08.01.2010
Finanzgericht Köln: Urteil vom 26.02.2004 – 2 K 1580/02
1) Die krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit aufgrund eines seit Jahren bestehenden Dauerleidens führt nicht zur Rechtswidrigkeit der negativen Prüfungsentscheidung.
2) Der Prüfling verletzt seine Obliegenheitspflichten, wenn er es versäumt, sich bei seinem behandelnden Arzt Klarheit über eine mögliche krankheitsbedingte Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens zu verschaffen.
3) Eine den Prüfling zuzurechnende Obliegenheitsverletzung liegt auch dann vor, wenn er nicht umgehend nach dem Wegfall der Prüfungsunfähigkeit bzw. bereits im Moment der erstmaligen Erkennens seine Zweifel an der Gültigkeit der mündlichen Prüfung mitgeteilt und zur Dokumentation seines Zustandes einen Arzt bzw. Amtsarzt aufgesucht hat.
4) Eine Neubewertung der schriftlichen Arbeiten scheidet aus, wenn beim sog. „offenen Prüfungsverfahren” der jeweilige Zweitkorrektor bei der Korrektur der schriftlichen Aufsichtsarbeiten nur die Note des Erstkorrektors durch Unterschrift oder Hinzufügung eines Einleitungssatzes bestätigt hat.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die dem Kläger am 25. Februar 2002 mündlich bekannt gegebene Entscheidung über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung 2001 aufzuheben ist.
Nachdem der Kläger bereits zweimal erfolglos am Steuerberaterexamen teilgenommen hatte, meldete er sich zum Steuerberaterexamen 2001 an. Mit Schreiben vom 4. April 2001 ließ der Beklagte ihn zur Prüfung zu. Der Kläger fertigte daraufhin zunächst am 9., 10. und 11. Oktober 2001 die schriftlichen Aufsichtsarbeiten an. Der Prüfungsausschuss 18 für Steuerberater setzte für diese Arbeiten folgende Noten fest (auf den Inhalt der Aufsichtsarbeiten sowie die entsprechenden Prüfervermerke wird verwiesen):
Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete: | 5,0 |
Ertragsteuerrecht: | 4,0 |
Buchführung und nun Bilanzwesen: | 4,5 |
Gesamtnote schriftlich | 4,50. |
Nach der Zulassung zur mündlichen Prüfung legte der Kläger diese am 20. Februar 2002 vor dem vorgenannten Prüfungsausschuss ab und erhielt folgende Einzelnoten:
Vortrag: | 4,0 |
Prüfung A: | 4,5 |
Prüfung B: | 5,0 |
Prüfung C: | 4,0 |
Prüfung D: | 3,5 |
Prüfung E: | 4,5 |
Prüfung F: | 4,5 |
Gesamtnote mündlich: | 4,28 |
schriftlich: | 4,50 |
Gesamtnote: | 4,39 |
Der Ausschuss teilte dem Kläger daraufhin mit, dass er die Prüfung nicht bestanden habe (auf die Niederschrift über die mündliche Prüfung wird verwiesen).
Mit Schreiben vom 14. März 2002 beantragte der Kläger nach § 29 Abs. 1 der Verordnung über die Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) die Überdenkung des Prüfungsergebnisses. Zur Begründung führte er aus, dass auf Grund des Nichtbestehen der Prüfung nunmehr ein Verkauf der väterlichen Steuerberaterpraxis drohe. Dadurch seien neugeschaffene Arbeitsplätze gefährdet. Er, der Kläger, sei während der gesamten Prüfungsvorbereitungszeit wegen extremer Migräneattacken, Magengeschwüre und starker Muskelverspannungen in ärztlicher Behandlung gewesen. Hinzu sei eine weitere Erkrankung (Pfeiffer'sches Drüsenfieber) gekommen. Der behandelnde Arzt sehe hinsichtlich der Erkrankungen einen kausalen Zusammenhang zur Prüfungssituation.
Der Beklagte leitete das Überdenkungsverfahren ein und forderte die beteiligten Prüfer zu Stellungnahmen auf. Die Prüfer hielten allerdings an ihrer jeweiligen Benotung fest (auf die Stellungnahmen der einzelnen Prüfer wird verwiesen). Dies teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 18. April 2004 mit.
Der Kläger hält sein Begehren aufrecht und hat gegen die am 25. Februar 2002 mündlich bekannt gegebene Entscheidung des Prüfungsausschusses über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung 2001 Klage vor dem erkennenden Senat erhoben, die er wie folgt begründet: Am Tag der mündlichen Prüfung sei er krankheitsbedingt in seiner Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt und nicht in der Lage gewesen, dem Prüfungsablauf zu folgen. Dies habe er nicht erkennen können.
Seit 1984 leide er an einer therapieresistenten Migräne und sei daher auf die Einnahme starker Schmerzmittel sowie Spritzen zur Entkrampfung der Nackenmuskulatur angewiesen (auf das vom Kläger zur Akte gereichte ärztliche Attest vom 14. Mai 2002 wird verwiesen). Sämtliche Medikamente hätten Nebenwirkungen, die sich auf den psychischen Zustand und die Konzentrationsfähigkeit auswirkten. Er, der Kläger, habe am 18. Februar 2002 eine starke Migräneattacke erlitten, die ihn veranlasst habe, die Praxis seines behandelnden Arztes aufzusuchen. Dieser habe ihm eine starke Dosis Avamigran verschrieben, die er in den nächsten acht Tagen habe einnehmen sollen. Das Medikament beeinträchtige allerdings die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit und dürfe z. B. nicht bei aktiver Teilnahme am Straßenverkehr eingenommen werden. Bei ihm sei es nach der entsprechenden Einnahme zu Sehstörungen gekommen. Da keine spürbare Verbesserung der Schmerzsituation eingetreten sei, habe er zusätzliche Schmerzmittel eingenommen. Dabei habe sich insbesondere um das Medikament Dolormin gehandelt, welches er in den Tagen vor und am Tag der mündlichen Prüfung in der zulässigen Höchstdosis eingenommen habe. Seiner Ehefrau sei aufgefallen, dass seine Konzentrationsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen sei und er zu depressiven Reaktionen geneigt habe. Da sich aber immer noch keine wesentliche Besserung gezeigt habe, habe er zudem das Opioid Tramadol eingenommen. Dieses verursache Müdigkeit, Stimmungsveränderungen und Wahrnehmungsstörungen, was die vorgenannte Wahrnehmung der Ehefrau erkläre.
Unter dem vorgenannten Medikamenten-Mix stehend sei er, der Kläger, zur Prüfung angetreten. Er habe den Prüfungsvorsitzenden allerdings nicht von der Medikamenteneinnahme oder der Migräne unterrichtet. Dieses könne ihm nicht vorgeworfen werden, da er auf Grund der eingenommenen Medikamente nicht mehr zu einer objektiven Beurteilung seiner eigenen Leistungsfähigkeit in der Lage gewesen sei. Außerdem habe er unter einer enormen zusätzlichen psychischen Belastung gestanden, die eine Verschiebung des Prüfungstermins ausgeschlossen habe. Er habe nämlich die Absicht gehabt, die väterlichen Steuerberaterpraxis fortzuführen, nachdem der Vater am 7. Dezember 1997 gestorben sei. Zwar sei zunächst eine Fortführung der Praxis unter Treuhandschaft möglich gewesen, diese habe aber zum 7. Dezember 2001 geendet. Angesichts der Tatsache, dass in der Praxis neben fremden Kräften auch mehrere Familienangehörige tätig gewesen seien, sei der psychische Druck extrem gewesen.
Insgesamt sei er nicht mehr in der Lage gewesen, die Aufgabenstellungen zu erfassen und konzentriert eine Lösung zu erarbeiten. Dies ergebe sich letztlich auch aus der Stellungnahme des Prüfungsvorsitzenden, wo ausgeführt sei, dass dieser „während der gesamten mündlichen Prüfung nicht den Eindruck hatte, dass Herr X kämpft ”. Dem Prüfer für das Ertragsteuerrecht, Herrn B, sei zudem seine, des Klägers, „im Gegensatz zu den anderen Prüflingen vollkommen fehlende Flexibilität” aufgefallen. Das Prüfungsergebnis sei das Resultat einer aus dem vorgenannten Gründen deutlich eingeschränkten Aufmerksamkeit, Konzentrations-, Wahrnehmungs- und Aufnahmefähigkeit sowie psychischer Störungen. Ihm, dem Kläger, könne auch nicht vorgeworfen werden, dass er nicht vor oder während der Prüfung zu einem Amtsarzt gegangen sei. Ein nachträgliches Aufsuchen des Amtsarztes nach dem Abklingen der Nebenwirkungen und dem Erkennen des eigenen Zustandes hätte kaum zu einer Bestätigung der Prüfungsuntauglichkeit führen können. Dazu sei allein der in der Klagebegründung benannte Arzt in der Lage, der den Kläger seit vielen Jahren behandele. Er, der Kläger, habe den Zustand der Prüfungsuntauglichkeit auch nicht bewusst herbeigeführt. Vielmehr habe die Medikamenteneinnahme das Ziel gehabt, die Prüfungsfähigkeit zu erreichen. Die eingetretene Verschlimmerung sei nicht vorhersehbar gewesen (auf das vom Kläger beigebrachte psychologische Gutachten des Dipl.Psych. F.K. Cc, wird verwiesen).
Im übrigen verstoße bereits die Bewertung der Aufsichtsarbeiten gegen § 24 DVStB, weil nicht jede Arbeit durch den Zweitprüfer korrekt durchgesehen worden sei. Bei der Ertragsteuerklausur habe der Zweitprüfer ohne weiteren Kommentar lediglich die Note des Erstprüfers wiederholt. Eine eigene Bewertung im Sinne einer Auseinandersetzung mit den Leistungen des Klägers fehle. Gleiches gelte für die Verfahrensrechtsklausur, in der der Zweitprüfer lediglich den Passus „Zu viele Mängel in allen Teilen der Lösung” hinzugefügt habe. Bei der Buchführungsklausur habe der Zweitprüfer ebenfalls lediglich die Note wiederholt und davor die Worte gesetzt: „Nach Überprüfung erteile ich der Arbeit die Note…”, ohne dieses zu begründen. Es werde bestritten, dass eine eigenständige persönliche Bewertung der Aufsichtsarbeiten durch die jeweiligen Zweitkorrektoren stattgefunden habe.
Der Kläger beantragt,
die ihm am 25. Februar 2002 mündlich bekannt gegebene Entscheidung über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung 2001 aufzuheben und den Beklagten dazu zu verpflichten, den Kläger erneut zur Prüfung zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, dass nach § 30 Abs. 1 DVStB die mündliche Prüfung als nicht abgelegt gelte, wenn der Bewerber aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund an der Ablegung der Prüfung verhindert sei. Eine Erkrankung sei auf Verlangen durch ein amtsärztliches Attest nachzuweisen. Dass ein Kandidat trotz Teilnahme an der mündlichen Prüfung nachträglich einen Hinderungsgrund geltend machen könne, sei hingegen nicht vorgesehen. Es könne angesichts des Grundsatzes der Chancengleichheit nicht in das Belieben des Prüflings gestellt werden, einen Hinderungsgrund zunächst unbeachtet zu lassen, diesen aber im Falle des Scheiterns später geltend zu machen. Es komme auch nicht darauf an, dass der Kläger den Hinderungsgrund möglicherweise nicht habe erkennen können. Wer die Prüfungschance wahrnehme, könne dieselbe Chance nicht ein weiteres Mal eingeräumt bekommen.
Abgesehen davon, dass eine in der Vergangenheit liegende Situation im Nachhinein nur schwer bewertbar sei, hätte sich die vom Kläger geltend gemachte Erkrankung allenfalls dann beurteilen lassen, wenn sie zeitnah und vollständig von amtsärztlicher Seite dokumentiert worden wäre. Das Verhalten des Klägers habe dies nicht zugelassen, sondern er habe lediglich ein fast drei Monate nach der mündlichen Prüfung ausgestelltes hausärztliches Attest vorgelegt. Der Kläger müsse es in vollem Umfang gegen sich gelten lassen, dass er die Prüfungskommission nicht rechtzeitig auf seine gesundheitliche Beeinträchtigung aufmerksam gemacht habe. Dies gelte umso mehr, als er mit der vorgetragenen Selbstmedikamentation zumindest einen großen Teil der behaupteten verminderten Leistungsfähigkeit selbst herbeigeführt habe. Gerade bei starken Medikamenten ergäben sich die Nebenwirkungen aus dem Beipackzettel. Deshalb habe der Kläger die Folgen der Einnahme nicht ohne ärztliche Verordnung in Kauf nehmen dürfen.
Auch durch die Vorlage des psychologischen Gutachtens trage der Kläger keine Gründe vor, die zu einer anderen Entscheidung führen könnten. Es werde lediglich bestätigt, das der Kläger am Tag der mündlichen Prüfung in seiner Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt und nicht in der Lage gewesen sei, dem Prüfungsablauf zu folgen und seine eigene Leistungsfähigkeit zu beurteilen. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG könne allerdings die nachträgliche Prüfungsunfähigkeit nur dann berücksichtigt werden, wenn der Prüfling sich trotz einer Krankheit ohne eigenes Verschulden der Prüfung ausgesetzt habe und er diesen Nachteil nicht habe durch Rücktritt oder Verschiebung abwenden können. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, da er die Auswirkungen seiner Erkrankung auf seine Leistungsfähigkeit im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre habe erfassen können. Da er eigenem Bekunden nach seit über 20 Jahren an chronischer Migräne leide, sei ihm sein gesundheitliche Zustand in den wesentlichen Merkmalen bekannt gewesen. Hinzu komme, dass er angegeben habe, bereits am 18. Februar 2002 eine Migräneattacke erlitten zu haben. Diese habe ihn veranlasst, seinen Arzt aufzusuchen und auf Verordnung unmittelbar vor der schriftlichen und vor der mündlichen Prüfung Medikamente mit den angegebenen Nebenwirkungen einzunehmen. Auch der Ehefrau sei die daraufhin eingetretene Konzentrationsschwäche ihres Ehemannes aufgefallen. Dies alles spreche dagegen, dass der Kläger von seinem gesundheitlichen Zustand keine Kenntnis gehabt habe. Von ihm sei vielmehr zu erwarten gewesen, dass er seinen Arzt im Hinblick auf eine mögliche Einschränkung der Prüfungsfähigkeit konsultiert hätte.
In Übrigen habe der Prüfungsausschuss alle drei Klausuren im Rahmen einer „offenen Bewertung” korrigiert, so dass dem jeweiligen Zweitkorrektor bei der Begutachtung das Votum des Erstkorrektors bekannt gewesen sei. Bei diesem Sachverhalt könne alleine aus der Bestätigung der Note des Erstprüfers nicht gefolgert werden, dass der Zweitprüfer die Aufsichtsarbeit nicht selbstständig begutachtet habe (BFH-Urteil vom 29. September 1992 VII R 76/90). Es führe dann zu keinem Verfahrensfehler, wenn der Zweitkorrektor sich dem Gutachten des Erstkorrektors ohne weiteren Hinweis anschließe (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1983 VII R 123/83). Dies habe der BFH durch die genannten Urteile zu vergleichbaren Fällen entschieden.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Entscheidung des Beklagten vom 25. Februar 2002 über das Nichtbestehen der Prüfung zum Steuerberater-Examen 2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Folglich ist der Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger erneut zur Prüfung zuzulassen.
1. Der Beklagte hat die Leistungen des Klägers in der mündlichen Prüfung vom 25. Februar 2002 zu Recht seiner Bewertung zugrunde gelegt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederholung seiner mündlichen Prüfung. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 DVStB gilt die mündliche Prüfung als nicht abgelegt, wenn der Bewerber aus einem nicht von ihm zu vertretenden Grund an der Ablegung der Prüfung verhindert ist. In diesem Fall kann die Prüfung nach § 30 Abs. 2 DVStB nachgeholt werden. Der Fall, dass der Prüfling an der mündlichen Prüfung teilnimmt, ohne selbst jedoch zu erkennen, dass er prüfungsunfähig ist, ist in der DVStB nicht geregelt. Es kann allerdings dahinstehen, ob im Streitfall die vom Beklagten wiedergegebenen und vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu anderen Prüfungsordnungen entwickelten Rechtsgrundsätze greifen, wonach die Teilnahme eines Prüflings an einer Prüfung dann nicht berücksichtigt werden darf, wenn der Bewerber krankheitsbedingt prüfungsunfähig ist und er ohne eigenes Verschulden an der Prüfung teilnimmt und diesen Nachteil auch nicht -etwa durch Rücktritt von der Prüfungabwenden konnte. Denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
a) Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel daran, ob der Kläger während der mündlichen Prüfung am 25. Februar 2002 wirklich prüfungsunfähig und außerstande gewesen sein kann, diesen Zustand zu erkennen. Immerhin hat der Kläger in der mündlichen Prüfung eine Gesamtnote von 4,28 erzielt und dabei beim Prüfer E sogar mit der Note 3,5 abgeschlossen. Aus Sicht des Senats ist es nahezu ausgeschlossen, dass ein Prüfling mit immerhin knapp befriedigendem Erfolg an einem Prüfungsabschnitt des Steuerberaterexamens teilnimmt, gleichzeitig aber in seiner Konzentrations- und Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt ist.
b) Selbst wenn der Senat aber zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass dieser unmittelbar vor und auch während der Prüfung auf Grund seiner schweren Migräne prüfungsunfähig war und dies auch nicht erkennen konnte, so kann die Klage keinen Erfolg haben:
aa) Zunächst ist eine Berücksichtigung der Krankheit des Klägers schon auf Grund der Tatsache, dass dieser schon viele Jahre an Migräneattacken leidet, ausgeschlossen. Insoweit liegt aus Sicht des Senats ein Dauerleiden vor, welches als persönlichkeitsbedingte Eigenschaft die Leistungsfähigkeit des Klägers dauerhaft prägt und daher nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG, der sich der Senat anschließt, nicht zur Rechtswidrigkeit der negativen Prüfungsentscheidung führen kann (vgl. BVerwG-Beschluss vom 6. August 1968 7 B 23/68, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 34; BVerwG-Urteil vom 6. Juli 1979 7 C 26/76, DVBl 1980, 482). Dies gilt umso mehr, als der Kläger selbst angegeben hat, dass die Krankheit seit über zwanzig Jahren besteht und therapieresistent ist.
bb) Selbst wenn man aber nicht von einem Dauerleiden ausgeht, ist dem Kläger anzulasten, dass er es hätte abwenden können, dass er die Prüfung im – unterstellten – Zustand der Prüfungsunfähigkeit ablegen musste und dies auf Grund der Leistungsminderung nicht erkennen konnte: Der Kläger hat es nämlich versäumt, sich durch Befragen des Arztes, bei dem er auch während der Prüfungszeit in Behandlung war, Klarheit über eine mögliche krankheitsbedingte Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens zu verschaffen. Er hat selbst angegeben, dass er sich in dauernder Behandlung wegen eben der Migräne befand, aus der er jetzt seine Prüfungsunfähigkeit herleitet. Nach eigenen Angaben hatte er auch bereits vor der mündlichen Prüfung Konzentrationsschwierigkeiten, die auch seiner Frau aufgefallen waren. Die Frage, ob es ihm oblag, das vorgenannte Symptom einer Leistungsverminderung, auch wenn er es für eine bloße Folge der Prüfungsanspannung hielt, zum Anlass zu nehmen, sich durch ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt Klarheit über seinen Zustand zu verschaffen, ist keine medizinische Frage, sondern eine Rechtsfrage, zu der es nicht der Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigen bedarf (BVerwG vom 15. August 1984 7 B 153/84, juris WBRE 106648405).
cc) Eine solche Obliegenheit ist im Streitfall zu bejahen: Das ergibt sich daraus, dass dem Kläger nicht nur bereits vor der mündlichen Prüfung Anzeichen einer Leistungsminderung aufgefallen waren, sondern er seine Migräne auch noch mit starken Medikamenten bekämpfte, die – was allgemein bekannt ist – erhebliche Nebenwirkungen auslösen können. Dies gilt erst recht hinsichtlich der Einnahme von Opioiden. Der Senat kann die Frage, ob der Kläger zur Erfüllung der Obliegenheit, mit seinem Arzt ein klärendes Gespräch zu führen, in der Lage war, trotz der vom Kläger behaupteten Unfähigkeit ebenfalls ohne Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigen bejahen (vgl. BVerwG vom 15. August 1984, a.a.O.), denn eines physischen oder psychischen Aufwandes, den zu erbringen der Krankheitszustand möglicherweise hätte verhindern können, bedurfte es hierzu nicht. Der Kläger musste nicht einmal den Entschluss fassen, wegen seiner Beschwerden einen Arzt aufzusuchen, weil er sich bereits in Behandlung befand und sein Zustand, aus dem er seine Prüfungsunfähigkeit herleitet, Gegenstand der Behandlung war. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er seine Prüfungsunfähigkeit aus eigener Kenntnis nicht erkennen konnte, schließt dies nicht aus, dass er mit der naheliegenden Möglichkeit rechnen musste, seine Migräne, deretwegen er sich in ärztlicher Behandlung befand, würde unter dem Einfluss der zusätzlichen examensbedingten Stresssituation sein Leistungsvermögen beeinträchtigen (für depressive Leistungsstörungen vgl. BVerwG vom 15. August 1984, a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als er wegen der anstehenden Praxisübernahme zusätzlichem Stress ausgesetzt war und auch noch starke Medikamente einnahm.
dd) Eine weitere zurechenbare Obliegenheitsverletzung des Klägers ergibt sich schließlich daraus, dass er nicht umgehend nach dem Wegfall der Prüfungsunfähigkeit bzw. bereits im Moment des erstmaligen Erkennens derselben dem Beklagten seine Zweifel an der Gültigkeit der mündlichen Prüfung mitgeteilt und zur Dokumentation seines Zustandes einen Arzt bzw. Amtsarzt aufgesucht hat.
2. Dem Kläger ist im übrigen nicht darin zu folgen, dass der im Streitfall tätige Prüfungsausschuss 18 dadurch § 24 Abs. 2 Satz 1 DVStB verletzt hätte, dass die jeweiligen Zweitkorrektoren bei der Korrektur der schriftlichen Aufsichtsarbeiten nur die Note des Erstkorrektors durch Unterschrift oder Hinzufügung eines Einleitungssatzes bestätigt hat. Zwar ist nach § 24 Abs. 2 Satz 1 DVStB jede Aufsichtsarbeit von mindestens zwei Prüfern (Erst- und Zweitprüfer) persönlich zu bewerten. Das Prüfungsrecht verlangt damit, dass die Bewertung einer Prüfungsleistung aufgrund eigener, unmittelbarer und vollständiger Kenntnis der konkreten Prüfungsaufgabe und der darauf bezogenen Lösungen oder Antworten vorgenommen wird, weil nur so die für die Bewertung verantwortlichen Personen in der Lage sind, anhand ihrer Erfahrungen und Einschätzungen die erforderlichen Wertungen zu treffen, zu gewichten und untereinander ins Verhältnis zu setzen (Entscheidung des BVerfG vom 16. Januar 1995 1 BvR 1505/94, NJW 1995, 2626). Das gilt auch uneingeschränkt für die Zweitkorrektur einer Prüfungsarbeit. Im Streitfall ist allerdings zu beachten, dass der Prüfungsausschuss ein sog. „offenes Prüfungsverfahren” durchgeführt, d.h. dem Zweitprüfer jeweils in Übereinstimmung mit § 24 Abs. 2 Satz 2 1. Hlbs. DVStB die Bewertung des Erstprüfers mitgeteilt hat. Aus der Tatsache, dass der Zweitkorrektor sich bei –von Verfassungs wegen statthafter (BFH-Urteil vom 22. Oktober 1991 VII R 10/91, BFH/NV 1992, 275)– „offener Bewertung” der Aufsichtsarbeiten der Bewertung einer Arbeit durch den Erstkorrektor angeschlossen hat –ausgedrückt etwa durch bloßes „Abhaken” der Bewertungsschritte des Erstkorrektors oder ein allgemeines „Einverstanden”–, kann nicht gefolgert werden, er habe die Arbeit nicht selbständig begutachtet (vgl. nur BFH-Urteil vom 29. September 1992 VII R 76/90, BFH/NV 1994, 269; BFH-Beschluss vom 28. September 1998 VII B 65/98, BFH/NV 1999, 374 m.w.N.). Diese Ausführungen gelten sinngemäß auch für die im Streitfall von den Prüfern angebrachten Vermerke, die ebenfalls den Willen des jeweiligen Zweitkorrektors erkennen lassen, der Notengebung des Erstkorrektors zu folgen. Eine Neubewertung der Klausuren scheidet folglich aus.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).