08.01.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 04.03.2005 – VII 198/03
Wenn ein Wohnungsinhaber neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Bedarfs eine Zweitwohnung bereit hält, unterliegt die Wohnung der Zweitwohnungsteuer für das ganze Jahr, auch wenn er sie nur in zeitlich geringem Umfang tatsächlich bewohnt.
Das Hamburger Zweitwohnungsteuergesetz verstößt nicht gegen das Gebot der möglichst gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2002 bis 2004.
Der Kläger ist Eigentümer einer Wohnung in der X-Straße in Hamburg. Die Wohnung ist nach Angaben des Klägers 50 qm groß und mit einem Bad ausgestattet. Sie befindet sich in einem vor 1918 errichteten Gebäude. Seit dem 14.4.1989 ist er mit Nebenwohnung unter dieser Anschrift gemeldet.
Mit Zweitwohnungsteuerbescheid vom 28.11.2002 setzte der Beklagte die Zweitwohnungsteuer für die Kalenderjahre 2002 bis 2004 auf jährlich 288 EUR fest. Bei der Berechnung der Zweitwohnungsteuer legte der Beklagte eine Nettokaltmiete von 6,17 EUR und eine Wohnfläche von 50 qm zu Grunde. Die Nettokaltmiete beruhte auf dem Mittelwert einer Nettokaltmiete für eine Wohnung ähnlicher Größe und einer Ausstattung mit Bad und Sammelheizung nach dem Hamburger Mietenspiegels 2001.
Mit Einspruch vom 23.12.2002 wies der Kläger darauf hin, dass seine Wohnung nicht mit Sammelheizung ausgestattet sei. Ferner führte er unter Hinweis auf Literatur und Rechtsprechung aus, dass er seine Wohnung nicht einmal zwei Monate im Jahr selber nutze und deshalb nur für diesen Zeitraum zur Zweitwohnungsteuer herangezogen werden könne.
Mit Änderungsbescheid vom 27.02.2003 setzte der Beklagte die Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2002 bis 2004 auf jährlich 240 EUR fest. Die Bemessungsgrundlage der Zweitwohnungsteuer berechnete er nunmehr auf Grund einer Nettokaltmiete von 5 EUR pro qm, dem Mittelwert laut Hamburger Mietenspiegels für eine Wohnung mit Bad oder Sammelheizung. Mit Einspruchsentscheidung vom 30.7.2003 wies der Beklagte den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Mit Schreiben vom 25.8.2003, eingegangen am 27.8.2003, hat der Kläger Klage erhoben. Unter Bezugnahme auf einen Aufsatz von Jürgen Happ (Hamburger Grundeigentum 2003 Seite 411) vertritt er die Auffassung, dass die Zweitwohnungsteuer in Hamburg nicht rechtmäßig erhoben werde, weil sie nur von Personen erhoben werde, die in Hamburg mit zweitem Wohnsitz gemeldet seien. Es werde nicht in ausreichendem Maße die zutreffende Meldung oder ob eine Meldung mit Nebenwohnung überhaupt erfolgt sei, kontrolliert. Eine Erhebung der Zweitwohnungsteuer sei jedoch verfassungswidrig, wenn sie in großem Umfang von einer bestimmten oder bestimmbaren Gruppe der Steuerpflichtigen nicht erhoben werde. Dies folge aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Besteuerung von Zinseinnahmen.
Darüber hinaus dürfe ihm gegenüber nur zeitanteilig Zweitwohnungsteuer festgesetzt werden, da er sowohl im Jahre 2002 als auch im Jahr 2003 lediglich 48 Tage in seiner Nebenwohnung gewohnt habe. In der mündlichen Verhandlung räumte er allerdings ein, dass er sich jeden Monat mindestens einmal in seiner Zweitwohnung aufhalte und diesen Gesichtspunkt der zeitanteiligen Festsetzung der Zweitwohnungsteuer nicht weiter verfolgen wolle.
Der Kläger beantragt, den Zweitwohnungsteuerbescheid vom 27.02. 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 30.7.2003 aufzuheben
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass die Zweitwohnungsteuer gegenüber dem Kläger rechtsfehlerfrei festgesetzt worden sei. Insbesondere sei eine Aufteilung der Zweitwohnungsteuer nach Leerstandzeiten und Zeiten der Nutzung nicht vorzunehmen, denn auch so weit der Kläger seine Eigentumswohnung nicht nutzte, stehe sie ihm zum Gebrauch zur Verfügung. Es sei nicht ersichtlich, dass die Regelungen betreffend die Erhebung der Zweitwohnungsteuer in Hamburg prinzipiell ein Vollzugsdefizit begründen und damit die Gleichmäßigkeit des Belastungserfolges in Frage stehen würde. Der Datenaustausch mit den Meldebehörden lasse keine Lücken erkennen. Das Aufgreifen der Steuerfälle über das Meldewesen sei ein geeignetes Instrumentarium, um möglichst gleichmäßig alle Zweitwohnungsteuerfälle zu erfassen. Die denkbare Möglichkeit, dass sich Steuerpflichtige nicht wie melderechtlich vorgeschrieben anmeldeten, führe bei einer tatsächlich erfolgreichen Gestaltung der Erhebungsmethode wie in Hamburg, die in der Praxis einen solchen Mangel nicht erkennen lasse, nicht zu einer gleichheitswidrigen und damit verfassungswidrigen Erhebung der Zweitwohnungsteuer.
Dem Gericht hat vorgelegen die Zweitwohnungsteuerakte des Beklagten betreffend den Kläger. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4.3.2005 Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage hatte keinen Erfolg. Die Festsetzung der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2002 bis 2004 mit Bescheid vom 27.02. 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Beklagte hat rechtsfehlerfrei für die Jahre 2002 bis 2004 gegenüber dem Kläger Zweitwohnungsteuer festgesetzt.
Nach § 1 des Zweitwohnungsteuergesetzes (ZwWStG) unterliegt das Innehaben einer Zweitwohnung in der Freien und Hansestadt Hamburg der Zweitwohnungsteuer. Gemäß § 2 Abs. 1 ZwWStG ist Zweitwohnung jede Wohnung im Sinne des Absatzes 3, die dem Eigentümer als Nebenwohnung im Sinne des Hamburgischen Meldegesetzes dient. Unstreitig handelt es sich bei der Eigentumswohnung des Klägers in der X-Straße um eine rechtlich zulässig bewohnbare Gesamtheit von Räumen, die eine eigenständige Haushaltsführung ermöglicht und mit Küche und Bad ausgestattet ist.
Eine Wohnung dient als Nebenwohnung im Sinne des Hamburgischen Meldegesetzes, wenn sie von einer dort mit Nebenwohnung gemeldeten Person bewohnt wird (§ 2 Abs. 4 Satz 1 ZwWStG). Der Kläger ist in dem hier streitigen Zeitraum in der X-Straße in Hamburg mit Nebenwohnung gemeldet gewesen. Nach seinen eigenen Angaben hat er diese Wohnung auch zeitweise bewohnt. Die Wohnung war zu keinem Zeitpunkt an dritte Personen vermietet oder Dritten längerfristig zur alleinigen Nutzung überlassen worden. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erhebung von Zweitwohnungsteuer lagen damit vor.
Insbesondere ist die Erhebung der Zweitwohnungsteuer nicht auf den Zeitraum zu begrenzen, in dem der Kläger die Wohnung in der X-Straße auch tatsächlich bewohnt hat.
Die Zweitwohnungsteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Grundgesetz (GG). Als Aufwandsteuer knüpft sie an den zusätzlichen Aufwand für die Lebensführung an, der durch das Innehaben einer Zweitwohnung sichtbar wird und besteuert damit die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6.12.1983 - 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65 Seite 325, 346f). Hiervon geht auch der Gesetzgeber aus, in dem er daran anknüpft, dass jemand eine Nebenwohnung im Geltungsbereich des Gesetzes innehat und diese von ihm bewohnt wird. Da aber nur der konsumtive Aufwand für den persönlichen Bedarf Gegenstand der Besteuerung nach Art. 105 Abs. 2a GG sein darf, scheiden solche Zweitwohnungen als Gegenstand einer örtlichen Aufwandsteuer aus, die diesem Zweck persönlicher Lebensführung nicht dienen, sondern von ihrem Inhaber als reine Geld- oder Vermögensanlage in der Form des Immobilienbesitzes - also ausschließlich zur Einkommenserzielung - gehalten werden (BVerwG, Urteil vom 10.10.1995 - 8 C 40.93, BStBl 1996 II Seite 37,38; Urteil vom 26.9.2001- 9 C 1.01, BVerwGE 115 Seite 165, 168, m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf die steuererhebende Gemeinde von der tatsächlichen Vermutung der Vorhaltung einer Zweitwohnung auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung ausgehen, solange der Zweitwohnungsinhaber keine Umstände vortrage, die die tatsächliche Vermutung der Eigennutzung erschüttern (BVerwG, Urteil vom 26.9.2001- 9 C 1.01, a.a.O.). Solche Umstände sind von dem Kläger nicht vorgetragen worden. Die bei teilweise selbstgenutzten und fremdvermieteten Ferienwohnungen zu treffende Abgrenzung zwischen zweitwohnungsteuerfreier Kapitalanlage und zweitwohnungsteuerpflichtiger Selbstnutzung, die Hintergrund der - auch vom Kläger angeführten - Rechtsprechung bilden, ist im vorliegenden Fall gerade nicht zu treffen. Die Wohnung wird nach den eigenen Angaben des Klägers nur von ihm genutzt, allerdings nur zeitweise. Die Erfüllung des Steuertatbestandes setzt jedoch nicht die - wie der Kläger nunmehr auch zugesteht - tatsächliche und durchgängige Nutzung durch den Wohnungsinhaber voraus, sondern es genügt, wenn der Wohnungsinhaber neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Bedarfes eine Zweitwohnung bereithält (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10.10.1995 - 8.C 40.93, a. a. O., m.w.N.; Urteil vom 30.6.1999 - 8 C 6.98, BVerwGE 109 Seite 188, 191). Der Beklagte war daher befugt, ohne Verstoß gegen den Charakter der Aufwandsteuer gegenüber dem Kläger Zweitwohnungsteuer für das ganze Jahr festzusetzen.
Die Festsetzung der Zweitwohnungsteuer ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Erhebung der Steuer wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verfassungswidrig ist. Aus dem Gebot der möglichst gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen folgt, dass der Gesetzgeber sowohl eine Gleichheit der normativen Steuerpflicht als auch die Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung gewährleisten muss. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verbietet eine Regelung der Steuererhebung, welche die Gleichheit des Belastungserfolges prinzipiell verfehlt. Daraus folgt, dass das materielle Steuergesetz in ein normatives Umfeld eingebettet sein muss, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlagen nach sich ziehen. Vollzugsmängel, wie sie immer wieder vorkommen können und sich tatsächlich ereignen, führen allein noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm. Verfassungsrechtlich verboten ist jedoch der Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf Durchsetzung dieses Befehls angelegten Erhebungsregel (BVerfG, Urteil vom 27. 6.1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84 Seite 239, 272 = BStBl II 1991 Seite 654; Urteil vom 9.3.2004 - 2 BvL 17/02, NJW 2004 Seite 1022, 1023f). Die Feststellung eines strukturellen Vollzugsdefizit im verfassungsrechtlichen Sinne hängt ganz wesentlich davon ab, wie weit beim Vollzug einer bestimmten materiellen Steuernorm die Erhebungsform oder die Besteuerungspraxis im Rahmen gewöhnlicher Verwaltungsabläufe im Massenverfahren der Finanzämter im Großen und Ganzen auf Gleichheit im Belastungserfolg angelegt ist und wie weit insbesondere auch unzulängliche Erklärungen der Steuerpflichtigen mit einem angemessenen Entdeckungsrisiko verbunden sind. Lässt sich der Regelfall auf Grund einer Analyse der verfahrensrechtlichen Strukturen des Besteuerungsverfahrens und auf Grund von empirischen Erkenntnissen über die Veranlagungspraxis ausreichend zuverlässig so beschreiben, dass bestimmte Einkünfte materiell-rechtlich zutreffend nur bei einer qualifizierten Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen erfasst werden und ein Fehlverhalten bei der Erklärung ohne ein praktisch bedeutsames Entdeckungsrisiko möglich bleibt, dann liefert bereits dies die hinreichende Grundlage für die Feststellung einer im Gesetz strukturellen angelegten und Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung (BVerfG, Urteil vom 9.3.2004 - 2 BvL 17/02, a.a.O.).
Bei Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabes kann nicht festgestellt werden, dass das Erhebungsverfahren zur Zweitwohnungsteuer strukturelle Defizite aufweist, die zu einer Belastungsungleichheit führen. Die nach dem Gesetz vorgesehene Erklärungspflicht des Steuerpflichtigen erfährt regelmäßig eine Kontrolle durch einen Datenaustausch mit den Meldebehörden. Das Aufgreifen der Steuerfälle über das Meldewesen ist auch ein geeignetes Instrumentarium, um möglichst gleichmäßig alle Zweitwohnungsteuerfälle zu erfassen. Es besteht danach für diejenigen, die ihren Erklärungspflichten nicht nachkommen, ein Entdeckungsrisiko. Auch so weit dem Beklagten bekannt wird, dass jemand seiner Meldepflicht nicht nachgekommen ist, erfolgt nach den aus anderen Zweitwohnungsteuerverfahren gewonnenen Erkenntnissen des Gerichts eine Veranlagung zur Zweitwohnungsteuer. Allerdings räumt auch der Beklagte ein, dass Vollzugsdefizite in den Fällen bestehen, in denen ein Zweitwohnungsteuerpflichtiger seinen melderechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt. In diesen Fällen dürfte der Beklagte seine Aufdeckungsmöglichkeiten jedoch noch nicht ausgeschöpft haben, denn es erfolgen z.B. keine Kontrollmitteilungen an den Beklagten in den Fällen, in denen bei der Einkommensteuerveranlagung anhand der geltend gemachten Werbungskosten (doppelte Haushaltführung, Fahrtkosten von einer entfernter zur Arbeitsstätte gelegenen Wohnung) Erkenntnisse über einen zweiten Wohnsitz erlangt werden. Jedoch auch diese noch nicht ausgeschöpften Möglichkeiten zur Verringerung von Vollzugsmängeln weisen darauf hin, dass die gesetzlichen Regelungen über das Erhebungsverfahren ein strukturelles Defizit zur Herstellung der Gleichheit des Belastungserfolges nicht erkennen lassen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Zweitwohnungsteuer der Höhe nach nicht zutreffend berechnet worden ist bestehen nicht und werden von dem Kläger auch nicht geltend gemacht. Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
Der Kläger hat gemäß § 135 Absatz 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 FGO liegen nicht vor.