Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Steuerplanung

    Reform der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATAD-Umsetzungsgesetz

    von StB Dr. Thomas Loose, International Tax Partner bei der PwC GmbH WPG auf Entsendung in New York

    | Am 10.12.19 hat das BMF einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz) veröffentlicht. Die Entwurfsfassung beinhaltet auch verschiedene Elemente, die nicht durch die ATAD zwingend vorgeschrieben sind, z. B. eine vornehmlich auf neuere Entwicklungen in der EuGH-Rechtsprechung gestützte gänzliche Neuregelung der Wegzugsbesteuerung ( § 6 AStG ). Der klare Fokus liegt jedoch auf der Umsetzung der ATAD-Richtlinie, insbesondere hinsichtlich hybrider Gestaltungen sowie der im Rahmen dieses Beitrags thematisierten Hinzurechnungsbesteuerung. |

    1. Zum Hintergrund

    Die ATAD-Richtlinie (kurz: ATAD) zielt auf Basis des BEPS-Aktionsplans der OECD darauf ab, es global agierenden Unternehmen zu erschweren, Gewinne zu verlagern und dadurch Steuern zu vermeiden. Durch die ATAD sollen dabei ausgewählte Anti-BEPS-Maßnahmen in Europa zeitnah und möglichst einheitlich umgesetzt werden. Am 10.12.19 hat das BMF den lang erwarteten Referentenentwurf zur ATAD-Umsetzung veröffentlicht (ATAD-Umsetzungsgesetz). Mit der Verabschiedung eines offiziellen Kabinettsbeschlusses ist in Kürze zu rechnen.

     

    Beachten Sie | Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der unter anderem von den Unternehmensverbänden bereits geäußerten starken Kritik an dem Referentenentwurf kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich im weiteren Gesetzgebungsprozess noch inhaltliche Änderungen ergeben. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Hinzurechnungsbesteuerung, z. B. zu der Höhe der Niedrigbesteuerungsschwelle oder dem Umfang einer schädlichen Mitwirkung. Zumindest die groben Leitlinien der reformierten Hinzurechnungsbesteuerung dürften jedoch bereits gegenwärtig klar erkennbar sein.

     

    Nachfolgend werden die für die Praxis deutscher Konzerne bedeutsamen Aspekte des Entwurfs zur Generalüberholung der Hinzurechnungsbesteuerung anhand von ausgewählten Beispielsfällen dargestellt und einer kritischen Analyse unterzogen ‒ es bestehen zahlreiche Abweichungen von der ATAD (zu dem ATAD-Mindeststandard vgl. Loose, PIStB 18, 132 ff.). Anzuwenden sind die geänderten Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 21 Abs. 3 AStG-E erstmals für nach dem 31.12.19 beginnende Wirtschaftsjahre der ausländischen Zwischengesellschaft; zahlreiche Übergangsregelungen sind jedoch zu beachten, z. B. für bereits vor dem Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraum 2020 festgestellte Verluste für Körperschaft- und Gewerbesteuerzwecke.

    2. Beteiligung an ausländischer Zwischengesellschaft

    Nach aktueller Rechtslage stellt das tatbestandliche Beteiligungs- bzw. Beherrschungserfordernis in Konzernstrukturen mit zumeist 100%igen direkten bzw. indirekten ausländischen Tochterkapitalgesellschaften im Regelfall kein Hindernis für das Greifen der Hinzurechnungsbesteuerung dar. Insoweit ergeben sich keine signifikanten Änderungen. Gemäß § 7 AStG-E greift künftig ein echtes Control-Konzept, da in Übereinstimmung mit der ATAD eine Beherrschung nur noch durch den Steuerpflichtigen und diesem nahestehende Personen verwirklicht wird. Eine zufällige Inländerbeherrschung durch unverbundene Personen scheidet fortan aus.

