08.01.2010
Finanzgericht Münster: Urteil vom 21.12.1999 – 7 K 5381/97 E
Hat ein Steuerpflichtiger eine Berufsausbildung zum Verkehrsflugzeugführer (ATPL) absolviert, stellen die Aufwendungen zur erstmaligen Erlangung eines „Typerating” (Musterberechtigung zum Führen bestimmter Flugzeugtypen) Berufsausbildungskosten dar.
IM NAMEN DES VOLKES hat der 7. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 21.12.1999, an der teilgenommen haben:
aufgrund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Aufwendungen des Klägers (Kl.) für die Erlangung einer Musterberechtigung (Typerating) Boeing 737 Berufsausbildungskosten oder vorweggenommene Werbungskosten sind.
Der im Jahr 1971 geborene Kläger hat seine (erste) Berufsausbildung am 01.04.1993 aufgrund des mit der Deutschen Lufthansa AG (DLH) geschlossenen Vertrages vom 25.01.1993 begonnen.
Gegenstand des Vertrages war, dem Kl. die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten zum Erwerb des Verkehrsflugzeugführerscheins („Airline Transport Pilot Licence” - ATPL) und eine Long Range (Langstrecken)-Ausbildung zu vermitteln. Der Kl. hatte zum Ausbildungsbeginn bereits die Erlaubnis für Privatflugzeugführer (PPL A) und das allgemein gültige Flugfunksprechzeugnis (AZF).
Wegen des Ausbildungsinhalts im einzelnen und die Ausbildungsabschnitte mit den entsprechenden Entgelten wird auf den Vertrag vom 25.01.1993 nebst Anlagen verwiesen.
Der Kl. absolvierte nach Ausbildungsbeginn folgende Prüfungen:
20.10.1993 | Grund- und Navigationsprüfung incl. Prüfung zur Erlangung der Instrumentenflugberechtigung - IFR - (§§ 71 - 76 der Verordnung über Luftfahrtpersonal, BGBl I 1984, 266 - LuftPersV -) |
04.05.1994 | ATPL-Theorieprüfung (§§ 14 - 17 LuftPersV) |
25.05.1994 | Long Range Prüfung (§§ 77 - 79 LuftPersV) |
28.06.1994 | ATPL-Praxisprüfung (§§ 14 - 17 LuftPersV) Crew Coordination Concept -CCC- (§§ 17 Abs. 7 LuftPersV). |
Die ATPL-Erlaubnis berechtigt zur Tätigkeit als verantwortlicher oder 2. Flugzeugführer auf Flugzeugen der im Luftfahrerschein eingetragenen Muster (§ 16 Abs. 2 LuftPersV). Im Luftfahrerschein des Kl. war eingetragen „Musterberechtigung als verantwortlicher Flugzeugführer einmot. kolbengetr. Landflugzeuge bis 2000 kg Höchstmasse”. Die Eintragung erfolgte, da der Kl. die Grund- und Navigationsprüfung incl. IFR-Prüfung auf einem solchen Flugzeugtyp absolviert hatte. Eine darüber hinausgehende Musterberechtigung im Sinne der §§ 64 ff LuftPersV. (Typerating) für andere Flugzeugtypen hatte der Kl. bei Absolvierung der ATPL-Prüfung noch nicht. Der Kl., dessen Schulung zur ATPL-Prüfung in Amerika durchgeführt worden war, hatte zum Prüfungszeitpunkt (28.06.1994) auch noch nicht an der sog. Europäisierung teilgenommen. Eine solche Schulungsmaßnahme dient der Gewöhnung und Anpassung an die europäischen Wetterbedingungen. Diese war im Schulungsvertrag vom 25.01.1993 auf dem Typ PA 42 vorgesehen.
Am 30.07.1994 bewarb sich der Kl. schriftlich bei der X Fluggesellschaft mbH (…) die seine Bewerbung mit Schreiben vom 12.08.1994 bestätigte und darauf hinwies, daß zu Beginn des nächsten Jahres wieder Copiloten eingestellt würden und die Bewerber durchweg über ein Typerating auf der Boeing B 737 verfügten.
Unter dem 20.07.1997 - nach Klägervortrag am 01.08.1994 unterschrieben - schlossen der Kl. und die DLH einen Vertrag, mit dem sie den Schulungsvertrag vom 25.01.1993 abänderten. Der Abänderungsvertrag sah vor, daß die Europäisierung auf PA 42 unter Gutschrift des Kostenanteils i. H. von 18.078 DM entfallen sollte. Stattdessen wurde eine Schulungsmaßnahme mit dem Ziel der Erlangung eines Typeratings B 737-300 vereinbart. Die vertraglichen Einzelregelungen ergeben sich aus den Vereinbarungen vom 20.07. und 01.08.1994.
Der Kl. führte am 12.09.1994 bei der X ein persönliches Vorstellungsgespräch, das zunächst allerdings noch nicht zu seiner Anstellung führte. Am 01.10.1994 erwarb er die Musterberechtigung für die Boeing 737 und nahm am 01.12.1995 aufgrund des Arbeitsvertrages vom 27.06.1995 ein Arbeitsverhältnis bei der X als Copilot auf.
Die vom Kl. in 1994 getragenen Kosten für das Typerating B 737 beliefen sich auf 54.723,04 DM. Diesen Betrag machte der Kl. als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in seiner Einkommensteuer (ESt)-Erklärung für 1994 und der Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges geltend. Die Einnahmen des Kl. beliefen sich in 1994 auf 0,– DM.
Das Finanzamt (FA) sah die Kosten nicht als Werbungskosten, sondern als Sonderausgaben an, setzte die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und den Gesamtbetrag der Einkünfte mit 0,– DM an und die ESt mit Bescheid vom 04.03.1997 auf 0,– DM fest. Eine Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs führte das FA nicht durch.
Der Einspruch des Kl. vom 02.04.1997 hatte keinen Erfolg. Das FA führte in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 11.07.1997 aus, es habe den Einspruch des Kl. als Rechtsmittel gegen die Ablehnung des Antrags auf Verlustfeststellung zum 31.12.1994 umgedeutet. Die Ablehnung der Verlustfeststellung zum 31.12.1994 sei berechtigt und nicht zu beanstanden.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kl. ist der Auffassung, bei den Kosten für das Typerating handele es sich um vorweggenommene Werbungskosten und nicht um Ausbildungskosten. Seine Ausbildung habe er mit der ATPL- und der Long Range-Prüfung abgeschlossen.
Er sei dadurch berechtigt gewesen, ein Flugzeug einer bestimmten Kategorie zu fliegen und zwar einmotorige kolbenbetriebene Landflugzeuge bis 2000 kg Höchstmasse. Alle weiteren Maßnahmen dienten der Spezialisierung auf dem Gebiet des erlernten Berufs. Es bestehe auch ein hinreichend konkreter Zusammenhang mit den Aufwendungen und dem späteren Arbeitsverhältnis. Er habe sich bereits am 14.07.1994 telefonisch bei der X als Pilot beworben und dabei die Auskunft erhalten, daß in absehbarer Zeit Piloten mit gültiger Musterberechtigung B 737 eingestellt würden. Daraufhin habe er sich am 30.07.1994 bei X schriftlich beworben mit der Absicht, die Musterberechtigung B 737 zu erlangen.
Am 12.09.1994 habe, ein Vorstellungsgespräch mit positivem Verlauf stattgefunden; am 02.11.1994 sei ihm aber mitgeteilt worden, daß die Einstellung zu Copiloten auf dem Flugmuster B 737 für das Frühjahr 1995 abgeschlossen sei. Erst am 27.06.1995 sei dann das Arbeitsverhältnis zustande gekommen.
Als er mit der Schulung zum Typerating begonnen habe, habe er sich gute Chancen ausgerechnet, bei X einen entsprechenden Anstellungsvertrag zu erhalten. Er sei mit dieser Spezialisierung ziemlich auf X festgelegt gewesen, da andere Fluggesellschaften andere Muster besessen hätten.
Bei der Ausbildung bis zur ATPL-Prüfung sowie auch danach habe er den Wunsch gehabt, eine Tätigkeit im Bereich des Großraumflugs im Liniendienst aufzunehmen. Angesichts der seinerzeitigen Berufsaussichten und des Stellenmarktes habe er sich aber darauf einstellen müssen, notfalls zunächst einmal im Bereich außerhalb des Linienverkehrs mit Transporten unter Benutzung von Maschinen bis 2000 kg tätig zu werden, was sich tatsächlich aber nicht als notwendig erwiesen habe.
Für eine Fortbildungsmaßnahme spreche auch A 2.2.2.1 der Blätter zur Berufskunde der Bundesanstalt für Arbeit. Darin werde beschrieben, daß erst im Liniendienst der DLH die Musterberechtigung erworben werde. Dies ergebe sich auch aus 2.3 (Seite 29) der Blätter. Außerdem beruft sich der Kl. auf das Urteil des Hessischen Finanzgerichts in EFG 1996, 848).
Der Kl. beantragt,
auf den 31.12.1994 einen verbleibenden Verlust in Höhe von 54.723 DM festzustellen,
und für den Fall der Klageabweisung, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Es ist der Auffassung, die Aufwendungen für das Typerating seien Berufsausbildungskosten; eine Verlustfeststellung komme daher nicht in Betracht.
Der Erwerb der ATPL-Berechtigung stelle für den Kl. lediglich eine Basis dar, auf der er - aufbauend durch Absolvierung weiterer Schulungen - das angestrebte Berufsziel, Pilot eines Verkehrsflugzeuges, habe erreichen können. Der Kl. habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, zunächst den Verkehrsflugzeugschein ATPL zu erwerben, dann für eine gewisse Zeit als Berufsflugzeugführer für bis zu 2000 kg schwere einmotorige Flugzeuge tätig zu werden und sich zukünftig mit neuen Schulungen für andere Musterberechtigungen fortzubilden. Der Kl. habe bereits bei Antritt seiner Flugschulungen in 1993 das Ziel der Langstreckenflugberechtigung vor Augen gehabt. Um dieses Ziel zu erreichen, habe er nach dem Schulungsvertrag bzw. dem Änderungsvertrag die theoretischen und praktischen Prüfungen bestehen müssen. Erst danach sei er in der Lage gewesen, seinen Beruf als 2. Flugzeugführer einer Langstreckenmaschine auszuüben.
Außerdem fehle es an einem hinreichend konkreten Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und einem bestimmten zukünftigen Arbeitsverhältnis, was für das Vorliegen vorab entstandener Werbungskosten erforderlich sei.
Vor dem Berichterstatter hat am 26.10.1999 ein Erörterungstermin stattgefunden. Der Senat hat am 21.12.1999 in der Sache mündlich verhandelt. Auf das Protokoll vom 26.10.1999 und die Sitzungsniederschrift vom 21.12.1999 wird Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Das FA hat die Feststellung eines zum 31.12.1994 verbleibenden Verlustabzuges nach § 10 d Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) zu Recht abgelehnt, da bis zum 31.12.1994 keine vortragsfähigen negativen Einkünfte (Verluste) des Kl., insbesondere keine aus nichtselbständiger Arbeit, entstanden sind.
Die Aufwendungen des Kl. für die Erlangung der Musterberechtigung (Typerating) Boeing 737 nach § 66 ff LuftPersV stellen keine Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG, sondern Berufsausbildungskosten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar.
Berufsausbildungskosten können lediglich im Wege des Sonderausgabenabzugs vom Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG bei einer Steuerfestsetzung - in begrenztem Umfang - zugunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, was sich mangels positiver Einkünfte beim Kl. allerdings steuerlich nicht ausgewirkt hat. Für einen Verlustabzug im Sinne des § 10 d EStG kommen demgegenüber nur durch Werbungskosten - oder Betriebsausgabenabzug entstandene negative Einkünfte in Betracht.
Die Kosten des Kl. für das Typerating sind aber keine - einen vortragsfähigen Verlust im Einkünftebereich begründende - Betriebsausgaben oder Werbungskosten. Insbesondere liegen keine - hier allenfalls in Betracht kommende - vorweggenommene Werbungskosten im Hinblick auf die vom Kl. angestrebte Tätigkeit als angestellter Pilot bei der X vor.
