den im vorliegenden Fall geltend gemachten Grundfreiheiten verbürgt seien, auswirken könne, doch seien die Beschränkungen, die von einer solchen Bestimmung eventuell ausgingen, geringfügig, da diese nur die Besteuerung von Einkommen betreffe, das bereits erzielt worden sei, und die sich aus ihr ergebende Steuerschuld einem Betrag entspreche, den der Steuerschuldner bereits erhalten habe.
    38
    Als Zweites hält die Bundesrepublik Deutschland, nach deren Ansicht die geringfügigen Beschränkungen der Grundfreiheiten jedenfalls gerechtfertigt seien, hinsichtlich des Arguments, dass die Effektivität der Steuereinziehung sichergestellt werden müsse, das Urteil FKP Scorpio Konzertproduktionen im vorliegenden Fall für einschlägig.
    39
    Der Gerichtshof habe zwar im Urteil N festgestellt, dass auf die gegenseitige Amtshilfe nach den Richtlinien 76/308 und 77/799 zurückgegriffen werden müsse; nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland kann die gegenseitige Amtshilfe jedoch nur dann als vorrangig angesehen werden, wenn eine vergleichbare Beitreibungsmöglichkeit bestehe, was vorliegend nicht der Fall sei, und der Rückgriff auf dieses Mittel sei ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit, Amtshilfe in Anspruch zu nehmen, nur theoretisch bestehe.
    40
    In diesem Rahmen weist die Bundesrepublik Deutschland das Vorbringen der Kommission zurück, wonach die bestehenden Schwierigkeiten auf ein Versagen der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung insbesondere der Richtlinie 76/308 zurückzuführen seien. Die Argumentation der Kommission laufe im Grundsatz auf eine unbedingte Verpflichtung der Mitgliedstaaten hinaus, sich der Instrumente des Unionsrechts zu bedienen. Der Gerichtshof habe jedoch in seinem Urteil vom 27. Januar 2009, Persche (C-318/07, Slg. 2009, I-359) entschieden, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet seien, von Mechanismen des Unionsrechts Gebrauch zu machen, wenn ihnen dies nicht Erfolg versprechend erscheine.
    41
    Bei einem Verzicht auf die in Rede stehende nationale Rechtsvorschrift könne der Steuerpflichtige einer Besteuerung unter Umständen völlig entgehen. Diese Problematik würde sich erst recht stellen, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz in einen Drittstaat verlege, denn die Rechtsvorschriften der Union fänden in diesem Fall keine Anwendung. Folglich sei die genannte Regelung angezeigt, um die Effektivität der Beitreibung von Steuern zu gewährleisten.
    42
    Das Königreich der Niederlande, das sich dem Vorbringen des Königreichs Spanien in vollem Umfang anschließt, ist im Übrigen der Ansicht, die Kommission habe nicht hinreichend nachgewiesen, dass die in Rede stehende Rechtsvorschrift gegen die Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens verstoße.
    43
    Angesichts des Systems der gegenseitigen Unterstützung nach den Richtlinien 76/308, 77/799 und 2008/55 gehe das Vorbringen der Kommission, die spanischen Stellen verfügten über weniger restriktive Mittel, um die Wirksamkeit des Steuersystems zu gewährleisten, ins Leere, da diese Richtlinien nicht für Vertragsstaaten des EWR-Abkommens, die nicht Mitgliedstaaten der Union seien, gälten.
    44
    Da das Königreich Spanien mit dem Königreich Norwegen, der Republik Island und dem Fürstentum Liechtenstein kein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen habe, das bei der Verlegung des Wohnsitzes eines Steuerpflichtigen in einen dieser Staaten eine gegenseitige Unterstützung bei der Erhebung und der Einziehung von Steuern vorsehe, verfügten die spanischen Stellen über kein Mittel, um mit den Stellen dieser Staaten effektiv zusammenzuarbeiten. Somit könne, da das Königreich Spanien nicht in der Lage sei, Maßnahmen zur Einziehung der Steuerschulden zu ergreifen, sofern der Steuerpflichtige diese nicht freiwillig beglichen habe, die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Steuervorschrift nicht bestritten werden.