     

    Vereinzelt werden aber Erweiterungen des Anwendungsbereichs vorgenommen: So kann etwa die Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 Abs. 1 S. 3 AStG-E erstmals auch auf lediglich beschränkt Steuerpflichtige Anwendung finden. Eine Beherrschung kann bereits durch einen bloßen Anspruch auf den Gewinn oder den Liquidationserlös verwirklicht werden (§ 7 Abs. 2 AStG-E). Als nahestehend gelten Personen entsprechend § 7 Abs. 4 AStG-E ‒ über solche i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG-E hinaus ‒ auch dann, wenn sie durch abgestimmtes Verhalten zusammenwirken. Bei Personengesellschaften wird zudem durch § 7 Abs. 4 S. 2 AStG-E widerlegbar vermutet, dass deren Gesellschafter durch abgestimmtes Verhalten schädlich zusammenwirken.

     

    PRAXISTIPP | Die ebenfalls im ATAD-Umsetzungsgesetz enthaltenen Änderungen zur Definition nahestehender Personen sind zu beachten, da sie durch den Verweis in die Hinzurechnungsbesteuerung importiert werden. Entsprechend § 1 Abs. 2 AStG-E wird der Kreis der erfassten Personen erweitert, etwa indem für eine wesentliche Beteiligung nicht mehr ausschließlich auf den Anteil am gezeichneten Kapital abgestellt wird.

     

    Rechtsfolgenseitig bewirkt § 7 Abs. 1 S. 1 2. HS AStG-E eine direkte Zurechnung von schädlichen Zwischeneinkünften unmittelbarer als auch mittelbarer Tochtergesellschaften. Das bislang geltende Zurechnungskonzept für nachgeschaltete Zwischengesellschaften nach § 14 AStG wird dementsprechend abgeschafft. In den meisten Fällen werden sich durch die veränderte Ermittlungstechnik keine signifikanten materiell-rechtlichen Effekte ergeben.

     

    Zu begrüßen ist, dass durch § 12 Abs. 2 AStG-E erstmals eine Anrechnung von ausländischen Hinzurechnungssteuern gesetzlich geregelt ist, um in mittelbaren Strukturen eine Mehrfachbelastung mit Hinzurechnungssteuern zu vermeiden. So bleiben gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 AStG-E mittelbare Beteiligungen für Zwecke der Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung auf Ebene des nur mittelbaren Gesellschafters außer Betracht, soweit bereits auf Ebene des unmittelbaren Gesellschafters eine inländische oder eine vergleichbare ausländische Hinzurechnungsbesteuerung erfolgt ist und die hinzugerechneten Einkünfte dadurch insgesamt keiner niedrigen Besteuerung i. S. d. § 8 Abs. 5 AStG-E unterliegen.

     

    • Beispiel 1

    Eine in Deutschland ansässige D-GmbH besitzt eine 100%ige Tochterkapitalgesellschaft in Österreich (Ö-GmbH), die wiederum an einer 100%igen Tochterkapitalgesellschaft auf den Cayman Islands beteiligt ist (Cayman Ltd.). Die Cayman Ltd. erzielt Zinseinkünfte, die keiner Besteuerung unterliegen.

     

     

     

    Grundsätzlich greift die inländische Hinzurechnungsbesteuerung auch für die passiven niedrig besteuerten Einkünfte der Cayman Ltd. (§ 7 Abs. 1 S. 1 AStG-E). Sofern allerdings bereits in Österreich eine vergleichbare Hinzurechnungsbesteuerung zur Anwendung gelangt und dadurch die Einkünfte nicht länger unterhalb der 25 %-Niedrigbesteuerungsschwelle des § 8 Abs. 5 AStG-E liegen, ist die mittelbare Beteiligung auf Ebene der D-GmbH unbeachtlich (§ 7 Abs. 1 S. 2 AStG-E). Unklar ist allerdings, welche genauen Kriterien für eine Vergleichbarkeit ausländischer Hinzurechnungsbesteuerungssysteme zu erfüllen sind bzw. woran eine solche scheitern kann. Bei Unterschreiten der Niedrigbesteuerungsschwelle ist der D-GmbH die oben genannte antragsgebundene Möglichkeit eröffnet, die österreichischen Hinzurechnungssteuern auf die auf den inländischen Hinzurechnungsbetrag entfallende deutsche Körperschaftsteuer anzurechnen.