Werbungskosten i. S. d. §§ 9, 19 EStG sind Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind. Eine berufliche Veranlassung ist anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs gemacht werden (BFH Urteil vom 28.11.1980, VI R 193/77 BStBl II 1981, 368). Aufwendungen für die berufliche Fort- und Weiterbildung sind nach ständiger Rechtsprechung Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Hierunter fallen Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger trägt, um in dem ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben, den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden und so in dem ausgeübten Beruf besser vorwärts zu kommen. Bereits vor der Berufsausübung können vorweggenommene Werbungskosten vorliegen, wenn nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung Aufwendungen getätigt werden zur Ergänzung und Vertiefung der durch die abgeschlossene Berufsausbildung erworbenen Kenntnisse. Hiervon zu unterscheiden sind die Berufsausbildungskosten. Solche liegen vor, wenn die Aufwendungen dem Ziel dienen, die Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind. Berufsausbildungskosten in diesem Sinne sind grundsätzlich nicht als Werbungskosten, sondern als Sonderausgaben i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu berücksichtigen. Ausnahmsweise sind die Aufwendungen für die Berufsausbildung dann den Werbungskosten zuzurechnen, wenn sie im Rahmen eines - hier nicht vorliegenden - Ausbildungsdienstverhältnisses entstehen, aus dem lohnsteuerpflichtige Einnahmen bezogen werden (BFH-Urteil vom 19.04.1996 VI R 24/95, BStBl. II 1996, 452).
Durch die Erlangung des Typerating (Musterberechtigung Boeing 737) hat sich der Kl. erst die Grundlage für eine Berufsausübung geschaffen, die seinem Ausbildungsziel entsprach. Mit den vorangegangenen Prüfungen (Grund- und Navigationsprüfung, Instrumentenflugberechtigung, ATPL, Long Range) war die Ausbildung noch nicht abgeschlossen. Sie endete erst mit dem Erwerb einer - dem Berufsziel als Verkehrsflugzeugführer (ATPL) angemessenen - Musterberechtigung, wie sie der Kl. erst nach der ATPL-Prüfung erworben hat.
Ohne diese Musterberechtigung für Boeing 737 oder eine vergleichbare Musterberechtigung wäre der Kl. nicht in der Lage gewesen, Verkehrsflugzeuge zu führen, für die er die ATPL-Prüfung benötigte. Bei Absolvierung dieser Prüfung hatte er lediglich eine Musterberechtigung als verantwortlicher Flugzeugführer einmotoriger kolbengetriebener Landflugzeuge bis 2.000 kg. Die Eintragung beruhte allein darauf, daß er noch im ersten Ausbildungsabschnitt für die Grund- und Navigationsprüfung auf diesem Flugzeugtyp geschult worden war. Zum Führen derartiger Flugzeuge wäre die ATPL- sowie die Long Range- und Crew Coordination Concept-Ausbildungen bzw. -Prüfungen nicht erforderlich gewesen. Hierzu wäre eine Schulung zum Berufsflugzeugführer 1. oder 2. Klasse - CPL - (§§ 7 ff. LuftPersV) ausreichend gewesen, auf die sich die Ausbildung von der Zielsetzung her aber nicht bezog. So sind schon Berufsflugzeugführer 2. Klasse berechtigt, bei entsprechender Musterberechtigung Flugzeuge bis zu einer Höchstmasse von 5.000 kg zu führen, Berufsflugzeugführer 1. Klasse sogar Flugzeuge bis 20.000 kg. Nur für das Führen von Flugzeugen mit einer höheren Masse bedarf es der - mit einer weit umfangreicheren Ausbildung verbundenen - Berechtigung als Verkehrsflugzeugführer (ATPL). Auch macht die Long Range-Ausbildung und das Crew Coordination Concept ausschließlich Sinn, wenn von dem Berufsziel des Kl. ausgegangen wird, größere Flugzeuge, insbesondere im Liniendienst, zu führen. Das Anstreben und Absolvieren dieser Prüfungen macht deshalb deutlich, daß das angestrebte Ausbildungsziel des Kl. auf das Führen größerer Verkehrsmaschinen gerichtet und ohne ein entsprechendes Typerating nicht erreichbar war.
Da die Flugberechtigung eines Piloten nicht auf einem geregelten Ausbildungsgang und auf einer einheitlichen Prüfung, sondern auf einem Bündel von Einzellizenzen beruht, deren Art und Umfang den beruflichen Tätigkeitsbereich bestimmt (vgl. Blätter zur Berufskunde „Verkehrsflugzeugführer/Verkehrsflugzeugführerin” der Bundesanstalt für Arbeit, 2-VIII D 30 Seite 4 ff), ist die Berufsausbildung zum Verkehrsflugzeugführer nach Auffassung des Senats erst dann abgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige die Lizenzen erworben hat, die nach seinen - am Arbeitsmarkt orientierten - Berufsplänen für einen Berufsbeginn erforderlich sind. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob schon ein „weniger” an Lizenzen (beispielsweise nur die CPL) ausgereicht hätte, um diese in irgendeiner Form zur Einkünfteerzielung zu nutzen, sofern der Steuerpflichtige auf dieser Grundlage den Beruf nicht bereits tatsächlich ausgeübt hat. Strebt der Steuerpflichtige ein bestimmtes, nicht durch einen geregelten Ausbildungsgang festgelegtes Ausbildungsziel an, um sich bei dessen Erreichen erstmals beruflich zu betätigen, so sind die zu diesem Zweck durchgeführten Schulungsmaßnahmen nach Ansicht des Senats dem Bereich der Ausbildung zuzuordnen.
Dem steht nicht die Rechtsprechung entgegen, wonach die Kosten für ein Zweitstudium schon vor der Aufnahme einer Berufstätigkeit als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar sein können, wenn bereits das Erststudium zu einem Berufsabschluß geführt hat und es sich bei dem Zweitstudium um ein darauf aufbauendes Studium handelt, durch das die im Rahmen des Erststudiums erworbenen Kenntnisse ergänzt und vertieft werden (BFH-Urteil vom 14.02.1992 VI R 26/90, BStBl. II 1992, 556; Urteil vom 19.04.1996 VI R 24/95, BStBl. II 1996, 452). Durch das Absolvieren des Studiums hat sich der Steuerpflichtige eine breite Berufsgrundlage erschlossen; mit dem Aufbaustudium erhöhen sich lediglich seine Berufschancen, indem er die vorhandene Berufsgrundlage vertieft und verfestigt. An einem solchen Ausbildungsabschluß mangelt es dem Verkehrsflugzeugführer aber vor der Erlangung einer adäquaten Musterberechtigung. Diese führt nicht zu einer Spezialisierung, sondern zu einer erstmaligen Berechtigung, Flugzeuge der Art zu führen, die dem Ausbildungsziel als Verkehrsflugzeugführer entsprechen.
Für das Vorliegen einer zum Werbungskosten-Abzug berechtigenden Spezialisierung nach abgeschlossener Berufsausbildung spricht auch nicht der Umstand, daß der „Internationale Studiengang Luftfahrtsystemtechnik und -management”, der an der Hochschule Bremen angeboten wird, mit der ATPL-Prüfung - ohne Typerating - abschließt. Denn Ziel dieses Studiengangs ist der Erwerb des akademischen Grades Dipl.-Ingenieur (FH) mit dem zusätzlichen Erwerb der ATPL-Lizenz. Der Lizenzerwerb wird bei diesem Studiengang mit dem ingenieurwissenschaftlichen Studium verknüpft, dessen Absolvierung schon für sich gesehen zum Abschluß einer Berufsausbildung führen würde. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein nach Abschluß dieses Studiums durchgeführtes Typerating im Sinne einer Spezialisierung zu vorweggenommenen Werbungskosten führen könnte. Ein solcher Berufsabschluß fehlte dem Kl. jedenfalls.
Der Annahme von Ausbildungskosten steht nicht entgegen, daß der Kl. die Musterberechtigung Boeing 737 nicht bei allen Fluggesellschaften verwerten kann, sondern bei einem Arbeitgeberwechsel möglicherweise gezwungen wäre, eine andere Musterberechtigung zu erwerben, da die Abgrenzung von Fort- und Ausbildungsmaßnahmen nicht von der Dauer ihrer Verwertbarkeit abhängt. Sollte der Kl. nach dem Typerating B737 wegen eines Arbeitgeberwechsels eine andere Musterberechtigung erwerben müssen, könnten bezüglich dieser Aufwendungen Werbungskosten vorliegen.
Der Kl. kann auch aus dem Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 15.02.1996 (13 K 2517/94, EFG 1996, 848) keine für ihn günstigen Argumente ableiten. Das Hessische Finanzgericht hatte darüber zu entscheiden, ob die Aufwendungen zur Erlangung der ATPL-Berechtigung Fortbildungskosten darstellten. Es hat - wie der erkennende Senat - die ATPL-Schulung als Berufsausbildung gesehen; über die steuerliche Behandlung von Aufwendungen für das Typerating hatte das Hessische Finanzgericht in seinem Urteil nicht zu befinden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
Der Senat läßt die Revision nach § 115 Abs. 2 Ziff. 1 wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.