    45
    Die Portugiesische Republik fügt zum einen hinzu, dass der vorliegende Fall im Licht der Grundsätze des Urteils N zu untersuchen sei, und wendet sich zum anderen, was die Rechtfertigung mit der Notwendigkeit angeht, eine effektive Steuereinziehung zu gewährleisten, gegen die Heranziehung der Rechtsprechung, wonach die Mitgliedstaaten von einem Steuerpflichtigen, der eine Steuervergünstigung beanspruche, einschlägige Nachweise verlangen könnten, so dass die erforderlichen Nachprüfungen erfolgen könnten, da es im vorliegenden Fall nicht um die Gewährung einer solchen Vergünstigung gehe.

    Würdigung durch den Gerichtshof
    46
    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die direkten Steuern beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung des Unionsrechts zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, diese jedoch ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben müssen (vgl. u. a. Urteile vom 20. Januar 2011, Kommission/Griechenland, C-155/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 39, vom 16. Juni 2011, Kommission/Österreich, C-10/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 23, vom 1. Dezember 2011, Kommission/Belgien, C-250/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 33, und Kommission/Ungarn, C-253/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42).
    47
    Somit ist zu prüfen, ob die in Rede stehende nationale Rechtsvorschrift über die Steuer auf das Einkommen natürlicher Personen, nach der Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, dazu verpflichtet sind, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige einzubeziehen, eine Beschränkung der in den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG sowie den Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens verankerten Freizügigkeit darstellt.

    Zu den Rügen, mit denen eine Verletzung der Vertragsbestimmungen geltend gemacht wird
    48
    In Bezug auf die Rüge eines Verstoßes gegen die Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG ist darauf hinzuweisen, dass Art. 18 EG, in dem das Recht eines jeden Unionsbürgers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, in allgemeiner Form niedergelegt ist, in Art. 39 EG hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und in Art. 43 EG hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit eine besondere Ausprägung erfahren hat (vgl. Urteile vom 17. Januar 2008, Kommission/Deutschland, C-152/05, Slg. 2008, I-39, Randnr. 18, Kommission/Griechenland, Randnr. 41, und Kommission/Ungarn, Randnr. 44).
    49
    Daher ist die fragliche Steuerregelung zunächst im Hinblick auf die Art. 39 EG und 43 EG zu prüfen, bevor sie im Licht von Art. 18 EG in Bezug auf Personen untersucht wird, die sich von einem Mitgliedstaat in einen anderen begeben, um sich dort aus Gründen, die nicht mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, niederzulassen.

    - Zum Vorliegen von Beschränkungen der Art. 39 EG und 43 EG
    50
    Sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit sollen den Unionsangehörigen die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im gesamten Gebiet der Europäischen Union erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die die Unionsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen (vgl. Urteile Kommission/Deutschland, Randnr. 21, Kommission/Griechenland, Randnr. 43, und Kommission/Ungarn, Randnr. 46).
    51
    Auch wenn diese Vertragsbestimmungen nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, ist festzustellen, dass die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang insbesondere das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht haben, ihr Herkunftsland zu verlassen, um sich zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben und sich dort aufzuhalten (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 15. Dezember 1995, Bosman, C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 95, und vom 1. April 2008, Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon, C-212/06, Slg. 2008, I-1683, Randnr. 44).
    52
    Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden (vgl. u. a. Urteil vom 11. September 2007, Kommission/Deutschland, C-318/05, Slg. 2007, I-6957, Randnr. 115).
    53
    Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung sind als Beschränkungen der Freizügigkeit alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. zur Niederlassungsfreiheit Urteile vom 5. Oktober 2004, CaixaBank France, C-442/02, Slg. 2004, I-8961, Randnr. 11, und vom 29. November 2011, National Grid Indus, C-371/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 36).
    54
    Somit ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik auch geringfügige oder unbedeutende Beschränkungen der Freizügigkeit gemäß den Art. 39 EG und 43 EG verboten sind (vgl. zur Niederlassungsfreiheit Urteile vom 28. Januar 1986, Kommission/Frankreich, 270/83, 273, Randnr. 21, vom 15. Februar 2000, Kommission/Frankreich, C-34/98, Slg. 2000, I-995, Randnr. 49, und de Lasteyrie du Saillant, Randnr. 43).
