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  • 23.11.2012 · IWW-Abrufnummer 130043

    Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 15.08.2012 – 2 K 9/11

    1. Abgetretene britische Rentenbeiträge mindern weder den Progressionsvorbehalt noch stellen sie abzugsfähige Sonderausgaben dar. Da die Renteneinnahmen aufgrund des DBA steuerfrei sind, unterliegen sie nicht der Besteuerung nach § 2 Abs. 1 EStG und die Zahlung an die geschiedene Ehefrau, die mit diesen steuerbefreiten Einkünften in wirtschaftlichen Zusammenhang steht, kann daher nicht abgezogen werden.
    2. Die Berücksichtigung des „Progressionsvorbehalts” verstößt weder gegen die gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit der Arbeitnehmer noch gegen die Dienstleistungsfreiheit.


    Tatbestand
    Der Kläger begehrt, den an seine geschiedene deutsche Ehefrau abgetretenen Teilbetrag seiner britischen Rente beim Progressionsvorbehalt oder entsprechend als Sonderausgaben abzuziehen.
    Der Kläger ist britischer Staatsbürger und bezieht als ehemaliger Angehöriger der britischen Streitkräfte von dort eine Pension. Nach der Scheidung von seiner deutschen Ehefrau hat der Kläger nach entsprechender Verurteilung durch das Amtsgericht Anfang 2005 von dem Gesamtrentenbetrag von monatlich 304,65 GBP ein Teilbetrag von 136,08 GBP an die Ehefrau abgetreten. Die britische Rente wurde nach Abzug des Versorgungsfreibetrages und des Werbungskostenpauschbetrages mit 2.657,00 EUR (2008) und 2.361,00 EUR (2009) beim Progressionsvorbehalt bei den Einkommensteuer(ESt)-Veranlagungen berücksichtigt. Mit Bescheiden vom 24. September 2010 wurde die ESt für 2008 auf 29.562,00 EUR und für 2009 auf 29.082,00 EUR festgesetzt. Mit fristgerechten Einsprüchen wird unverändert der Abzug der an die geschiedene Ehefrau abgetretenen und gezahlten Beträge von 2.054,59 EUR (2008) und 1.833,65 EUR (2009) im Rahmen des Progressionsvorbehalts begehrt.
    Mit Bescheiden vom 10. Mai 2011 wurde die ESt (aus hier nicht relevanten Gründen) für 2008 auf 29.196,00 EUR und für 2009 auf 28.732,00 EUR festgesetzt.
    Mit Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2010 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die aufgrund des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs an die geschiedene Ehefrau weitergeleiteten /abgetretenen Rentenansprüche zu Recht steuerlich nicht in Abzug gebracht würden. Verlange - wie auch hier - die Berechtigte statt Rentenzahlung die Abtretung von Versorgungsansprüchen, so seien - wie hier geschehen - die Versorgungsleistungen beim Ausgleichsverpflichteten nach Anhang 33 Abs. 2 Nr. 2 zum Einkommensteuergesetz (EStG) auch insoweit steuerlich zu erfassen, als sie wegen der Abtretung nicht ihm sondern der Ausgleichsberechtigten zufließen würden. Es sei allein nach deutschem Steuerrecht zu beurteilen, inwieweit steuerfreie Einnahmen - hier die vom Kläger bezogenen Renteneinkünfte aus Großbritannien - im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen seien. Die geltend gemachten Ausgleichszahlungen seien demnach zudem weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben abziehbar. Zwar würden die monatlichen Zahlungen an die geschiedene Ehefrau grundsätzlich Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG (dauernde Lasten) darstellen. Renten und dauernde Lasten, die - wie hier unstreitig auch - mit steuerbefreiten Einkünften, z.B. aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) in wirtschaftlichem Zusammenhang stünden, könnten indes nicht als Sonderausgaben abgezogen werden (R10.3 EStR 2005). Dieser einschränkenden Regelung liege die Überlegung zu Grunde, dass dem Steuerpflichtigen kein doppelter Vorteil dadurch zugute kommen solle, dass er, obwohl die Einnahmen nicht steuerpflichtig seien, gleichwohl steuermindernd Sonderausgaben geltend machen könne.
    Die laufenden Ausgleichszahlungen hätten auch zu Recht im Rahmen der Ermittlung des Steuertarifs die insoweit maßgeblichen ausländischen Einkünfte nicht mindern können. Gemäß § 32 b Abs. 1 EStG sei bei Steuerpflichtigen, die in der Vorschrift genannte Einkünfte und sonstige Bezüge erhalten hätten, auf das nach § 32 a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden. Dies komme unter anderem in Betracht, wenn der Steuerpflichtige Einkünfte bezogen habe, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei seien (§ 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG). Dies gelte auch für die im Streitfall vom Kläger erzielten Renteneinkünfte, die in Deutschland steuerfrei seien. Der besondere Steuersatz sei nach Maßgabe des § 32 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG zu ermitteln, und zwar dadurch, dass bei der Berechnung der ESt das nach § 32 a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen vermehrt oder vermindert werde um die in § 32 b Abs. 1 Nr. 2 ff. EStG bezeichneten Einkünfte.
    Nach dem Wortlaut des § 32 b EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 (JStG 1996) vom 11. Oktober 1995 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I 1995, 1250) werde bei der Ermittlung des Progressionstarifs im Hinblick auf die ausländischen Einkünfte an den Begriff der „Einkünfte” angeknüpft. Hierbei seien die Einkünfte im Sinne von § 32 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG nach § 2 Abs. 2 EStG zu ermitteln, da der Begriff der „Einkünfte” im EStG einheitlich verwendet und in § 2 Abs. 2 EStG für das gesamte ESt-Recht definiert werde.
    Gemäß § 2 Abs. 2 EStG seien Einkünfte bei den in den Streitjahren bezogenen Renteneinkünften der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8 - 9 a EStG). Zur Ermittlung der anzusetzenden Einkünfte im Sinne des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG seien grundsätzlich nur etwaige tatsächliche Werbungskosten bzw. die entsprechenden Pauschbeträge für Werbungskosten (§ 9 a EStG) steuermindernd zu berücksichtigen. Die vom Kläger an die geschiedene Ehefrau weitergeleiteten/abgetretenen Rentenansprüche hätten nicht den Charakter von Werbungskosten. Bezieher der Alterseinkünfte sei außerdem stets derjenige, der sie - im Falle von Pensionen (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG) - durch eigene Arbeitsleistung bzw. - im Falle des Bezugs einer Leibrente (§ 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG) - durch Aufbau eines Altersvorsorgevermögens für eigene Rechnung erwirtschaftet habe, mithin der Kläger.
    Anders als noch nach dem bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1995 geltenden Recht, wonach im Rahmen der Ermittlung des Progressionstarifs eine so genannte Schattenveranlagung durchgeführt worden sei (zur Rechtslage bis zum 31. Dezember 1995 vgl. das vom Kläger angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 29. April 1992, I R 102/91, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1993, 149), würden nunmehr bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes nach § 32 b Abs. 2 EStG Sonderausgaben im Zusammenhang mit ausländischen Einkünften keine Berücksichtigung mehr finden. Nach der früheren gesetzlichen Regelung sei für die Berechnung des besonderen Steuersatzes das zu versteuernde Einkommen so zu ermitteln, als ob das jeweilige die Steuerfreiheit der Einkünfte begründende DBA nicht bestünde. Aus Gründen der Steuervereinfachung habe sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, die Technik der Schattenveranlagung durch die vereinfachte Methode der Hinzurechnung zu ersetzen (vgl. Gesetzesbegründung in Bundestags-Drucksache 13/901, 136). Mit der Änderung des Wortlauts des § 32 b Abs. 2 EStG durch das JStG 1996 sei die Schattenveranlagung sodann durch die so genannte Hinzurechnungsmethode, wonach für die Berechnung des besonderen Steuersatzes dem zu versteuernden Einkommen die positiven oder negativen Einkünfte hinzugerechnet bzw. abgezogen würden, ersetzt worden. Mit der Gesetzesänderung sei jedoch keine neue Definition des Begriffs der „Einkünfte” in § 32 b EStG verbunden gewesen (BFH vom 15. Mai 2002, I B 73/01).
