Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    11 Musterfälle zur Einkünftekorrektur ‒ Teil 1: Das Verhältnis von § 1 AStG zur vGA und vE

    von Univ.-Prof. Dr. Stephan Kudert und B. Sc. Yulian Strus, Frankfurt (Oder)

    | Insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist durch das Zusammenspiel zahlreicher Normen zur Einkünftekorrektur inzwischen ein Dickicht entstanden, das für Steuerpflichtige, ihre Berater und offensichtlich auch für die Finanzverwaltung nicht immer leicht zu durchschauen ist (s. auch Verwaltungsgrundsätze (VWG) Verrechnungspreise 2023, BMF 6.6.23, IV B 5 ‒ S 1341/19/10017, BStBl I, 1093). Dieses Schreiben ist Anlass, anhand von 11 Praxisfällen das Dickicht etwas zu erhellen. Dabei wird in Teil 1 dieser Beitragsreihe das Verhältnis des § 1 AStG zur vGA bzw. vE beleuchtet, während Teil 2 die Hinzurechnungsbesteuerung integriert. |

    1. Zusammenspiel zwischen Fremdvergleichspreis und vGA

    Schuldrechtliche Beziehungen zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern bzw. ihnen nahestehenden Personen werden steuerlich grundsätzlich anerkannt. Dies gilt jedoch nur, sofern sie dem Grunde und der Höhe nach angemessen sind. Wird ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person bevorteilt, kann grundsätzlich eine Korrektur nach § 1 AStG (Fremdvergleich), aber ebenso eine nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG (vGA) erfolgen. Nach h. M. geht die vGA dem § 1 AStG vor (§ 1 Abs. 1 S. 1 AStG: „unbeschadet anderer Vorschriften“), verdrängt diesen aber nicht (§ 1 Abs. 1 S. 4 AStG: „sind die weitergehenden Berichtigungen neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften durchzuführen.“). Eher stehen beide Regeln grundsätzlich nebeneinander, also in Idealkonkurrenz zueinander. „Beide Vorschriften überlagern einander vielmehr in dem Sinne, dass sich eine Gewinnkorrektur nach der einen Vorschrift erübrigt, wenn sie bereits nach der anderen vollzogen wurde.“ (s. Leitsatz BFH 27.11.19, I R 40/19 [ehem. I R 14/16], BFH/NV 20, 1307). Damit wirken sie so zusammen, dass im Ergebnis die weitergehende Korrektur Anwendung findet.

     

    Beachten Sie | Das BMF-Schreiben vom 6.6.23 (IV B 5 ‒ S 1341/19/10017, BStBl I, 1093) enthält in der Tz. 1.4 vier Beispiele für das Zusammenwirken von Fremdvergleichspreis und vGA (bzw. vE). Allerdings wird dort teilweise nur die steuerliche Wirkung auf Ebene einer Gesellschaft behandelt. In den folgenden Ausführungen wird hingegen das Zusammenspiel der relevanten Normen bei allen beteiligten Gesellschaften analysiert.

     

    • Fall 1

    Anna ist in Polen unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Sie hält in ihrem Privatvermögen 100 % der Anteile an der in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen D-GmbH. Die D-GmbH gewährt Anna ein Darlehen, das sie für die Finanzierung ihrer Ferienwohnung einsetzt. Die Zinsen belaufen sich auf 3 % pro Jahr; angemessen wären 5 %.

     

    1.1 Steuerliche Folgen bei unzureichender Verzinsung

    Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter würde eine Verzinsung i. H. v. 5 % vereinbaren: Dann würde der Zinsertrag (5 %) zu einer Betriebseinnahme führen. Es wurden aber nur 3 % vereinbart und vereinnahmt. Die Tatbestandsmerkmale einer vGA sind bezüglich der anderen 2 % erfüllt (R 8.5 Abs. 1 KStR). Das zvE der GmbH wird um die verhinderte Vermögensmehrung i. H. v. 2 % der Zinsen nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG erhöht. Insoweit würde die Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG zum gleichen Ergebnis führen. Art. 9 Abs. 1 DBA D/PL steht dem nicht entgegen, weil Anna kein Unternehmen ist.