    55
    Auch wenn im vorliegenden Fall Art. 14 Abs. 3 des Gesetzes 35/2006 es einem Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in Spanien nicht verbietet, sein Freizügigkeitsrecht auszuüben, so beschränkt er doch die Ausübung dieses Rechts, da er auf Steuerpflichtige, die sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen möchten, zumindest abschreckend wirkt.
    56
    Nach der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschrift hat nämlich die Verlegung des Wohnsitzes aus dem spanischen Hoheitsgebiet hinaus im Rahmen der Ausübung der durch die Art. 39 EG und 43 EG garantierten Rechte für den Steuerpflichtigen die Verpflichtung zur Begleichung der Steuer zur Folge, bevor die Steuerpflichtigen, die ihren Wohnsitz weiter in Spanien haben, dazu verpflichtet sind. Diese unterschiedliche Behandlung ist geeignet, Personen, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, finanziell zu benachteiligen, da die Einbeziehung der noch nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige vorgesehen ist (vgl. entsprechend Urteile de Lasteyrie du Saillant, Randnr. 46, und N, Randnr. 35).
    57
    Es trifft zwar zu, dass die in Rede stehende spanische Rechtsvorschrift, wie das Königreich Spanien, die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich der Niederlande und die Portugiesische Republik vortragen, nur die Besteuerung bereits erzielter und steuerlich erfasster Einkünfte betrifft. Der Steuerschuldner wird daher bei der Verlegung seines Wohnsitzes nicht zusätzlich besteuert. Ihm wird lediglich ein Vorteil entzogen, der die Begleichung dieser Steuerschuld erleichtern kann.
    58
    Jedoch lässt sich nicht leugnen, dass die Entziehung dieses Vorteils einen deutlichen Liquiditätsnachteil darstellt. Insoweit hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass der Ausschluss eines Liquiditätsvorteils bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt, wenn ein solcher Vorteil bei einem entsprechenden innerstaatlichen Sachverhalt zur Verfügung steht, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 8. März 2001, Metallgesellschaft u. a., C-397/98 und C-410/98, Slg. 2001, I-1727, Randnrn. 44, 54 und 76, vom 21. November 2002, X und Y, C-436/00, Slg. 2002, I-10829, Randnrn. 36 bis 38, vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer, C-446/03, Slg. 2005, I-10837, Randnr. 32, und vom 29. März 2007, Rewe Zentralfinanz, C-347/04, Slg. 2007, I-2647, Randnr. 29).
    59
    Im vorliegenden Fall lässt sich jedoch die somit festgestellte unterschiedliche Behandlung nicht durch eine objektiv unterschiedliche Situation erklären. Denn im Hinblick auf die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über die Besteuerung von erzieltem Einkommen gleicht die Situation einer Person, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, in Bezug auf die Besteuerung des im ersten Mitgliedstaats vor der Verlegung des Wohnsitzes bereits erzielten Einkommens der Situation einer Person, die ihren Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat beibehält (vgl. entsprechend Urteil National Grid Indus, Randnr. 38).
    60
    Somit ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme geeignet ist, die Ausübung der in den Art. 39 EG und 43 EG gewährleisteten Freiheiten zu beschränken.

    - Zur Rechtfertigung der Beschränkungen
    61
    Nach gefestigter Rechtsprechung können nationale Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, dennoch zulässig sein, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, wenn sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist (vgl. u. a. Urteile vom 17. Januar 2008, Kommission/Deutschland, Randnr. 26, Kommission/Griechenland, Randnr. 51, Kommission/Ungarn, Randnr. 69, und National Grid Indus, Randnr. 42).
    62
    Somit ist zu prüfen, ob die sich aus der in Rede stehenden Rechtsvorschrift ergebende unterschiedliche Behandlung von Personen, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen wollen, und Personen, die in Spanien bleiben, mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, wie sie das Königreich Spanien und die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer zur Unterstützung seiner Anträge beigetreten sind, angeführt haben, gerechtfertigt werden kann, nämlich mit der effektiven Einziehung von Steuerforderungen, der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten und der Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren.