     

    Beachten Sie | Eine Möglichkeit zur Anrechnung auf die Gewerbesteuer ist nicht vorgesehen. Zu hoffen ist daher, dass im weiteren Gesetzgebungsprozess ‒ sofern nicht die Niedrigbesteuerungsschwelle ohnehin auf 15 % reduziert wird ‒ die Anrechnung auf die Gewerbesteuer erweitert wird. Andernfalls drohen ebenso übermäßige wie unverhältnismäßige Effektivbelastungen von bis zu 40 %, insbesondere bei einem lediglich knappen Unterschreiten der 25 %-Grenze.

    3. Aktivitätskatalog

    3.1 Überblick

    Die noch von der sog. kleinen Lösung des BMF-internen Arbeitsentwurfs für eine Reform der Hinzurechnungsbesteuerung im Dezember 2018 vorgesehene grundlegende Neugestaltung des Aktivitätskatalogs wurde nicht weiterverfolgt. Vielmehr zeigt die Betrachtung des § 8 Abs. 1 AStG-E, dass viele Einkünfteklassifikationen gänzlich unverändert sind bzw. nur geringfügige Modifikationen erfahren haben; bei bestimmten Einkünften haben diese Änderungen jedoch (weiterhin) signifikante Auswirkungen.

     

    • Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 AStG-E) sowie der Produktion (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG-E) sind auch künftig stets aktiv. Insoweit kommt es zu keiner Änderung der aktuellen Rechtslage.

     

    • Ebenfalls identisch bleibt der Gesetzeswortlaut für Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG-E). Letztere betreffen in der Unternehmenspraxis vornehmlich Lizenzeinkünfte ausländischer IP-Gesellschaften, die folglich weiterhin (nur) im Falle der Auswertung eigener Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten ohne schädliche Mitwirkung als aktiv einzustufen sind (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a) AStG-E).

     

    • Im Bereich des insbesondere Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen betreffenden § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG-E, der für deutsche Konzerne oftmals (nur) für Beteiligungen an ausländischen sog. Captives Relevanz entfaltet, werden hingegen einige Änderungen vorgenommen: Der Anwendungsbereich wird auf Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen erweitert, wobei die genaue Auslegung dieser Begrifflichkeiten unklar ist, und die Aktivitätsvoraussetzung des Unterhaltens eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Betriebs ersatzlos gestrichen wird. Nachteilig ist jedoch, dass nunmehr bereits schädlich sein soll, wenn mehr als ein Drittel der Einkünfte aus Geschäften mit dem Steuerpflichtigen bzw. nahestehenden Personen stammt; bislang wurde darauf abgestellt, ob solche Geschäfte „überwiegend“ erfolgten. Schließlich ist zu beachten, dass im Verhältnis zu Dividenden und Veräußerungsgewinnen die funktionale Betrachtungsweise außer Kraft gesetzt werden soll mit der Folge, dass Dividenden und Veräußerungsgewinne ‒ ungeachtet gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG-E aktiver Einkünfte ‒ separat nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 bzw. Nr. 8 AStG-E (vgl. hierzu 3.3) zu würdigen sind.

     

    • Gänzlich gestrichen wurde der bisherige § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG (Aufnahme und darlehensweise Vergabe von Kapital). Infolgedessen sind Zinsen künftig stets passiv, außer wenn sie entsprechend der funktionalen Betrachtungsweise einer anderen aktiven Tätigkeit zuzuordnen sind bzw. § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG-E Anwendung findet. Dieser Änderung ist wenig praxisrelevant.