    In diesem Zusammenhang sei zwar nicht zu verkennen, dass sich mit der Aufgabe der Schattenveranlagung einerseits und dem Abstellen auf die Einkünfte andererseits ein gewisser - vom Kläger zahlenmäßig nicht konkretisierter - Nachteil daraus ergeben könne, dass sich Sonderausgaben, die in Deutschland die ESt mindern würden, bei der Feststellung des progressionsbedingt besonderen Steuersatzes nicht mindernd auswirken würden. Dabei sei insoweit jedoch der Rechtsprechung des BFH (Beschlüsse vom 29. Juli 2005, VI B 199/04 und vom 15. Mai 2002, I B 73/01) zu folgen, wonach eine mögliche Benachteiligung mit Rücksicht auf den vom Gesetzgeber angestrebten Vereinfachungseffekt hinnehmbar sei.
    Die an die geschiedene Ehefrau geleisteten Rentenzahlungen würden im Übrigen Zahlungen im Rahmen von Scheidungsfolgen darstellen und seien nach der Systematik des ESt-Rechts Unterhaltsleistungen, die beim Verpflichteten nicht abziehbar und beim Berechtigten nicht steuerbar seien (§ 12 Nr. 2, § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG).
    Hiergegen richtet sich die vorliegende fristgerecht erhobene Klage, mit der vorgetragen wird, dass es sich bei den abgetretenen Beträgen um Leistungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleiches im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 b EStG handele. Sie seien abziehbar (als Sonderausgabe), soweit die ihnen zu Grunde liegenden Einnahmen beim Ausgleichsverpflichteten der Besteuerung unterlägen. Die Höhe des Abzugs richte sich nach der Besteuerung der Einnahmen beim Ausgleichsverpflichteten. Bei Versorgungsbezügen im Sinne des § 19 Abs. 4 EStG, die in voller Höhe der Besteuerung unterlägen, wäre die Ausgleichszahlung in ihrer vollen Höhe abziehbar, bei Leibrenten der Ertragsanteil jeweils auf der Einnahmen- und Ausgabenseite (vgl. Blümich/Hutter, § 10 EStG, Rz. 139). Es seien keine Gründe ersichtlich, warum dieser Rechtsgedanke nicht auch auf die so genannten steuerfreien Einnahmen anzuwenden sei, die gemäß § 32 b EStG dem Progressionsvorbehalt unterlägen. Um dies abrechnungstechnisch sauber lösen zu können, scheine der Abzug der Verpflichtung direkt bei der Ermittlung der Einkünfte im Sinne des § 32 b EStG sinnvoll.
    Eine Nichtberücksichtigung sei gleichheitswidrig und dürfte auch gegen europäisches Recht verstoßen. Die Abzugsbeschränkung des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG - kein Abzug bei unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang der Aufwendungen mit (so genannten) steuerfreien Einnahmen - greife nicht. Denn die in Nr. 1 b des in Bezug genommenen § 10 Abs. 1 EStG sei in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Abs. 2 nicht mehr aufgeführt. Die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG könne nach dem Rechtsstaatsprinzip auch nicht entsprechend angewendet werden, da sie eine belastende Norm gewesen sei. Sie sei nach dem klaren Willen des Gesetzgebers schlicht entfallen. Außerdem würde der beim Abzug schädliche unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Vorsorgeaufwendungen und steuerfreien Einnahmen fehlen. Nach der Definition des BFH bestehe dieser insbesondere dann, wenn steuerfreie Einnahmen nach ihrer Zweckbestimmung der Leistung von Vorsorgeaufwendungen dienten (Schmidt/Heinicke, EStG, § 10 Rz. 160 m.w.N.). Diese Voraussetzung sei hier nicht gegeben. Die Army-Rente solle von ihrem Zweck her nicht an einen geschiedenen Partner weitergeleitet werden, sondern den ehemaligen Army-Angehörigen versorgen. Auch die anderen Fallgruppen seien hier nicht einschlägig. Es bestünde allenfalls ein mittelbarer Zusammenhang, der unschädlich sei.
    Die analoge Anwendung scheide auch aus einem anderen Grund aus: Der Zweck dieser Norm sei die Vermeidung eines so genannten doppelten steuerlichen Vorteils durch abgemilderte Besteuerung der Einnahmen einerseits und Berücksichtigung von Sonderausgaben in voller Höhe andererseits. Diese Gefahr bestehe nicht, wenn die Ausgleichsbeträge bereits bei der Ermittlung der Einkünfte berücksichtigt würden. Genauso habe es der BFH in seinem Urteil vom 29. April 1992, I R 102/91, gesehen.
