· Nachricht · Häusliches Arbeitszimmer
Das Übezimmer eines Berufsmusikers
Das Übezimmer eines Berufsmusikers ist ein häusliches Arbeitszimmer. Die geistige Auseinandersetzung eines Musikers mit dem Musikstück ist mit derjenigen eines Hochschullehrers oder Rechtsanwalts, der sich mit einem wissenschaftlichen oder rechtswissenschaftlichen Problem beschäftigt, im Kern vergleichbar (BFH 10.10.12, VIII R 44/10). |
Sachverhalt
Die Klägerin ist Klarinettistin mit Einkünften aus selbstständiger Arbeit. Für das Streitjahr 2007 machte sie Aufwendungen für einen innerhalb der Wohnung gelegenen Raum geltend, der zum Proben, Einüben und Einstudieren der von ihr aufzuführenden Musikstücke genutzt wurde. Das Finanzamt berücksichtigte die Raumkosten mit der Begründung nicht, der Raum weise die Eigenschaft eines Arbeitszimmers auf und bilde nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der Klägerin. Das FG Köln (13.10.10, 9 K 3882/09) gab der Klage mit der Begründung statt, das Übezimmer sei kein Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG 2007.
Anmerkungen
Die Entscheidung des FG Köln hatte vor dem BFH keinen Bestand. Das Übezimmer ist ein häusliches Arbeitszimmer. Der Klägerin steht nur der begrenzte Betriebsausgabenabzug in Höhe von 1.250 EUR zu.
Anders als im Regelfall eines häuslichen Arbeitszimmers war das in die häusliche Sphäre eingebundene Übezimmer der Klägerin zwar nicht in der üblichen Weise büromäßig ausgestattet, denn abgesehen von dem kleinen Sekretär, den die Klägerin zur Erstellung ihrer Klarinettenblätter benötigte, befanden sich in dem Zimmer weder ein Computer, noch ein Telefon, ein Telefaxgerät oder andere bürotypische Einrichtungsgegenstände. Der Annahme eines häuslichen Arbeitszimmers steht das aber nicht entgegen. Ein häusliches Arbeitszimmer setzt nicht zwingend voraus, dass es mit bürotypischen Einrichtungsgegenständen ausgestattet ist und nur für Bürotätigkeiten genutzt wird. Jedenfalls kommt die Nutzung des Übezimmers durch die Klägerin der Nutzung eines „typischen“ Arbeitszimmers durch Angehörige anderer Berufsgruppen gleich. Die Nutzung des Übezimmers zur Lagerung von Noten, Partituren, CDs und musikwissenschaftlicher Literatur ist mit der Lagerung von Akten durch Angehörige bürotypischer Berufe vergleichbar. Außerdem erbringt die Klägerin mit der Nutzung des Raumes für das Präparieren der Klarinettenmundstücke und das Erarbeiten, Einstudieren und Proben der von ihr ausgesuchten Musikstücke eine Vorbereitungshandlung, die eine unverzichtbare Grundlage für die spätere --außerhalb des Übezimmers-- auszuübende und ihr Berufsbild prägende Tätigkeit darstellt, nämlich das Aufführen der Musik im Rahmen eines Orchesters. Die Nutzung des Übezimmers durch die Klägerin unterscheidet sich damit nicht wesentlich von der Nutzung von Räumen durch Angehörige anderer Berufe, bei denen die häusliche Vorbereitung - wie zum Beispiel bei Hochschullehrern, Dozenten oder Rechtsanwälten - im Arbeitszimmer geschieht und in der Vorbereitung und im Abfassen von Vorträgen, Vorlesungen oder Schriftsätzen liegt.
Zu gewichten ist dabei auch, dass das Einüben und Aufführen von Musikstücken eine geistige Auseinandersetzung mit der Partitur sowie der Darbietung der Stücke durch andere Künstler voraussetzt (BMF 2.3.11, IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 11, 195, Rz 5 zum häuslichen Musikzimmer einer freiberuflich tätigen Konzertpianistin, die Musikunterricht erteilt). Diese geistige Auseinandersetzung ist mit derjenigen eines Hochschullehrers oder Rechtsanwalts, der sich mit einem wissenschaftlichen oder rechtswissenschaftlichen Problem beschäftigt, im Kern vergleichbar.
Demgemäß vermochte der BFH der Auffassung des FG, das Übezimmer ähnele bei wertender Betrachtungsweise eher einem Tonstudio als einem Arbeitszimmer, nicht zu folgen. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich der Ausstattung des Übezimmers tragen diese Würdigung nicht. Weder enthielt das Übezimmer die für die Annahme eines Tonstudios erforderlichen technischen Geräte noch bewahrte die Klägerin in diesem Raum ausschließlich Gegenstände auf, die bürountypisch waren. Die dort aufgestellten Regale, die Bücher, Noten, Partituren sowie der Sekretär passten vielmehr eher zu einem Büro als zu einem Tonstudio. Selbst wenn die Klägerin dort tatsächlich nur ihre Klarinettenmundstücke hergestellt hat, wäre der Sekretär auch für bürotypische oder für private Arbeiten geeignet gewesen. Der Senat ist daher an die Würdigung des FG, bei dem Übezimmer der Klägerin handele es sich um kein häusliches Arbeitszimmer, nicht gebunden.Vielmehr ergibt sich aus den Feststellungen des FG, dass ein häusliches Arbeitszimmer vorliegt.
Praxishinweis
Mit dieser Entscheidung macht sich der BFH die Auffassung des BMF zu eigen. Ein häusliches Arbeitszimmer dient eben nicht nur der der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer bzw. organisatorischer Arbeiten im Sinne büromäßiger Tätigkeiten. Vielmehr ist dieses Tätigkeitserfordernis weit auszulegen. Damit wird auch die rechtskräftige Entscheidung des FG Baden-Württemberg (6.4.11, Az. 4 K 5121/09) bestätigt. Es hatte geurteilt, dass es auf Ausstattungsfragen nicht ankomme. Vielmehr nutze ein Musiker den Raum zur häuslichen Vorbereitung der späteren Aufführung der Musikstücke und damit in einer Weise, die bürotypischen Berufen vergleichbar sei.