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  • 13.12.2016 · IWW-Abrufnummer 190580

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 07.06.2016 – 6 K 1213/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Baden-Württemberg

    Urt. v. 07.06.2016

    Az.: 6 K 1213/14

    In dem Finanzrechtsstreit
    - Kläger -
    prozessbevollmächtigt:
    gegen
    Finanzamt B.
    - Beklagter -

    wegen Einkommensteuer 2012

    hat der 6. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07. Juni 2016 unter Mitwirkung
    der Vorsitzenden Richterin am Finanzgericht
    der Richter am Finanzgericht
    der ehrenamtlichen Richterin
    des ehrenamtlichen Richter

    für Recht erkannt:

    Tenor:
    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob der beschränkt steuerpflichtige Kläger Aufwendungen, die in Zusammenhang mit seinen inländischen Einkünften aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit als Opernsänger stehen, im Rahmen einer Veranlagung steuerlich geltend machen kann.

    Der Kläger ist Staatsbürger der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und hatte im Streitjahr 2012 seinen alleinigen Wohnsitz in den Niederlanden; über einen inländischen Wohnsitz verfügte der Kläger unstreitig nicht.

    Vom xx. Oktober bis xx. Dezember 2012 erzielte er als Opernsänger im X Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von xx.xxx €, die sich wie folgt zusammensetzen:
     
    Honorare als Opernsänger    xx.xxx,xx €      
    Erstattung von Fahrtkosten    x.xxx,xx €      
    Vermittlungsprovision f. Agentur AG-Anteil    x.xxx,xx €      
    Altersvorsorgeaufwendungen (BVK) AG-Anteil     xxx,xx €      
    steuerpflichtiger Bruttolohn    xx.xxx,xx €     

    Der Arbeitgeber meldete beim Beklagten (das Finanzamt -FA-) Lohnsteuer in Höhe von xx.xxx,xx € sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von xxx,xx € an und führte diese Beträge an das zuständige FA ab. Dieser Lohnsteuerabzug erfolgte aufgrund Punkt 4 des BMF-Schreibens vom 31. Juli 2002 zur Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei beschränkt einkommensteuerpflichtigen Künstlern (IV C 5-S 2369-5/02, Bundessteuerblatt -BStBl- 2002 I, 707) pauschal mit einem Steuersatz von 25 % aus der Bemessungsgrundlage von xx.xxx,xx €.

    Am 27. Februar 2014 reichte der Kläger beim FA C. einen Antrag auf Durchführung einer Veranlagung für beschränkt steuerpflichtige Personen ein, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 16 ff der FG-Akte). Darin erklärte er Einkünfte, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen, in Höhe von xx.xxx € und Werbungskosten in Zusammenhang mit seinen inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von xx.xxx,xx € wie folgt:
     
    Kosten für Aufenthaltserlaubnis    xx,xx €      
    Vermittlungsprovision Künstleragentur    x.xxx,xx €      
    Kosten für doppelte Haushaltsführung    x.xxx,xx €      
    Summe Werbungskosten    xx.xxx,xx €     

    Von den Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung entfielen x.xxx € auf Fahrtkosten (Familienheimfahrten: 10 x XXX km x 0,30 € - Entfernungspauschale), Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von x.xxx € sowie Unterkunftskosten (Miete für angemietete Unterkunft) in Höhe von x.xxx €. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Ergänzungsliste zur Anlage N (Bl. 26 der ESt-Akten) ergänzend Bezug genommen.

    Zudem beantragte der Kläger, Altersvorsorgeaufwendungen in Höhe von xxx € als Sonderausgaben zu berücksichtigen.

    Dieser Antrag für beschränkt Steuerpflichtige wurde am 7. März 2014 an das zuständige Finanzamt B. (Beklagter -FA-) weitergereicht.

    Mit Bescheid vom 18. März 2014 lehnte das FA den Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer für 2012 ab mit der Begründung, der Kläger sei kein Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union (EU) oder eines anderen Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) Anwendung finde. Eine Veranlagung nach § 50 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. b Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr 2012 geltenden Fassung (EStG) sei somit nicht möglich.

    Mit seiner am 8. April 2014 per Telefax bei Gericht eingegangenen Sprungklage hält der Kläger sein Begehren auf Durchführung einer Veranlagung für beschränkt Steuerpflichtige in vollem Umfang aufrecht.

    Zur Begründung trägt er vor, die Regelung des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG sei verfassungswidrig, denn sie verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Durch den Ausschluss des Klägers als US-Staatsbürger mit Wohnsitz in den Niederlanden vom Veranlagungsverfahren in Deutschland werde der Kläger ungleich behandelt, weil Gruppen anderer Steuerpflichtiger die streitige Veranlagung durchführen könnten. Diese Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt. Der Kläger sei einerseits mit der Gruppe deutscher Künstler zu vergleichen, die in den Niederlanden wohnten und in Deutschland aufträten, andererseits aber auch mit der Gruppe europäischer Künstler und solchen aus dem EWR, die ebenfalls ihren Wohnsitz in den Niederlanden genommen hätten und in Deutschland künstlerisch tätig seien. Allen diesen dem Kläger vergleichbaren Gruppen stehe das Veranlagungsverfahren offen, dem Kläger hingegen nicht. Nach der sog. neuen Formel des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei zwischen personenbezogenen und sachbezogenen Ungleichbehandlungen zu unterscheiden. Zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung genüge nicht irgendein sachlicher Grund, sondern der rechtfertigende Grund müsse in einem angemessenen Verhältnis zur Ungleichbehandlung stehen. Mit dem Anknüpfen der Besteuerung an die amerikanische Staatsbürgerschaft knüpfe der Gesetzgeber an Merkmale an, die in der Person des Klägers begründet seien. Der Kläger habe beim Ausschluss der sog. Drittstaaten-Künstler aus dem Veranlagungsverfahren Probleme dahingehend, legitime gesetzgeberische Ziele zu erkennen, und damit verbunden, einen sachlichen Grund im Sinne der hier nicht anwendbaren Willkürformel zu finden.

    Der Kläger beziehe in seine Wertung mit ein, dass mit Einführung des Veranlagungswahlrechts für solche Personen, die durch das Gemeinschaftsrecht geschützt seien, durch Änderung des Einkommensteuergesetzes ab 2009 das besondere Erstattungsverfahren nach § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 EStG a.F. abgeschafft worden sei. Jenes Verfahren habe u.a. zum Schutz künstlerischer Vielfalt für alle beschränkt Steuerpflichtigen ein besonderes Erstattungsverfahren vorgesehen. Zu einer Erstattung sei es dann gekommen, wenn die Besteuerung wegen der fehlenden Abzugsmöglichkeit von Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu einer Übermaßbesteuerung geführt habe. Künstler aus Drittstaaten seien fortan von der Möglichkeit ausgeklammert worden, eine Übermaßbesteuerung zu vermeiden. Im Rahmen der Prüfung des angemessenen Verhältnisses zum Grad der Ungleichbehandlung sei mit einzubeziehen, dass dem Gesetzgeber durch die verfassungsrechtliche Garantie der Freiheit der Kunst nach Art. 5 Abs. 3 GG und durch die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, die durch Kunst ebenfalls geäußert werden könne, enge Grenzen für die Frage der Rechtfertigung für Eingriffe gesetzt würden. Diese Freiheitsrechte seien im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG mit zu berücksichtigen, wenn ein Eingriff in den Schutzbereich des Freiheitsrechts selbst nicht feststellbar sei. Bewirke die Besteuerung der Einnahmen keine gerechte Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, so bestehe die Gefahr, dass künstlerische Betätigung in Deutschland nicht stattfinde. Die Kunst sei dann bezüglich derer, die hier nicht auftreten könnten, reglementiert. Wegen der tatsächlichen Ausführung verweist der Kläger auf das Beispiel des Künstlers Michael Jackson.

    Letztlich werde der gesetzgeberische Ermessensspielraum auch durch Art. 167 AEUV (Exartikel 151 EGV) tangiert und eingeengt. Nach Abs. 3 und 4 jener Regel fördere die Union und die Mitgliedsstaaten die Zusammenarbeit im Bereich der Kultur mit dritten Ländern und den für den Kulturbereich zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere dem Europarat. Die Regelung begründe daher eine gewisse Kultur-Kompetenz der Union. Das Problem innerhalb der europäischen Gemeinschaft bestehe darin, dass Deutschland einer der wichtigsten Märkte für Künstlertourneen auf der ganzen Welt sei. Kunstschaffende aus fernen Ländern träten in Deutschland im Rahmen von Europatourneen auf, da dieser Markt für die wirtschaftliche Gesamtplanung wichtig sei. Führe der Ausschluss vom Veranlagungsverfahren verbunden mit einer übermäßigen Endbesteuerung zu der durch die Künstler zu treffenden Entscheidung, nicht in Deutschland auftreten zu können, ergebe sich die Gefahr, dass die gesamte Europatournee in Frage stehe.

    Dem Kläger stehe aufgrund der Verfassungswidrigkeit des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG ein Anspruch auf Durchführung des Veranlagungsverfahrens zu, der sich unmittelbar aus Art. 24 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens USA (DBA USA) ergebe. Diese Vorschrift überlagere die Einschränkung der Veranlagungsmöglichkeit auf Angehörige der EU oder eines Staates des EWR im Sinne des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG.

    Der Kläger könne sich nicht auf das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 DBA Niederlande (DBA NL) berufen, da dieses Abkommen ihn als amerikanischen Staatsbürger nicht schütze.

    Die Anwendbarkeit des Art. 24 Abs. 1 DBA USA ergebe sich aus Art. 24 Abs. 1 Satz 2 DBA USA, weil das Abkommen auch für solche amerikanische Staatsbürger gelte, die nicht in den USA ansässig seien. Nach dieser Regelung dürfe ein Vertragsstaat den Staatsangehörigen eines anderen Vertragsstaates nicht nachteiliger besteuern als die eigenen Staatsangehörigen. Die im Streitfall durch das FA zur Verneinung der begehrten Jahresveranlagung angewandte Regelung des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG knüpfe unmittelbar an die Staatsangehörigkeit an, denn sie verwende in ihrem Wortlaut den Begriff "Staatsangehörige". Im Ergebnis sei diese Regelung daher in ihrem tatsächlichen Anwendungsfeld in dem Sinne zu lesen, dass Staatsangehörige aus Norwegen, Island, Deutschland, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden etc. das Veranlagungswahlrecht zuerkannt bekämen, während Staatsangehörige aus Kanada, den USA, Mexiko etc. ausgeschlossen würden. Ein künstlerisch tätiger, deutscher Staatsangehöriger bekomme im Anwendungsbereich der beschränkten Steuerpflicht ein Veranlagungsverfahren zuerkannt, während der Kläger als Staatsbürger der USA von dieser Vergünstigung wegen seiner "falschen" Staatsangehörigkeit ausgeschlossen werde.

    Eine gegen ein Diskriminierungsverbot nach einem DBA verstoßende Regelung sei unwirksam. An deren Stelle trete diejenige Regelung, die für die Besteuerung der eigenen Staatsangehörigkeit gelte. Durch eine Gleichstellung werde folglich die Diskriminierung vermieden. Im vorliegenden Rechtsfall sei von einer Verletzung des abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbots auszugehen, selbst dann, wenn es sich nur um eine verdeckte Diskriminierung handeln sollte. Entgegen dem bisherigen Rechtsverständnis müsse mithin ein erweiterter Anwendungsrahmen des Art. 24 Abs. 1 DBA USA unterstellt werden.

    Ein Anspruch auf Durchführung der beschränkten Veranlagung leite sich auch aus Art. XI des Freundschaftsvertrags mit den USA ab. Nach dieser Regelung unterlägen die Staatsangehörigen eines Vertragsteils (USA), die sich in dem Gebiet des anderen Vertragsteils geschäftlich betätigten, keiner stärkeren Belastung als unter gleichartigen Voraussetzungen die Staatsangehörigen des anderen Vertragsteils. Unter Bezugnahme auf den eindeutigen Wortlaut verbiete diese Vorschrift also im Hinblick auf natürliche Personen - ebenso wie Art. 24 Abs. 1 DBA USA - eine an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Benachteiligung. Maßstab auch dieses Benachteiligungsverbotes sei allein die Staatsangehörigkeit. Jene Regelung ziele auf "gleichartige Voraussetzungen" ab. Nach dem Rechtsverständnis des Klägers zähle zu diesen Voraussetzungen auch die Ansässigkeit einer Person in einem bestimmten Gebiet. Daher müsse Art. XI Abs. 3 des Freundschaftsvertrags dahingehend ausgelegt werden, dass er verbiete, einen in der EU ansässigen amerikanischen Staatsbürger anders als einen innerhalb der EU ansässigen EU-Bürger zu besteuern. Die Regelung habe den besonderen Status einer "Meistbegünstigungsklausel".

    Mit Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses des Klägers aus dem Veranlagungsverfahren manifestiere sich die als verfassungswidrig erkannte Regelung als erweiterte Anspruchsgrundlage für die Durchführung des Veranlagungsverfahrens nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG mit der Rechtsfolge, dass das begehrte Verfahren durch den Beklagten durchzuführen sei. In der Rechtsfolge gehe der Kläger davon aus, dass das BVerfG die Ausklammerung von Drittstaatlern in § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG für nichtig erklären werde. Daher ergebe sich die Notwendigkeit, die Regelung des § 50 Abs. 2 Satz 7 sowohl dem BVerfG als auch dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen.

    Der Kläger beantragt,

    1.

    das vorliegende Verfahren auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen,

    2.

    hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen,

    3.

    hilfsweise den Ablehnungsbescheid vom 18. März 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuerveranlagung für das Kalenderjahr 2012 für beschränkt Steuerpflichtige durchzuführen unter Berücksichtigung eines Bruttolohns von xx.xxx,xx €, Werbungkosten von xx.xxx,xx€ sowie Altersvorsorgeaufwendungen von xxx € und weiteren x € als Sonderausgaben,

    4.

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Zur Begründung trägt der Beklagte vor, dass gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG die Einkommensteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterlägen, bei beschränkt steuerpflichtigen Personen als abgegolten gelte. § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG bestimme eine abweichende Regelung für den Fall des Antrags auf Veranlagung zur Einkommensteuer bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die Vorschrift des § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG finde jedoch im vorliegenden Fall keine Anwendung, vielmehr werde sie nur Staatsangehörigen eines EU- oder EWR-Mitgliedsstaates gewährt. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift seien danach Arbeitnehmer, die nicht Angehörige eines Mitgliedsstaats der EU oder des EWR seien, nicht begünstigt, auch wenn sie ihren Wohnsitz in einem dieser Staaten haben. Da der Kläger amerikanischer Staatsangehöriger, aber nicht Angehöriger eines EU- oder EWR-Mitgliedsstaates sei, genüge die Tatsache, dass er im Streitjahr seinen Wohnsitz in einem dieser Staaten gehabt habe, für sich alleine nicht. Nur bei Vorliegen beider Voraussetzungen könne dem Antrag auf Veranlagung zugestimmt werden. Insoweit sei der gesetzliche Wortlaut eindeutig.

    In der Ablehnung der Antragsveranlagung liege kein Verstoß gegen das EU-Recht oder Verfassungsrecht. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH bzw. des Bundesfinanzhofs (BFH) sei eine Freistellung des persönlichen Existenzminimums Aufgabe des Wohnsitzstaates. Lediglich soweit Einkünfte aus einem anderen Staat bezogen würden, sei aus europarechtlicher Sicht das Existenzminimum freizustellen. Habe sich der Gesetzgeber wie im vorliegenden Fall dazu entschlossen, beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern aus der EU oder dem EWR den vollen Grundfreibetrag zu gewähren, so führe dies zu einer mehrfachen Begünstigung und der Ausnutzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Darin liege keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes. Die nach Art. 3 GG zu vergleichenden Lebensverhältnisse seien nicht in allen, sondern nur in einzelnen Elementen gleich. Daher sei es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche von diesen Elementen er als maßgebend ansehe. Es sei nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden habe, sondern ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen eingehalten habe.

    Ein Verstoß gegen Europarecht liege nicht vor. Gegenstand des Gemeinschaftsrechts sei das Verbot einer Diskriminierung von EU-Staatsangehörigen im Verhältnis zu Inländern, nicht aber von beschränkt Steuerpflichtigen im Verhältnis zu Inländern. Auch hier werde deutlich, dass eine Ungleichbehandlung nicht ersichtlich sei, denn ebenso wie der Kläger seien auch beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer anderer Drittstaaten, die einen Wohnsitz in einem EU-Mitgliedsstaat hätten, von der Möglichkeit der Einkommensteuerveranlagung ausgeschlossen. EU-Grundfreiheiten beträfen zudem ausschließlich den Schutz vor Maßnahmen zwischen den Mitgliedsstaaten.

    Die Sprungklage ist dem FA am 22. April 2014 per Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Das FA hat mit Schriftsatz vom 5. Mai 2014, der am 7. Mai 2014 bei Gericht eingegangen ist, der Sprungklage zugestimmt.

    Am 7. Juli 2014 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die den Streitfall betreffenden Akten eingesehen.

    Am 11. Mai 2016 ist die Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin des Senats ausführlich erörtert worden. Der Prozessbevollmächtige des Klägers hat auf Frage der Berichterstatterin vorgetragen, dass der Kläger ausdrücklich keinen Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG stelle.

    Auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Akten des FA und die Niederschrift des Erörterungstermins sowie der mündlichen Verhandlung wird ergänzend Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    I. Die Klage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig, weil die Voraussetzungen einer Sprungklage gemäß § 45 Finanzgerichtordnung (FGO) erfüllt sind. So hat insbesondere der Beklagte innerhalb einer Monats nach Zustellung der Klageschrift zugestimmt.

    II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

    Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist rechtmäßig (§ 101 Satz 1 FGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung einer Veranlagung zur Einkommensteuer, so dass weder seine Werbungskosten noch seine Vorsorgeaufwendungen noch seine sonstigen Werbungskosten steuerlich berücksichtigt werden können.

    1. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Abgeltungswirkung des Steuerabzugs (§ 50 Abs. 2 EStG) sind wegen der US-Staatsangehörigkeit des Klägers nicht erfüllt. Daher hat das FA die Durchführung einer Veranlagung zu Recht abgelehnt.

    a) Der Kläger war im Streitjahr gem. § 1 Abs. 4 EStG im Inland beschränkt steuerpflichtig. Er hatte unstreitig weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und bezog aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit als Opernsänger beim X Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und damit Inlandseinkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG.

    Da es der Kläger ausdrücklich ablehnt, einen Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG zu stellen, kann er auch nicht als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden.

    b) Die Einkommensteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegen, gilt nach § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen durch den Steuerabzug als abgegolten. Von diesem Grundsatz gibt es gem. § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG zwar einige Ausnahmen, unter anderem dann, wenn der beschränkt Steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt und die Veranlagung beantragt (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG). Diese Ausnahme greift nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG aber nur dann, wenn der beschränkt Steuerpflichtige Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der EU oder eines anderen Staates ist, auf den das EWR-Abkommen Anwendung findet, und kumulativ im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (Gegenausnahme). Da der Kläger seinen ausschließlichen Wohnsitz in den Niederlanden und damit in einem EU-Staat hat, ist die zweite Voraussetzung erfüllt, aber aufgrund seiner alleinigen US-Staatsangehörigkeit fehlt es an der ersten Voraussetzung der Staatsangehörigkeit eines EU- oder EWR-Staates.

    2. Der Senat ist nicht von der Verfassungswidrigkeit der Gegenausnahmevorschrift des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG überzeugt. Diese Vorschrift ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie ist weder aufgrund eines Widerspruchs zu völkerrechtlichen Verträgen (Art. 24 DBA USA) (a) noch wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG (b) verfassungswidrig.

    a) § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG widerspricht nicht der Regelung des Art. 24 Abs. 1 DBA USA.

    aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 15. Dezember 2015 2 BvL 1/12, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2016, 359 zu § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG) kann es grundsätzlich dahinstehen, ob § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG gegen Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA USA verstößt und insoweit eine Abkommensüberschreibung (sog. Treaty Override) darstellt, weil das Grundgesetz eine Überschreibung der in einem Doppelbesteuerungsabkommen genannten völkerrechtlichen Vereinbarungen durch abweichende nationale Regelungen im Regelfall nicht verbietet. Das DBA USA stellt einen völkerrechtlichen Vertrag dar. Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung einer Überschreibung dieses DBA (Treaty Override) ist allein Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG.

    Sollte § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG gegen Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA-US verstoßen und damit ein Treaty Override vorliegen, so wäre nach diesen Grundsätzen der Verstoß unbeachtlich, weil die Möglichkeit der Antragsveranlagung für beschränkt Steuerpflichtige in § 50 EStG (neben der Möglichkeit des § 1 Abs. 3 EStG) vom Gesetzgeber durch das Jahressteuergesetz (JStG 1996) vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250 ff.) eingeführt worden ist. Damit ist die streitgegenständliche Regelung des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG jünger als das maßgebliche DBA mit den USA, das am 21. August 1991 (BGBl. 1992 II S. 235) in Kraft getreten ist. Da Doppelbesteuerungsabkommen als völkerrechtliche Verträge den Rang einfacher Bundesgesetze haben und damit gegenüber dem Einkommensteuergesetz ranggleiches innerstaatliches Recht darstellen, gilt im Fall der Kollision der Grundsatz "lex posterior derogat legi priori", nachdem das neuere Gesetz das ältere verdrängt, es sei denn, die ältere Regelung ist spezieller als die jüngere (siehe ausführlich BVerfG-Beschluss vom 15. Dezember 2015 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359, Rn. 50). Das ist im Streitfall jedoch nicht der Fall, weil Art. 24 Abs. 1 DBA USA als allgemeines steuerrechtliches Diskriminierungsverbot (so Rust in: Vogel/Lehner, DBA-Kommentar, 6. Aufl. 2015, Art. 24 Rn. 12) jedenfalls allgemeiner ist als die streitgegenständliche Regelung des § 50 EStG, der Sondervorschriften für beschränkt Steuerpflichtige im Bereich der Einkommensbesteuerung enthält.

    bb) Es kann aber im Streitfall ebenfalls dahinstehen, ob Art. 24 Abs. 1 DBA USA durch die einfachgesetzliche Regelung des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG geändert werden könnte, denn entgegen der Ansicht des Klägers widerspricht die Gegenausnahmeregelung des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG nicht der Regelung des Art. 24 Abs. 1 DBA USA.

    aaa) Aufgrund des eindeutigen Wortlauts in Art. 24 Abs. 1 Satz 2 DBA USA ist Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA USA grundsätzlich im Streitfall anwendbar, auch wenn der Kläger weder in den USA noch in Deutschland einen Wohnsitz hat und damit in keinem der beiden Vertragsstaaten ansässig ist.

    bbb) Der Wortlaut des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG knüpft ausdrücklich an die Staatsangehörigkeit an. Damit ist dem Wortlaut nach der Kläger allein aufgrund seiner US-amerikanischen Staatsangehörigkeit von der Durchführung einer Antragsveranlagung ausgeschlossen.

    Gleichwohl führt diese Regelung nicht zu einer Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit und damit auch zu keinem Verstoß gegen Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA USA, weil die Antragsveranlagung für beschränkt Steuerpflichtige aufgrund von EU-Recht geschaffen wurde und daher der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 DBA USA teleologisch zu reduzieren ist.

    Die Möglichkeit der Antragsveranlagung für beschränkt Steuerpflichtige in § 50 EStG ist vom Gesetzgeber durch das JStG 1996 als Reaktion auf das Urteil des EuGH vom 14. Februar 1995 (C-279/93 - Schumacker, Slg. 1995, I-225, Der Betrieb 1995, 407 ff.) in das EStG eingeführt worden (siehe Begründung zum JStG 1996 in BT-DrS 13/1558, S. 158 f.). In diesem Urteil stellte der EuGH fest, dass beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer, die EU-Bürger sind und im EU-Ausland wohnen, aufgrund von unionsrechtlichen Grundfreiheiten einen Anspruch auf eine Veranlagung zur Einkommensteuer haben. Der deutsche Gesetzgeber hat dieser EuGH-Entscheidung insoweit Rechnung getragen, als er die Regelung des § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG a.F. (jetzt § 50 Abs. 2 Nr. 4 EStG) durch das Jahressteuergesetz 1996 neu in das EStG eingeführt und EU- bzw. EWR-Staatsangehörigen mit einem Wohnsitz in einem EU-Mitgliedsstaat oder einem Staat, auf den das Abkommen über den EWR Anwendung findet, die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung ermöglicht hat.

    Mit der Einführung der Antragsveranlagung für beschränkt Steuerpflichtige in § 50 Abs. 2 EStG hat der deutsche Gesetzgeber zur Umsetzung der Judikatur des EuGH einen Sondertatbestand für Staatsangehörige eines EU-Mitgliedsstaats oder eines EWR-Staats geschaffen, der diesen Personen (sog. EG-Ausländer) eine verfahrensrechtliche Vergünstigung einräumt, die Angehörigen von Drittstaaten versagt sind, auch wenn diese einen Wohnsitz in einem EU-Mitgliedsstaat haben. Von dieser Vergünstigung profitieren aber nicht nur die ausländischen EU- bzw. EWR-Bürger, sondern auch die deutschen Staatsangehörigen, soweit sie beschränkt steuerpflichtig sind. Das hat wiederum zur Folge, dass deutsche beschränkt Steuerpflichtige und Drittstaatsangehörige, die in Deutschland beschränkt steuerpflichtig sind, unterschiedlich behandelt werden, aber - wie schon ausgeführt - nur aufgrund der Umsetzung von Grundfreiheiten des Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

    Art. 24 Abs. 1 DBA USA kann nun nicht dazu führen, dass auf primärem EG-Recht beruhende Steuervorteile auf US-Bürger erstreckt werden. Drittstatten sollten ihren eigenen Staatsangehörigen nur dann die Vorteile der Grundfreiheiten vermitteln können, wenn diese Staaten das gesamte Pflichtenpaket des AEUV auf sich nehmen, was nur durch einen Beitritt zur EU möglich ist. Eine Erstreckung der Grundfreiheiten über Art. 24 Abs. 1 DBA USA auf US-Staatsangehörige und damit über andere DBA auf entsprechende Drittstaaten führte zu Ergebnissen, die dem Sinn und Zweck des Gleichbehandlungsgebots widerspräche. Diese Regelung in Art. 24 Abs. 1 DBA USA will ausdrücklich nur Benachteiligungen aufgrund der Staatsangehörigkeit untersagen, nicht aber Grundfreiheiten aufgrund des AEUV auf US-Bürger erstrecken.

    Um diese Wirkung zu vermeiden, bedarf es einer teleologischen Reduktion des Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA USA dahingehend, dass er nicht zur Anwendung kommt, soweit Vergünstigungen aufgrund der europarechtlichen Vorschriften des AEUV geboten sind (so auch Rust: Meistbegünstigungsklauseln in den Doppelbesteuerungsabkommen, in: Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 26, S. 77, 90 f.; Rust in: Vogel/Lehner, DBA-Kommentar, 6. Aufl. 2015, Art. 24 Rn. 53 f.; Frotscher in EStG-Kommentar § 50 Rn. 16; Schänzle, Abkommensrechtliches Diskriminierungsverbot in: Wassermeyer DBA, Festgabe zum 75. Geburtstag, S. 495, 500; a.A. Gosch, DStR 2007, S. 1553, 1560).

    b) § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

    aa) Der Senat ist der Auffassung - ebenso wie der Kläger -, dass durch die streitgegenständliche Regelung des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG beschränkt steuerpflichtige Drittstaatsangehörige mit Wohnsitz in einem EU-Mitgliedsstaat gegenüber der Gruppe beschränkt steuerpflichtiger deutscher Staatsangehöriger mit einem Wohnsitz in einem EU-Mitgliedsstaat bzw. der Gruppe beschränkt steuerpflichtiger EU- bzw. EWR-Staatsangehöriger mit einem Wohnsitz in einem EU-Mitgliedsstaat verfahrensrechtlich ungleich behandelt werden. Die Quellenbesteuerung stellt im Verhältnis zur Möglichkeit der Antragsveranlagung eine verfahrensrechtliche Ungleichbehandlung dar.

    bb) Im Unterschied zum Kläger ist der Senat aber davon überzeugt, dass diese Ungleichbehandlung nach den Maßstäben von Art. 3 Abs. 1 GG sachlich gerechtfertigt ist.

    aaa) Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG liegt ein Verstoß gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot, alle Personen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie (bezogen auf die Art des jeweiligen Regelungsgegenstandes) die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG-Beschluss vom 9. November 1988 1 BvR 243/86, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 79, 106, BStBl II 1989, 938 [BVerfG 09.11.1988 - 1 BvR 243/86]). Aus dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit folgt hieraus, dass die Besteuerung nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit auszurichten ist (BVerfG-Beschluss vom 23. Januar 1990 1 BvL 4-7/87, BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483).

    Dieses Prinzip muss jedoch nicht in reiner Form verwirklicht werden. Da die nach Art. 3 Abs. 1 GG zu vergleichenden Lebensverhältnisse nicht in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sind, ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche von diesen Elementen er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Es ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfG-Beschluss vom 29. November 1989 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108, BStBl II 1990, 479). Der Gesetzgeber darf sich auch im Steuerrecht, wie stets bei der Ordnung von Massenerscheinungen, bei der Ausgestaltung seiner Normen generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen (BVerfG-Beschluss vom 23. Januar 1990, 1BvL 4-7/87, BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483). Er ist berechtigt, von dem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den vorliegenden Erfahrungen ergibt. Danach ist zwischen der generellen und der individuellen Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu unterscheiden (vgl. Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO-Kommentar, § 3 AO Rn. 51). Für die verfassungsrechtliche Prüfung des Gesetzes kommt es nicht auf eine ungewöhnliche Härte im Einzelfall an.

    bbb) Im Streitfall beruht der sachliche Grund für die Ungleichbehandlung auf folgenden Erwägungen:

    Auch im Rahmen der sachlichen Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung vor Art. 3 Abs. 1 GG ist zu berücksichtigen, aus welchem Grund die Möglichkeit der Antragsveranlagung für beschränkt Steuerpflichtige in das EStG eingeführt worden ist, nämlich - wie bereits oben ausgeführt - als Reaktion auf das Schumacker-Urteil des EuGH vom 14. Februar 1995 (C-279/93 - Schumacker, Slg. 1995, I-225, Der Betrieb 1995, 407 ff.).

    Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der deutsche Gesetzgeber aufgrund dieser EuGH-Entscheidung die Regelung des § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG a.F. (jetzt § 50 Abs. 2 Nr. 4 EStG) in das EStG eingeführt und damit EU- bzw. EWR-Staatsangehörigen mit einem Wohnsitz in einem EU-Mitgliedsstaat oder einem Staat, auf den das Abkommen über den EWR Anwendung findet, die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung ermöglicht hat. Eine für den deutschen Gesetzgeber darüber hinausgehende Verpflichtung, auch EU- bzw. EWR-Staatsangehörigen, die ihren Wohnsitz in einem Drittland haben, dieses Recht auf Veranlagung einzuräumen, ergibt sich weder aus dem Urteil des EuGH vom 14. Februar 1995 noch aus der Motivlage des Gesetzgebers. Diese Differenzierung ist sachgerecht und nur den unionsrechtlichen Vorgaben geschuldet. Wenn der Gesetzgeber aufgrund von EU-Recht verpflichtet wird, das nationale Recht anzupassen, kann das nicht zur Folge haben, über Art. 3 Abs. 1 GG diese Verpflichtung des Gesetzgebers dahingehend zu erweitern, dass sie zu einer Erstreckung der Privilegierung auf Drittstaatsangehörigen führt.

    Zumal im Gegensatz zu dem in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen Deutschen, bei dem sich der Finanzverwaltung auf Grund der Richtlinie 77/799 EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten im Bereich der direkten Steuern die Möglichkeit bietet, notwendige Auskünfte zu erlangen, die mit den für die inländischen Steuerverwaltungen im Verhältnis zueinander bestehenden Möglichkeiten vergleichbar sind, existiert diese Möglichkeit im Verhältnis zu einem Drittstaat nicht. Auf diese Möglichkeit der Amtshilfe hat der EuGH in seinem Urteil vom 14. Februar 1995 (sog. "Schumacker-Urteil", Slg. 1995, I-225 ff, Der Betrieb 1995, 407 Rz. 43 ff) ausdrücklich hingewiesen und Art. 48 EG-Vertrag dahin gehend ausgelegt, dass dieser Artikel Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats im Bereich der direkten Steuern entgegensteht, die Verfahren wie die Einkommensteuerveranlagung nur für Gebietsansässige vorsehen.

    Nach der Rechtsprechung des BVerfG begründen die in § 50 EStG enthaltenen Unterschiede in der steuerlichen Behandlung der beschränkt Steuerpflichtigen grundsätzlich keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1GG, weil die durch Anwendung einer Pauschalsteuer unterbleibende Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse im Wohnsitzstaat nachgeholt wird. Die gesetzliche Typisierung bei der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger kann in einzelnen Fällen zu Härten führen, aus denen jedoch noch nicht die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen folgt (zum Abzug gezahlter Vermögensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen BVerfG-Beschluss vom 12. Oktober 1976 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1 ff., Rn. 36). Im Streitfall ist der Kläger in den Niederlanden unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Es ist die Aufgabe des Wohnsitzstaates Niederlande, die Vorsorgeaufwendungen und Sonderausgaben des Klägers im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht zu berücksichtigen.

    Anders verhält es sich nur, wenn der beschränkt Steuerpflichtige den überwiegenden Teil seiner Einkünfte, auf die sich seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gründet, im Quellenstaat erzielt, da er sich dann in einer mit den unbeschränkt Steuerpflichtigen vergleichbaren Lage befinde. Dem trägt jedoch § 1 Abs. 3 EStG hinreichend Rechnung.

    Diese Vorschrift ermöglicht es beschränkt Steuerpflichtigen mit hohen inländischen Einkünften, wie unbeschränkt Steuerpflichtige behandelt zu werden. Sie kommt aber nur zur Anwendung, wenn die Einkünfte mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen. Im Falle hoher Einkünfte ist damit dem einzelnen beschränkt Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet, in Deutschland veranlagt zu werden. Der Kläger hat im Streitfall ausdrücklich keinen Antrag gem. § 1 Abs. 3 EStG gestellt.

    3. Aufgrund dieser Überlegungen war der Gesetzgeber auch berechtigt, das besondere Erstattungsverfahren nach § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 EStG a.F. abzuschaffen. Dies liegt im Rahmen seines gesetzgeberischen Ermessenspielraums.

    4. Es besteht daher auch kein Anlass für eine einschränkende oder verfassungskonforme Auslegung des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG.

    5. Eine Europarechtswidrigkeit des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG ist nicht erkennbar. Wie das FA zu Recht ausgeführt hat, ist Gegenstand des Gemeinschaftsrechts das Verbot einer Diskriminierung von EU-Staatsangehörigen im Verhältnis zu Inländern, nicht aber von beschränkt Steuerpflichtigen im Verhältnis zu Inländern. Die EU-Grundfreiheiten betreffen ausschließlich den Schutz vor Maßnahmen zwischen den Mitgliedsstaaten, aber nicht im Verhältnis zu Drittstaatsangehörigen.

    6. Ein Anspruch auf Durchführung einer Veranlagung ergibt sich auch nicht aus Art. XI Abs. 1 des Freundschafts-, Handels und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (nachfolgend: Freundschaftsvertrag) vom 29. Oktober 1954 (BGBl II 1956, 488). Aus dieser Vorschrift lässt sich kein allgemeiner Grundsatz des Inhalts ableiten, dass es über die dort getroffenen Regelungen hinaus in jedem Fall unzulässig ist, US-Staatsangehörige höher zu besteuern als - unter ansonsten vergleichbaren Umständen - einen deutschen Staatsangehörigen. Das Verbot der Diskriminierung ist dort auf spezielle Tatbestände bezogen und damit zugleich auf diese Tatbestände begrenzt. Das schließt es aus, aus diesem Vertrag ein allgemeines Meistbegünstigungsgebot abzuleiten (BFH-Urteil vom 19. November 2003 I R 22/02, BFHE 205/37, BStBl II 2004, 560 [BFH 19.11.2003 - I R 22/02]; siehe auch ausführlich BFH-Urteil vom 30. März 2011 I R 63/10, BFHE 233, 198, BStBl II 2011, 747 [BFH 30.03.2011 - I R 63/10]).

    7. Da der Senat weder von einer Verfassungsmäßigkeit der streitgegenständlichen Norm noch von einer Europarechtswidrigkeit überzeugt ist, war das vorliegende Verfahren auch nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen und weder dem BVerfG noch dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.

    III. Der Kläger hat als unterliegende Partei gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    IV. Der Senat lässt wegen grundsätzlicher Bedeutung des Falles die Revision zu. Die Rechtsfragen sind in der Literatur umstritten und bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 50 Abs. 2 S. 7 EStG

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