     

    Die Auswirkungen der vGA gehen jedoch weiter als bei § 1 AStG, weil die vGA auch die Gesellschafterin als Empfängerin des Vorteils betrifft. Ihr ist die vGA als sonstiger Bezug nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zuzurechnen und Anna ist damit nach § 1 Abs. 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a), Doppelbuchst. aa) EStG beschränkt steuerpflichtig. Nach Art. 10 Abs. 2 DBA D/PL darf Deutschland die vGA als Quellenstaat besteuern, da der unangemessene Teil zu den Dividenden i. S. d. Art. 10 Abs. 3 DBA D/PL gehört (vgl. Kaeser in: Wassermeyer, DBA, Art. 10, Rn. 114, 115, 162. EL Juli 2023). Deutschland hat nach Art. 10 Abs. 2 S. 1 Buchst. b) DBA D/PL ein auf maximal 15 % begrenztes Quellenbesteuerungsrecht. Da zunächst im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs 25 % KESt nach §§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG plus SolZ abzuführen sind (Art. 29 Abs. 1 DBA D/PL), kann Anna einen Antrag auf Erstattung von 10 % plus SolZ nach § 50c Abs. 3 S. 1 EStG i. V. m. Art. 10 Abs. 2 S. 1 Buchst. b) und Art. 29 Abs. 1 DBA D/PL stellen.

     

    1.2 Auswirkungen bei rückwirkender Vereinbarung

     

    • Fall 2

    Wie Fall 1, aber Anna vereinbart mit der GmbH am Jahresende rückwirkend zum 1.1. des laufenden Jahres eine Verzinsung i. H. v. 1 %.

     

    Die rückwirkende Vereinbarung führt beim beherrschenden Gesellschafter nach deutschem innerstaatlichen Recht dazu, dass die vollen 5 % der Zinsen der Korrektur nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG unterliegen und dem Gesellschafter als sonstiger Bezug nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zuzurechnen sind, da nicht einer klaren Vereinbarung entsprechend verfahren wird (R 8.5 Abs. 2 S. 1 2. HS KStR). Anna ist damit nach § 1 Abs. 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) EStG beschränkt steuerpflichtig. Diese vGA-Korrektur geht über die Korrektur nach § 1 AStG hinaus.

     

    Anders als in Fall 1 werden Anna nunmehr die gesamten 5 % als Dividenden nach Art. 10 Abs. 2 und 3 DBA D/PL zugerechnet und Deutschland kann darauf Quellensteuer i. H. v. höchstens 15 % erheben. Zur Vermeidung von Wiederholungen sei bezüglich des Besteuerungsverfahrens auf die Ausführungen zu Fall 1 verwiesen. Wie im Fall 1 steht Art. 9 Abs. 1 DBA D/PL der Einkünftekorrektur nicht entgegen.

     

    1.3 Folgen bei fremdunüblicher Warenpreisgestaltung

     

    • Fall 3 (in Anlehnung an Tz. 1.4 BMF-Schreiben)

    Die A-S. a r. l. (Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg) ist seit Jahren an der B-GmbH (Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland) zu 100 % beteiligt. Die A verkauft Waren für 12 Mio. EUR an die B, die B im selben Wirtschaftsjahr weiterveräußert. Der gemeine Wert der Waren beträgt 10 Mio. EUR. Nach der Bandbreite fremdüblicher Preise müsste der Preis zwischen 8 und 10 Mio. EUR liegen.

     

    Der Wareneinsatz stellt bei der B-GmbH zunächst Aufwand dar. In Höhe der Differenz aus vereinbartem Preis (12 Mio. EUR) und Gemeinem Wert (10 Mio. EUR) liegt eine vGA vor, die zu einer Einkommenserhöhung bei der B-GmbH um 2 Mio. EUR nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG führt. Zugleich ist der A-S. a r. l. die vGA als sonstiger Bezug nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zuzurechnen und nach § 2 Nr. 1 KStG und § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 2 und Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a), Doppelbuchst. aa) EStG zu versteuern. Da im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs 25 % KESt nach §§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG plus SolZ abzuführen sind, kann die A-S. a r. l. einen Antrag auf Erstattung der KESt plus SolZ nach § 50c Abs. 3 S. 1 EStG i. V. m. § 43b EStG stellen. Das BZSt wird den Erstattungsantrag im Lichte des § 50d Abs. 3 EStG prüfen.