    63
    Zum Rechtfertigungsgrund der Notwendigkeit, eine effektive Einziehung der Steuerschuld zu gewährleisten, ist zunächst festzustellen, dass der Gerichtshof anerkannt hat, dass diese Notwendigkeit eine Beschränkung von Grundfreiheiten rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil FKP Scorpio Konzertproduktionen, Randnr. 35).
    64
    Das Königreich Spanien macht hierzu u. a. geltend, dass die in Rede stehende Rechtsvorschrift im Fall von Steuerpflichtigen, die, weil sie nicht mehr in Spanien wohnten, jede Verbindung zur spanischen Finanzverwaltung verlören - was die Steuereinziehung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen erschwere oder vereitle -, verhindern solle, dass die Berücksichtigung bereits erzielter Einkünfte hinausgeschoben werde. In vielen Fällen sei es sehr schwierig, den Aufenthaltsort des Steuerschuldners festzustellen. Ferner treffe das Vorbringen der Kommission nicht zu, dass Steuerpflichtige, die in Spanien keinen Wohnsitz hätten, dort häufig Einkünfte erzielten oder einen bedeutenden Teil ihres Vermögens hätten.
    65
    Somit stehe die in Rede stehende Rechtsvorschrift in angemessenem Verhältnis zu dem angestrebten Ziel, da sich die Instrumente einer administrativen Zusammenarbeit und einer gegenseitigen Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten der Union als offenkundig unzureichend erwiesen hätten, um die Wirksamkeit des Steuersystems zu gewährleisten.
    66
    Die Kommission räumt ein, dass die sofortige Einziehung der Steuerschuld zum Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes des Steuerpflichtigen in einen anderen Mitgliedstaat grundsätzlich durch den im Allgemeininteresse liegenden Grund gerechtfertigt sein könne, dass es notwendig sei, die effektive Einziehung von Steuerschulden zu gewährleisten. Diese Maßnahme gehe jedoch über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei, und sei daher als unverhältnismäßig anzusehen, da die Mitgliedstaaten auf die in den Richtlinien 76/308, 77/799 und 2008/55 vorgesehenen Verfahren zurückgreifen könnten.
    67
    Insoweit ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien, der Bundesrepublik Deutschland, des Königreichs der Niederlande und der Portugiesischen Republik die zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten auf Unionsebene bestehenden Verfahren zur gegenseitigen Unterstützung hinreichend sind, um den Herkunftsmitgliedstaat in die Lage zu versetzen, eine Steuerschuld in einem anderen Mitgliedstaat einzuziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil National Grid Indus, Randnr. 78).
    68
    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass, da die Steuerschuld zum Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes des Steuerpflichtigen in einen anderen Mitgliedstaat endgültig festgesetzt wird, die erforderliche Unterstützung des Aufnahmemitgliedstaats lediglich die Einziehung dieser Schuld und nicht die endgültige Festsetzung des Steuerbetrags betrifft.
    69
    Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2008/55 erteilt "[a]uf Antrag der ersuchenden Behörde ... die ersuchte Behörde dieser alle Auskünfte, die ihr bei der Beitreibung einer Forderung von Nutzen sind". Aufgrund dieser Richtlinie kann der Herkunftsmitgliedstaat daher von der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaats Informationen über die Verlegung des Wohnsitzes einer natürlichen Person in diesen Mitgliedstaat erhalten, soweit diese Informationen erforderlich sind, um den Herkunftsmitgliedstaat in die Lage zu versetzen, eine Steuerforderung, die zum Zeitpunkt dieser Verlegung bereits bestand, einzuziehen.
    70
    Im Übrigen bietet die Richtlinie 2008/55, insbesondere die Art. 5 bis 9, den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats einen Rahmen der Zusammenarbeit und Unterstützung, der die Anerkennung von Titeln und das Ergreifen von Sicherungsmaßnahmen einschließt und in der Folge die tatsächliche Einziehung der Steuerschuld im Aufnahmemitgliedstaat ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteil National Grid Indus, Randnr. 78).
