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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Umsatzsteuer bei Gesundheitsfachberufen

    von RA Dietmar Sedlaczek, www.sps-steuerrecht.de, Berlin, und 
RA Andreas Paschhoff, www.eundp.net, Wuppertal, beide Partner der Metax

    | Zur Umsatzsteuerpflicht für Leistungen von Gesundheitsfachberufen hat es in jüngerer Zeit eine ganze Reihe von Entscheidungen und Verwaltungsanweisungen gegeben. Dies führte ab 2012 zu einer geänderten Systematik der Umsatzsteuerbefreiung für nichtärztliche Heilberufe. Der Beitrag arbeitet Prinzipien heraus, mittels derer sich systematisch herleiten lässt, ob die Leistung eines nichtärztlichen Heilberufs ab 2012 umsatzsteuerfrei ist. |

    1. Vorbemerkung

    Bis zum 31.12.11 sah die Finanzverwaltung Anschlussheilbehandlungen von Physiotherapeuten und staatlich geprüften Masseuren nicht als umsatzsteuerpflichtig an, wenn diese Leistungen zunächst auf ärztliche Verordnung zulasten der Kassen erbracht worden sind und der Patient die Kosten der Anschlussheilbehandlung selbst trägt (vgl. nur FinMin NRW 4.7.11, wie Darstellung der Finanzamtssicht in NWB 11, 4346). Daneben gibt es zahlreiche Entscheidungen zur Umsatzsteuerpflicht von Leistungen durch Gesundheitsfachberufe, wobei nicht weiter vertieft werden soll, ob Gesundheitsfachberufe nur solche sind, die eine staatlich anerkannte Ausbildung durchlaufen. Für den Zweck dieses Beitrags sind mit dem Begriff Gesundheitsfachberufe alle nichtärztlichen Heilberufe im weitesten Sinn - jedoch ohne Heilpraktiker und Hebammen - gemeint, denen keine Befähigung zur eigenständigen Diagnose und Verordnung zugesprochen wird (§ 8MPhg, § 63 Abs. 3a SGB V, § 1 HeilPraktG, Hättich/Renz, NWB 11, 4346 m.w.N.).

    2. Abgrenzungskriterien

    Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist erforderlich, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung durch arztähnliche Leistungen erbringt und die erforderliche Qualifikation besitzt (EuGH 10.9.02, C-141/00). Folglich muss

    • der Angehörige des Gesundheitsfachberufs einen Befähigungsnachweis erbringen (Qualifikation),
    • eine ärztliche Verordnung vorliegen oder die Leistung wird im Rahmen einer genehmigten Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme erbracht (Vorliegen einer Heilbehandlung).

     

    2.1 Nachweis der Qualifikation

    Den für die Umsatzsteuerfreiheit erforderlichen Befähigungsnachweis kann man alternativ auf zwei Arten erbringen:

    • durch berufsrechtliche Regelungen oder
    • durch die Kostenübernahme durch die Sozialversicherungsträger.

     

    PRAXISHINWEIS | Für Gesundheitsfachberufe kann man bereits an dieser Stelle vorwegnehmen, dass umsatzsteuerlich stets der Qualifikationsnachweis durch die Kostenübernahme der Träger der Sozialversicherung ersetzt wird.

     

    Der Befähigungsnachweis durch Kostenübernahe der Sozialversicherungsträger ist nicht kumulativ neben der Erfüllung der berufsrechtlichen Voraussetzungen erforderlich. Ein Merkmal reicht (BFH 30.1.8, XI R 53/06).

     

    2.1.1 Nachweis durch berufsrechtliche Regelungen

    Bei Katalogberufen (§ 14 Nr. 14a UStG) wird der Befähigungsnachweis regelmäßig durch die Erfüllung der berufsrechtlichen Voraussetzungen erbracht. Dies gilt für die gesetzlich geregelten Gesundheitsfachberufe wie Physiotherapeuten. Bei „ähnlichen heilberuflichen Tätigkeiten“ soll für staatlich anerkannte Gesundheitsfachberufe das Gleiche gelten. Für die „Ähnlichkeit“ ist erforderlich, dass das typische Bild des Katalogberufs mit seinen wesentlichen Merkmalen dem Gesamtbild des zu beurteilenden Berufs vergleichbar ist (A. 4.14.4 Abs. 7 UStAE). Das macht aus Sicht der Verwaltung vergleichbare berufsrechtliche Regelungen erforderlich.

     

    2.1.2 Nachweis durch Kostenübernahme der Sozialversicherungsträger

    Der berufsrechtliche Befähigungsnachweis kann auch durch eine Kostenübernahme der Sozialversicherungsträger ersetzt werden (BVerfG 29.10.99, 2 BvR 1264/90). Der BFH (8.3.12, V R 30/09) lässt seitdem als Befähigungsnachweis ausreichen, dass die Kosten der heilberuflichen Tätigkeit in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Verwaltung folgt dieser Auffassung in A. 4.14.4 Abs. 6 UStAE. Allerdings ist nicht verständlich, warum dann in Abs. 7 wieder vergleichbare berufsrechtliche Regelungen gefordert werden, dieser Absatz ist überflüssig. Das ergibt sich auch aus A. 4.14.4. Abs. 8 UStAE. Denn die notwendige Qualifikation des Behandelnden kann auch aus einer Zulassung der Krankenkassen zur Erbringung von Heilmitteln nach § 124 SGB V zu Lasten der Krankenkassen gefolgert werden. Auch damit folgt die Verwaltung der Rechtsprechung (BFH 11.11.04, V R 34/02).

     

    Nicht ausreichend ist die gelegentliche Kostenübernahme durch Krankenkassen, da bereits im Zeitpunkt der Leistung feststehen muss, ob die Leistung steuerbefreit ist (BFH 26.1.12, V R 52/10). Im Sachverhalt ging es um therapeutisches Reiten, welches durch eine nicht entsprechend qualifizierte Person erbracht wurde. Wird diese Leistung aufgrund ärztlicher Verordnung durch Physiotherapeuten erbracht und auf Kosten der Krankenkasse, ist die Leistung umsatzsteuerfrei, auch wenn die Physiotherapeuten bei einem nicht fachlich qualifizierten Unternehmer angestellt sind (BFH 16.4.08, XI R 53/06).

     

    In der Aufnahme einer Leistung in den Leistungskatalog einer Krankenkasse kann ein Indiz für den Nachweis der Qualifikation des Leistungserbringers liegen. Allerdings verlangt der BFH die Aufnahme in den Leistungskatalog durch einen „Großteil“ der Sozialversicherungsträger (BFH 8.3.12, V R 30/09). Was ein Großteil ist, führt er nicht näher aus.

     

    PRAXISHINWEIS | Soweit ersichtlich ist für die Gesundheitsfachberufe die Frage, ob die Kostenübernahme der privaten Kassen für die Umsatzsteuerfreiheit ausreicht, nicht höchstrichterlich entschieden. Man wird aber wohl sagen müssen, dass in den Fällen, in denen die Kosten der Behandlung, wenn der Patient ein Kassenpatient wäre, von der Kasse übernommen werden, auch Umsatzsteuerfreiheit besteht.

     

    Schließlich kann sich die berufliche Qualifikation auch durch die Leistungserbringung für eine Rehabilitationseinrichtung im Rahmen eines Versorgungsvertrags nach den §§ 11 Abs. 2, 44, 111 SGB ergeben. Gleiches gilt für Rehabilitationssport gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 und § 4 SGB V sowie für Integrierte Versorgungsverträge gemäß § 140a ff. SGB V. Voraussetzung für diese Steuerfreiheit ist, dass die Leistungserbringer die Qualifikation haben, die diese Verträge oder Vereinbarungen fordern.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Umsatzsteuerfreiheit hängt nicht von der Rechtsform ab. Es ist auch ausreichend, dass die bei dem Unternehmer angestellten Arbeitnehmer die erforderliche Qualifikation haben.

     

    2.2 Vorliegen einer Heilbehandlung

    Für Gesundheitsfachberufe lässt sich in der Praxis das Merkmal „Vorliegen einer Heilbehandlung“ auf das Vorliegen einer ärztlichen Verordnung oder im Rahmen einer ärztlichen Überwachung nach den oben genannten Verträgen und Rahmenvereinbarungen reduzieren. Da die Rechtsprechung und ihr folgend der A. 4.14.1 Abs. 4 UStAE stets darauf abstellen, dass nur ein Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeut oder Heilpraktiker eigenverantwortlich körperliche oder seelische Leiden behandeln dürfen, ist stets eine ärztliche Verordnung erforderlich (BFH 30.1.08, XI R 53/06); es sei denn, der Behandler verfügt über die Qualifikation als Heilpraktiker, gegebenenfalls auch beschränkt auf sein Gebiet (BVerwG 26.8.09, 3 C 19.08).

    3. Grünes Rezept

    Wenn das Heilmittelbudget des Arztes erschöpft ist, wird gelegentlich vorgeschlagen, die Behandlung auf Basis eines grünen Rezeptes fortzusetzen, was nach den oben genannten Grundsätzen Umsatzsteuerfreiheit zur Folge hätte. Doch viele Ärzte sind nicht bereit, auf einem grünen Rezept zu verordnen, weil die Versicherten einen Anspruch auf Versorgung mit notwendigen Heilmitteln haben. Mit der Verordnung auf einem grünen Rezept dokumentieren die Ärzte den Behandlungsbedarf, versagen aber die Sachleistung der Krankenkasse. Damit verstoßen sie gegen die Pflicht, die notwendigen Heilmittel zu verordnen und setzten sich u.U. Disziplinarmaßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigungen aus.

     

    Wenn diese Möglichkeit den Kassenärzten eröffnet würde, käme das einem Offenbarungseid des Systems gleich. Es würde sich selbst bestätigen, dass nicht alle notwendigen Heilmittel verordnet werden.

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 162 | ID 39479540

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