     

    Zusätzlich ist aufgrund der Fremdvergleichsprüfung bei der B-GmbH nach § 1 AStG eine weitere Anpassung vorzunehmen. Nach § 1 Abs. 3a S. 4 AStG soll, falls vom Steuerpflichtigen kein anderer Wert glaubhaft gemacht wird, eine Korrektur auf den Bandbreitenmedian erfolgen. Daher erfolgt eine über die vGA hinausgehende Berichtigung auf den Median zwischen 8 und 10 Mio. EUR nach § 1 AStG. Dieser entspricht im Beispiel des BMF dem Mittelwert, also 9 Mio. EUR.

     

    Somit ist der zutreffende Inlandsgewinn der B-GmbH erfasst. Die Korrekturen stehen mit Art. 9 Abs. 1 DBA D/LUX im Einklang. Gemäß Art. 9 Abs. 2 DBA D/LUX wird Luxemburg eine entsprechende Gegenkorrektur bei der A-S. a r. l. vornehmen.

     

    Beachten Sie | Wäre im Fall 3 die Empfängerin der Waren keine Kapital- sondern eine Personengesellschaft (B-KG), würde der Fall nur geringfügig anders zu beurteilen sein. Es läge keine vGA, sondern eine verdeckte Entnahme nach § 4 Abs. 1 S. 2 EStG vor, durch die der vereinbarte Preis zunächst auf den Teilwert zu korrigieren wäre. Anschließend würde wiederum die zusätzliche Anpassung nach § 1 AStG auf den Fremdvergleichspreis erfolgen.

    2. Zusammenspiel zwischen Fremdvergleichspreis und vGA und vE bei Dreieckskonstellationen

    Bei der Vorteilsgewährung zwischen Schwestergesellschaften entsteht nach h. M. eine Dreieckskonstellation. Die eine Schwester gewährt den Vorteil nicht an die andere Schwester, sondern der Mutter, die ihn an die Schwester weiterreicht. Das BMF-Schreiben beschäftigt sich in Tz. 1.4 auch mit der Frage, wie in solchen Fällen die vGA bzw. die vE einerseits und der Fremdvergleichsgrundsatz andererseits zueinander in Beziehung stehen. Dabei wird wieder zunächst die vGA bzw. potenzielle vE geprüft.

     

    • Fall 4 (in Anlehnung an Tz. 1.4 BMF-Schreiben)

    Die A-AG (Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland) ist seit Jahren an der B-GmbH (Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland) und der C-Sp. z.o.o. (Sitz und Geschäftsleitung in Polen) jeweils zu 100 % beteiligt. Die B-GmbH gewährt ihrer Schwester (C-Sp. z o.o.) ein zinsloses Darlehen, obwohl 5 % angemessen wären.

     

    Bei Vorteilsgewährung zwischen Schwestergesellschaften kann es keine unmittelbare vGA von einer Schwester an die andere geben. Gewährt die B-GmbH ihrer Schwestergesellschaft einen Nutzungsvorteil, fließt nach h. M. der gemeinsamen Mutter (A-AG) eine vGA zu (Beteiligungsertrag), der aber nach ständiger Rechtsprechung ein gleich hoher Aufwand gegenübersteht (sog. Vorteilsverbrauch); zu einer vE bei der C-Sp. z o.o. kommt es nicht, weil der bloße Nutzungsvorteil kein einlagefähiges Wirtschaftsgut darstellt (vgl. BFH 26.10.87, GrS 2/86, BStBl II 88, 348).

     

    Wendet man diese Grundsätze des Großen Senats auf Fall 4 an, ergibt sich ein skurriles steuerliches Ergebnis: Bei der B-GmbH würde eine Einkommenserhöhung aufgrund des § 8 Abs. 3 S. 2 KStG erfolgen. Zugleich hätte die A-AG in der GuV-Rechnung einen Beteiligungsertrag zu buchen, dem nach h. M. der Vorteilsverbrauch als Aufwand gegenüberstünde. Für sie wäre das bilanzielle Ergebnis also erfolgsneutral. Zugleich würde sie den Beteiligungsertrag aber außerbilanziell aufgrund des § 8b Abs. 1 KStG (unter Beachtung des Abs. 5) kürzen und damit im Ergebnis aus der erhaltenen vGA einen Verlust ausweisen.

