Doppelbesteuerungsabkommen
Das neue DBA-Österreich: Auswirkungen auf die Besteuerung von Arbeitnehmern
von Dipl.-Finw. Christian Hensel, Berlin
Nachdem seit über zehn Jahren verhandeltwurde, konnte nunmehr mit dem Nachbarstaat Österreich endlich einneues DBA* paraphiert werden. Das Gesetzgebungsverfahren steht jedochnoch aus. Das Ab-kommen ist voraussichtlich ab 1.1.02 anzuwenden. DieNeuregelung war insbesondere deshalb notwendig, weil das bisherigeAbkommen im Wesentlichen aus dem Jahre 1954 (BStBl I 55, 369,ergänzt durch ein Änderungsabkommen aus 1992, BStBl I 94,227) der wachsenden Globalisierung nicht mehr gerecht wurde. Zudemsollten Steuerschlupflöcher geschlossen werden. Der folgendeAufsatz stellt die Abweichungen im Bereich der Einkünfte ausnichtselbstständiger Arbeit am Beispiel eines in Deutschlandansässigen Arbeitnehmers dar. Dabei werden folgende Fallgruppenunterschieden:
- Tätigkeit für einen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber in Österreich,
- Tätigkeit für einen in Österreich ansässigen Arbeitgeber in Österreich,
- Tätigkeit für einen im Drittstaat ansässigen Arbeitgeber in Österreich,
- Tätigkeit bei einer Betriebsstätte in Österreich eines in Deutschland ansässigen Arbeitgebers,
- Arbeitnehmerüberlassung,
- Grenzgänger,
- Personal im internationalen Verkehr,
- Rückfallklausel,
- Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft,
- Sozialversicherungsbeiträge.
Rechtsgrundlagen sind die Art. 9 DBA alt und 15 DBA neu.
1. Tätigkeit für einen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber inÖsterreich
Sowohl nach dem alten als auch nach dem neuen DBAwerden Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen,die eine in Deutschland ansässige Person ausunselbstständiger Arbeit bezieht, nur in Deutschland besteuert, essei denn, die Arbeit wird in Österreich ausgeübt. Wird dieArbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenenVergütungen dort besteuert werden (Tätigkeitsstaatsprinzip).
Ungeachtet dessen können Vergütungen,die eine in Deutschland ansässige Person für eine inÖsterreich ausgeübte unselbstständige Arbeit bezieht,nur in Deutschland besteuert werden, wenn
- nach dem alten DBA: der Empfänger sich im anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Kalenderjahres,
- nach dem neuen DBA:der Empfänger sich im anderen Staat insgesamt nicht längerals 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von 12Monaten, der währenddes betreffenden Steuerjahres beginnt oderendet, aufhält.
2. Tätigkeit für einen in Österreich ansässigen Arbeitgeber inÖsterreich
Sowohl nach dem alten als auch dem neuen DBA stehtdas Besteuerungsrecht Österreich zu, und zwar unabhängig vonder Dauer des Aufenthalts des Arbeitnehmers vom ersten Tage an. DieDoppelbesteuerung wird durch Freistellung unter Progressionsvorbehaltvermieden (Art. 15 DBA Österreich alt bzw. Art. 23 Abs.1 Buchst. aDBA Österreich neu). Auf die Rückfallklausel im neuen DBA(Tz. 8) wird hingewiesen.
3. Tätigkeit für einen im Drittstaat ansässigen Arbeitgeber in Österreich
Ungeachtet des unter Tz. 1 dargestelltenTätigkeitsstaatsprinzips können Vergütungen, die eine inDeutschland ansässige Person für eine in Österreichausgeübte unselbstständige Arbeit bezieht, nur in Deutschlandbesteuert werden, wenn
- nach dem alten DBA: derEmpfänger von einem Arbeitgeber entlohnt wird, der seinen Wohnsitzim gleichen Staate wie die natürliche Person hat,
- nach dem neuen DBA:der Empfänger die Vergütungen von einem Arbeitgebererhält, der nicht im anderen Staat (hier: Österreich)ansässig ist.
4. Tätigkeit bei einer Betriebsstätte in Österreich eines in Deutschland ansässigen Arbeitgebers
Sowohl nach dem alten als auch nach dem neuen DBAsteht das Besteuerungsrecht Österreich zu, und zwarunabhängig von der Dauer des Aufenthalts des Arbeitnehmers vomersten Tage an. Die Doppelbesteuerung wird durch Freistellung unterProgressionsvorbehalt vermieden (Art. 15 DBA Österreich alt bzw.Art. 23 Abs.1 Buchst. a DBA Österreich neu). Auf dieRückfallklausel im neuen DBA (Tz. 8) wird hingewiesen.
5. Arbeitnehmerüberlassung
Abweichend vom nationalen Steuerrecht, wonach derVerleiher als Arbeitgeber anzusehen ist, ist auf Abkommensebene derEntleiher Arbeitgeber (Nr. 8 des Musterkommentars zu Art. 15 OECD-MA).Ferner ist zu beachten, dass das bisherige DBA Österreich keineSonderregelungen für den Arbeitnehmerverleih vorsah, währenddas neue DBA für kurzfristige Aufenthalte (bis 183 Tage proKalenderjahr) die unter Tz. 2 und 3 dargestellten Regelungen nichtfür anwendbar erklärt.
6. Grenzgänger
Sowohl nach dem alten als auch nach dem neuen DBAsteht das Besteuerungsrecht dem jeweiligen Wohnsitzstaat zu, wenn derArbeitnehmer 30 km von der Grenze entfernt wohnt und auf der anderenSeite 30 km von der Grenze entfernt arbeitet. Weitere Voraussetzung istdie tägliche Rückkehr.
7. Personal im internationalen Verkehr
Während das bisherige DBA Österreichkeine Sonderregelungen für Personal an Bord eines Seeschiffes oderLuftfahrzeugs, das im internationalen Verkehr betrieben wird, oder anBord eines Schiffes, das der Binnenschifffahrt dient, enthielt, regeltdas neue DBA in Übereinstimmung mit dem OECD-Musterabkommen dieVersteuerung im Staat der Geschäftsleitung des Unternehmens.
8. Rückfallklausel
Um „weiße Einkünfte“ zuvermeiden, entspricht es der neueren deutschen Abkommenspolitik, dassEinkünfte für Zwecke des DBA nur dann als aus dem anderenVertragsstaat stammend behandelt werden, wenn sie dort besteuertwerden. Zur Freistellung von Einkünften nach dem DBAÖsterreich bedarf es daher des Nachweises der Besteuerung (Hinweisauf § 90 Abs. 2 AO). Wird der Nachweis nicht erbracht, sind dieausländischen Einkünfte grundsätzlich in die Besteuerungim Inland einzubeziehen (BFH 11.6.96, BStBl II 97, 117). Findet dieVersteuerung später noch statt, ist nach Tz. 7 des Protokolls zumDBA ein Verständigungsverfahren durchzuführen (allgemein zumVerständigungsverfahren vgl. BStBl I 97, 717).
9. Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft
Eine Sonderregelung wurde im neuen Art. 16 Abs. 2für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder einerGesellschaft vereinbart. Hiernach können die Vergütungenungeachtet der o.g. Regelungen im Sitzstaat der Gesellschaft besteuertwerden. Eine gesonderte Regelung hatte das DBA Österreich altnicht.
10. Sozialversicherungsbeiträge
Eine Sonderregelung wurde ferner fürBeiträge an Einrichtungen der Krankheits- und Altersvorsorgevereinbart. Diese sind unter den gleichen Voraussetzungen steuerlichberücksichtigungsfähig, auch wenn sie im anderenVertragsstaat geleistet werden (Art. 15 Abs. 7 DBA neu). § 10 Abs.2 EStG gilt insoweit nicht.
11. Zusammenfassung
Wenngleich die oben dargestellten Fallgruppen undBeispiele keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben können,so ist doch zu erkennen, dass für den gleichen Sachverhalt nachaltem und neuem DBA höchst unterschiedliche Rechtsfolgen eintretenwerden. In Anbetracht der Vielzahl der Fälle bei einem direktenNachbarstaat gilt es, sich frühzeitig hierauf einzustellen undgegebenenfalls Vermeidungsstrategien zu entwickeln.
Quelle: Praxis Internationale Steuerberatung - Ausgabe 08/2001, Seite 205