· Nachricht · Ausbildung der Mitarbeiter
Vorsicht bei der Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln
| Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind grundsätzlich zulässig. Es ist jedoch nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht ohne hinreichende Konkretisierung an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen ( LAG Mecklenburg-Vorpommern (25.2.25, 5 SLa 104/24 ).
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Eine ehemalige Mitarbeiterin nahm ein sieben Semester dauerndes Bachelorstudium „Physiotherapie“ an einer privaten Fachhochschule auf. Der Arbeitgeber übernahm die Studiengebühren unter der Bedingung, dass die Mitarbeiterin das Studium erfolgreich abschließt und fünf Jahre im Unternehmen bleibt. Bei vorzeitigem Ausscheiden verpflichtete sie sich zur Rückzahlung; Ausnahmen galten nur, wenn der Arbeitgeber aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen kündigt oder sie aus vom Arbeitgeber zu vertretenden Gründen selbst kündigt. Nach Studienabschluss folgte ein befristeter Teilzeitarbeitsvertrag und ein konkretes Beschäftigungsangebot. Die Mitarbeiterin beendete das Studium erfolgreich, trat die angebotene Stelle wegen Umzugs jedoch nicht an.
Der Arbeitgeber verlangte die Rückzahlung der Studiengebühren, scheiterte damit aber vor dem LAG, das die Rückzahlungsklausel für unwirksam hielt. In diesem Fall kamen gleich mehrere Gründe zusammen, die die Rückzahlungsverpflichtung unwirksam werden ließen. So hatte der Arbeitgeber auf „AGB-mäßige“ Standardformulierungen zurückgegriffen, die für sich genommen schon erhöhten Anforderungen an ihre Wirksamkeit unterliegen. Dann hatte er - vielleicht weil er falsch gerechnet hat - die Rückzahlungsverpflichtung um wenige hundert Euro zu hoch angesetzt. Die Rückzahlungsverpflichtung darf der Höhe aber nach lediglich denjenigen Betrag umfassen, den der Arbeitgeber tatsächlich aufgewandt hat. Schließlich fehlte es auch an einem rechtzeitigen Angebot einer angemessenen Anstellung. Es konnte nicht dargelegt werden, dass der Arbeitgeber ein konkretes, verbindliches Beschäftigungsangebot unterbreitet hatte. Ein - zeitnaher - schriftlicher Vertragsentwurf lag nicht vor. |
Grundsätzlich: Einschränkung der freien Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG)
Rückzahlungsverpflichtungen des Arbeitnehmers, die an eine von diesem ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, können gegen Treu und Glauben verstoßen. Da sie geeignet sind, das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG einzuschränken, muss einerseits die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und andererseits den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen. Letzteres ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhält. Insgesamt muss die Erstattungspflicht ‒ auch dem Umfang nach ‒ dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Ist dies nicht der Fall, verbleibt es dabei, dass Verluste, die eintreten, weil Investitionen in die Aus- und Weiterbildung des Arbeitnehmers nachträglich wertlos werden, grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen hat.
Eine Rückzahlungsklausel ist unter anderem dann unangemessen benachteiligend i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn sie auch den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm unverschuldet dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll. Auch unter dieser Voraussetzung ist eine Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Rückzahlungsverpflichtung von Fortbildungskosten weder durch billigenswerte Interessen des Arbeitgebers noch durch gleichwertige Vorteile des Arbeitnehmers gerechtfertigt.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung zeigt, dass Arbeitnehmer zahlreiche Anknüpfungspunkte haben, um der Rückzahlung von Aus- und Weiterbildungskosten zu entgehen. Und sie zeigt auch, dass Arbeitgeber bei der Abfassung von Verträgen mit Rückzahlungsverpflichtungen sehr sorgfältig sein müssen und vor allem den Mitarbeiter nicht „unangemessen benachteiligen“ dürfen. Dabei sind die Wörter „unangemessen benachteiligen“ nicht in einem moralischen oder rein wirtschaftlichen Lichte zu sehen, sondern unter dem des Art 12 GG: „Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“ Wenn die Art und Weise der Ausgestaltung und die Höhe der Rückzahlung gegen Art 12 GG verstoßen, sind sie unwirksam. Sie werden dann grundsätzlich auch nicht „auf ihren Kern“ reduziert.
Übernimmt der Arbeitgeber die Kosten für berufliche Fort- oder Weiterbildungsmaßnahmen, bleibt diese Unterstützung für die Mitarbeiter steuerfrei, wenn die Bildungsmaßnahme im „ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse“ des Arbeitgebers liegt, etwa weil sie die Einsatzfähigkeit der Arbeitnehmer erhöht. Das gilt unabhängig davon, ob die Bildungsmaßnahme im Betrieb oder extern stattfindet. Wird die Bildungsmaßnahme ganz oder teilweise auf die Arbeitszeit angerechnet, liegt ohnehin ein überwiegend betriebliches Interesse vor und weitere Prüfungen sind nicht grundsätzlich erforderlich. Auch ohne Arbeitszeitanrechnung kann ein steuerfreier Vorteil vorliegen, zum Beispiel bei Sprachkursen, wenn der Arbeitgeber die neuen Kenntnisse für die Tätigkeit verlangt (R 19.7 LStR). Fehlt das überwiegend eigenbetriebliche Interesse, gehört die gebotene Leistung zum steuerpflichtigen Arbeitslohn.
Die Finanzverwaltung hat auch die steuerliche Beurteilung von Bildungskosten geklärt, wenn der Mitarbeiter nach Abschluss der Bildungsmaßnahme den Arbeitgeber wechselt und der neue Arbeitgeber die Rückzahlungsverpflichtung gegenüber dem alten Arbeitgeber übernimmt. Diese Kostenübernahme führt für den Mitarbeiter zu steuerpflichtigem Arbeitslohn vom neuen Arbeitgeber. Dies gilt sowohl für die sofortige Übernahme des Rückzahlungsbetrages als auch für die Weiterführung der Darlehenszahlungen durch den neuen Arbeitgeber (FinMin Berlin 16.1.15, Kurzinfo LSt 1/15).