    71
    Insoweit ist ebenfalls festzustellen, dass die genannten Instrumente einer Zusammenarbeit in der Praxis nicht immer zufriedenstellend und reibungslos funktionieren. Die Mitgliedstaaten können jedoch aus etwaigen Schwierigkeiten beim Einholen der erforderlichen Informationen oder aus Defiziten, die bei der Kooperation ihrer Steuerverwaltungen auftreten können, keine Rechtfertigung für die Beschränkung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten herleiten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. März 2004, Kommission/Frankreich, C-334/02, I-2229, Randnr. 33).
    72
    In diesem Kontext verweisen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Spanien beigetreten sind, auf das Urteil Truck Center, in dem der Gerichtshof u. a. im Hinblick auf die Möglichkeit der Zwangsbeitreibung gebilligt hat, dass in Bezug auf gebietsfremde Steuerpflichtige eine andere Erhebungstechnik, nämlich eine Quellenbesteuerung, angewandt wird als auf gebietsansässige Steuerpflichtige.
    73
    Die grenzüberschreitende Einziehung einer Steuerschuld mag zwar in der Regel schwieriger als eine Zwangsbeitreibung im Inland sein, doch ist festzustellen, dass es im vorliegenden Fall nicht um eine bloße Erhebungstechnik, sondern um die Frage geht, ob es nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgeht, wenn ein Steuerpflichtiger, der seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen will, allein deshalb verpflichtet wird, auf bereits erzielte Einkünfte unmittelbar und endgültig eine Steuer, deren Betrag festgesetzt wurde, zu entrichten, während im Inland verbleibende Steuerpflichtige keiner solchen Verpflichtung unterliegen.
    74
    Aus dem Vorstehenden ergibt sich folglich, dass Art. 14 Abs. 3 des Gesetzes 35/2006, wonach Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, verpflichtet sind, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige einzubeziehen, unverhältnismäßig ist.
    75
    Bezüglich der Rechtfertigung der in Rede stehenden Rechtsvorschrift durch das im Allgemeininteresse liegende Ziel, die Aufteilung des Besteuerungsrechts zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um ein vom Gerichtshof anerkanntes legitimes Ziel handelt (vgl. in diesem Sinne Urteile Marks & Spencer, Randnr. 45, N, Randnr. 42, vom 18. Juli 2007, Oy AA, C-231/05, Slg. 2007, I-6373, Randnr. 51, vom 15. Mai 2008, Lidl Belgium, C-414/06, Slg. 2008, I-3601, Randnr. 31, und National Grid Indus, Randnr. 45).
    76
    Ferner geht aus einer ständigen Rechtsprechung hervor, dass in Ermangelung unionsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen die Mitgliedstaaten befugt bleiben, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen (Urteil vom 19. November 2009, Kommission/Italien, C-540/07, Slg. 2009, I-10983, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie National Grid Indus, Randnr. 45). Dieser Rechtfertigungsgrund kann anerkannt werden, wenn mit der betreffenden Regelung u. a. Verhaltensweisen verhindert werden sollen, die geeignet sind, das Recht eines Mitgliedstaats auf Ausübung seiner Besteuerungszuständigkeit für die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten zu gefährden (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Marks & Spencer, Randnr. 46, Rewe Zentralfinanz, Randnr. 42, und National Grid Indus, Randnr. 46).
    77
    Außerdem hat der Gerichtshof in Bezug auf die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes einer Gesellschaft eines Mitgliedstaats in einen anderen Mitgliedstaat entschieden, dass dieser Umstand nicht bedeuten kann, dass der Herkunftsmitgliedstaat auf sein Recht zur Besteuerung eines Wertzuwachses, der im Rahmen seiner Steuerhoheit vor dieser Verlegung erzielt wurde, verzichten muss (vgl. u. a. Urteile vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, C-374/04, Slg. 2006, I-11673, Randnr. 59, sowie National Grid Indus, Randnr. 46). Der Gerichtshof hat daher bereits für Recht erkannt, dass ein Mitgliedstaat nach dem Grundsatz der steuerlichen Territorialität, verbunden mit einem zeitlichen Element, nämlich der Steueransässigkeit des Steuerpflichtigen im Inland während der Entstehung der nicht realisierten Wertzuwächse, das Recht hat, diese Wertzuwächse zum Zeitpunkt des Wegzugs des Steuerpflichtigen zu besteuern (vgl. Urteile N, Randnr. 46, und National Grid Indus, Randnr. 46).
