Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 06.05.2011

    Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 09.03.2011 – 2 K 221/08

    Die Begrenzung der Anrechnung ausländischer Kapitalertragsteuer auf die deutsche Einkommensteuer nach dem Grundsatz der „Per-Country-Limitation” verstößt nicht gegen EU-Recht


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Höhe des Steuerabzugs für ausländische Einkünfte bei der deutschen Einkommensteuer.

    Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2004 - 2006 unter anderem ausländische Kapitaleinkünfte aus den Niederlanden, Kanada, Puerto Rico (USA) und Italien. Den hierauf entfallenden ausländischen Steuerabzug rechnete das Finanzamt nur teilweise bei der deutschen Einkommensteuer an. Es ergeben sich insgesamt folgende Werte:

    Jahr ausländische   Kapitaleinkünfte hierauf entfallende ausländische Steuer auf die Einkommensteuer angerechnete ausländische Steuer
    2004 2.801 € 593 € 253 €
    2005 10.650 € 2.457 € 972 €
    2006 11.865 € 2.421 € 1.142 €


    Hinsichtlich der Zusammensetzung der Einkünfte im Einzelnen sowie der darauf entfallenden Abzugsbeträge wird auf die Anlagen AUS zu den Steuererklärungen verwiesen.

    Die Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 19. März 2008 erhob der Kläger form- und fristgerecht Einspruch. Einen Antrag auf Änderung der Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 in Bezug auf die anzurechnende ausländische Steuer lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 20. März 2008 ab. Auch hiergegen erhob der Kläger rechtzeitig Einspruch.

    Zur Begründung der Einsprüche trug der Kläger vor:

    Die vom Finanzamt eingeschränkte Berücksichtigung ausländischer Quellensteuer gemäß § 34 c EStG sei im Ergebnis nicht richtig. Bei der Berechnung würden nach dem so genannten Grundsatz der „Per-Country-Limitation” Fiktionen vorgenommen, die durch das Gesetz nicht gedeckt seien. Das Einkommensteuergesetz verlange die Besteuerung nach dem Welteinkommensprinzip. Im Sinne einer gerechten Besteuerung müssten dann auch alle geleisteten und der Einkommensteuer entsprechenden Steuern berücksichtigt werden. Dieses sei jedoch durch die länderweise Berechnung und Berücksichtigung von ausländischen Steuern nicht gewährleistet.

    Mit Entscheidung vom 25. September 2008 wies das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück:

    Der Steuerabzug für ausländische Einkünfte sei zutreffend berücksichtigt worden. Gemäß § 34 c Abs. 1 Satz 1 EStG sei bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit ausländischen Einkünften in dem Staat, aus dem die Einkünfte stammten, zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen worden, die festgesetzte und gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfalle. Der Gesetzeszweck des § 34 c Abs. 1 EStG liege darin, auf Grund des Welteinkommensprinzips mögliche Doppelbesteuerung durch Anrechnung der ausländischen Steuer zu vermeiden. Eine Anrechnung ausländischer Steuern sei nur bis zur Höhe der deutschen Einkommensteuer möglich, die auf die betreffenden ausländischen Einkünfte entfalle, da auch nur insoweit eine doppelte Besteuerung vorliege. Würden inländische und ausländische Steuerbelastung voneinander abweichen, wie das regelmäßig der Fall sein werde, so würden diese Einkünfte nach der Anrechnung im Ergebnis der höheren der beiden Steuerbelastungen unterliegen.

    Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Klage, zu deren Begründung der Kläger Folgendes ausführt:

    Das deutsche Einkommensteuersystem sei darauf gegründet, für das gesamte Einkommen eines Steuerpflichtigen einen einheitlichen Steuerbetrag zu bestimmen. § 36 EStG regele diesen Zusammenhang, in dem er bestimme, dass einbehaltene inländische Quellensteuern auf die Gesamtsteuerschuld anzurechnen und gegebenenfalls dann sogar zu erstatten seien. § 34 c EStG stelle dagegen auf einen Teilbetrag der Einkünfte ab, und zwar nur auf die ausländischen Einkünfte, die außerdem wiederum getrennt für jeden ausländischen Staat betrachtet würden („Per-Country-Limitation”). § 34 c EStG führe also in das deutsche Einkommensteuerrecht eine separierende Betrachtensweise ein, die diesem normalerweise völlig fremd sei. Dieser Systembruch habe keine tragende Begründung und verletze somit den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) und führe zu einem Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG-Vertrag). Die Anwendung der „Per-Country-Limitation” verhindere eine durchgängige Vermeidung der Doppelbesteuerung bei Bezug von Einkünften aus mehreren Staaten, die mit ausländischen Steuern belastet seien, die teils höher und teils niedriger als die entsprechenden deutschen Steuern seien. Ein Ausgleich von hoch und niedrig besteuerten Einkünften verschiedener Länder sei nicht möglich. Übersteige die ausländische Steuer den Anrechnungshöchstbetrag, so könne für den übersteigenden Teil die Doppelbesteuerung im Ergebnis nicht vermieden werden. Der nicht anrechenbare Teil der ausländischen Steuer könne nämlich weder gemäß § 34 c Abs. 2 oder Abs. 3 EStG noch unter anderen Gesichtspunkten bei der Einkommensermittlung abgesetzt werden. Insbesondere könnten derartige Anrechnungsüberhänge nicht im Rahmen eines Anrechnungsvor- oder Rücktrags steuerlich zur Geltung gebracht werden. Auf die vom Kläger in diesem Zusammenhang durchgeführte Beispielsrechnung im Schriftsatz vom 20. November 2008 wird Bezug genommen. Demzufolge führe die nur teilweise anrechenbare ausländische Quellensteuer zu einer umso stärkeren steuerrechtlichen Ungleichbehandlung, je mehr die Verlagerung auf verschiedene Länder erfolge. Dieser Effekt werde noch verstärkt, wenn der deutsche Einkommensteuersatz unter dem Satz der ausländischen Quellensteuer liege. Prof. Dr. Schaumburg vertrete ebenfalls die Auffassung, dass die in § 34 c Abs. 1 EStG verankerte „Per-Country-Limitation” zu einem Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG-Vertrag) führe. Die Kapitalverkehrsfreiheit verlange zwar - so sei die bislang vertretene Auffassung gewesen - nicht die Anrechnung der ausländischen Steuer über die inländische Steuer hinaus. Ausländische Kapitalanlagen würden aber jedenfalls dadurch behindert, dass im Rahmen der nach § 34 c Abs. 1 EStG erforderlichen Höchstbetragsberechnung jeweils gesondert auf die Steuer eines jeden Staates abgestellt werde. Hierdurch werde der freie Kapitalverkehr beeinträchtigt. Kapitalanleger würden aus steuerlichen Gründen veranlasst, ihre Kapitalanlagen möglichst in einem Staate zu konzentrieren, um Anrechnungsüberhänge zu vermeiden. Auf die weiteren Ausführungen von Schaumburg (in Besteuerung von Einkommen, DStJG Band 24, Seite 250 ff) nimmt der Kläger Bezug. Auch der Aufsatz „Europarechtliche Vorgaben für die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung im Wege der Anrechnungsmethode” von Cordewener/Schnitger (in Steuer und Wirtschaft -StuW- 2006, 50 ff) zeige, dass der Einfluss der EG-Grundfreiheiten in Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei der konkreten Anrechnungsmethode zu beachten sei. Dies betreffe den objektiven Anwendungsbereich dieser Norm und dort vor allem die durch den Anrechnungshöchstbetrag vorgegebenen quantitativen Begrenzungen für den Umfang der anrechnungsfähigen ausländischen Steuer. Die gesetzliche Regelung in § 34 c EStG wirke in Bezug auf Grundfreiheiten diskriminierend. Zur Vermeidung wäre zum einen die für die inländische Quellensteuerabzüge vorgesehene Vollanrechnung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) auf die vergleichbaren Auslandseinkünfte im ausländischen Quellenstaat erhobenen Abzugssteuern gleichfalls vollständig zur Anrechnung auf die inländische Steuerschuld zu bringen. Zum anderen verstoße die durch die Berechnungsformel des § 34 c Abs. 1 Satz 2 EStG eintretende Verkürzung der Berücksichtigung personenbezogener Steuervergünstigungen einer natürlichen Person gegen die Grundfreiheiten in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof. Des Weiteren sei die Berechnung des Anrechungshöchstbetrages nach Maßgabe einer „Per-Country-Limitation” binnenmarktfeindlich. Eine einheitliche „Per-Country-Limitation” Ausland könne den Verfassungsverstoß zumindest mildern. Aber auch dies beseitige nicht den Verstoß gegen die EU-Grundfreiheiten. Schließlich sei der Anrechnungsausschluss ausländischer Steuern im Falle der Erzielung von Inlandsverlusten grundfreiheitlich bedenklich. Das Finanzgericht Köln (Urteil vom 11. Juli 2002 Az. 7 K 8572/98, EFG 2002, 1391) habe zwar bestätigt, dass eine Steuerermäßigung gemäß § 34 c Abs. 1 Satz 1 EStG nur dann gewährt werde, wenn auf die ausländischen Einkünfte rechnerisch deutsche Einkommensteuer entfalle. Dieses solle weder gegen das EU-Recht noch gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verstoßen. Dabei verkenne jedoch das Finanzgericht, dass einerseits Welteinkünfte in voller Höhe versteuert würden, andererseits jedoch der deutschen Einkommensteuer entsprechende Quellensteuern nur teilweise angerechnet würden. Diese Entscheidung werde auch in der Fachliteratur kritisch beurteilt. Denn durch die limitierte Steueranrechnung werde das Anlageverhalten beeinflusst. Eine verminderte Anrechnung von ausländischen Quellensteuern sei geeignet, Kapitaltransfer zu unterbinden. Dies könne insbesondere gravierende Auswirkungen in den Fällen haben, in denen mit dem Kauf von ausländischen Wertpapieren kurz vor einem Zinstermin Stückzinsen anfallen; danach werde die Zinszahlung und der Quellensteuerabzug fällig, der Saldo aus Zinsertrag abzüglich Stückzinsen führe in Relation zu den ungekürzten Quellensteuern zu einer unverhältnismäßigen steuerlichen Belastung; zugleich sei der Verstoß gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages offenbar. Auch insoweit wird auf die vom Kläger durchgeführte Beispielsrechnung Bezug genommen.