    Die vom Kläger aufgrund des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs erbrachten Leistungen seien im Rahmen von § 32 b EStG oder als Sonderausgaben zu berücksichtigen, wobei dann der Umfang des Abzugs mit der Belastung durch die Erhöhung des Steuersatzes gleichzustellen wäre zur Vermeidung einer über die Belastung hinausgehenden Begünstigung. Der BFH habe in I R 73/09 zu einem Fall der Vorsorgeaufwendungen geurteilt. Da die Beiträge zur niederländischen Krankenversicherung aber bereits deshalb nicht berücksichtigt werden könnten, weil sie als Beiträge in Deutschland unter die Abzugsbeschränkung des § 10 Abs. 3 EStG fallen würden, habe der BFH sie im Urteilsfall konsequenterweise auch nicht im Rahmen des § 32 b EStG berücksichtigen können. Denn das wäre ein Wertungswiderspruch. Der BFH habe dies dadurch gelöst, dass er diese Sonderausgaben auch im Rahmen des § 32 b EStG nicht berücksichtige. Bei Versorgungsleistungen liege der Fall aber anders. Hier gebe es keine vergleichbaren Abzugsbeschränkungen. Zu Versorgungsleistungen habe der BFH in I R 73/09 auch nicht entschieden; deshalb könnten seine Ausführungen zu Ziff. 9 in den Urteilsgründen nicht über den entschiedenen Sachverhalt hinaus angewendet werden. Vielmehr weise der BFH selbst unter Ziff. 8 auf die Möglichkeit eines Verstoßes gegen europäisches Recht hin, wenn die in einem anderen Vertragsstaat geleisteten Aufwendungen/Sonderausgaben in Deutschland nicht abziehbar seien. Wegen § 10 Abs. 3 EStG sei der BFH dann nicht mehr zu diesem Prüfungspunkt gelangt, habe aber die Gelegenheit für ein obiter dictum genutzt. Wenn der BFH nicht die Möglichkeit sehen würde, den Gleichheitssatz bzw. die Europarechtswidrigkeit als Korrektiv einzusetzen, dann hätte er hier geschwiegen. Er schreibe jedoch: „Daher liegt eine den Klägern nachteilige Ungleichbehandlung der streitigen Vorsorgeaufwendungen mit vergleichbaren im Inland gezahlten Aufwendungen nicht vor”. Im Fall des Klägers jedoch würden Vorsorgeaufwendungen, die ihre Quelle in einem anderen EU-Staat hätten, gegenüber denjenigen in Deutschland diskriminiert. Denn die britischen Bezüge würden nicht durch entsprechende Vorsorgeaufwendungen entlastet, deutsche Bezüge würden es aber sehr wohl.
    Der Kläger würde mit dem Verweis auf eine angebliche Steuerfreiheit seiner Bezüge von den beiden nur dem Gesetzestext folgenden Möglichkeiten der Geltendmachung ausgeschlossen. Bei den Sonderausgaben stünden seine Aufwendungen im Zusammenhang mit Einkünften, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben würden, und im Bereich des Progressionsvorbehalts handele es sich um so genannte steuerfreie Einkünfte, die tatsächlich jedoch besteuert würden. Er würde gleichheitswidrig am Wortlaut der Vorschriften scheitern, obwohl Auslegung geboten sei.
    Der Kläger beantragt sinngemäß,
    die ESt-Bescheide für 2008 und 2009, jeweils vom 24. September 2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2010 und der Änderungsbescheide vom 10. Mai 2011 zu ändern und die an die geschiedene Ehefrau abgetretenen und gezahlten Beträge von 2.054,59 EUR (2008) und 1.833,65 EUR (2009) im Rahmen des Progressionsvorbehalts abzuziehen.
    Das Finanzamt beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Zur Begründung wird auf die Einspruchsentscheidungen vom 22. Dezember 2010 und 5. Juli 2010 (wegen ESt 2005 bis 2007) Bezug genommen. Ergänzend wird vorgetragen, dass die steuerrechtlichen Regelungen zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich mit dem JStG 2008 (BGBl I 2007, 3150) nunmehr in § 10 Abs. 1 Nr. 1 b EStG niedergelegt worden seien. Ab dem Veranlagungszeitraum 2008 finde für Ausgleichsansprüche nach der Scheidung mithin § 10 Abs. 1 Nr. 1 b EStG in der ab dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung sowie das BMF-Schreiben vom 9. April 2010 Anwendung. Gleichwohl gelte das in diesem Zusammenhang zu beachtende so genannte Korrespondenzprinzip unverändert fort, d.h. Ausgleichsleistungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs könnten vom Ausgleichsverpflichteten (Kläger) wie bisher nur in dem Umfang als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 b EStG geltend gemacht werden, in dem die den Ausgleichsleistungen zu Grunde liegenden Einnahmen bei ihm der Besteuerung unterlägen. Dies ergebe sich im Übrigen bereits aus dem entsprechenden Gesetzeswortlaut. Seien die zu Grunde liegenden Einnahmen nicht steuerbar oder wie hier steuerfrei, komme mithin ein Sonderausgabenabzug nach wie vor nicht in Betracht (siehe R 10.3 EStR 2009). Der Verweis auf die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG gehe fehl, da diese Vorschrift unverändert die Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug der in § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 bezeichneten Beträge, nämlich ausschließlich Vorsorgeaufwendungen, regele und damit für den Streitpunkt hier nicht relevant sei. Die Vorschrift sei auch nicht entfallen.
    Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze und 1 Band Einkommensteuerakte Bezug genommen. Diese war beigezogen und Gegenstand der Entscheidung.
    Gründe
    Die Klage ist unbegründet.
    Die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die abgetretenen britischen Rentenbeträge mindern weder den Progressionsvorbehalt (1.) noch stellen sie abzugsfähige Sonderausgaben dar (2.). Eine europarechtswidrige Benachteiligung des Klägers lies sich nicht feststellen (3.).
    1. Die streitigen Aufwendungen können nicht bei der Bemessung des auf das zu versteuernde Einkommen des Klägers anzuwendenden Steuersatzes berücksichtigt werden.
    Maßgeblich ist insoweit zum einen § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG, nach dem u.a. durch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der deutschen Besteuerung freigestellte Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind. Daran anknüpfend bestimmt zum anderen § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG, das die betreffenden Einkünfte den anzuwendenden Steuersatz erhöhen oder vermindern. In die von § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG vorgeschriebene Berechnung gehen demnach nur Einkünfte ein. Sonderausgaben zählen indessen nicht zu den Einkünften, sondern werden erst im Anschluss an die Ermittlung der Einkünfte vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen (§ 2 Abs. 4 EStG). Das schließt ihre Berücksichtigung im Rahmen des Progressionsvorbehalts aus (BFH-Urteile vom 18. April 2012 X R 62/09, Juris; vom 16. November 2011 X R 15/09, BStBl II 2012, 325 und vom 3. November 2010 I R 73/09, BFH/NV 2011, 773 -vorhergehend FG Köln, Urteil vom 26. Mai 2009 1 K 3199/07, EFG 2010, 415- sowie das Urteil des FG des Saarlandes vom 17. Juli 2008 2 K 2194/05, EFG 2008, 1708).
    Anders als noch nach dem bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1995 geltenden Recht, wonach im Rahmen der Ermittlung des Progressionstarifs eine sogenannte Schattenveranlagung durchgeführt werden musste (vgl. zur Rechtslage bis zum 31.12.1995 BFH-Urteil vom 29. April 1992 I R 102/91, BStBl. II 1993, 149), finden nunmehr bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes nach § 32 b Abs. 2 EStG Sonderausgaben im Zusammenhang mit ausländischen Einkünften keine Berücksichtigung mehr.
    Nach der früheren gesetzlichen Regelung war für die Berechnung des besonderen Steuersatzes das zu versteuernde Einkommen so zu ermitteln, als ob das jeweilige die Steuerfreiheit der Einkünfte begründende Doppelbesteuerungsabkommen nicht bestünde. Aus Gründen der Steuervereinfachung hatte sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, die Technik der Schattenveranlagung durch die vereinfachte Methode der Hinzurechnung zu ersetzen (vgl. Gesetzesbegründung in Bundestags-Drucksache 13/901, Seite 136). Mit der Änderung des Wortlauts des § 32 b Abs. 2 durch das Jahressteuergesetz 1996 wurde die Schattenveranlagung sodann durch die sogenannte Hinzurechnungsmethode, wonach für die Berechnung des besonderen Steuersatzes dem zu versteuernden Einkommen die positiven oder negativen Einkünfte hinzugerechnet bzw. abgezogen werden, ersetzt. Mit der Gesetzesänderung war jedoch keine neue Definition des Begriffs der „Einkünfte” in § 32 b EStG verbunden (BFH-Beschluss vom 15. Mai 2002 I B 73/01, BFH/NV 2002, 1295).
    Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die britischen Renteneinkünfte unstreitig nach dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der deutschen Besteuerung freigestellte Einkünfte und im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Bei einem Versorgungsausgleich durch Abtretung von Versorgungsansprüchen (§ 1587i Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) leistet ein Dritter für den ausgleichspflichtigen Ehegatten: Die Versorgungsleistungen fließen dem ausgleichsberechtigten Ehegatten zwar unmittelbar zu, sind aber wie Versorgungsleistungen des Ausgleichsverpflichteten an den Ausgleichsberechtigten zu behandeln (sog. abgekürzter Zahlungsweg) und daher dem Kläger in voller Höhe zuzurechnen. Die Versorgungsleistungen an die ausgleichsberechtigte geschiedene Ehefrau stellen Sonderausgaben dar, deren Berücksichtigung im Rahmen des Progressionsvorbehalts nicht möglich ist.
    Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass sich die Gesetzesänderung und die damit verbundene Abschaffung der Schattenveranlagung und Einführung der Hinzurechnungsmethode im Rahmen des dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich zustehenden Gestaltungsspielraums bewegt. Die Ermittlung des Progressionstarifs verstößt insbesondere nicht gegen das im Steuerrecht zu beachtende Leistungsfähigkeitsprinzips als Ausfluss des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Die Einbeziehung ausländischer Einkünfte im Rahmen des Provisionsvorbehalts ist nach Ansicht des Senats – trotz der jeder Pauschalierung und Verfahrensvereinfachung innewohnenden Bedenken im Hinblick auf die Anwendung im Einzelfall – mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar. Die Umstellung der Steuersatzermittlung von der Schattenveranlagung auf die Hinzu- bzw. Abrechnung ist auf Grund des damit verbundenen Vereinfachungseffektes als verfassungsrechtlich unbedenklich einzustufen (BFH-Beschluss vom 15. Mai 2002 I B 73/01, BFH/NV 2002, 1295).
    2. Eine Anerkennung als Sonderausgaben scheitert daran, dass die Aufwendungen mit Einkünften zusammen hängen, die nach DBA steuerfrei sind.
    Leistungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs konnten bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2007 als dauernde Last i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG a. F. beim ausgleichsverpflichteten Ehegatten abgezogen werden und mussten vom ausgleichsberechtigten Ehegatten nach § 22 Nr. 1 S. 1 EStG a.F. versteuert werden (BFH-Urteil vom 18. September 2003 X R 152/97, BFH/NV 2004, 120 bzw. BStBl II 2007, 749).
    Durch das Jahressteuergesetz 2008 ist in § 10 Abs. 1 Nr. 1 b EStG das Rechtsinstitut der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen neu geregelt worden. Die neue Regelung ist auf Versorgungsleistungen anzuwenden, die auf nach dem 31. Dezember 2007 vereinbarten Vermögensübertragungen beruhen (§ 52 Abs. 23g S. 1 EStG). Für vor dem 1. Januar 2008 wirksam gewordene Übertragungsverpflichtungen -wie im Streitfall- gelten die bisherigen Rechtsgrundsätze für Renten und dauernde Lasten nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG a. F. weiter.
    Versorgungsleistungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG a.F. bzw. § 10 Abs. 1 Nr. 1 b EStG 2008 können nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie nicht mit Einkünften, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Bei der Veranlagung außer Betracht bleiben nach der Rechtsprechung des BFH steuerbare Einkünfte, die einer der sieben Einkunftsarten zuzurechnen sind, jedoch nach § 3 oder nach einem DBA steuerfrei bleiben (BFH-Urteile vom 26. November 1974 VIII R 266/72, BStBl II 1975, 331 und vom 27. November 1964 VI 26/62 S, BStBl III 1965, 164; Hutter in Blümich, 115. Aufl., § 10 Rz 113; Söhn in Kirchhoff/Söhn, EStG, (September 2008) § 10 Rdnr. D 289; Heinicke in Schmidt, EStG, 27. Auflage 2008, § 10 Rn. 59 bzw. 31. Aufl. 2012, Rn. 67 a.E.; EStR 2005 R 10.3 Abs. 1).
    Die britische Rente wurde teilweise an die geschiedene Ehefrau abgetreten. Die dem Ausgleichsverpflichteten zurechenbaren Drittzahlungen an den Ausgleichsberechtigten sind abzugsfähig, wenn und soweit die dieser Leistung zugrunde liegenden Einnahmen beim Ausgleichsverpflichteten der Besteuerung unterlegen haben (Söhn in Kirchhof/Söhn, EStG, § 10 Rdnr. D 354).
    Da die Einnahmen unstreitig aufgrund des DBA steuerfrei sind, haben die Renteneinnahmen des Klägers nicht seiner Besteuerung nach § 2 Abs. 1 EStG unterlegen. Die Zahlung an seine geschiedene Ehefrau steht mit diesen steuerbefreiten Einkünften in wirtschaftlichen Zusammenhang und kann daher nicht abgezogen werden.
    3. Eine europarechtswidrige Benachteiligung des Klägers konnte nicht festgestellt werden.
    Der BFH hat entschieden, dass die Berücksichtigung des „Progressionsvorbehalts” nicht gegen die gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften -EG- sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABlEG 1997 Nr. C 340, 1; heute: Art. 45 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union -AEUV- i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Union 2007 Nr. C 306/01 - BFH-Urteil vom 15. Mai 2002 I R 40/01, BFHE 199, 224, BStBl II 2002, 660) und gegen die gemeinschaftsrechtliche Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG; heute: Art. 56 AEUV - BFH-Beschluss vom 19. Juli 2010 I B 10/10, BFH/NV 2011, 17).) verstößt. Er hat dabei für maßgeblich erachtet, dass die Anwendung des besonderen Steuersatzes nicht zu einer steuerlichen Benachteiligung des Beziehers ausländischer Einkünfte führt. Vielmehr bewirkt sie im Gegenteil, dass im Ausland erzielte Einkünfte einerseits und vergleichbare inländische Einkünfte andererseits gleich behandelt werden (BFH-Urteil vom 19. November 2003 I R 19/03, BFHE 204, 155, BStBl II 2004, 549).
    Der „Steuernachteil”, den der Kläger infolge des Progressionsvorbehalts hinnehmen musste, beläuft sich auf 232 EUR (2008) bzw. 216 EUR (2009). Denn die ESt hätte für 2008 bei einem zu versteuernden Einkommen von 87.809 EUR (ohne Progressionsvorbehalt) 28.965 EUR und für 2009 bei einem zu versteuernden Einkommen von 85.664 EUR (ohne Progressionsvorbehalt) 27.914 EUR betragen. Hätte der Kläger seine britische Rente in Höhe von 2.657 EUR (2008) und 2.361 EUR (2009) in Deutschland versteuern müssen, hätte er -unter Berücksichtigung der abgetretenen Teile an seine geschiedene Ehefrau als Sonderausgaben- zu versteuernde Einkommen von 88.412 EUR (2008) und 86.192 EUR (2009) gehabt. Dieses wiederum hätte zu einer ESt für 2008 von 29.219 EUR und für 2009 von 28.136 EUR geführt. Seine mit den angefochtenen Bescheiden vom 10. Mai 2011 festgesetzte ESt betrug jedoch lediglich 29.197 EUR (2008) und 28.130 EUR (2009), also 22 EUR (2008) bzw. 6 EUR (2009) weniger, als der Kläger bei „inländischer Besteuerung” hätte zahlen müssen. Infolgedessen vermag der Senat keine Benachteiligung des Klägers festzustellen.
    Insgesamt lässt sich eine europarechtswidrige Benachteiligung des Klägers infolge der Anwendung des Progressionsvorbehalts unter keinem Gesichtspunkt feststellen. Eine Vorlage an den EuGH kam demzufolge nicht in Betracht.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
    Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

    Vorschriften§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG, § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG

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