11.09.2019 · IWW-Abrufnummer 211086
Finanzgericht München: Urteil vom 10.07.2014 – 15 K 1016/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München
Urt. v. 10.07.2014
Az.: 15 K 1016/12
In der Streitsache
Steuerfachangestellter
Kläger...
gegen
Finanzamt ...
Beklagter
wegen Einkommensteuer 2010
...
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2014
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
I.
Die Parteien streiten um die Abziehbarkeit von Aufwendungen für Kleidung.
Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen. Seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit resultieren aus einer Tätigkeit als Steuerfachangestellter. Er wurde beim beklagten Finanzamt (FA) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.
In seiner Einkommensteuererklärung 2010 vom 25. März 2011, beim Beklagten eingegangen am 29. März 2011, machte der Kläger Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 8.690,- € geltend. Darin enthalten waren Aufwendungen für typische Berufskleidung in Höhe von 675,30 €. Der Kläger ging zunächst angesichts von 172 Arbeitstagen beruflicher und 5 Tagen privater Nutzung der Kleidung von einem beruflichen Anteil der Aufwendungen in Höhe von 97,18 % aus. Er machte sodann Kosten für zwei Anzüge nebst Reinigungskosten in Höhe von insgesamt 694,90 €, mithin einen beruflichen Anteil von 675,30 € geltend (Blatt 49 ESt-Akte 2010). Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 5. Mai 2011 setzte der Beklagte Einkommensteuer in Höhe von 2.630,- € fest. Aufwendungen für Berufskleidung wurden dabei nicht berücksichtigt.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 13. Mai 2011 Einspruch ein. In einer korrigierten Anlage N vom 14. Mai 2011 erklärte er nun Werbungskosten in Höhe von 10.159,- €, die vorliegend streitigen Aufwendungen blieben jedoch unverändert.
Mit Bescheid vom 1. Juni 2011 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid teilweise gemäß den Angaben des Klägers und setzte Einkommensteuer in Höhe von 2.322,- € fest. Aufwendungen für Berufskleidung wurden dabei erneut nicht berücksichtigt.
Mit Einspruchsentscheidung vom 8. März 2012 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage vom 19. März 2012.
Der Kläger ist der Auffassung, dass es sich vorliegend um typische Berufskleidung handle, weil er gemäß einer seines Arbeitsvertrages und einer Dienstvereinbarung seines Arbeitgebers verpflichtet sei, im Beruf entsprechende Kleidung zu tragen. Weiterhin gelte seit der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischt veranlasste Aufwendungen mehr.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 5. Mai 2011, zuletzt geändert am 1. Juni 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2012 mit der Maßgabe zu ändern, dass zusätzliche 675,30 € als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, vorliegend handle es sich nicht um typische Berufskleidung. Der Fall sei auch nicht den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen vergleichbar, in denen der Abzug von Aufwendungen für die Bekleidung eines Leichenbestatters, eines Oberkellners sowie eines katholischen Geistlichen zugelassen wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Akten des FA, die Gerichtsakte sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 10 Juli 2014 nach § 105 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verwiesen.
II.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger kann die Aufwendungen für seine bürgerliche Kleidung nicht als Werbungskosten abziehen.
1. Bei den Anschaffungs- sowie den Reinigungskosten für die beiden Anzüge handelt es sich nicht um Aufwendungen für typische Berufskleidung.a) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG sind Werbungskosten auch Aufwendungen für Arbeitsmittel. Beispielhaft ist hier die typische Berufskleidung aufgezählt. Um typische Berufskleidung handelt es sich, wenn die berufliche Verwendungsbestimmung bereits in der Beschaffenheit der Kleidung entweder durch ihre Unterscheidungsfunktion, wie z.B. bei Uniformen oder durch dauerhaft angebrachte Firmenembleme oder durch ihre Schutzfunktion --wie bei Schutzanzügen, Arbeitsschuhen o. Ä.-- zum Ausdruck kommt. Aufwendungen für bürgerliche Kleidung führen dagegen selbst dann nicht zum Werbungskostenabzug, wenn diese Kleidung ausschließlich bei der Berufsausübung benutzt wird (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 20. November 1979 VI R 25/78, BStBl II 1980, 75, Beschluss vom 6. Juni 2005 VI B 80/04, NV 2005, 1792).
Der BFH hat jedoch die Aufwendungen für den schwarzen Anzug eines Leichenbestatters (Urteil vom 30. September 1970 I R 33/69, BStBl II 1971, 50), eines Oberkellners (Urteil vom 9. März 1979 VI R 171/77, BStBl 1979, 519) sowie eines katholischen Geistlichen (Urteil vom 10. November 1989 VI R 159/86, NV 1990, 288) als Werbungskosten anerkannt, weil die vom üblichen Verwendungszweck unterschiedliche Funktion dem schwarzen Anzug den Charakter einer typischen Berufskleidung verleihe. In den Fällen des Oberkellners und des katholischen Geistlichen solle nach Ansicht des BFH der schwarze Anzug der Position dieser Personen Ausdruck verleihen und dieser Tätigkeit den erwarteten äußeren Rahmen geben. Im Fall des Leichenbestatters ist der BFH der Meinung, es handele sich bei dem schwarzen Anzug um ein Kleidungsstück, das angesichts seiner beruflichen Verwendung eine Verwendung im privaten Bereich nicht mehr zulasse.
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt im vorliegenden Fall keine typische Berufskleidung vor. Die beiden Anzüge des Klägers sind ihrer Beschaffenheit nach weder durch ihre Unterscheidungs- noch durch ihre Schutzfunktion als typische Berufskleidung einzuordnen. Auch die vom BFH entschiedenen und vom Kläger angeführten Einzelfälle nötigen nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen ist die Kleidung des Klägers schon äußerlich nicht kennzeichnend für eine bestimmte Berufsgruppe. Bereits bei der Farbe, die in den o. g. vom BFH entschiedenen Fällen einheitlich schwarz war, hat der Kläger vorliegend die freie Wahl. Gleiches gilt für die Kombination der Anzüge mit Hemden, Krawatten und Schuhen. Auch ist nach Ansicht des Gerichts zu berücksichtigen, dass oftmals auch die Mandantschaft des Klägers ebenfalls in Anzügen zu Terminen erscheinen wird. Somit kommt den Kleidungsstücken des Klägers - anders als in den Fällen des Oberkellners, Leichenbestatters oder Geistlichen - keinerlei wie auch immer geartete Unterscheidungsfunktion mehr zu.
2. Der Kläger kann - auch nach Aufgabe des sogenannten "Aufteilungs- und Abzugsverbotes" durch die Entscheidung des Großen Senates des BFH von 21. September 2009 (GrS 1/06, BStBl II 2010, 672) - keinen beruflichen Anteil von gemischt veranlassten Aufwendungen geltend machen.
Bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind Aufwendungen als Werbungskosten abzuziehen, wenn sie zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen veranlasst sind (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ob Aufwendungen der beruflichen Sphäre oder der privaten Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzurechnen sind, entscheidet sich unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG enthält kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot, so dass die Vorschrift einer Aufteilung von gemischt veranlassten, aber anhand ihrer beruflichen bzw. privaten Anteile trennbaren Aufwendungen nicht entgegensteht. Die Aufwendungen sind grundsätzlich anhand der privaten bzw. beruflichen Veranlassungsbeiträge aufzuteilen. Ist ein abgrenzbarer Teil der Aufwendungen beruflich veranlasst, ist dieser als Werbungskosten abziehbar.
Zwar ist auch eine Aufteilung von Aufwendungen für bürgerliche Kleidung bei feststehender Arbeitszeit möglich. Derartige Aufwendungen sind aber nach den Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 9 EStG entzogen. Inwieweit gleichwohl ein beruflicher Mehraufwand zu berücksichtigen ist, bleibt in erster Linie der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen (vgl. z.B. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG "typische Berufskleidung"; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 am angegebenen Ort unter C.III.4.a), BFH-Beschluss vom 13. November 2013 VI B 40/13, BFH/NV 2014, 335 mit weiteren Nachweisen).
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
RechtsgebietEStGVorschriften§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG