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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 22.04.1993 – VI 255/87

    Ein Kraftfahrzeuganhänger ist nicht nach § 10 Abs. 1 KraftStG steuerbefreit, wenn die Kraftfahrzeugsteuer für das Zugfahrzeug auf Grund zwischenzeitlicher Auflastung des Anhängers nicht um den ausreichenden Anhängerzuschlag erhöht ist.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob das Finanzamt zu Recht für den Kraftfahrzeuganhänger der Klägerin Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 01.12.1986 bis zum 01.07.1987 erhoben hat.

    Am 11.10.1.979 wurde für die Klägerin ein Kraftfahrzeuganhänger mit dem amtlichen Kennzeichen ... und einem zulässigen Gesamtgewicht von 16 t zum Verkehr zugelassen. Entsprechend dem Antrag der Klägerin vom gleichen Tage wurde die Steuer für dieses Fahrzeug nicht erhoben, weil für den ziehenden Lastkraftwagen (...) ein Anhängerzuschlag nach der Stufe 4 (= bis 16 t) gemäß § 10 Abs. 1 und 3 Kraftfahrzeugsteuergesetz -KraftStG- festgesetzt war. Der Kraftfahrzeugsteuerbescheid (Freistellungsbescheid) für das Fahrzeug ... vom 05.11.1979 enthielt die Hinweise,

    - daß die Steuer für den Anhänger ... gemäß § 10 Abs. 1 KraftStG mit Wirkung ab 11. 10.1979 nicht erhoben wird (Nr. 4),

    und

    - daß dem Finanzamt unverzüglich Anzeige zu machen ist für den Fall, daß für das Zugfahrzeug, hinter dem der Anhänger verwendet wird, der Anhängerzuschlag zu niedrig festgesetzt ist (Nr. 5).

    Ab 01.12.1986 erhöhte sich für den Anhänger das zulässige Gesamtgewicht von 16 t auf 18 t („Auflastung”), wovon das Finanzamt durch eine Mitteilung der Kraftfahrzeugzulassungsstelle Kenntnis erhielt. Die telefonische Anfrage des Finanzamts vom 24.06.1987 bei der Klägerin ergab, daß der aufgelastete steuerfreie Anhänger ... nach wie vor hinter dem Zugfahrzeug ... verwendet wurde, für das unverändert ein Anhängerzuschlag nach der Stufe 4 (bis 16 t) Gültigkeit hatte. Erst am 02.07.1987 - veranlaßt durch das Telefonat vom 24.06. und die anschließende Übersendung eines entsprechenden Antragsformulars seitens des Finanzamts an die Klägerin - ging beim Finanzamt der Antrag der Klägerin ein, den Anhängerzuschlag für das Zugfahrzeug ... von Stufe 4 (bis 16 t) auf Stufe 5 (bis 18 t) zu erhöhen.

    Da ab 01.12.1986 das zulässige Gesamtgewicht des Anhängers ... und der Anhängerzuschlag für die Zugmaschine ... nicht mehr übereinstimmten, setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 07.07.1987 für den Anhänger ab 01.12.1986 eine jährliche Kraftfahrzeugsteuer von 4.737,00 DM fest. Der Bescheid enthielt den Vermerk:

    „Die Steuer ist zu erheben, weil der Anhänger hinter einem Fahrzeug verwendet wurde, für das die um einen Anhängerzuschlag erhöhte Steuer nicht oder zu niedrig festgesetzt war (§ 10 Abs. 4 KraftStG).”

    Aufgrund des Antrags der Klägerin vom 02.07.1987 auf Erhöhung des Anhängerzuschlags für das Zugfahrzeug, erließ das Finanzamt am 16.07.1987 - jeweils für die Zeit ab 02.07.1987 - einen geänderten Steuerbescheid sowohl für das Zugfahrzeug ... (Festsetzung eines Anhängerzuschlags für Anhänger mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 16.000 kg) als auch für den Anhänger ... (Beendigung der Anhängerbesteuerung mit dem 01.07.1987 und Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 01.12.1986 bis zum 01.07.1987 auf 2.774,00 DM). Im letzteren Bescheid war vermerkt:

    „Die Steuer für den Kraftfahrzeuganhänger mit dem amtlichen Kennzeichen wird mit Wirkung vom 02.07.86 gem. § 10 Abs. 1 KraftStG nicht erhoben.”

    Der von der Klägerin gegen den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 07.07.1987 in der Fassung des Endbescheids vom 16.07.1987 eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Ihrer Auffassung, nicht der Anhänger sei zu versteuern sondern der Anhängerzuschlag für das Zugfahrzeug sei rückwirkend ab 01.12.1986 von Stufe 4 auf Stufe 5 zu erhöhen, konnte sich das Finanzamt nicht anschließen. In seiner Einspruchsentscheidung führte es aus, daß die Sonderregelung für Kraftfahrzeuganhänger nach § 10 KraftStG als Steuervergünstigung ausgestaltet sei. Weil seit dem 01.12.1986 von einem Zugfahrzeug, für das ein Anhängerzuschlag der Stufe 4 festgesetzt war, ein Anhänger gezogen worden sei, für den ein Zuschlag nach der Stufe 5 erforderlich gewesen wäre, seien die Voraussetzungen für die beanspruchte Vergünstigung nicht mehr erfüllt gewesen. Ihrer Verpflichtung nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung -KraftStDV-, dies dem Finanzamt unverzüglich anzuzeigen, sei die Klägerin, trotz des ausdrücklichen Hinweises im Bescheid vom 05.11.1979, nicht nachgekommen.

    Aus der Verwendung des unbestimmten Artikels „einen” bei der Erwähnung des Anhängerzuschlags in § 10 Abs. 1 KraftStG könne nicht geschlossen werden, daß es ausreiche, wenn für das Zugfahrzeug überhaupt irgendein Zuschlag festgesetzt sei. Der unbestimmte Artikel „einen” werde vielmehr in § 10 Abs. 3 KraftStG durch die dort vorgegebene Stufeneinteilung fünffach präzisiert, so daß zwischen § 10 Abs. 1 und Abs. 3 KraftStG eine untrennbare Verbindung bestehe. Teleologisch sei daher die Vorschrift des § 10 Abs. 1 KraftStG so anzuwenden, als ob sie lautete: ”... um einen in Abs. 3 bezeichneten Anhängerzuschlag erhöhte Steuer erhoben wird ...”. Unter diesem Gesichtspunkt ergebe sich dann aus § 10 Abs. 4 KraftStG, daß die „nach Abs. 1zulässigen Kraftfahrzeuge” nur solche seien, für die der zutreffende und notwendige Anhängerzuschlag festgesetzt sei. Diese Gesetzesauslegung entspreche den Bestimmungen im Einführungserlaß zum Kraftfahrzeugsteuergesetz 1979, das Finanzamt sei hieran gebunden.

    Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Tatsache der Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts bei dem Anhänger ... von 16 t auf 18 t rechtfertige lediglich die Erhöhung des Anhängerzuschlags nach § 10 Abs. 3 Nr. 5 KraftStG, da sich die Bemessungsgrundlage geändert habe. Diese Änderung könne rückwirkend geschehen, eine unverzügliche Anzeige der Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 KraftStDV sei nicht erforderlich, weil diese Vorschrift lediglich den Wegfall und nicht - wie im Streitfall - die Änderung der Voraussetzungen einer Steuervergünstigung erfasse. Für die vom beklagten Finanzamt vorgenommene teleologische Extension des § 10 Abs. 1 KraftStG bestehe kein Erfordernis, sie führe im Ergebnis zu einer Doppelbesteuerung, da für den Zeitraum 01.12.1986 bis 01.07.1987 für den LKW ... die um den Anhängerzuschlag -Stufe 4- erhöhte Kraftfahrzeugsteuer und zusätzlich für den Anhänger ... eine eigene Kraftfahrzeugsteuer festgesetzt worden sei.

    Die Klägerin beantragt,

    den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 07.07.1987 in der Fassung des Endbescheids vom 16.07.1987 aufzuheben, soweit darin eine Kraftfahrzeugsteuer für den Anhänger ... für den Zeitraum 01.12.1986 bis 01.07.1987 festgesetzt ist.

    Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

    Ergänzend zu seinen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung verweist das Finanzamt darauf, daß die Steuervergünstigung nach § 10 KraftStG, nämlich die Nichterhebung der (entstandenen) Steuer bei einem Kraftfahrzeuganhänger antragsgebunden sei. Der Klägerin obliege die Entscheidung, diesen Antrag zu stellen oder nicht, sie sei in der Lage zu erkennen, welche Besteuerungsform für sie die günstigste sei. Eine rückwirkende Erhöhung des Anhängerzuschlags stehe im Widerspruch zu § 10 Abs. 4 KraftStG, wonach der betreffende Anhänger bei unzulässiger Verwendung zu versteuern sei.

    Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO- erklärt.

    Gründe

    Die Klage hat keinen Erfolg.

    Nach der Sonderregelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 KraftStG wird auf Antrag des Steuerpflichtigen „die Steuer für das Halten von Kraftfahrzeuganhängern ... nicht erhoben, solange die Anhänger ausschließlich hinter Kraftfahrzeugen, ..., mitgeführt werden, für die eine um einen Anhängerzuschlag erhöhte Steuer erhoben wird ...”.

    Der Senat folgt der sich auf den Einführungserlaß zum Kraftfahrzeugsteuergesetz 1979 (Bundessteuerblatt -BStBl- I 1979, 463) gründenden Gesetzesauslegung des Finanzamts, daß der unbestimmte Artikel „einen” nicht dahingehend verstanden werden kann, daß es ausreichend ist, wenn überhaupt irgendein Anhängerzuschlag für das Zugfahrzeug festgesetzt ist. Denn dann hätte der Steuerpflichtige grundsätzlich keine Veranlassung, bei einer Auflastung wie im vorliegenden Streitfall einen höheren Anhängerzuschlag zu beantragen, ja er könnte sogar generell für das Zugfahrzeug einen Anhängerzuschlag der untersten Stufe (1) beantragen. Für den Fall, daß das maßgebliche zulässige Gesamtgewicht des Anhängers den für das Zugfahrzeug beantragten Anhängerzuschlag übersteigt - und dies vom Finanzamt festgestellt wird (!) - müßte er nach der von der Klägerin vorgetragenen Rechtsansicht (und so auch Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuer-Kommentar, 3. Aufl. 1981, Abschnitt 49, S. 304 f.) lediglich damit rechnen, daß er wegen der Änderung der Bemessungsgrundlage den erhöhten Anhängerzuschlag rückwirkend nachentrichten muß. Sein Handeln wäre somit ohne jedes Risiko.

    Sinn und Zweck der steuerlichen Vergünstigung des § 10 Abs. 1 KraftStG verlangen nicht irgendeinen, sondern einen korrekten, ausreichenden Anhängerzuschlag im Sinne der Stufeneinteilung des § 10 Abs. 3 KraftStG. Dieser lag im Streitfall in der Zeit vom 01.12.1986 bis zum 01.07.1987 nicht vor. Entgegen dem ausdrücklichen Hinweis (Nr. 5) im Kraftfahrzeugsteuerbescheid (Freistellungsbescheid) für den Anhänger ... vom 05.11.1979 hatte es die Klägerin versäumt, gleichzeitig mit der Auflastung des Anhängers von 16 t auf 18 t den nach § 10 Abs. 2 KraftStG notwendigen Antrag auf Erhöhung des Anhängerzuschlags für das Zugfahrzeug ... zu stellen. In der angegebenen Zeitspanne wurde der (steuerbefreite) Anhänger somit hinter einem Zugfahrzeug verwendet, für das kein ausreichender Anhängerzuschlag entrichtet war, entsprechend dem Wortlaut des § 10 Abs. 4 KraftStG „hinter anderen als den nach Absatz 1 zulässigen Kraftfahrzeugen ...”. Die Konsequenz aus diesem Vorgang hat das beklagte Finanzamt nach § 10 Abs. 4 KraftStG („so ist die Steuer zu entrichten, solange die bezeichnete Verwendung dauert, ...”), mit dem Kraftfahrzeugsteuerbescheid für den Anhänger ... vom 07.07.1987 in Form des Endbescheids vom 16.07.1987 zu Recht gezogen.

    Dieses Ergebnis läßt sich auch nicht mit dem von Klägerseite vorgetragenen Argument der „Doppelbesteuerung” in Frage stellen. Denn dieser Einwand übersieht, daß Zugfahrzeug und Anhänger vom Kraftfahrzeugsteuerrecht nicht als Einheit, sondern als zwei selbständige Kraftfahrzeuge angesehen werden. Hinter dem Zugfahrzeug können unterschiedliche Anhänger gezogen werden, Anhänger in eigenem oder fremdem Eigentum. Gleiches gilt umgekehrt für den (steuerbefreiten) Anhänger, auch er kann von verschiedenen Zugmaschinen gezogen werden. Insofern haben Zugmaschine und Anhänger jeweils ihr eigenes (kraftfahrzeugsteuerrechtliches) Schicksal, es ist die Aufgabe des jeweiligen Kraftfahrzeughalters dieses Schicksal - orientiert an seinen konkreten Verhältnissen - nach den gesetzlichen Vorschriften zu gestalten.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.

    VorschriftenKraftStG § 10 Abs. 1, KraftStG § 10 Abs. 3, KraftStG § 10 Abs. 4