    78
    Die gleichen Erwägungen können erst Recht in der vorliegenden Rechtssache gelten, da die in Rede stehende Rechtsvorschrift die Besteuerung von bereits erzielten Einkünften und nicht von nicht realisierten Wertzuwächsen vorsieht. Das Königreich Spanien verliert nämlich bei der Verlegung des Wohnsitzes eines Steuerpflichtigen in einen anderen Mitgliedstaat nicht die Befugnis zur Ausübung seiner Steuerhoheit in Bezug auf in seinem Hoheitsgebiet bereits durchgeführte Tätigkeiten und muss damit nicht auf sein Recht zur Festsetzung des entsprechenden Steuerbetrags verzichten.
    79
    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die genannte Rechtsvorschrift die Besteuerung von Einkünften im Herkunftsmitgliedstaat vorsieht, die vor der Wohnsitzverlegung erzielt wurden und der Steuerhoheit des Herkunftsmitgliedstaats unterliegen. Diese Einkünfte werden somit in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem sie erzielt wurden, während die Besteuerung der nach der Verlegung des Wohnsitzes des Steuerpflichtigen erzielten Einkünfte grundsätzlich ausschließlich im Aufnahmemitgliedstaat erfolgt, wo sie erzielt werden.
    80
    Da es im vorliegenden Fall nicht um die Festsetzung der Steuerschuld im Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung, sondern um ihre sofortige Einziehung geht, hat das Königreich Spanien nicht nachgewiesen, dass es, wenn die Steuerhoheit des Wegzugsstaats und die des Aufnahmestaats nicht miteinander in Konflikt stehen, mit einem Problem der Doppelbesteuerung oder einer Situation konfrontiert wäre, in der die betroffenen Steuerpflichtigen jeglicher Besteuerung entgehen würden, was eine Maßnahme wie die hier fragliche im Hinblick auf das verfolgte Ziel, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zu erreichen, rechtfertigen könnte.
    81
    Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass die in Rede stehende Rechtsvorschrift durch die Notwendigkeit einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt ist.
    82
    Hinsichtlich der Rechtfertigung dieser Rechtsvorschrift mit der Notwendigkeit, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu wahren, weist das Königreich Spanien u. a. darauf hin, dass die Rechtsvorschrift für die Wahrung dieser Kohärenz unerlässlich sei, da die Möglichkeit eines Aufschubs der Zahlung der Steuer für bereits erzielte Einkünfte aufgrund der Zahlungsgarantie gewährt werde, die für die Steuerverwaltung darin liege, dass der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz im spanischen Hoheitsgebiet habe und damit unmittelbar und effektiv ihrer Befugnis unterworfen sei. Der Wegfall dieser unmittelbaren und effektiven Unterworfenheit rechtfertige den Verlust des steuerlichen Vorteils, den die Möglichkeit eines Aufschubs der Steuerzahlung darstelle.
    83
    Der Gerichtshof hat zwar bereits entschieden, dass die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren, eine Regelung rechtfertigen kann, die dazu angetan ist, die Grundfreiheiten einzuschränken (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Januar 1992, Bachmann, C-204/90, Slg. 1992, I-249, Randnr. 21, vom 23. Oktober 2008, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, C-157/07, Slg. 2008, I-8061, Randnr. 43, und Kommission/Ungarn, Randnr. 70).
    84
    Ein auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument kann aber nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dem Ausgleich dieses Vorteils durch eine bestimmte steuerliche Belastung nachgewiesen ist (vgl. u. a. Urteile vom 7. September 2004, Manninen, C-319/02, Slg. 2004, I-7477, Randnr. 42, vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C-524/04, Slg. 2007, I-2107, Randnr. 68, und Kommission/Ungarn, Randnr. 72), wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden muss (vgl. u. a. Urteil Manninen, Randnr. 43).
