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  • · Vergütungsrecht

    PKV kritisiert PAR-Abrechnungsempfehlung der BZÄK, BMG stärkt Analogabrechnung den Rücken!

    Bild: ©HNFOTO - stock.adobe.com

    von RA, Fachanwalt für MedR und Zahnarzt Dr. Stefan Droste, LL.M., Kanzlei  am Ärztehaus, Münster, kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Die aktuelle S3-Leitlinie „Die Behandlung von Parodontitis Stadium I bis III“ ist im Jahre 2020 in Kraft getreten. Basierend auf dieser Leitlinie entstand im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) die am 17.12.2020 beschlossene Richtlinie zur systematischen Behandlung von Parodontitis und anderen Parodontalerkrankungen für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (PAR-Richtlinie), die zu einer Änderung der Abrechnungsgrundlagen für gesetzlich versicherte Patienten geführt hat. Die schon im Jahre 2012 novellierte Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) blieb jedoch unverändert. Der nunmehr von der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) unternommene Versuch einer „Übersetzung der neuen Leistungen“ in die GOZ trifft auf Widerstand seitens des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband), aber auf Wohlwollen beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG). |

    Die Abrechnungsempfehlung der BZÄK

    Bereits im September 2021 erließ die BZÄK eine Abrechnungsempfehlung für die PAR-Behandlung unter Beachtung der neuen S3-Leitlinie für den Anwendungsbereich der GOZ (online unter Shortlink ogy.de/mnh3). Darin wird für etliche Leistungen im Bereich der Parodontitisbehandlung die Möglichkeit einer Analogabrechnung nach § 6 Abs. 1 GOZ beschrieben. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um eine Leistung handelt, die nicht in der GOZ abgebildet ist. Die BZÄK ist der Ansicht, dass zahlreiche in der S3-Leitlinie beschriebene Leistungen nicht in der Anlage 1 der GOZ enthalten seien. Details lesen Sie im Beitrag „Parodontitistherapie: BZÄK übersetzt BEMA- in GOZ-Leistungen ‒ das sollten Sie wissen!“ in PA 10/2021, Seite 5.

     

    Die BZÄK beruft sich in diesem Zusammenhang u. a. auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) vom 25.10.2004 (Az. 1 BvR 1437/02). Aus diesem geht hervor, dass die unter sozialversicherungsrechtlichen Konditionen gewährte Honorierung wohl kaum noch als angemessen anzusehen ist. Die im BEMA enthaltene Honorierung stelle daher die Untergrenze dessen dar, was bei der privatzahnärztlichen Parodontitisbehandlung gemäß der S3-Leitlinie beansprucht werden könne.

    Die Kritik des PKV-Verbands ...

    Der PKV-Verband lehnt die Abrechnungsempfehlung der BZÄK ab. Der Verband ist der Meinung, dass die im Jahre 2020 erlassene S3-Leitlinie schon längst in der aus dem Jahre 2012 stammenden GOZ abgebildet sei. Eine Regelungslücke der GOZ, die Voraussetzung für eine Analogberechnung ist, könne daher nicht gesehen werden:

     

    • Eine zusätzliche Privatliquidation weiterer parodontaler Maßnahmen sei daher nicht nachvollziehbar und
    • die Voraussetzungen einer Analogabrechnung nach § 6 Abs. 1 GOZ nicht gegeben.

    ... und die Schützenhilfe des BMG

    Das BMG kann sich der Meinung des PKV-Verbands nicht anschließen, wie sich aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage bezüglich der Weiterentwicklung der GOZ vom 11.05.2022 ergibt (Fragestunde des Deutschen Bundestags am 11.05.2022, BT-Drucksache 20/1678, Frage Nr. 55). Hier der Originaltext des Vorgangs (Frage des Abgeordneten Stephan Pilsinger von der CDU/CSU und die Antwort des BMG):

     

    Frage: Aus welchen Gründen entwickelt das BMG die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) nicht analog zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (BEMA) weiter, der seit Kurzem zum Beispiel eine neue Paradontitis-Strecke beinhaltet (vgl. etwa hier: Quintessence Publishing, 27.09.2021), obwohl dies im Sinne des Patientenschutzes und der Patientenversorgung nach Auffassung der einschlägigen zahnärztlichen und Patientenverbände dringend notwendig wäre?

     

    Antwort: Die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) und der Einheitliche Bewertungsmaßstab (BEMA) sind voneinander unabhängige und hinsichtlich Rechtsgrundlage und Ausrichtung grundsätzlich unterschiedliche Vorgaben. Daher ist eine ständige Anpassung der GOZ an die BEMA nicht zwingend erforderlich und im Hinblick auf den komplexen und langwierigen Novellierungsprozess der GOZ für einzelne Leistungen bzw. Leistungskomplexe auch nicht sinnvoll. Für die Sicherstellung einer leitliniengerechten Versorgung ist eine Anpassung der GOZ ebenfalls nicht erforderlich, da nicht im Gebührenverzeichnis der GOZ enthaltene Leistungen über den Weg der Analogabrechnung in Rechnung gestellt werden können. Die Bundeszahnärztekammer veröffentlicht hierzu Abrechnungsempfehlungen zum Beispiel auch für die angesprochene Parodontitis Versorgung (veröffentlicht im Internet unter bzaek.de, April 2022).

     

    Rechtliche Bindung von Abrechnungsempfehlungen

    Abrechnungsempfehlungen sind ‒ wie aus dem Zusatz „Empfehlung“ bereits herauszulesen ist ‒ nicht rechtsverbindlich. Aufgrund des hinter diesen Abrechnungsempfehlungen stehenden Sachverstands und der teilweise durchgeführten Konsentierung mit den Kostenträgern sowie aufgrund der Neutralität der BZÄK genießen derartige Abrechnungsempfehlungen allerdings eine hohe Akzeptanz. Diese werden im Falle gerichtlicher Entscheidungen immer wieder als Argument herangezogen. Etliche Gerichte folgen derartigen Abrechnungsempfehlungen. Da im vorliegenden Fall eine Konsentierung mit dem PKV-Verband augenscheinlich nicht hergestellt werden konnte, bleibt abzuwarten, inwiefern die Gerichte die Abrechnungsempfehlung der BZÄK im Falle einer Auseinandersetzung über die Zulässigkeit konkreter Analogabrechnungen gestützt auf die vorliegende S3-Leitlinie zu überzeugen vermag.

     

    FAZIT | Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie die ersten gerichtlichen Entscheidungen zum Thema ausfallen werden. Eine Prognose ist an dieser Stelle nicht möglich. Vor dem Hintergrund, dass die GOZ bereits seit 33 Jahren in ihrem Punktwert nicht aufgewertet wurde sowie die letzte Novellierung aus dem Jahre 2012 stammt (und damit lange vor Erlass der PAR-S3-Leitlinie), ist mehr als verständlich und nachvollziehbar, dass die Möglichkeit einer Analogabrechnung befürwortet wird.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2022 | Seite 14 | ID 48306239