    Im Schriftsatz vom 10. Februar 2011 führt der Kläger schließlich aus, dass die Besteuerung des Steuersubstrats „Kapitaleinkünfte” in mehr als einem Staat durch die Anknüpfung an den Kläger als Einkommensteuer-Subjekt grundsätzlich zu einer rechtlichen Doppelbesteuerung der in Rede stehenden Kapitalerträge führe, die im vorliegenden Fall auch zu einer Überbesteuerung führe. Die als Grundfreiheiten in den Art. 29, 45, 49, 56 und 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Gemeinschaften i.d. Fassung vom 13. Dezember 2007 -Lissabon (AEUV) verbrieften Rechte der Gemeinschaftsbürger seien unmittelbar anwendbares Recht, das nationales Recht überlagere und im Kollisionsfall gegenüber Gemeinschaftsbürgern unanwendbar mache. Die Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs, Art. 63 AEUV verbiete Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten und zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern. Zu dem Kapitalverkehr in diesem Sinne würden auch der Erwerb und das Halten von Aktien und Beteiligungen und der Bezug von Dividenden hieraus gehören. Im vorliegenden Fall habe die Höchstbetragsregelung in § 68a Satz 2 EStDV dazu geführt, dass Steuerbeträge, die in den jeweiligen Quellenstaaten erhoben worden seien, i.H. von 3.104,-EUR nicht auf die EST des Klägers angerechnet worden seien. Für diesen tatbestandlichen Eingriff in eine Grundfreiheit bestünden auch keine geschriebenen oder ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe. Im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 10. Februar 2011 Bezug genommen.

    Der Kläger beantragt,

    das Finanzamt unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung vom 20. März 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. September 2008 zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 2004 vom 06. August 2007 und 2005 vom 11. April 2007 zu ändern und dabei die gesamte auf die ausländischen Kapitaleinkünfte entfallenden Steuern bei der deutschen Einkommen-steuer abzuziehen,

    den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 19. März 2008 ebenfalls in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. September 2008 zu ändern und dabei die gesamten auf die ausländischen Kapitaleinkünfte entfallenden Steuern bei der deutschen Einkommensteuer abzuziehen,

    hilfsweise, die nicht angerechnete ausländische Kapitalertragsteuer jeweils als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.

    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das Finanzamt bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

    Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze sowie 1 Band Einkommensteuerakten mit der Steuernummer ... Bezug genommen. Diese waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Die angefochtenen Verwaltungsakte sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Eine Änderung der Steuerfestsetzung 2006 bzw. eine Verpflichtung des Finanzamts zur Änderung der Steuerfestsetzungen 2004 und 2005 kommen somit nicht in Betracht (§§ 100 Abs. 1, 2, 101 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das Finanzamt hat zu Recht die Anrechnung weiterer ausländischer Steuerabzugsbeträge auf die festzusetzende inländische Einkommensteuer abgelehnt. Hierin liegt kein Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Die hilfsweise geltend gemachte Berücksichtigung der nicht angerechneten ausländischen Kapitalertragsteuer als Werbungskosten kommt ebenfalls nicht in Betracht.

    Gemäß § 34 c Abs. 1 EStG ist bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit ausländischen Einkünften in dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen, zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden, die festgesetzte und gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt. Nach Satz 2 ist die auf diese ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer in der Weise zu ermitteln, dass die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens - einschließlich der ausländischen Einkünfte - nach den §§ 32 a, 32 b, 34 und 34 b ergebende deutsche Einkommensteuer im Verhältnis dieser ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt wird. Nach § 68 a Einkommensteuerdurchführungsverordnung -EStDV- ist die für die Einkünfte aus einem ausländischen Staat festgesetzte und gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende ausländische Steuer nur bis zur Höhe der deutschen Steuer anzurechnen, die auf die Einkünfte aus diesem ausländischen Staat entfällt. Stammen die Einkünfte aus mehreren ausländischen Staaten, so sind die Höchstbeträge der anrechenbaren ausländischen Steuern für jeden einzelnen ausländischen Staat gesondert zu berechnen (§ 68 a Satz 2 EStDV, so genannte „Per-Country-Limitation”).

    Diese Höchstbetrags-Berechnung ist im Streitfall auch anwendbar, obwohl mit allen Staaten, aus denen der Kläger Kapitalerträge bezogen hatte Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) bestehen. Zwar sind nach § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG die Absätze 1-3 nicht anzuwenden, wenn die Einkünfte aus einem ausländischen Staat stammen, mit dem ein DBA besteht. Soweit in einem DBA die Anrechnung einer ausländischen Steuer auf die deutsche Einkommensteuer vorgesehen ist, sind aber nach § 34c Abs. 6 Satz 2 die Absätze 1 Satz 2-5 und Abs. 2 entsprechend auf die nach dem DBA anzurechnende ausländische Steuer anzuwenden. Sämtliche im Streitfall maßgeblichen DBA sehen eine entsprechende Anrechnung vor (vgl. Art. 20 Abs. 2 DBA-Niederlande, Art. 24 Abs. 3b DBA-Italien, Art. 23 Abs. 2b DBA-Kanada, Art. 23 Abs. 3b DBA-USA).

    Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das Finanzamt in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden die anzurechnende ausländische Steuer entsprechend diesen Rechtsgrundlagen ermittelt hat. Auch für den Senat bestehen insoweit keine Bedenken.

    Es bestehen zunächst keine Bedenken dagegen, dass die Vorschrift des § 68a EStDV auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Grundgesetz (GG) basiert. Denn nach § 34c Abs. 7 Nr.1 EStG können durch Rechtsverordnung Vorschriften erlassen werden über die Anrechnung ausländischer Steuern, wenn die ausländischen Einkünfte aus mehreren fremden Staaten stammen. Konkrete Bedenken hiergegen werden vom Kläger auch nicht vorgebracht.

    Diese Anrechnungsmethode verstößt auch nicht gegen EU-Recht. Nach Art. 56 Abs. 1 des für die Streitjahre maßgebenden EG-Vertrags sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Nach Art. 52, 58 EG-Vertrag sind ferner Beschränkungen der freien Niederlassung von Gesellschaften eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates verboten. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die Beschränkung der direkten Steueranrechnung auf den Höchstbetrag Beteiligungen an ausländischen gegenüber solchen an inländischen Kapitalgesellschaften in mehrfacher Hinsicht benachteiligt (z.B. Gosch in Kirchhof, Kommentar zum EStG, § 34 c Rn. 39; weitere Nachweise bei Wassermeyer/Schönfeld, Außensteuerrecht, Vor § 34 c EStG, Fußnote 4 zu Anm. 31), zum einen dadurch, dass dort die Steueranrechnung der Höchstbetragsberechnung unterfällt, während hier die Anrechnung der Kapitalertragsteuer unbeschränkt ist, und zum anderen durch die länderbezogene Beschränkung und den dadurch ausgelösten Verlust etwaiger Anrechnungsüberhänge. Diese Schlechterstellung aber kann dazu verleiten, bevorzugt Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften zu erwerben (Gosch a.a.O.).

    Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen. Denn die Grundfreiheiten wollen lediglich sicherstellen, dass die Produktionsfaktoren ungehindert an den Ort ihres effizientesten Einsatzes gelangen. Zu den diesen Ort determinierenden Standortbedingungen gehören aber auch die steuerlichen Gegebenheiten. Und sind diese aufgrund eines höheren Steuerniveaus weniger optimal, dann ist es nicht Aufgabe der Grundfreiheiten, dafür zu sorgen, dass die Produktionsfaktoren an diesen (negativen) Ort gelangen. Angewendet auf die Anrechnungsproblematik bedeutet dies, dass der Wohnsitzstaat über die Grundfreiheiten nicht dazu gezwungen werden kann, den Standortnachteil des Quellenstaats im Wege der unbegrenzten Anrechnung zu kompensieren (so zutreffend Wassermeyer/Schönfeld, a.a.O., Anm. 31; ebenso Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 3. Dezember 2003, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2004, 525; Blümich/Wagner, Kommentar zum EStG, § 34 c Rn. 14). Auch der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 12. Mai 1998 (Der Betrieb -DB- 1998, 1381 „Gilly”) in der Nichtberücksichtigung eines Anrechnungsüberhangs, der aufgrund der höheren Progression der deutschen Einkommensteuer in Frankreich verblieben war, keine Verletzung der Grundfreiheiten gesehen. Es soll danach nicht durch die Grundfreiheiten gewährleistet werden, dass die Steuern, die von dem Steuerpflichtigen in dem einen Staat erhoben werden, nicht höher sind als diejenigen, die von ihm in dem anderen Staat erhoben werden. Die möglichen nachteiligen Auswirkungen des Steueranrechnungsverfahrens ergeben sich in erster Linie aus den unterschiedlichen Steuersätzen der betreffenden Mitgliedstaaten, deren Festsetzung in Ermangelung einer Gemeinschaftsregelung auf diesem Gebiet in die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Im Übrigen wäre der Wohnsitzstaat, wenn er als Steueranrechnungsbetrag einen höheren Betrag als den den Einkünften aus ausländischer Quelle entsprechenden Teilbetrag der nationalen Steuer berücksichtigen müsste, gezwungen, seine Steuer auf die übrigen Einkünfte entsprechend zu verringern, was für diesen Staat zu einem Verlust an Steuereinnahmen führen und damit seine Souveränität auf dem Gebiet der direkten Steuern beeinträchtigen würde (Urteil des EuGH vom 12. Mai 1998, a.a.O., Rn. 46-48). Auch nach Ansicht des FG Baden-Württemberg verstößt die Regelung zur quotalen Ermittlung der auf die ausländischen Einkünfte entfallenden deutschen Einkommensteuer nicht gegen die Grundsätze der Freiheit des Kapitalverkehrs (Urteil vom 21. Juli 2010 1 K 332/09, EFG 2010, 1689, Revision I R 71/10).

    Die „Per-Country-Limitation” stellt ebenfalls keine Verletzung der Grundfreiheiten dar. Denn die Anrechnungsüberhänge sind lediglich das Ergebnis von schlechteren steuerlichen Rahmenbedingungen im Einkunftsstaat. Es ist aber nicht Aufgabe der Grundfreiheiten, die Produktionsfaktoren an einen solchen wenig optimalen Standort zu lenken. Insbesondere vor dem Hintergrund eines vom Gemeinschaftsrecht eingeforderten Wettbewerbs der Steuersysteme wäre es geradezu kontraproduktiv, eine grenzüberschreitende Wertschöpfung in einem derart steuerlich nachteilhaften ausländischen Staat dadurch zu ermöglichen, dass der inländische Steuerpflichtige (zu Lasten des inländischen Fiskus) den entstehenden Anrechnungsüberhang mit einem Anrechnungsguthaben in einem Niedrigsteuerstaat ausgleicht (Wassermeyer/Schönfeld, a.a.O., Vor § 34 c EStG, Anm. 32; ebenso Lieber in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum KStG, § 26 Anm. 4 zu § 26 Abs. 6 KStG, der auf § 34c Abs. 1 EStG verweist).

    Eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass bei der Berechnung der jeweiligen länderbezogenen Höchstbeträge auf das Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte abgestellt wird. Allerdings wird hierin ein anteiliger Verlust der persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen in Gestalt der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen und damit eine diskriminierende Wirkung gesehen, da die Niederlassungsfreiheit und das Recht auf Freizügigkeit die volle Berücksichtigung dieser persönlichen Verhältnisse im Wohnsitzstaat erfordern (Gosch a.a.O. RNr. 39; Schnitger Finanzrundschau -FR- 2003, 148, 150 Nr. 11 a.E. unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 12. Dezember 2002, FR 2003, 141 „de Groot”; auch Schönfeld a.a.O. Anm. 35 a.E.). Dagegen könnte bereits sprechen, dass es aufgrund des Neutralisierungsgedankens der Anrechnungsmethode sachgerecht ist, bei der Bestimmung des Anrechnungshöchstbetrages danach zu fragen, welche Steuerbelastung eingetreten wäre, wenn die ausländischen Einkünfte im Inland erzielt worden wären, da dies der Vergleichsmaßstab ist (vgl. Berechnungsbeispiel bei Schönfeld a.a.O.) Letztlich sieht der Senat einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht jedenfalls deshalb als nicht gegeben an, da dem Steuerpflichtigen alternativ zur Anrechnung das Wahlrecht nach § 34c Abs. 2 EStG zusteht und die ausländische Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte abziehen kann (Wagner a.a.O.).