    85
    Hierzu ist als Erstes festzustellen, dass, da sich die Erfordernisse, die mit der Kohärenz des Steuersystems und der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis in Zusammenhang stehen, decken, die in Randnr. 81 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen, wonach im vorliegenden Fall kein anderer Mitgliedstaat die Befugnis beansprucht, die in Spanien erzielten Einkünfte zu besteuern, auch für die Notwendigkeit gelten, diese Kohärenz zu wahren, so dass das auf diese Notwendigkeit gestützte Vorbringen ins Leere geht.
    86
    Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass das Königreich Spanien lediglich die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren, anführt, ohne nachzuweisen, dass nach der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschrift ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem steuerlichen Vorteil, den die Möglichkeit darstellt, Einkünfte mehreren Veranlagungszeiträumen zuzuordnen, einerseits, und dem Ausgleich dieses Vorteils durch irgendeine steuerliche Belastung, andererseits, besteht.
    87
    Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass die genannte Rechtsvorschrift durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu wahren.
    88
    Darüber hinaus ist festzustellen, dass das Königreich Spanien sowie die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer zur Unterstützung seiner Anträge beigetreten sind, außerdem im Wesentlichen die gleiche auf die Verhältnismäßigkeit der genannten Rechtsvorschrift bezogene Argumentation auch im Hinblick auf die Ziele geltend machen, die darin bestehen, die Kohärenz des Steuersystems und die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zu sichern, weil die im Unionsrecht vorgesehenen Instrumente der Zusammenarbeit unzulänglich seien.
    89
    Daher ist selbst für den Fall, dass die in Rede stehende nationale Rechtsvorschrift zur Erreichung dieser Ziele geeignet sein sollte, festzustellen, dass in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit dieser Vorschrift die in den Randnrn. 68 bis 74 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen zur Rechtfertigung mit der Notwendigkeit, eine effektive Einziehung der Steuer zu gewährleisten, auch hinsichtlich der behaupteten Notwendigkeit gelten, die Kohärenz des Steuersystems und die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zu sichern, so dass die genannte Vorschrift jedenfalls über das hinaus geht, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist.

    - Zum Vorliegen einer Beschränkung von Art. 18 EG
    90
    Was das geltend gemachte Vorliegen einer Beschränkung von Art. 18 EG angeht, lässt sich nicht ernsthaft bestreiten, dass der Umstand, dass Personen, die aus Gründen, die nicht mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, innerhalb der Union umziehen wollen, von einem Liquiditätsvorteil ausgeschlossen sind, in bestimmten Fällen geeignet sein kann, diese Personen von der Ausübung der durch Art. 18 EG garantierten Grundfreiheiten abzuhalten.
    91
    Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine solche Beschränkung nach dem Unionsrecht gerechtfertigt sein, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen des Allgemeininteresses beruht und in angemessenem Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck steht (vgl. Urteile vom 23. Oktober 2007, Morgan und Bucher, C-11/06 und C-12/06, Slg. 2007, I-9161, Randnr. 33, sowie Kommission/Ungarn, Randnr. 88).
    92
    Insoweit gilt dieselbe Schlussfolgerung, die in den Randnrn. 51 bis 88 des vorliegenden Urteils in Bezug auf die Rechtfertigung der Beschränkung der Art. 39 EG und 43 EG gezogen worden ist, aus denselben Gründen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Januar 2008, Kommission/Deutschland, Randnr. 30, Kommission/Griechenland, Randnr. 60, sowie Kommission/Ungarn, Randnr. 89).

    Zu den Rügen, mit denen eine Verletzung des EWR-Abkommens geltend gemacht wird
    93
    Die Kommission macht zudem geltend, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer bzw. die Niederlassungsfreiheit verstoßen habe, dass es Art. 14 Abs. 3 des Gesetzes 35/2006 erlassen und beibehalten habe.
    94
    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die genannten Bestimmungen des EWR-Abkommens denjenigen der Art. 39 EG und 43 EG entsprechen, so dass die in den Randnrn. 51 bis 64 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen grundsätzlich auch für die entsprechenden Artikel des EWR-Abkommens gelten.
    95
    Was jedoch die Rechtfertigung mit der Notwendigkeit angeht, eine effektive Einziehung der Steuerschuld zu gewährleisten, ist darauf hinzuweisen, dass der durch die Richtlinien 76/308, 77/799 und 2008/55 geschaffene Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zwischen diesen und den zuständigen Behörden eines Drittstaats nicht besteht, wenn dieser keine Verpflichtung zur gegenseitigen Amtshilfe eingegangen ist (vgl. u. a. Urteil vom 5. Mai 2011, Kommission/Portugal, C-267/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 55).
    96
    Hierzu ist festzustellen, dass das Königreich Spanien geltend macht, keine bilateralen Abkommen über die gegenseitige Unterstützung bei der Erhebung oder Beitreibung von Steuern mit dem Königreich Norwegen, der Republik Island und dem Fürstentum Liechtenstein geschlossen zu haben. Somit verfügen die spanischen Behörden, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz in einen dieser Vertragsstaaten des EWR-Abkommens verlegt, offensichtlich nicht über die Mittel, eine effektive Zusammenarbeit mit den Behörden der genannten Staaten herbeizuführen.
    97
    Zudem hat die Kommission, indem sie sich in ihren Stellungnahmen zu den Streithilfeschriftsätzen der Bundesrepublik Deutschland, des Königreichs der Niederlande und der Portugiesischen Republik darauf beschränkt hat, die zwischen dem Königreich Spanien und den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens, die nicht Mitgliedstaaten der Union sind, bestehenden Abkommen in sehr allgemeiner Form zu erwähnen, nicht nachgewiesen, dass diese Übereinkommen tatsächlich ausreichende Mechanismen des Austausches von Informationen enthalten, um die Erklärungen, die in diesen Staaten ansässige Steuerpflichtigen abgeben, zu prüfen und zu kontrollieren.
    98
    Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Verpflichtung der Steuerpflichtigen, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige einzubeziehen, soweit sie Steuerpflichtige betrifft, die in den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens, die nicht Mitgliedstaaten der Union sind, ansässig sind, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels der Gewährleistung der Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung und der Bekämpfung von Steuerflucht erforderlich ist.
    99
    Die Klage ist daher abzuweisen, soweit mit ihr ein Verstoß des Königreichs Spanien gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens gerügt wird.
    100
    Daher ist festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG verstoßen hat, dass es in Art. 14 Abs. 3 des Gesetzes 35/2006 eine Bestimmung erlassen und beibehalten hat, nach der Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, dazu verpflichtet sind, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige einzubeziehen.

    Kosten
    101
    Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 69 § 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist.
    102
    Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Rügen der Kommission in Bezug auf die Nichteinhaltung der Anforderungen der Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens zurückgewiesen worden sind.
    103
    Dem Königreich Spanien sind daher drei Viertel der gesamten Kosten aufzuerlegen, der Kommission das übrige Viertel.
    104
    Nach Art. 69 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich der Niederlande und die Portugiesische Republik tragen daher ihre eigenen Kosten.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

    1. Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG verstoßen, dass es mit Art. 14 Abs. 3 der Ley 35/2006 del Impuesto sobre la Renta de las Personas Físicas y de modificación parcial de las leyes de los Impuestos sobre Sociedades, sobre la Renta de no Residentes y sobre el Patrimonio (Gesetz 35/2006 über die Steuer auf das Einkommen natürlicher Personen und zur teilweisen Änderung der Gesetze über die Körperschaftsteuer, die Steuer auf das Einkommen Gebietsfremder und die Vermögensteuer) vom 28. November 2006 eine Bestimmung erlassen und beibehalten hat, nach der Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, dazu verpflichtet sind, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige einzubeziehen.

    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    3. Das Königreich Spanien trägt drei Viertel der gesamten Kosten. Die Europäische Kommission trägt das übrige Viertel.

    4. Die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich der Niederlande und die Portugiesische Republik tragen ihre eigenen Kosten.

    RechtsgebietEGVorschriftenArt. 18 EG Art. 39 EG Art. 43 EG

    Karrierechancen

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