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  • · Fachbeitrag · Rechtsformenwahl

    Die Stärkung des MVZ im Wettbewerb mit Einzelpraxen und Berufsausübungsgemeinschaften

    von RAin Katrin-C. Beyer, LL.M., Köln, ETL Medizinrecht

    | Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) möchte die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für die Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung weiter flexibilisieren. So wurde bereits im Koalitionsvertrag mit dem Ziel einer flächendeckenden ambulanten Versorgung vereinbart, dass zukünftig fachgruppengleiche medizinische Versorgungszentren (MVZ) zugelassen werden sollen und auch Kommunen die Möglichkeit gewährt wird, MVZ zu gründen. Weiterhin sollen sich MVZ ohne konkreten Bewerber im Nachbesetzungsverfahren bewerben dürfen. |

    1. Fachgruppengleiche MVZ

    Durch das GKV-VSG sollen die Gründungsmöglichkeiten für MVZ weiterentwickelt werden. Insbesondere Zahnärzten wird mit diesem Gesetz eine Versorgungsform eröffnet, die ihnen bislang weitestgehend verschlossen war. Es gibt derzeit nur sehr wenige Zahnarzt-MVZ in Deutschland.

     

    1.1 Die Reichweite der Neuregelung

    Nach § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V bisheriger Fassung muss das MVZ eine fachgruppenübergreifende ärztlich geleitete Einrichtung sein. Dies ist der Fall, wenn mindestens zwei Vertragsärzte mit verschiedenen Fachgebieten in dem Zentrum tätig sind.

     

    Zukünftig wird dieses Kriterium wegfallen, sodass fachgruppengleiche MVZ gegründet werden können, in denen mehrere Ärzte desselben Fachgebiets tätig sind. Nach der Neuregelung sind danach reine Hausarzt- oder (spezialisierte) facharztgleiche MVZ zulässig, ebenso reine Zahnarzt-MVZs oder psychotherapeutische MVZ. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des MVZ bisheriger Prägung geht damit verloren. Der Gesetzgeber egalisiert die Gründungsvoraussetzungen von MVZ und die Grenze zu insbesondere fachgruppengleichen Berufsausübungsgemeinschaften geht fast völlig verloren.

     

    1.2 Jede Berufsausübungsgemeinschaft kann MVZ und GmbH werden

    Jede Berufsausübungsgemeinschaft, seien es Haus-, Fach- oder Zahnärzte oder Psychotherapeuten, kann sich also als ein MVZ zulassen. Möglicherweise werden die Zahnärzte bei der MVZ-Gründung von den Zulassungszahlen her nachziehen, sofern hinreichend sinnvolle Gründungsmotive vorliegen (s. dazu den Beitrag in der PFB-Sonderausgabe zum GKV-VSG von Geißer, S. 34). Die Möglichkeit, die bisherige Berufsausübungsgemeinschaft in ein MVZ weiterzuentwickeln, bietet auch die Option, in die Rechtsform der GmbH zu wechseln (s. dazu den Beitrag in der PFB-Sonderausgabe zum GKV-VSG von Gerdes, S. 29).

    2. Weitere Wettbewerbschancen von MVZ

    Weiterhin sprechen flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten für die Anstellung von (Zahn-)Ärzten für ein MVZ. So sollen nach dem GKV-VSG Anstellungsgenehmigungen von einem MVZ auf ein anderes MVZ desselben Trägers analog der Sitzverlegung bei Vertragsärzten ermöglicht werden.

     

    Dies bedeutet, dass Einzelpraxen und Berufsausübungsgemeinschaften künftig verstärkt in Wettbewerb zu z.T. großen MVZ-Strukturen mit immer mehr angestellten (Zahn-)Ärzten treten werden. MVZ zeichnen sich bereits heute durch einen hohen Anstellungsgrad von Ärzten aus. Berufsausübungsgemeinschaften sind dagegen noch eher partnerschaftlich (d.h. durch eine Vielzahl von Gesellschaftern geprägt) organisiert, obwohl auch hier der Anstellungsgrad von Ärzten in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Auf diese neue Situation sollten sich Ärzte und Zahnärzte vorbereiten und sich bei der Planung größerer Einheiten rechtlich und steuerlich beraten lassen.

     

    PRAXISHINWEIS | Insgesamt eröffnen sich erhebliche Gestaltungsspielräume, die es zu nutzen gilt. Es ist anzunehmen, dass neben einer Welle von MVZ-Neugründungen auch viele Berufsausübungsgemeinschaften umgewandelt werden. Ob die Welle auch in Richtung GmbH schwappt, wird sich zeigen. Schließlich ist das fachgruppengleiche MVZ ein Praxisumwandlungsmodell in die GmbH (s. dazu den Beitrag in der PFB-Sonderausgabe zum GKV-VSG von Geißer, S. 34).

     

    Insbesondere Zahnärzten mit Wachstumsorientierung eröffnet sich durch die gesetzlichen Änderungen eine völlig neue Dimension: Wegen der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung sind dem Wachstum einer klassischen Einzelpraxis wie auch der Berufsausübungsgemeinschaft Grenzen gesetzt. Zudem ist es dem Vertragszahnarzt gemäß Bundesmantelvertrag-Zahnärzte nur gestattet, an seinem Vertragsarztsitz zwei in Vollzeit bzw. bis zu vier in Teilzeit tätige Zahnärzte anzustellen. Diese Beschränkungen gibt es für ein MVZ nicht. Schließlich ist Zahnärzten die Tätigkeit in der Rechtsform der GmbH eröffnet. Dies kann aus vielen Gründen vorteilhaft sein.

    3. Zulassungsanträge von MVZ ohne konkreten Bewerber

    Durch die im GKV-VSG vorgesehenen Regelungen findet eine Abkehr von den bisherigen Auswahlkriterien und damit den Grundsätzen des Nachbesetzungsverfahrens zugunsten von MVZ statt. Bisher ist die Bewerbung um einen Vertragsarztsitz/Anstellung personengebunden, der Zulassungsausschuss prüft die Eignung und Qualifikation des konkreten Arztes im Vergleich zu anderen Bewerbern.

     

    3.1 Die neue Regelung

    Es wurde ein neuer § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V eingefügt. Er lautet:

     

    • § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V n.F.

    „Hat sich ein medizinisches Versorgungszentrum auf die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes beworben, kann auch anstelle der in Satz 5 genannten Kriterien die Ergänzung des besonderen Versorgungsangebots des medizinischen Versorgungszentrums berücksichtigt werden.“

     

    Mit der Einführung dieser Regelung kann der Zulassungsausschuss bei der Bewerbung eines MVZ auf die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes anstelle der persönlichen und fachlichen Zulassungsvoraussetzungen berücksichtigen, inwieweit durch die Zulassung das besondere Versorgungsangebot zugunsten der Patientenversorgung verbessert wird. Der Wortlaut könnte auf den ersten Blick nur dafür sprechen, dass der Zulassungsausschuss einen weiteren Aspekt in seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen soll. Die KV versteht diese Regelung in ihrer Kommentierung zum GKV-VSG - zu Recht - ganz anders:

     

    „Damit wird MVZ das Recht eingeräumt, sich auch ohne konkreten Kandidaten auf offene Versorgungssitze zu bewerben. So ist wohl auch die Gesetzesbegründung im Zusammenhang zu verstehen.“

     

    Mit dieser Regelung wird einem MVZ die Möglichkeit eingeräumt, sich vorsorglich auf offene Vertragsarztsitze bewerben zu können, ohne bereits einen konkreten Bewerber vorweisen zu können. Eine Auswahl des am besten geeigneten Bewerbers findet zugunsten des MVZ dann nicht mehr statt. Fraglich ist, wie sich die Ermessenserwägungen nach dem neuen Abs. 4 S. 10 zu den nach Abs. 4 S. 5 mit konkretem Bewerber verhalten. Hier werden die Zulassungsausschüsse der Struktur nach anders als bislang entscheiden und nachvollziehbare Ermessenserwägungen anstellen müssen.

     

    3.2 Fazit: MVZ werden ungerechtfertigt bevorzugt

    Dass sich MVZ auch ohne konkreten Kandidaten bewerben können, passt an sich nicht in die bisherige Regelungssystematik des § 103 Abs. 4 SGB V hinein und bevorzugt MVZ in nicht gerechtfertigter Weise, da Einzelpraxen und Berufsausübungsgemeinschaften diese Möglichkeit nicht haben. Warum Einzelpraxen und Berufsausübungsgemeinschaften einen konkreten Bewerber vorhalten müssen und MVZ nicht, erschließt sich nicht ohne Weiteres. Diese Schlechterstellung ist wohl kaum mit dem Gleichheitssatz vereinbar.

     

    HINWEIS | Die PFB-Sonderausgabe zum GKV-VSG können Sie als PDF-Datei unter www.iww.de/pfb/downloadrubrik/sonderausgaben herunterladen!

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2015 | Seite 284 | ID 43533778

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