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  • 03.11.2009 · IWW-Abrufnummer 093542

    Verwaltungsgericht Stuttgart: Urteil vom 21.09.2009 – 12 K 6383/07

    Zu den Anforderungen an die Begründung beim Überschreiten des Schwellenwerts durch den Zahnarzt.


    VG Stuttgart

    Urteil vom 21.9.2009

    12 K 6383/07

    Tenor

    Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für Aufwendungen aufgrund der Rechnung von Dr. K./Dr. E. vom 02.04.2007 weitere Kassenleistungen in Höhe von 188,59 EUR zu gewähren.

    Die Bescheide der Beklagten vom 08.05.2007, 12.07.2007, 18.07.2007 und 26.07.2007 und deren Widerspruchsbescheid vom 21.11.2007 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

    Tatbestand

    Der Kläger ist A-Mitglied der Beklagten. Mitversichert ist sein Sohn A.

    Am 06.04.2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Kassenleistungen für Aufwendungen aufgrund der Rechnung der Zahnärzte Dr. K./Dr. E. vom 02.04.2007 über 2.192,88 EUR für Behandlungen des Sohnes A.

    Mit Bescheid vom 08.05.2007 gewährte die Beklagte hierfür Kassenleistungen von 1.087,71 EUR.

    Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und legte hierzu Info-Blätter der Zahnärzte und ein Schreiben der Bezirkszahnärztekammer Stuttgart vom 06.06.2005 vor.

    Mit Bescheiden vom 12.07.2007, 18.07.2007 und 26.07.2007 gewährte die Beklagte weitere Kassenleistungen; insgesamt gewährte sie 1.269,06 EUR. Gegen diese Bescheide erhob der Kläger jeweils Widerspruch.

    Mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2007 gewährte die Beklagte weitere Kassenleistungen in Höhe von 133,56 EUR, d. h. nun von insgesamt 1.402,62 EUR. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, Portokosten gehörten zu den allgemeinen Praxiskosten. Schutzwachs gehöre zum Sprechstundenbedarf. Die Begründungen für die Schwellenwertüberschreitungen genügten nicht den rechtlichen Anforderungen. Im Übrigen äußerte sie sich zu einzelnen Nummern der GOZ und der GOÄ.

    Am 21.12.2007 hat der Kläger Klage erhoben. Er beruft sich insbesondere darauf, die Portokosten könnten angesetzt werden, ebenso die Kosten für das Schutzwachs. Die Begründungen für die Schwellenwertüberschreitungen seien ausreichend. Leistungen der Nr. 203 GOZ seien nicht durch die Leistungen der Nrn. 610 und 612 GOZ erfasst. Nr. 200 GOZ sei auch für die übrigen Zähne anzuerkennen, für die die Beklagte keine Leistungen gewährt habe. Das Kleben von Brackets sei nicht mit Nr. 610 GOZ abgegolten, sondern stelle eine eigene Leistung dar. Ebenso stellten die mit Nr. 2697 GOÄ abgerechneten Maßnahmen eine eigene Leistung dar. Das Ausmaß der kieferorthopädischen Behandlung mache die Einleitung und Koordinierung flankierender therapeutischer und sozialer Maßnahmen notwendig.

    Der Kläger beantragt,

    die Beklagte zu verpflichten, ihm für Aufwendungen aufgrund der Rechnung von Dr. K./Dr. E. vom 02.04.2007 weiter Kassenleistungen in Höhe von 923,81 EUR zu gewähren, und die Bescheide der Beklagten vom 08.05.2007, 12.07.2007, 18.07.2007 und 26.07.2007 und deren Widerspruchsbescheid vom 26.11.2007 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie beruft sich zusätzlich insbesondere darauf, § 4 Abs. 3 GOZ schließe den Ansatz von Portokosten und Schutzwachs aus. Der Ansatz der Nr. 102 GOZ erfolge unabhängig von der Zahl der behandelten Zähne. Nr. 203 GOZ sei nur in Verbindung mit Füllungen und Kronen ansetzbar. Die Nrn. 610 bis 617 GOZ enthielten alle Leistungen die für die Behandlung mit fest sitzenden Geräten erforderlich seien.

    Mit Beschluss vom 11.05.2009 ist der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.

    Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig. Sie ist aber nur zum Teil begründet.

    Der Kläger hat Anspruch auf weitere Kassenleistungen in Höhe von 188,59 EUR; insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Im Übrigen hat er keinen Anspruch auf weitere Kassenleistungen. Insoweit sind die angefochtenen Bescheide im Umfang der Klage rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten.

    Der Anspruch auf Kassenleistungen ist in der Satzung der Beklagten geregelt. Dabei ist jeweils die Fassung der Satzung einschlägig, die zu dem Zeitpunkt galt, in dem die ärztlichen Leistungen erbracht wurden. Nach § 30 Abs. 1 der Satzung haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen. Die Leistungen richten sich nach den entstandenen Aufwendungen nach näherer Maßgabe der §§ 30 ff. der Satzung. Erstattungsfähig sind Aufwendungen wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind.

    Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen sind erstattungsfähig (§ 32 Abs. 1 der Satzung). Die Rechnungen müssen nach der Gebührenordnung für Zahnärzte erstellt sein (§ 32 Abs. 2 Satz 2 der Satzung).

    Die jetzt noch streitigen Positionen entsprechen nur zum Teil der Gebührenordnung für Zahnärzte.

    Nr. 200 GOZ analog
    Nr. 200 GOZ erfasst die Versiegelung von kariesfreien Zahnfissuren mit aushärtenden Kunststoffen. Vorliegend wurde die Nr. 200 GOZ analog angesetzt, und zwar für die Versiegelung des Bracketumfeldes. Sie wurde 23 Mal, d. h. für 23 Zähne, angesetzt. Die Beklagte hat den Ansatz 12 Mal anerkannt, und zwar für die Versiegelung von drei Molaren je Kieferhälfte.

    Der Ansatz der Nr. 200 GOZ analog war zulässig. Dieser analoge Ansatz bietet sich für die durchgeführte Maßnahme an. Dabei kann offenbleiben, ob der Ansatz der Nr. 200 GOZ sich auf die Seitenzähne beschränkt (so Meurer, Gebührenordnung für Zahnärzte, 2. Auflage [1990], S. 154) oder ob eine solche Einschränkung nicht gemacht wird (vgl. Liebold/Raff/Wissing, Kommentar zur GOZ, S. 2.2-5). Denn diese Äußerungen beziehen sich auf den unmittelbaren Ansatz der Nr. 200 GOZ, nicht auf deren analogen Ansatz. Beim analogen Ansatz für die Versiegelung des Bracketumfeldes ist nicht ersichtlich, welchen Sinn eine Unterscheidung bei den behandelten Zähnen machen würde.

    Die Nr. 200 GOZ analog konnte auch neben der Nr. 610 GOZ angesetzt werden. Denn diese Nummer schließt nicht die Versorgung der Zahnoberfläche ein (Liebold, a.a.O., S. 7.1-129).

    Der Kläger hat deshalb Anspruch auf weitere Kassenleistungen hierfür in Höhe von 122,43 EUR (11 x 11,13 EUR).

    Nr. 203 GOZ analog
    Nr. 203 GOZ erfasst besondere Maßnahmen beim Präparieren oder Füllen von Kavitäten (z. B. Separieren, ...).

    Der Kläger trägt hierzu vor, die mit dieser Nummer - analog -abgerechneten Leistungen seien nicht bereits von den Nrn. 610 und 612 GOZ erfasst, sondern stellten eigene Leistungen dar. Sie seien auch nicht mit den unter die Nr. 203 GOZ fallenden Maßnahmen deckungsgleich. Die Beklagte beruft sich darauf, mit der Leistung nach Nr. 203 GOZ seien besondere Maßnahmen beim Präparieren oder Füllen von Kavitäten erfasst. Dies stehe der Verwendung im Zusammenhang mit kieferorthopädischen Behandlungen entgegen. Die beim Anbringen von Klebebrackets und Bändern angewandten besonderen Maßnahmen seien mit den Gebühren nach den Nrn. 610 und 612 GOZ abgegolten.

    Vorliegend ist der Ansatz der Nr. 203 GOZ analog vertretbar. Ein Separieren kommt auch im Zusammenhang mit der kieferorthopädischen Behandlung mit festsitzenden Apparaturen in Betracht; dies wird bei der Nr. 203 GOZ erörtert (vgl. Liebold/Raff/Wissing, a.a.O., S. 2.2-18). Es kann dabei als zusätzliche Maßnahme neben Nr. 610 GOZ abgerechnet werden (vgl. Liebold/Raff/Wissing, a.a.O., S. 7.1-130). Demgegenüber wird allerdings auch vertreten, dass Nr. 203 GOZ nicht neben Nr. 610 GOZ angesetzt werden darf (Meurer, a.a.O., S. 203).

    Damit liegt eine zweifelhafte Auslegung der Gebührenordnung vor. Dies führt dazu, dass der Ansatz der Gebühr als angemessen anzusehen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.1994, ZBR 1994, 225). Dies hat das OVG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 20.01.1995 (2 A 11206/94, juris) gerade zur vorliegenden Konstellation entschieden.

    Auch der Ansatz des Faktors 3,5 ist hier nicht zu beanstanden. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GOZ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ sind die Gebühren innerhalb des Gebührenrahmens unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ darf eine Gebühr in der Regel nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ muss die Überschreitung des 2,3fachen des Gebührensatzes schriftlich begründet werden. Besonderheiten, die das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen, liegen nur vor, wenn sie gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Dem Ausnahmecharakter des Überschreitens des Schwellenwertes widerspräche es, wenn schon eine vom Arzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegenden Schwierigkeiten angewandte Behandlung als eine solche Besonderheit angesehen würde (BVerwG, Urt. v. 30.05.1996, Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 12 m.w.N.). Die vom Zahnarzt gegebene Begründung muss geeignet sein, das Vorliegen solcher Umstände nachvollziehbar zu machen, die nach dem materiellen Gebührenrecht eine Überschreitung des Schwellenwertes und insbesondere den Ansatz des Höchstwertes rechtfertigen können. Dabei genügen grundsätzlich nicht allein wertende Schlussfolgerungen; die Begründung muss auch einen nachvollziehbaren Tatsachenkern enthalten (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 03.12.1999 - 12 A 2889/99 -, juris).

    Vorliegend genügt die bei Nr. 203 GOZ analog gegebene Begründung für die Überschreitung des 2,3fachen des Gebührensatzes diesen Anforderungen.

    Der Kläger hat deshalb Anspruch auf weitere Kassenleistungen hierfür in Höhe von 43,92 EUR.

    Nr. 0706 BEB
    Nr. 0706 BEB erfasst eine Foto- oder Videodokumentation. Diese Gebührennummer wurde angesetzt für "Foto oder Video Dokumentation einschließlich diagn. Auswertung".

    Der Ansatz dieser Nummer war zulässig. Zwar wurde in der Rechnung gleichzeitig die Nr. 610 GOZ angesetzt, in der grundsätzlich die Material- und Laborkosten enthalten sind (Anmerkung nach Nr. 617 GOZ). Bei der Foto- oder Videodokumentation handelt es sich aber nicht um eigentliche Laborkosten. Eine Foto- oder Videodokumentation wird vielmehr vor Beginn der eigentlichen Laborarbeiten erstellt. Darüber hinaus sind diagnostische Leistungen nicht in den Nrn. 610 bis 615 enthalten (Liebold/Raff/Wissing, a.a.O., S. 7.1-141). Nach den Angaben in den Info-Blättern der Zahnärzte beinhaltete die Foto- bzw. Videodokumentation aber gerade auch diagnostische Auswertungen. Dies ergibt sich auch aus dem Ansatz der Gebührennummer in der Rechnung.

    Entgegen der Auffassung der Beklagten kann statt Nr. 0706 BEB nicht die - kosten-günstigere - Nr. 600 GOZ angesetzt werden. Denn es handelt sich um verschiedene Leistungsinhalte. Insbesondere fehlt es bei Nr. 600 GOZ an der in Nr. 0706 BEB vorausgesetzten Dokumentation.

    Der Kläger hat deshalb Anspruch auf weitere Kassenleistungen hierfür in Höhe von 11,12 EUR.

    Schutzwachs
    Schutzwachs fällt unter "Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen" im Sinne von § 33 Abs. 1 der Satzung der Beklagten. Aufwendungen hierfür sind erstattungsfähig, wenn sie vom Arzt, Zahnarzt oder Heilpraktiker bei Leistungen nach den §§ 31 und 32 verbraucht oder nach Art und Umfang schriftlich verordnet worden sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Das Schutzwachs wurde nicht von den Zahnärzten verbraucht. Denn es war für die Selbstanwendung durch den Sohn des Klägers zu Hause bestimmt, wie sich aus den vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen der Zahnärzte ergibt. Eine ärztliche Verordnung lag nicht vor.

    Die übrigen noch streitigen Positionen entsprechen nicht der Gebührenordnung für Zahnärzte.

    Porto/Versand/Telefongebühren
    Diese Kosten gehören zu den Praxiskosten (vgl. Meurer, a.a.O., S. 106). Sie sind mit den allgemeinen Gebühren abgegolten (§ 4 Abs. 3 Satz 1 GOZ) und können nicht gesondert berechnet werden (§ 4 Abs. 4 GOZ).

    Nr. 15 GOÄ
    Nr. 15 GOÄ erfasst die Einleitung und Koordination flankierender therapeutischer und sozialer Maßnahmen während der kontinuierlichen ambulanten Betreuung eines chronisch Kranken. Dabei gilt diese Nummer nicht für die kontinuierliche Betreuung selbst, sondern für die "Einleitung und Koordination flankierender therapeutischer und sozialer Maßnahmen" (Dr. Dr. Schlüter, Der Kassenarzt vom 01.05.2008). Hierzu genügt nicht die fortlaufende Behandlung des Sohnes des Klägers. Soziale Maßnahmen sind vielmehr z. B. Tätigkeiten, die einen Kontakt zu sozialen Einrichtungen, Krankenversicherungen oder anderen Leistungsträgern beinhalten (vgl. Pieritz, Deutsches Ärzteblatt 2009, 106 (13): A-626). Solche "flankierenden therapeutischen und sozialen" Maßnahmen hat der Zahnarzt vorliegend nicht angegeben. Sie werden auch im Schriftsatz des Klägers vom 04.02.2009, der Ausführungen hierzu enthält, nicht näher benannt.

    Nr. 75 GOÄ
    Nr. 75 GOÄ erfasst einen ausführlichen schriftlichen Krankheits- und Befundbericht zur epikritischen Bewertung und gegebenenfalls zur Therapie. Vorliegend wurde er für die Bearbeitung des Widerspruchsbescheides angesetzt.

    Die Bearbeitung des Widerspruchsbescheids ist keine medizinische Maßnahme eines Kieferorthopäden, für die eine Nummer der GOÄ angesetzt werden kann. Eine solche Begründung durch den Zahnarzt hatte die Beklagte auch nicht gefordert.

    Nr. 2697 GOÄ
    Nr. 2697 GOÄ erfasst das Anlegen von Drahtligaturen, Drahthäkchen oder dergleichen.

    Der Ansatz der Nr. 2697 GOÄ ist (nur) im Zusammenhang mit der Behandlung eines Kieferbruchs zulässig (vgl. Hoffmann, GOÄ, 3. Aufl., S. 156). Aus den Allgemeinen Bestimmungen zum Abschnitt "L. Chirurgie, Orthopädie" der GOÄ, zu dem Nr. 2697 GOÄ gehört, ergibt sich darüber hinaus, dass die in diesem Abschnitt enthaltenen Nummern nur für operative Leistungen angesetzt werden können. Solche Leistungen wurden beim Sohn des Klägers aber nicht erbracht.

    Nr. 510 GOÄ
    Nr. 510 GOÄ umfasst eine Übungsbehandlung auch mit Anwendung mediko-mechanischer Apparate.

    Nr. 510 GOÄ gehört zu Abschnitt E. II. der GOÄ. Nach § 6 Abs. 1 GOZ können Gebühren aus diesem Teilabschnitt nicht berechnet werden. Nicht in § 6 Abs. 1 GOZ genannte Positionen der GOÄ darf der Zahnarzt nicht berechnen; die Aufzählung dort ist abschließend (vgl. Meurer, a.a.O., S. 119).

    Bracket Kleben, Konditionieren
    Diese Positionen wurden bei den Laborkosten angesetzt. Es handelt sich dabei um "echte" Laborarbeiten, nicht nur um Vorarbeiten wie bei der Foto- und Videodokumentation (siehe hierzu oben). Dies ergibt sich auch aus den vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegten Info-Blättern der Zahnärzte, hier zu "Indirekte Klebetechnik".

    Material- und Laborkosten sind aber schon in den Nrn. 610 bis 615 GOZ enthalten, wie oben näher dargelegt worden ist. Dabei werden die "Laborkosten" insoweit nicht weiter differenziert. In der Rechnung vom 02.04.2007 wurden auch die Nrn. 610 und 615 GOZ angesetzt.

    Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes

    Soweit das Überschreitend es 2,3fachen des Gebührensatzes im Übrigen noch im Streit ist, genügen die hierfür gegebenen Begründungen nicht den Anforderungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ, wie sie oben näher dargelegt worden sind. Dies betrifft die Nrn. 102, 610, 615 GOZ.

    Bei Nr. 102 GOZ wurde die Überschreitung mit der hohen Anzahl der zu fluoridierenden Flächen begründet. Eine solche Begründung ist unzulässig. Denn die Gebühr wird unabhängig von der Zahl der behandelten Zähne vergütet (Meurer, a.a.O., S. 153). Die Anzahl der Flächen, die von der Anzahl der Zähne abhängt, kann daher nicht in der Gebührenhöhe Berücksichtigung finden.

    Bei Nr. 610 GOZ wurde die Überschreitung folgendermaßen begründet: "Patientenspezifischer, überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad/Zeitaufwand bei ungünstiger Zahnstellung u. 'indirekter Klebetechnik' und/oder Überkorrektur zur Erhöhung der Stabilität des Endergebnisses".

    Diese Begründung ist zum einen nicht eindeutig und nachvollziehbar. Denn es wird nicht klar, ob der Schwierigkeitsgrad oder der Zeitaufwand herangezogen werden soll. Ebenso wird wegen der Verwendung von "und/oder" nicht klar, ob die erste Alternative oder die zweite Alternative der Begründung oder gar beide einschlägig sein sollen. § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ verlangt aber - wie oben ausgeführt - eine für den Empfänger verständliche und nachvollziehbare Begründung.

    Darüber hinaus wurde zur Begründung eine allgemeine Behandlungsmethode (indirekte Klebetechnik) herangezogen, mit der das Überschreitens nicht begründet werden darf, wie ebenfalls oben ausgeführt worden ist. Das erkennende Gericht kann dabei diesen Teil der Begründung nicht einfach ausblenden. Denn es kann das nach § 5 Abs. 2 GOZ bei der Ausschöpfung des Gebührenrahmens auszuübende Ermessen nicht - auch nicht für einzelne (Teil-)Begründungen - anstelle des Zahnarztes ausüben.

    Diese Ausführungen gelten entsprechend für die Begründung, die bei Nr. 615 GOZ gegeben wurde: Patientenspezifischer, überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad/Zeitaufwand bei ungünstiger Zahnstellung und Verwendung von Metall-Ligaturen zur Verringerung der Reibung.

    Soweit der Schriftsatz des Klägers vom 04.02.2009 zur Überschreitung des 2,3fachen des Gebührensatzes Ausführungen enthält, kann er keine Berücksichtigung finden. Denn eine Begründung nach § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ kann nur der Zahnarzt selbst geben, sie muss überdies schriftlich erfolgen. Der Kläger kann sie nicht geben, er ist vielmehr Adressat der Begründung.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

    Beschluss vom 21. September 2009

    Der Streitwert wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 GKG auf EUR 923,81 festgesetzt.

    RechtsgebietRechtmäßig einer Abrechnung für eine kieferorthopädische Behandlung Vorschriften§ 5 Abs 1 GOZ, § 5 Abs 2 GOZ, § 10 Abs 3 GOZ, § 4 Abs 3 GOZ, Nr 200 GOZ, Nr 203 GOZ, Nr 610 GOZ, Nr 15 GOÄ, Nr 75 GOÄ, Nr 510 GOÄ, Nr 2697 GOÄ, Nr 0706 BEB