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  • · Fachbeitrag · Pflegedienste

    Ein Überblick über die Besteuerung ambulanter Pflegedienste

    von StB Christoph Wenhardt, Brühl

    | Jahr für Jahr werden mehr Pflegebedürftige ambulant betreut. Ambulante Pflegedienste in Deutschland versorgten Anfang 2014 rund 1,25 Millionen pflegebedürftige Menschen, um ihre Angehörige bei der Pflege zu unterstützen. Die Anbieterseite wird von kleinen und Kleinstbetrieben bis zu einer Größe von 20 Mitarbeitern dominiert. Insgesamt waren 2011 rund 290.000 Arbeitnehmer in den ambulanten Pflegediensten beschäftigt. Mit diesem Beitrag soll ein Überblick über die steuerlichen Grundlagen der Beratung ambulanter Pflegedienste gegeben werden. |

    1. Befreiung von der Umsatzsteuer

    § 4 Nr. 16 UStG befreit die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen. § 4 Nr. 16 UStG selbst enthält nur eine allgemeine Definition der Betreuungs- und Pflegeleistungen. Welche Leistungen im Einzelnen in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung fallen, ergibt sich aus der Definition der nach § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. a bis l UStG begünstigten Einrichtungen:

     

    • Die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen sind nach § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. a UStG steuerfrei, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden.

     

    • Ferner sind die Betreuungs- oder Pflegeleistungen nach § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. b bis l UStG steuerfrei, wenn sie von anderen anerkannten Einrichtungen mit sozialem Charakter i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL erbracht werden. Dabei umfasst der Begriff „Einrichtungen“ unabhängig von der Rechts- oder Organisationsform des Leistungserbringers sowohl natürliche als auch juristische Personen.

     

    PRAXISHINWEIS | Sofern Betreuungs- oder Pflegeleistungen an hilfsbedürftige Personen von Einrichtungen erbracht werden, die nicht nach Sozialrecht anerkannt sind und mit denen weder ein Vertrag noch eine Vereinbarung nach Sozialrecht besteht, sind diese nach § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. l UStG steuerfrei, wenn im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 25 % der Fälle dieser Einrichtung von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind (Abschn. 4.16.3 UStAE).

     

    Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung, dass die Leistungen an hilfsbedürftige Personen erbracht wurden, müssen für jede betreute oder gepflegte Person beleg- und buchmäßig nachgewiesen werden. Hierzu gehören insbesondere

     

    • der Nachweis der Pflegebedürftigkeit und ihrer voraussichtlichen Dauer durch eine Bestätigung der Krankenkasse, der Pflegekasse, des Sozialhilfeträgers, des Gesundheitsamts oder durch ärztliche Verordnung;
    • der Nachweis der Kosten des Pflegefalls durch Rechnungen und der Höhe der Kostenerstattung der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe durch entsprechende Abrechnungsunterlagen;
    • die Aufzeichnung des Namens und der Anschrift der hilfsbedürftigen Person;
    • die Aufzeichnung des Entgelts für die gesamte Betreuungs- oder Pflegeleistung und der Höhe des Kostenersatzes durch den Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe für den einzelnen Fall;
    • die Summe der gesamten Fälle eines Kalenderjahres;
    • die Summe der Fälle dieses Jahres mit überwiegender Kostentragung durch die Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe.

     

    PRAXISHINWEIS | Als Nachweis über die Hilfsbedürftigkeit der gepflegten oder betreuten Personen kommen ferner andere Belege/Aufzeichnungen, die als Nachweis eines Betreuungs- und Pflegebedarfs geeignet sind und oftmals bereits auf Grund sozialrechtlicher Vorgaben vorhanden sind (z.B. Betreuungstagebücher und Pflegeleistungsaufzeichnungen der Pflegekräfte) in Betracht. Ferner kann sich der Grundpflegebedarf insbesondere aus der Anerkennung einer Pflegestufe nach den §§ 14 oder 15 SGB XI oder aus einem diesbezüglichen Ablehnungsbescheid ergeben, wenn darin ein Hilfebedarf bei der Grundpflege ausgewiesen ist. Der Nachweis der Hilfsbedürftigkeit kann auch durch eine Bescheinigung über eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz i.S. des § 45a SGB XI erbracht werden.

     

    2. Einkommensteuer

    Handelt es sich um eine Pflegedienst GmbH, dann liegen gewerbliche Einkünfte schon kraft Rechtsform vor.

     

    Der Pflegedienst-Unternehmer erzielt nur dann freiberufliche Einkünfte (§ 18 EStG), wenn er selbst die Pflegeleistungen unmittelbar dem einzelnen Patienten gegenüber erbringt. Denn eine eigenverantwortliche freiberufliche Tätigkeit setzt die unmittelbare persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Freiberuflers voraus (Stempeltheorie).

     

    Problematisch wird es also dann, wenn der Pflegedienstleiter viele Mitarbeiter hat und nicht mehr in jedem Pflegefall eigenverantwortlich und leitend tätig ist. Hier kommt es dann zu gewerblichen Einkünften. Das gleiche gilt, wenn er entweder über keine oder eine fachfremde Qualifikation verfügen sollte.

     

    Bei Personengesellschaften besteht die Gefahr der Abfärbung gewerblicher Einkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Übt eine freiberufliche Pflegedienst-Personengesellschaft (bspw. GbR) auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, dann kommt es zur Umqualifizierung der freiberuflichen Einkünfte, das heißt, diese werden zu gewerblichen Einkünften. Nach neuester Rechtsprechung (BFH 27.8.14, VIII R 6/12, DStR 15, 345) kommt es aber nicht zur Umqualifizierung, wenn die gewerblichen Einkünfte als äußerst gering anzusehen sind. Dies nimmt der BFH dann an, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 EUR im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Abfärbewirkung ließe sich grundsätzlich durch das Ausgliederungsmodell vermeiden (vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 15 Rz. 193). Hierzu wird eine zweite Personengesellschaft gegründet, in welche dann die gewerbliche Tätigkeit ausgelagert wird.

     

    Werden nur Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung vom Pflegedienst erbracht, so stellt dies keine Ausübung eines Heilberufs dar (OFD Frankfurt 2.4.15, S 2245 A - 11 - St 210). Folglich liegen auch keine freiberuflichen Einkünfte vor. Die Ausübung eines Heilberufs kann aber die häusliche Krankenpflege i.S. des § 37 SGB V sein, die im Einzelfall Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung umfassen kann (BFH 5.6.06, IV B 65/05).

    3. Gewerbesteuer

    Kommt es für den mobilen Pflegedienst zu gewerblichen Einkünfte, dann ergibt sich für die gewerblichen Einkünfte auch grundsätzlich die Gewerbesteuerpflicht.

     

    Von der Gewerbesteuer sind jedoch nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen befreit, wenn im Erhebungszeitraum die Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. Für die Befreiung ist es unerheblich, in welcher Rechtsform der Pflegedienst geführt wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Steuerbefreiung beginnt, sobald die Voraussetzungen für die jeweilige Steuerbefreiung erstmals vorliegen. Soweit es sich um persönliche Steuerbefreiungen gem. § 3 GewStG handelt, wird die Steuerfreiheit im Regelfall mit Aufnahme der Tätigkeit vorliegen. Die Steuerfreiheit kann aber auch erst nach Aufnahme der Tätigkeit eintreten, wenn sie z.B. an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist und diese Voraussetzungen bei Aufnahme der Tätigkeit noch nicht vorgelegen haben. Die Einkünfte sind dann aufzuteilen in gewerbesteuerpflichtige und -freie Einkünfte. Dies hat ‒ soweit möglich ‒ durch direkte Zuordnung der Einkünfte zu dem jeweiligen Zeitraum, in dem die Steuerpflicht bzw. die Steuerfreiheit besteht, zu geschehen. Soweit dies nicht möglich ist, ist eine Schätzung vorzunehmen (Frotscher/Maas, § 3 GewStG, Rz. 4).

     

     

    Erbringt der ambulante Pflegedienst nur Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, dann sind die Einkünfte ohne Vorliegen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG gewebesteuerpflichtig (BFH 5.9.11, VIII B 135/10, BFH/NV 11, 2062).

     

    PRAXISHINWEIS | Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die aus der Personalüberlassung erzielten Erträge immer gewerbesteuerpflichtig sind.

     

    Lässt sich die Gewerbesteuer nicht vermeiden, dann hängt die gewerbesteuerliche Belastung von der Rechtsform des Pflegedienstes ab:

     

    • Natürliche Personen: Bei natürlichen Personen wird ein Freibetrag in Höhe von 24.500 EUR abgezogen. Ist der gewerbesteuerliche Gewinn höher, entsteht naturgemäß Gewerbesteuer, für die das Einkommensteuergesetz aber eine Anrechnung (§ 35 EStG) vorsieht.
    • Personengesellschaften: Bei diesen gilt das gleiche wie bei den natürlichen Personen.
    • Kapitalgesellschaften: Hier gibt es keinen Freibetrag, dies bedeutet, dass die gewerbesteuerlichen Gewinne in voller Höhe der Gewerbesteuer unterliegen.

    4. Buchführungspflicht

    Ambulante Pflegedienste müssen die Pflege-Buchführungsverordnung (PBV) beachten (§ 1 Abs. 2 PBV). Diese enthält die entsprechenden Anweisungen zu den Rechnungs- und Buchführungsvorschriften für Pflegedienste. Eine Ausnahme besteht, wenn der Pflegedienst weniger als sieben vollzeitbeschäftigte Pflegekräfte und jährliche Pflegeumsätze von unter 250.000 EUR hat. In diesem Fall ist er befreit (§ 9 PBV).

     

    Nach § 4 PBV führen Pflegeeinrichtungen ihre Bücher nach den Regeln der kaufmännischen doppelten Buchführung. Für Buchführung und Inventar gelten die §§ 238 bis 241 HGB. Die Konten sind nach dem Kontenrahmen der Anlage 4 einzurichten. Bei Verwendung eines hiervon abweichenden Kontenplans hat die Pflegeeinrichtung durch ein ordnungsmäßiges Überleitungsverfahren die Umschlüsselung auf den Kontenrahmen nach Satz 1 zu gewährleisten. Die Buchführungspflicht nach der Pflege-Buchführungsverordnung führt gem. § 140 AO auch zur steuerlichen Buchführungspflicht (vgl. auch AEAO zu § 140 AO). Darüber hinaus besteht für Pflegedienste die Verpflichtung zur Erstellung und elektronischen Übermittlung einer E-Bilanz (§ 5b EStG).

     

    Verstärkt ist bei ambulanten Pflegediensten mit steuerlichen Betriebsprüfungen zu rechnen. Geprüft werden dabei insbesondere

    • die umsatzsteuerfreien und umsatzsteuerpflichtigen Umsätze,
    • Pflegevereinbarungen mit Pflegekassen und Pflegepersonen
    • sowie die Buchführung, das Kassenbuch, Arbeitsverträge.
    Quelle: Ausgabe 07 / 2015 | Seite 195 | ID 43304691

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