    Soweit geltend gemacht wird, dass das Gemeinschaftsrecht bei Geltung des „Per-Country-Limitation” jedenfalls die Möglichkeit eines Vor- oder Rücktrages von Anrechnungsüberhängen erfordere, kann der Senat dem ebenfalls nicht folgen (so aber Lieber a.a.O.; Schönfeld a.a.O.). Es kann offen bleiben, inwieweit gegenüber dem Kläger im Streitfall bei Geltung einer derartigen Vor- und/oder Rücktragsregelung in den Streitjahren eine niedrigere Steuerfestsetzung zu erfolgen hätte. Denn auch insoweit steht dem Kläger als Ausweichmöglichkeit das Wahlrecht des § 34c Abs. 2 EStG zur Verfügung.

    Schließlich führt auch die unterschiedliche Behandlung der inländischen bzw. ausländischen Quellensteuer nicht zu einem Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht. Insoweit ist die Systematik des Einkommensteuer-Rechts zu berücksichtigen: Die festgesetzte Einkommensteuer wird durch Zahlung getilgt. Festgesetzte Einkommensteuer ist die Einkommensteuer, die nach Berücksichtigung von Ermäßigungen - zum Beispiel Anrechnung ausländischer, der deutschen Einkommensteuer entsprechender Steuern nach § 34c EStG - durch Steuerbescheid bestimmt bzw. festgesetzt ist. Nach § 36 Abs. 2 Satz 2 EStG sind sodann auf die Einkommensteuer die für den Veranlagungszeitraum entrichteten Einkommensteuervorauszahlungen, die einbehaltenen Steuerabzugsbeträge - dazu zählt gemäß § 43 EStG auch die Kapitalertragsteuer einschließlich Zinsabschlag - und die anzurechnende Körperschaftsteuer anzurechnen. Reicht die Summe der anzurechnenden Steuerbeträge zur Tilgung der Einkommensteuer nicht aus, hat der Steuerpflichtige die Differenz (Minderzahlung) innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids als Abschlusszahlung zu entrichten (§ 36 Abs. 4 Satz 1 EStG). Ist die genannte Summe größer, ist die sich zugunsten des Steuerpflichtigen ergebende Überzahlung nach Bekanntgabe des Steuerbescheids aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG auszuzahlen. Die inländische Quellensteuer stellt lediglich eine Vorauszahlung auf die ESt dar. Die ausländische Quellensteuer bewirkt aber eine abschließende Besteuerung im Ausland und begründet diejenige Standortbestimmung, die im Falle eines nachteiligeren Steuerniveaus eben als wenig optimal einzustufen ist. Die abschließend wirkende ausländische Quellensteuer ist im Hinblick auf ihre Funktion im Besteuerungssystem anders gelagert und deshalb der inländischen Quellensteuer nicht vergleichbar (Schönfeld a.a.O Anm. 31).

    Für den hilfsweise geltend gemachten Abzug der nicht angerechneten ausländischen Steuern als Werbungskosten ist keine Rechtsgrundlage vorhanden. Nach § 34c Abs. 2 EStG kann zwar statt der Anrechnung nach Absatz 1 die ausländische Steuer auf Antrag bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden, soweit sie auf ausländische Einkünfte entfällt, die nicht steuerfrei sind. Hiermit wird dem Kläger aber ein Wahlrecht gewährt (Schmidt/Heinicke, EStG, § 34c RNr. 26). Vorliegend hat der Kläger keinen solchen Antrag gestellt. Vielmehr geht sein Begehren dahin, grundsätzlich die ausländischen Steuern nach Absatz 1 auf die inländischen Steuern anzurechnen. Das Gesetz sieht keine kumulative Möglichkeit vor, den Anrechnungsüberhang von den Einkünften abzuziehen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

    VorschriftenEStG, EStDV § 68a

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents