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  • · Digitale Versorgung

    Datenschutz und (Schrift-)Formerfordernisse in Zeiten der digitalen Versorgung

    Bild: ©Schluesseldienst - pixabay.com

    von Anja Mehling, RAin und FAin für MedR, Hamburg

    | Tele-(zahn-)Medizin (vgl. PA 09/2020, Seite 2 ) und zentrale Datenverfügbarkeit sowie Datensicherheit sind untrennbar miteinander verbunden. Die Gewährleistung des Schutzes der Patientendaten ist ein Kernpunkt bei der digitalen Versorgung. Der Einsatz von Telemedizin birgt jedoch weitere Herausforderungen, insbesondere bei einer ebenso relevanten digitalen souveränen Kommunikation mit der Fragestellung, ob und wie z. B. Patient und Zahnarzt vollständig digital interagieren können. Dabei können gesetzliche Schriftformerfordernisse Barrieren darstellen, die es zu überwinden gilt. |

    Datenschutz und Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG)

    Das Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur ‒ das Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) ‒ symbolisiert die Absicht des Gesetzgebers, die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu forcieren. Es ist die Grundlage für die Nutzung neuer digitaler Angebote im Gesundheitssektor. Hauptgegenstand des PDSG ist die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA), die allen Patienten ab dem 01.01.2021 nutzen können sollen. Sensible Gesundheitsdaten sollen gleichzeitig bestmöglich geschützt werden. Dabei soll einer sicheren, vertrauensvollen und nutzerfreundlichen digitalen Kommunikation zwischen Leistungserbringern und Patienten und zwischen den Leistungserbringern untereinander besondere Bedeutung zukommen (Bundesratsdrucksache 164/20, S. 1).

     

    Die Vorteile liegen z. B. bei umfangreichen Implantationen auf der Hand: Hausarzt, Hauszahnarzt und Implantologe können auf die gleichen Befunde, Arztberichte und Röntgenaufnahmen zugreifen und sich ohne Verletzung des Datenschutzes austauschen. Schon jetzt wird das PDSG allerdings auch insoweit kritisiert. Dabei geht es um die genaue Ausgestaltung der Zugriffsrechte. Der Patient soll selbst entscheiden können, welche Daten in der ePA verfügbar sein sollen. In der ersten Umsetzung ab dem 01.01.2021 soll es dagegen nicht möglich sein, verschiedenen behandelnden (Zahn-)Ärzten zu bestimmten Zwecken nur Teileinblicke zu gewähren. Der Zugriff ist entweder vollständig für alle Behandelnden oder überhaupt nicht möglich. Das PDSG soll vor diesem Hintergrund die datenschutzrechtlichen Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht erfüllen. Am 18.09.2020 hat das PDSG den Bundesrat passiert (BR-PIPr 993). Mit einem zeitnahen Inkrafttreten ist zu rechnen. Dabei bleibt zu hoffen, dass ebenso zeitnah elementare Vorgaben der DSGVO gewährleistet werden können.

    Schriftform, Formerfordernisse und Digitalisierung

    Seit dem 01.10.2020 können tele-(zahn-)medizinische Leistungen auch im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung erbracht werden. Für die neu in den BEMA aufgenommenen Gebührenpositionen siehe iww.de/pa, Abruf-Nr. 46846302. Videosprechstunden müssen definierten Standards unterliegen. Zusätzliche Vereinbarungen klären Fragen der Qualität, Sicherheit und Anforderungen an die technische Umsetzung und die apparative Ausstattung sowie zum Datenschutz. Für die Durchführung der Videosprechstunden/Telekonsile dürfen nur gem. Anlage 16 BMV-Z zertifizierte Videoanbieter genutzt werden (Liste zertifizierter Anbieter unter iww.de/s4148). Zz. ist die Durchführung und Abrechnung von Videosprechstunden nach BEMA auf eine bestimmte Patientengruppe ‒ pflegebedürftige oder beeinträchtigte Patienten ‒ eingeschränkt.

     

    Besprechungen von Heil- und Kostenplänen oder Kostenvoranschlägen, Aufklärungen sowie Beratungen vor oder Konsultationen nach (chirurgischen) Eingriffen per Videokonferenz dürften sich aber für alle Patientengruppen anbieten. Werden zwischen Zahnarzt und Patient über den gesetzlichen (GKV-)Katalog hinausgehende Mehrleistungen als privatzahnärztliche Leistungen vereinbart, muss das schriftlich erfolgen. Der Schriftformzwang ergibt sich bei der Behandlung von GKV-Patienten vor allem aus § 8 Abs. 7 S. 3 BMV-Z: Verlangt der Versicherte eine Behandlung auf eigene Kosten, soll hierüber vor der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Vertragszahnarzt und dem Versicherten getroffen werden; darin soll sich der Vertragszahnarzt den Wunsch des Versicherten, die Behandlung auf eigene Kosten durchführen zu lassen, bestätigen lassen. Daneben können im privatzahnärztlichen Bereich für eine Honorarvereinbarung das Schriftformerfordernis nach § 2 Abs. 2 S. 1 GOZ (PA 10/2020, Seite 4) sowie für eine Vereinbarung von Leistungen auf Verlangen das Schriftformerfordernis nach § 2 Abs. 3 S. 1 GOZ in Betracht kommen. Entsprechende Vereinbarungen müssen mithin von Zahnarzt und Patient eigenhändig unterschrieben werden. Fehlt auch nur eine Unterschrift, ist die Vereinbarung formunwirksam bzw. nichtig (§ 125 Abs. 1 i. V. m. § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB).

    Abbedingung der Schriftform durch Vereinbarung?

    In Zeiten einer Pandemie und fortschreitender Digitalisierung stellen Schriftformanforderungen Erschwernisse dar. Es scheint widersprüchlich, einerseits telemedizinische Leistungen zuzulassen, andererseits deren Durchführung bzw. Liquidation daran scheitern zu lassen, dass im Vorfeld papierlos gearbeitet wurde, also dass Vereinbarungen nicht unter Anwesenheit beider Parteien schriftlich geschlossen worden sind. Können Zahnarzt und Patient bei Aufnahme eines ‒ auf Dauer angelegten ‒ Behandlungsverhältnisses individuell vereinbaren, für die Zukunft auf die Schriftform bei gebundenen Dokumenten zu verzichten? Grundsätzlich gilt in Deutschland als Ausdruck der Privatautonomie Vertragsfreiheit. Individualvereinbarungen haben Vorrang vor AGB. D. h.: Parteien haben die freie Entscheidung, mit wem sie in welcher Form zu welchem Gegenstand Verträge abschließen möchten. Formfreiheit gilt indes dann nicht, wenn gesetzlich eine bestimmte Form vorgeschrieben ist.

     

    Während bei rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen (z. B. Schriftformklauseln in Verträgen/AGB) Abweichungen möglich sind, besteht allgemeinhin die Auffassung, dass die gesetzliche Schriftform nicht umgangen werden kann. Es ist insofern fraglich, ob eine gesetzliche Schriftform durch eine privatrechtliche Vereinbarung ausgehebelt bzw. abbedungen werden kann. Wäre das zulässig, könnte durch eine Vereinbarung idealerweise für alle Verträge, Formulare, Dokumente etc. zwischen Patient und Zahnarzt auf die Schriftform verzichtet und diese z. B. durch Textform ersetzt werden. Ob eine solche Vereinbarung Bestand hat, darüber wird man trefflich streiten können. Indes bedarf es der Beschreitung des Rechtswegs, damit Gerichte sich überhaupt mit dieser Frage erst einmal befassen. Denn ‒ soweit ersichtlich ‒ waren entsprechende Abbedingungsvereinbarungen noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung.

    Schriftform nicht mehr zeitgemäß

    Der Gesetzgeber hat bis dato die Themen digitale Versorgung, Datenschutz und Formerfordernisse nicht hinreichend aufgegriffen. Angesichts der voranschreitenden Entwicklung im Gesundheitswesen ist dies aber dringend notwendig. Mit Blick auf die zunehmenden Möglichkeiten, eine Fernbehandlung durchzuführen, und die anstehende Nutzung der ePA ist evident, dass (Schrift-)Formerfordernisse der digitalen Entwicklung angepasst oder Alternativen gefunden werden müssen, damit die digitale Versorgung und anschließende Abrechnung von Leistungen nicht dadurch erschwert wird, dass eine eigenhändige Unterschrift vor Behandlungsbeginn notwendig ist. Zweck von Formvorschriften wie in § 8 Abs. 7 S. 3 BMV-Z und § 2 Abs. 2, 3 GOZ ist es regelmäßig, den zahlungspflichtigen Patienten vor einer unüberlegten und übereilten Bindung zu schützen (Warnfunktion) und ihn über die geplanten Leistungen ‒ und die voraussichtlich entstehenden Kosten ‒ zu informieren (Kostentransparenz), vgl. BGH, Urteil vom 03.11.2016, Az. III ZR 286/15. Werden hingegen Verträge bzw. Vereinbarungen ‒ nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien ‒ digital geschlossen, genügen zur Wirksamkeit einfache elektronische Signaturen, digitale Unterschriften und/oder die Kommunikation bzw. Korrespondenz per E-Mail, wenn die Parteien eindeutig erkenn- bzw. identifizierbar und die Übertragungswege verschlüsselt sind.

     

    FAZIT | Nach hiesiger Ansicht ist die Schriftform überholt. Selbst die höchste europäische datenschutzrechtliche Regelung zur Verarbeitung personenbezogener Daten, die DSGVO, fordert keine Schriftform mehr. Andere Formen wie z. B. die Textform (digitale Unterschrift auf einem iPad, verschlüsselte E-Mails) können zudem den Zweck, unüberlegte und übereilte Entscheidungen zu treffen, bei entsprechender Gestaltung ebenso erreichen. Denn auch hierbei hätte der Patient die Möglichkeit, Dokumente in Ruhe zu prüfen. Die Schriftform ist kein Nachweis für ein überlegtes und bewusstes Handeln eines Patienten. Der Verfasserin erschließt sich nicht, welcher Unterschied in der Abgabe einer textlichen oder schriftlichen Erklärung bestehen soll, zumal in der heutigen Zeit alle möglichen Erklärungen auf digitalem/elektronischem Weg abgegeben werden und ausreichen. Schriftliche Erklärungen sind regelhaft rechts- und beweissicher. Aber auch mit der Textform ist der Nachweis einer geschlossenen Vereinbarung zu führen. Vereinbarungen können verlässlich dokumentiert werden. Bis zu einer klärenden Entscheidung durch Rechtsprechung und einer Reformierung relevanter Formerfordernisse kann indes nur empfohlen werden, aus Gründen der Rechtssicherheit eigenhändige Unterschriften einzuholen oder die Schriftform durch die elektronische Form (vgl. § 126 Abs. 3 BGB) zu ersetzen. Hierfür haben sich bereits zahlreiche Softwarelösungen am Markt etabliert, sodass auch schon heute das Formularwesen rechtssicher digitalisiert werden kann.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2020 | Seite 2 | ID 46902653