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  • · Fachbeitrag · Zivilrecht / Vereinsrecht

    Mitglieder von Kooperationsvereinen können jederzeit Unterlageneinsicht verlangen

    von RA Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de 

    Das OLG Hamm (30.7.14, I-8 U 10/14) hat einem Arzt und seiner Ehefrau umfangreiche Rechte auf Einsichtnahme in die Unterlagen eines Vereins zur Optimierung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Palliativmedizin zugesprochen. Beide Vereinsmitglieder dürfen danach sämtliche Bücher und Urkunden des Vereins einsehen, zu denen auch die Mitgliederliste gehört.

     

    Sachverhalt

    Der beklagte Verein setzt sich aus Ärzten, Sozial-, Hospiz- und Pflegediensten sowie weiteren palliativmedizinischen Leistungserbringern zusammen. Zur seiner Mitgliederversammlung im Jahr 2012 wurden weder der Kläger noch seine Frau geladen. Dabei hatte der Kläger bereits im Vorfeld Einsicht in die Finanzbuchhaltung des Vereins beantragt und war von der Vereinsführung auf die Versammlung verwiesen worden. Auch in der Folge verweigerte die Vereinsvorsitzende beiden Gründungsmitgliedern jegliche Einsicht in die Unterlagen des Vereins. Da ihnen Auskunft über Verlauf und Ergebnisse der Versammlung ebenfalls verwehrt wurde, sah sich der Mediziner gezwungen, gemeinsam mit seiner Frau den Klageweg zu beschreiten.

     

    Zu der Mitgliederversammlung im Folgejahr erhielt lediglich die Klägerin eine Ladung. Von Vereinsseite hieß es, ihr Mann sei bereits 2011 aus dem Verein ausgetreten. Schließlich wurde ihm die Teilnahme als Gast ohne Rede- und Stimmrecht gewährt. Wie die Vereinsvorsitzende eigenmächtig entschied, hatten Anträge der Klägerin, Auskunft über Identität, Bezahlung und Tätigkeit der Vereinsangestellten zu erhalten und Einsichtnahme in Details des Kassenberichts zu nehmen, keinen Erfolg. Auch die Klage wurde durch das Landgericht Münster abgewiesen.

     

    Anmerkungen

    Das Urteil änderte das OLG nun ab und gab der Berufung der Klägerin und ihres Mannes nahezu vollumfänglich statt. Insbesondere hielten die Richter auch den Arzt für berechtigt, überhaupt Klage zu erheben. Denn den Verlust seiner Mitgliedschaft habe der Verein nicht darlegt und bewiesen. Ein Schreiben des Klägers aus dem Jahr 2011, auf das sich der Verein bezog, sei eindeutig nicht an diesen gerichtet gewesen und lasse sich auch nicht als Austrittserklärung interpretieren.

     

    Jedem Vereinsmitglied stehe kraft seines Mitgliedschaftsrechts auch außerhalb der Mitgliederversammlung das Recht auf Einsicht in die Bücher und Urkunden des Vereins zu, wenn und soweit es ein berechtigtes Interesse darlegen kann, dem kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse des Vereins oder berechtigte Belange seiner Mitglieder entgegenstehen. Diese Ansicht des Bundesgerichtshofs sei gemeinhin bekannt, so das Gericht. Dennoch sei den Klägern bis zur mündlichen Gerichtsverhandlung freiwillig nicht einmal das Protokoll der Mitgliederversammlung 2012 ausgehändigt worden.

     

    Zu den einsehbaren Büchern und Urkunden des Vereins gehöre auch die aktuelle Mitgliederliste. Ein Interesse an deren Herausgabe sei jedenfalls dann gegeben, wenn diese notwendig sei, um die Ausübung von Minderheitsrechten wie die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zu ermöglichen. Eine Schwärzung der Mitgliederadressen auf der herauszugebenden Liste, wie sie die Vereinsseite vornehmen wollte, untersagte das OLG vor diesem Hintergrund ausdrücklich.

     

    Entgegenstehende Mitgliederinteressen erkannte das OLG nicht. Lediglich in zeitlicher Hinsicht wurde der festgestellte Einsichtnahmeanspruch auf die Jahre 2011 bis 2013 beschränkt. Denn für die Zeit vor 2011 seien konkrete Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges Verhalten des Vereins bzw. seines Vorstands bei der Verwaltung des Vereinsvermögens nicht ersichtlich.

     

    Praxishinweise

    Das unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergangene OLG-Urteil leistet einen wertvollen Beitrag zur Sicherung der Antrags-, Kontroll-, Weisungs- und Abberufungsrechte der Mitglieder von Vereinen, in denen Freiberufler nicht nur auf dem medizinischen Sektor organisiert sind. Es erschwert die Verschleierung der Geschäfte und Aktivitäten dieser meist gemeinnützigen, spendenfinanzierten Organisationen und bestätigt, dass deren Mitglieder nicht zwangsläufig auf die jährliche Hauptversammlung angewiesen sind, um dem Bedürfnis nach Transparenz Geltung zu verschaffen.

     

    So trägt das Urteil auch dazu bei, dass die verwalteten Mittel letztlich bei denjenigen landen, die sie benötigen und für die sie bestimmt sind. Persönliche Differenzen zwischen einzelnen Personen oder Gruppen müssen hinter den rechtlichen Grundsätzen zurücktreten. Wie das OLG ausdrücklich betonte, bestehen gegen die Anfertigung von Kopien einsehbarer Unterlagen auf Kosten der Einsichtnahmeberechtigten keine Bedenken.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 261 | ID 42932351

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