     

    • Sofern Zinsen nicht bereits von der regulären Hinzurechnungsbesteuerung erfasst sind, kann ihre Besteuerung in Deutschland auch aus dem Vorliegen von „Einkünften mit Kapitalanlagecharakter“ resultieren. Diese sind in § 13 AStG-E geregelt und im Wesentlichen inhaltsgleich zu den nach aktuellem Recht geltenden Vorschriften des § 7 Abs. 6 und Abs. 6a AStG. Die Hinzurechnungsbesteuerung kann demnach selbst dann greifen, wenn keine Beherrschung vorliegt ‒ bei Erfüllen bestimmter Voraussetzungen sogar bei Beteiligungen unterhalb der 1 %-Grenze. Eine Zusammenrechnung von Beteiligungen mit Nahestehenden erfolgt nicht und der Substanztest des § 8 Abs. 2 AStG-E (vgl. hierzu 5.) wird vor dem Hintergrund der jüngeren EuGH-Rechtsprechung insoweit auch für Drittstaatsfälle eröffnet, vorausgesetzt ein zwischenstaatlicher Informationsaustausch ist gewährleistet.

     

    Die für deutsche Konzerne bedeutsamsten Veränderungen des Einkünftekatalogs betreffen Handels- und Dienstleistungsaktivitäten (vgl. 3.2), Einkünfte von Holdinggesellschaften (vgl. 3.3) sowie Umwandlungen (vgl. 3.4) und werden nachfolgend anhand von Beispielsfällen näher analysiert.

     

    3.2 Handels- und Dienstleistungseinkünfte

     

    • Beispiel 2

    Die in Deutschland ansässige D-GmbH besitzt eine 100%ige Tochterkapitalgesellschaft in Ungarn, die U-Kft. Die U-Kft. verkauft in eigenem Namen und auf eigene Rechnung Güter und erbringt Dienstleistungen an ausländische Konzerngesellschaften.

     

     

     

    Für Handels- und Dienstleistungseinkünfte (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 AStG-E) bleibt die aktuelle Rechtslage grundsätzlich bestehen. Die zwischenzeitlich angedachte Verschärfung, entsprechende konzerninterne Einkünfte stets als passiv zu klassifizieren, ist im Gesetzentwurf nicht enthalten. Nichtsdestotrotz ergibt sich eine gravierende Verschärfung der Rechtslage: Nicht mehr nur der mit inländischen Steuerpflichtigen bzw. in Deutschland (beschränkt) steuerpflichtigen nahestehenden Personen betriebene Handel bzw. an solche Personen erbrachte Dienstleistungen sind grundsätzlich passiv, sondern auch, wenn der Handel oder die Dienstleistungen mit dem Steuerpflichtigen oder ihm nahestehenden Personen betrieben werden, die lediglich in anderen EU-/EWR-Staaten steuerpflichtig sind.

     

    Im Beispielsfall sind die Handelseinkünfte der U-Kft. nicht nur dann passiv, wenn diese Güter von der D-GmbH einkauft (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) AStG-E) oder als Einkaufsgesellschaft für die D-GmbH fungieren würde (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AStG-E), sondern die Handelseinkünfte sind bei jeglichem konzerninternen Handel mit EU-/EWR-Gesellschaften grundsätzlich passiv. Zwar bleibt die Rückausnahme erhalten, wonach eine Passivität vermieden werden kann, wenn ein angemessen eingerichteter Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliegt und eine schädliche Mitwirkung unterbleibt. Für die Frage des Vorliegens einer schädlichen Mitwirkung, der in vielen Betriebsprüfungen die entscheidende Bedeutung zukommt, ist jedoch nunmehr ebenfalls das gesamte EU-/EWR-Gebiet zu berücksichtigen.