     

    Dieses von der Finanzverwaltung und Rechtsprechung unerwünschte Ergebnis wird im internationalen Kontext durch § 1 AStG überschrieben. Der BFH hat zu diesem Sachverhalt entschieden, dass dann aufgrund der weitergehenden Korrektur § 1 AStG Vorrang vor der vGA hat (BFH 27.11.19, I R 40/19 [ehem. I R 14/16], BFH/NV 2020, 1307). Daher erfolgt auf Ebene der B-GmbH eine außerbilanzielle Einkünfteerhöhung. Auf Ebene der Mutter gibt es dann keine Korrektur.

     

    Aufgrund des Art. 9 Abs. 2 DBA D/PL hat bei der C-Sp. z o.o. als Vorteilsempfängerin eine Gegenberichtigung zu erfolgen.

     

    • Fall 5

    Die A-GmbH (Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland) ist an der B-S. a r. l. (Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg) zu 100 % beteiligt. Sie gewährt der B-S. a r. l. ein Darlehen. Die Forderung ist werthaltig. Die A-GmbH verzichtet jedoch auf die Rückzahlung.

     

    Da der Tochtergesellschaft ein einlagefähiges Wirtschaftsgut zugeführt wird, liegt eine vE vor, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und für die keine Gegenleistung erfolgt. Die Anteile an der B-S. a r. l. sind bei der A-GmbH um den Teilwert (der werthaltigen Forderung) zu erhöhen (§ 6 Abs. 6 S. 2 EStG). Es liegt deshalb keine zu korrigierende Einkünfteminderung i. S. d. § 1 Abs. 1 AStG und keine Gewinnminderung nach § 8b Abs. 3 S. 4 KStG vor.

     

    • Fall 6 (in Anlehnung an Tz. 1.4 BMF-Schreiben)

    Die A-AG (Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland) ist an der B-GmbH (Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland) sowie an der C-S. a r. l. (Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg) zu je 100 % beteiligt. Die B-GmbH überträgt der C-S. a r. l. unentgeltlich ein Wirtschaftsgut, das im Betrieb der B-GmbH bereits mehr als drei Jahre genutzt wurde. Der gemeine Wert entspricht dem Fremdvergleichspreis und beträgt 10 Mio. EUR.

     

    Auch bei dieser Vorteilsgewährung zwischen den Schwestergesellschaften kann es keine unmittelbare vGA von einer Schwester an die andere geben (vgl. Fall 4). Gewährt die B-GmbH ihrer Schwestergesellschaft einen Vermögensvorteil, fließt der gemeinsamen Mutter (A-AG) eine vGA zu, die sie als Beteiligungsertrag bucht, aber außerbilanziell nach § 8b Abs. 1 und 5 KStG korrigiert. Der Vermögensvorteil ist ein einlagefähiges Wirtschaftsgut. Daher kommt es bei der C-S. a r. l. zu einer vE, die die Anschaffungskosten der Beteiligung der A-AG an der C-S. a r. l. erhöht. § 1 AStG findet keine Anwendung.

     

    FAZIT | Beim Zusammenspiel von § 1 AStG mit den Regelungen zur vGA und vE besteht eine Idealkonkurrenz. Im Endeffekt wird immer das aus fiskalischer Sicht weitestgehende Ergebnis berücksichtigt. Dabei stellen die Regelungen zur vGA bzw. vE den Startpunkt dar. Ihre Rechtsfolgen werden ggf. durch die Rechtsfolgen des § 1 AStG ergänzt oder ersetzt. Dabei ist bezüglich der vGA auch die Seite des Gläubigers zu bedenken und auch Art. 9 Abs. 2 (Pflicht zur Gegenkorrektur) zu berücksichtigen, sofern eine solche Regelung im DBA vorhanden ist.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Dieser Beitrag wird mit fünf weiteren Musterfällen zum Zusammenspiel zwischen Fremdvergleichspreis, vGA, vE und der Hinzurechnungsbesteuerung in der nächsten Ausgabe fortgesetzt.
    Quelle: Ausgabe 12 / 2023 | Seite 342 | ID 49781121

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents