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  • · Nachricht · Betriebsprüfung in Apotheken

    Welche Verkaufsdaten müssen offengelegt werden?

    | Führt ein Apotheker über die nach der Rechtsprechung zulässige Ermittlung der Tageseinnahmen durch Tagesendsummenbons hinaus freiwillig eine von seiner PC-Kasse erstellte Datei mit Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe, ist er in der Regel nicht verpflichtet, diese Datei dem Finanzamt bei einer Betriebsprüfung vorzulegen ( FG Hessen 24.4.13, 4 K 422/12, NZB BFH X B 80/13). |

     

    Zur Entscheidung des FG Hessen

    Geklagt hatte eine Apothekerin, die die Bareinnahmen ihrer Apotheke mit einer sog. PC-Kasse erfasste. Die baren Tageseinnahmen stellte sie durch fortlaufende Tagesendsummenbons (Z-Bons) mit anschließender Nullstellung des Kassenspeichers fest. Die Summe der täglichen Bareinnahmen wurde manuell in das Kassenbuch übertragen, das Grundlage der Buchführung war. Der Aufforderung des Betriebsprüfers, auch die elektronische Datei mit den Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe vorzulegen, kam sie nicht nach. Zwar legte sie dem Betriebsprüfer eine CD mit Daten aus ihrem Kassensystem vor; die Datei mit der Einzeldokumentation der Verkäufe hatte sie dabei jedoch entfernt.

     

    Das FG Hessen entschied, dass für die Aufforderung des Finanzamtes, auch die Datei mit den Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe vorzulegen, keine Rechtsgrundlage bestehe. Denn für die Klägerin, die nicht an andere gewerbliche Unternehmen, sondern an Endverbraucher liefere, habe aufgrund der Größe und der Einzelumsatzhäufigkeit weder nach dem Handelsgesetzbuch noch nach der Abgabenordnung oder nach berufsrechtlichen Bestimmungen eine Verpflichtung bestanden, die einzelnen Barverkäufe manuell oder auf einem Datenträger aufzuzeichnen. Die Klägerin könne sich dabei auch auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stützen, wonach es aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität für eine ordnungsgemäße Buchführung auch im Computerzeitalter nicht erforderlich sei, Einzelaufzeichnungen zu führen, wenn der Unternehmer - wie die klagende Apothekerin - gegen Barzahlung Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Vielzahl von Kunden im offenen Ladengeschäft verkaufe. Ausreichend sei in solchen Fällen, auf Einzelaufzeichnungen zu verzichten und die festgestellten Tagesendsummen täglich-fortlaufend in ein Kassenbuch zu übertragen. Die Führung des Kassenbuchs solle die streitigen Einzelaufzeichnungen gerade ersetzen.

     

    Dass die Klägerin gleichwohl zusätzlich die einzelnen Barverkäufe freiwillig und programmgesteuert in einer gesonderten Datei mitgeschrieben und gespeichert habe, ändere hieran nichts und führe nicht zu einer Vorlagepflicht bei der Betriebsprüfung. Denn die Datei sei grundsätzlich nicht Bestandteil der nach § 147 AO aufzubewahrenden Grundaufzeichnungen. Dass die Datei für das Finanzamt bei einer Verprobung der Pflichtaufzeichnungen hilfreich und interessant sein könne, sei unerheblich.

     

    Für den Betrieb der Apothekerin sei die gesonderte Aufzeichnung des Warenausgangs und der Einnahmen gerade nicht erforderlich. Dem Gesetzgeber stehe es allerdings frei, nach österreichischem Vorbild ein gesetzliches Zugriffsrecht auch für die außerhalb einer gesetzlichen Aufzeichnungspflicht vom Steuerpflichtigen geschaffenen Daten zu schaffen.

     

    Das Hessische Finanzgericht hat abschließend und durchaus praxisrelevant aber auch klargestellt, dass die hier streitige Frage des Bestehens einer Vorlagepflicht nach § 147 AO von der Frage einer im Übrigen erkennbaren Nichtordnungsmäßigkeit der Buchführung und der dadurch eröffneten Schätzungsbefugnis des Finanzamtes nach § 162 AO strikt zu trennen sei. So ließen nicht ordnungsgemäße Kassenaufzeichnungen (z.B. Differenzen zwischen den Tagessummen laut Z-Bons und den Eintragungen im Kassenbuch oder die nicht zeitgerechte Führung des Kassenbuchs) den Schluss zu, dass nicht alle Bareinnahmen verbucht worden sind und berechtigten das Finanzamt zu Zuschätzungen.

     

    Das FG Sachsen-Anhalt ist anderer Ansicht!

    Das FG Sachsen-Anhalt (15.1.13, 1 V 580/12) hat in einem AdV-Beschluss anders entschieden: Hat ein Apotheker ein elektronisches Warenwirtschaftssystem (u. a. mit einer Verkaufsdatei, bestehend aus der Kassenzeile, den Einzeldaten und einer Bewegungsdatei) geführt, so ist es nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Prüfer bei einer Außenprüfung nach § 147 Abs. 6 AO zur Anforderung der Verkaufsdatei des Warenwirtschaftssystems in elektronischer Form berechtigt ist. Allgemein umfasst der Datenzugriff zwar nur die steuerlich relevanten Daten, d.h., die Daten der Finanz- Anlage- und Lohnbuchhaltung; soweit die Daten des Warenwirtschaftssystems jedoch Verkaufsdaten betreffen, sind sie steuerlich relevante Daten der Finanzbuchhaltung, für die eine Aufzeichnungspflicht besteht, und unterfallen daher dem Datenzugriff.

     

    Soweit in der Literatur darüber gestritten wird, ob die Aufbewahrungspflicht aus § 147 AO eine unabhängig vom Bestehen einer Aufzeichnungspflicht bestehende steuerliche Pflicht darstellt, schließt sich der Senat der Rechtsprechung des BFH (26.2.04, XI R 25/02; BFH 24.6.09 VIII R 80/06) an, der die Aufbewahrungspflicht vom Bestehen einer Buchführungspflicht abhängig macht.

     

    Zu den aufbewahrungspflichtigen Unterlagen gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO zählen nicht nur die im Rahmen der Buchführung geführten, sondern alle für steuerliche Zwecke vorzunehmenden Aufzeichnungen. Gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO aufbewahrungspflichtig sind alle sonstigen, nicht bereits von § 147 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AO erfassten Geschäftsunterlagen in verkörperter Form oder als Datei, die im Unternehmen anfallen, Geschäftsvorfälle dokumentieren oder erläutern und dem Verständnis sowie der Kontrolle der gesetzlich vorgesehenen Aufzeichnungen dienen, z. B. Aussagen oder Teilaussagen über steuerlich relevante Vorgänge, Kassenunterlagen usw.

     

    Die nach anderen als Steuergesetzen zu erfüllenden Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sind insbesondere dann nach § 140 AO für die Besteuerung zu erfüllen, wenn sie für diese von Bedeutung sind; davon ist immer dann auszugehen, wenn sie zwar nicht darauf angelegt sind, steuerlich relevante Sachverhalte auszuweisen, ihnen aber solche zu entnehmen sind, so dass sie sich zur Verprobung der zu steuerlichen Zwecken geführten Bücher und Aufzeichnungen eignen.

     

    Da die Regelung des § 140 AO darauf abzielt, insbesondere die sich aus anderen Gesetzen ergebenden Aufzeichnungspflichten zu steuerrechtlichen Pflichten zu erklären, und damit ein ausdrückliches Nebeneinander der Pflichten feststellt, ist auch ein Rückgriff auf § 238 HGB zur Bestimmung von Aufzeichnungspflichten zulässig. Es liegt darin keine Umgehung des § 144 AO, der lediglich positiv für bestimmte Gewerbetreibende eine zusätzliche, selbstständige, von handelsrechtlichen Buchführungspflichten unabhängige Aufzeichnungspflicht begründet.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Verkaufseinzeldaten: Doch kein Zugriffsrecht des Fiskus? DAZ.online / 30.04.2013
    • Interview zur Entscheidung des FG Sachsen-Anhalt: Treuhand: Datenmasse birgt Konfliktpotenzial DAZ / 25.02.2013
    • Betriebsprüfung in Apotheken: Verkaufsdaten müssen offengelegt werden DAZ / 25.02.2013
    Quelle: ID 42218890