     

    Entsprechendes gilt für die Dienstleistungseinkünfte der U-Kft. Demnach ist neben einem Bedienen bei der D-GmbH künftig auch ein solches bei einer Konzerngesellschaft in der EU/EWR schädlich (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) AStG-E). Ferner resultiert eine Passivität bereits aus dem Erbringen von Dienstleistungen an entsprechende Personen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) AStG-E), wobei die für die diesbezügliche Rückausnahme enthaltene Tatbestandsvoraussetzung einer nicht vorliegenden schädlichen Mitwirkung ebenso auf die EU/EWR ausgedehnt wurde.

     

    Zur Begründung führt der Gesetzentwurf an, dass durch die Verschärfung der Rechtslage europäisches Steuersubstrat geschützt werden soll. Dies überzeugt nach meiner Ansicht nicht, insbesondere ist nicht ersichtlich, warum eine Mitwirkung eines EU-/EWR-Ausländers bzw. ein entsprechendes Bedienen bereits schädlich sein soll. Handels- und Dienstleistungseinkünfte wären in vielen Fällen passiv ‒ zu hoffen ist daher, dass im Laufe des weiteren Gesetzgebungsprozesses von dieser Änderung abgesehen wird. Darüber hinaus würde eine Streichung der streitanfälligen Bedienens- und Mitwirkungstatbestände zur wesentlichen Erhöhung der Planungssicherheit für Steuerpflichtige beitragen.

     

    PRAXISTIPP | Wie unter Abschnitt 2. ausgeführt kann die Hinzurechnungsbesteuerung nunmehr auch für lediglich beschränkt Steuerpflichtige greifen. Diese Änderung wurde im Aktivitätskatalog nicht folgerichtig berücksichtigt. So fehlt z. B. bei den Handels- und Dienstleistungseinkünften eine entsprechende Ausweitung. Es ist von redaktionellen Fehlern auszugehen, die im Zuge des Gesetzgebungsprozesses noch korrigiert werden.

     

    3.3 Dividenden und Veräußerungsgewinne

     

    • Beispiel 3

    Die D-GmbH ist in Deutschland ansässig und besitzt mit der NL-BV eine 100%ige Tochterkapitalgesellschaft in den Niederlanden. Die NL-BV fungiert als Holdinggesellschaft für in der EU / im EWR sowie in Drittstaaten ansässige Kapitalgesellschaften und erzielt hieraus Dividendeneinkünfte und Veräußerungsgewinne.

     

     

     

    Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) sind grundsätzlich weiterhin aktiv. Dies soll jedoch nicht mehr uneingeschränkt gelten, da fortan drei Ausnahmen zu beachten sind.

     

    • Zum einen wird die Vorschrift des § 8b Abs. 7 KStG in die Hinzurechnungsbesteuerung importiert (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. c) AStG-E). Für Konzerne findet diese auf Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen zielende Spezialnorm aber allenfalls in seltenen Ausnahmefällen Anwendung.

     

    • Größere Relevanz ist in der Praxis der zweiten Ausnahme beizumessen. Danach ist eine Passivität von Dividenden auch bei fiktiver Einschlägigkeit der Norm des § 8b Abs. 4 KStG anzunehmen (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b) AStG-E): Dividenden der NL-BV aus Portfolio-Beteiligungen unterhalb der 10 %-Grenze sind folglich künftig als passiv zu qualifizieren.

     

    • Schließlich führen Dividenden nach dem Gesetzentwurf auch dann zu passiven Einkünften, wenn sie das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) AStG-E). Ein Beispiel ist ein aus ausländischer Sicht steuerneutral möglicher Transfer von Wirtschaftsgütern zwischen zwei Tochtergesellschaften der NL-BV, bei dem aus deutscher Steuersicht der gemeine Wert hätte angesetzt werden müssen. Dies führt zu einer signifikanten Verschärfung der Rechtslage und zu erheblichem Tax-Compliance-Aufwand für Konzerne, da sämtliche Leistungsbeziehungen ausländischer Tochtergesellschaften auf Abweichungen von der deutschen Rechtslage zu analysieren sind. Wie auch bei den vorab genannten Ausnahmen gilt dies selbst dann, wenn die Dividenden gemäß der funktionalen Betrachtungsweise eigentlich einer aktiven Tätigkeit der NL-BV zuzuordnen wären. Im Wege zweier Rückausnahmen können die Dividenden jedoch wiederum aktiv sein:

     

      • Zum einen, wenn die jeweilige Tochtergesellschaft der NL-BV mit den der Dividende zugrunde liegenden Einkünften bereits der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegt (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) AStG-E).

     

      • Und zum anderen, wenn eine verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen der NL-BV oder ‒ in einem Dreiecksfall ‒ einer ihr nahestehenden Person erhöht hat und dieses Einkommen nicht i. S. d. § 8 Abs. 5 AStG-E niedrig besteuert wird (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) AStG-E).

     

    Bei Veräußerungsgewinnen ergeben sich bislang vor allem in tief gestaffelten Konzernen erhebliche Zweifelsfragen. Ursächlich hierfür ist, dass die genaue Reichweite der Norm des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG unklar ist und für eine Aktivität nachgewiesen werden muss, dass der Veräußerungsgewinn nicht auf schädliche „capital assets“ entfällt. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG-E führen Veräußerungsgewinne hingegen in der Zukunft stets zu aktiven Einkünften, außer wenn ausnahmsweise für die NL-BV die Vorschrift des § 8b Abs. 7 KStG greifen würde ‒ die funktionale Betrachtungsweise hinsichtlich § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG-E wird außer Kraft gesetzt (vgl. 3.1). Diese Änderung führt zu einer deutlichen Erleichterung für Steuerpflichtige und ist auch steuersystematisch angezeigt.

     

    3.4 Umwandlungen

     

    • Beispiel 4

    Sachverhalt grundsätzlich wie in Beispiel 3: Die NL-BV besitzt zwei Tochterkapitalgesellschaften, die ebenfalls in den Niederlanden ansässigen BV 1 und BV 2. Die BV 1 wird seitwärts auf die BV 2 verschmolzen.

     

     

     

    Da die Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes auch künftig im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte, die der Hinzurechnungsbesteuerung zugrunde liegen, nicht anzuwenden sind (§ 10 Abs. 3 S. 4 AStG-E), erfolgt für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung insbesondere eine Aufdeckung der stillen Reserven in den übergehenden Wirtschaftsgütern der BV 1. Die Einkünfte sind gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG-E nach wie vor aktiv, wenn die Umwandlung bei fiktiver Prüfung nach deutschem UmwStG, unter Außerachtlassung des persönlichen Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 2 und Abs. 4 UmwStG, steuerneutral möglich wäre. Eine Verschärfung der Rechtslage ergibt sich aber insoweit, als dass wiederum passive Einkünfte vorliegen, wenn die Umwandlung im Ausland nicht zu Buchwerten vorgenommen wird (z. B. wenn die BV 1 zwecks Nutzung von Verlustvorträgen einen Zwischenwertansatz wählt). Zumindest die auf Ebene der NL-BV aus der Umwandlung resultierenden Einkünfte sollten aber gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG-E nichtsdestotrotz aktiv sein. Zu hoffen ist, dass im weiteren Gesetzgebungsprozess zumindest eine „Soweit“-Verknüpfung eingefügt wird, um einen Fallbeileffekt zu vermeiden.

     

    Positiv zu vermerken ist jedoch, dass ‒ analog zu Veräußerungsgewinnen nach § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG-E ‒ auch bei Umwandlungen nicht länger eine Passivität von Einkünften bereits daraus resultiert, dass ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft mit Kapitalanlage-Assets erfasst ist.

     

    MERKE | Abweichend von der bisherigen Rechtslage wird durch § 10 Abs. 5 S. 2 AStG-E angeordnet, dass im Fall der Einschlägigkeit des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG-E eine Wertverknüpfung erfolgt: Die übernehmende Gesellschaft (hier: BV 2) hat die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung auf Ebene der übertragenden BV 1 angesetzt wurden.

     

    4. Niedrigbesteuerungsschwelle

    Die nunmehr in § 8 Abs. 5 AStG-E geregelte Niedrigbesteuerungsschwelle beträgt unter Hinweis in der Gesetzesbegründung auf die Arbeiten der OECD zur Einführung einer globalen Mindestbesteuerung (GloBE; vgl. hierzu Loose, PIStB 19, 254 ff.) unverändert 25 %. Neu ist lediglich, dass durch den expliziten Verweis auf § 10 Abs. 3 AStG-E auch für Zwecke der Ermittlung der Niedrigbesteuerung klargestellt bzw. festgelegt wird, dass (auch) diesbezüglich deutsche Einkünfteermittlungsgrundsätze maßgeblich sind. Damit würden auch in den USA regulär besteuerte Einkünfte weiterhin im Fokus der Hinzurechnungsbesteuerung stehen, da der generelle KSt-Satz dort nur 21 % ist und unter Berücksichtigung von State Taxes und City Taxes nicht stets die 25 %-Grenze erreicht wird.

     

    Für die Frage, ob die 25 %-Grenze wirklich Bestand haben wird, ist der weitere Gesetzgebungsverlauf abzuwarten. Bereits unmittelbar nach der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs wurde z. B. von den Unternehmensverbänden starke Kritik geäußert, und es ist nicht zu erwarten, dass diese abflauen wird. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der jüngeren und bereits angekündigten künftigen Entwicklungen der KSt-Sätze in anderen Industrienationen ist eine Herabsetzung der Auffanggrenze angezeigt.

    5. Substanz-Escape

    Der Substanz-Escape wird für Drittstaatsfälle grundsätzlich weiterhin nicht eröffnet. Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 AStG-E regelt, dass eine (einkünftebezogen) substanzstarke ausländische Gesellschaft ihren Sitz oder Ort der Geschäftsleitung in der EU/EWR haben muss. Nach § 8 Abs. 2 AStG-E ist künftig der Nachweis einer „wesentlichen“ und nicht mehr wie bisher einer „tatsächlichen“ wirtschaftlichen Tätigkeit zu erbringen. Tatbestandlich wird nun der Einsatz der erforderlichen sachlichen und personellen Ressourcen vorausgesetzt sowie dass hinreichend qualifiziertes Personal selbstständig und eigenverantwortlich tätig wird. Ferner darf die wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit nicht überwiegend durch Dritte besorgt werden.

     

    Auch wenn noch viele Fragen offen sind, ist zu befürchten, dass die Finanzverwaltung für Zwecke der Anwendung des Substanz-Escapes (noch) höhere Substanzanforderungen als nach bisheriger Rechtslage stellen wird. Streitigkeiten in Betriebsprüfungen sind damit vorprogrammiert.

     

    FAZIT | Im Ergebnis ist festzuhalten, dass von einer grundlegenden Neugestaltung der Hinzurechnungsbesteuerung abgesehen wurde. Vielmehr ergeben sich durch den Gesetzentwurf partielle Änderungen, die überwiegend lediglich technischer Natur sind, im Einzelfall aber hohe Praxisrelevanz entfalten können. Verschlechterungen im Vergleich zur aktuellen Rechtslage drohen insbesondere für Handels- und Dienstleistungsgesellschaften, den Bezug gewisser (verdeckter) Gewinnausschüttungen sowie im Ausland nicht zu Buchwerten erfolgende Umwandlungen, sofern jeweils der (verschärfte) EU-/EWR-Substanznachweis nicht gelingt. Die positivste Neuerung besteht darin, dass das Risiko einer Passivität von Veräußerungsgewinnen signifikant reduziert wird. Der weitere Gesetzgebungsprozess ist abzuwarten, Änderungen des Gesetzentwurfs sind nicht auszuschließen.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2020 | Seite 44 | ID 46320615

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents