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  • · Fachbeitrag · Praxisfall

    Avulsion eines Zahnes nach Sportunfall: Therapie und Abrechnung bei Privatpatienten

    von Dental-Betriebswirtin Birgit Sayn, ZMV, sayn-rechenart.de

    | Unfallbedingte Verletzungen der permanenten Dentition sind im Praxisalltag nicht selten. Insbesondere, seitdem in der Freizeit vermehrt risikoreiche Sportarten betrieben werden, die bei Unfällen häufig eine Avulsion (vollständiges Herauslösen des Zahnes aus der Alveole) zur Folge haben, z. B. durch Stürze mit dem Skateboard, Rennrad oder Mountainbike. Im Fallbeispiel betrachten wir die Honorierung. |

    Reimplantation eines Zahnes

    Die Avulsion wird in die Kategorie der Dislokationsverletzungen eingeordnet und grenzt sich damit von den Frakturverletzungen ab. Die besondere Schwierigkeit des Zahnerhalts liegt darin begründet, dass durch das vollständige Herauslösen des Zahnes aus der Alveole das gesamte parodontale Ligament (PDL) freiliegt. Dabei ist es häufig bakteriell kontaminiert; es geht bei unphysiologischer Lagerung des Zahnes zugrunde.

     

    Die Prognose des Zahnes wird insgesamt durch zahlreiche Parameter beeinflusst. Auswirkungen haben dabei vor allem

    • die Zerstörung des PDL als direkte Folge des Traumas,
    • das Lagermedium des extraoral befindlichen Zahnes und
    • die Zeit, in welcher der Zahn trocken gelagert wurde bzw. die bis zur Reimplantation vergangen ist.

     

    Dislokationsverletzungen treten in unterschiedlichem Ausmaß auf und schädigen primär das Parodont. Je nach Schweregrad der Verletzung sind auch das Endodont, der Alveolarknochen sowie die Gingiva betroffen. Nach Aussage der 2k-Leitlinie „Therapie des dentalen Traumas bleibender Zähne“ von 2022 zielen die Sofortmaßnahmen (Repositionierung und Schienung) auf die Stabilisierung betroffener Zähne in der ursprünglichen Position ab, wodurch eine Heilung von Pulpa und parodontalen Strukturen ermöglicht wird. Während früher die rigide (starre) Schienung auch nach Zahntraumata noch Anwendung fand, besteht mittlerweile Konsens darüber, dass mittels flexibler Schienung eine physiologische Zahnbeweglichkeit ermöglicht und die Schienungsdauer möglichst kurz gehalten werden sollte. Ein Zahntraumasplint (splint = Schiene) sollte dabei

    • leicht applizierbar und entfernbar sein,
    • Sensibilitätstests und die Präparation einer endodontischen Zugangskavität erlauben,
    • die Hygienefähigkeit gewährleisten und
    • die Okklusion nicht behindern.

     

    Während verschiedene Materialien für Zahntraumasplints erhältlich sind, erfüllt insbesondere die Titan-Trauma-Schiene (TTS) diese Anforderungen.

     

    Durch diese Schienung bleibt eine minimale Beweglichkeit des Zahnes erhalten, sodass sich die Fasern des Zahnhalteapparates funktionell ausrichten können. Eine starre Schienung erhöht die Wahrscheinlichkeit für Wurzelresorptionen. Die TTS wird mittels Säureätztechnik und fließfähigem Komposit an den Labialflächen der Zähne befestigt, wobei nicht mehr als ein unverletzter und nicht gelockerter Nachbarzahn in die Schienung einbezogen wird. Opake oder fluoreszierende Komposite erleichtern die spätere Entfernung des Splints.

    Abrechnungsfallbeispiel

    In Folge eines Skateboard-Sturzes auf das Gesicht verliert ein 26-jähriger den Oberkieferfrontzahn 21, findet diesen jedoch nach einiger Mühe am Boden wieder. Geistesgegenwärtig nimmt er nach dem ersten Schock den Zahn in den Mund (Zahnrettungsbox war nicht existent), um bessere Überlebenschancen für eine Reimplantation zu erzielen. Bei einer Trockenlagerung von über 60 Minuten sind die PDL-Zellen des avulsierten Zahnes sehr wahrscheinlich nicht mehr vital. Die Frontzähne im Oberkiefer zeigten sich gelockert.

     

    In der Praxis werden regio 13‒23 Einzelröntgenaufnahmen und ein OPG gefertigt, um weitere Verletzungen am Kiefer auszuschließen. Die Wunde an der oberen Lippe wird behandelt, es zeigt sich eine unfallbedingte Schwellung.

     

    Nach Diagnose, Therapieaufklärung mit Alternativen und möglicher Spätfolgen bei Replantation des avulisierten Zahnes wird auf Wunsch des Patienten die Replantation des Zahnes 21 vorgenommen und die Schienung mit einem Titan-Trauma-Splint (TTS) regio 14‒24 fixiert. Es erfolgt eine Aufklärung über die Verhaltensmaßnahmen im OP-Gebiet, zur Ernährung und zu den Mundhygienemaßnahmen.

     

    • Erbrachte Leistungen
    Region
    Ziffer
    Leistungsbeschreibung
    Faktor
    Anz.
    E-Preis Euro
    Betrag Euro

    Ä5

    Symptombezogene Untersuchung

    2,3

    1

    10,72

    10,72

    13‒23

    Ä5000

    Röntgenaufnahme

    1,8

    2

    5,25

    10,50

    OK, UK

    Ä5004

    OPG

    1,8

    1

    41,97

    41,97

    Lippe

    Ä2000

    Erstversorgung einer kleinen Wunde

    2,3

    1

    9,38

    9,38

    13‒23

    0070

    Vitalitätsprüfung

    2,3

    1

    6,47

    6,47

    Ä1

    Beratung

    2,3

    1

    10,72

    10,72

    21

    0080

    Oberflächenanästhesie

    2,3

    1

    3,88

    3,88

    21

    0090

    Infiltrationsanästhesie

    2,3

    1

    7,76

    7,76

    21

    3140

    Reimplantation eines Zahnes

    2,3

    1

    71,15

    71,15

    14‒24

    Ä2698

    Anlegen und Fixation einer Schiene am unverletzten Ober- oder Unterkiefer

    2,3

    1

    201,09

    201,09

    Ä445

    OP-Zuschlag bei ambulanter Durchführung

    1,0

    1

    128,23

    128,23

    14‒24

    Ä2197

    Adhäsive Befestigung

    2,3

    8

    16,82

    134,56

    Kontrolle und Nachbehandlung

    21

    3290

    Kontrolle nach chirurgischem Eingriff, als selbstständige Leistung, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich

    2,3

    1

    7,11

    7,11

    21

    3300

    Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff (z. B. Tamponieren), als selbstständige Leistung, je Operationsgebiet (Raum einer zusammenhängenden Schnittführung)

    2,3

    1

    8,41

    8,41

    Entfernung festsitzende Schiene, Kontrolle, Nachbehandlung, Fluoridierung

    14-24

    Ä2702

    Wiederanbringung einer gelösten Apparatur oder kleine Änderungen, teilweise Erneuerung von Schienen oder Stützapparaten ‒ auch Entfernen von Schienen, je Kiefer

    2,3

    1

    40,22

    40,22

    21

    3290

    Kontrolle nach chirurgischem Eingriff, als selbstständige Leistung, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich

    2,3

    1

    7,11

    7,11

    21

    3300

    Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff (z. B. Tamponieren), als selbstständige Leistung, je Operationsgebiet (Raum einer zusammenhängenden Schnittführung)

    2,3

    1

    8,41

    8,41

    13‒23

    0070

    Vitalitätsprüfung

    2,3

    1

    6,47

    6,47

    1020

    Lokale Fluoridierung

    2,3

    1

    6,47

    6,47

    Engmaschige Überwachungsphase

    Zwischensumme Honorar

    720,63

    Anästhetikum

    1

    0,92

    0,92

    Titanschiene

    1

    xy

    xy

     

    Reimplantation: GOZ-Kommentar der BZÄK (Stand: 8/2022)

    Die Reimplantation eines Zahnes ist das Wiedereinbringen eines traumatisch oder iatrogen entfernten Zahnes in das Zahnfach. Die Leistung beinhaltet einfache Fixationsmaßnahmen im Sinne einer Sofortversorgung. Als einfache Fixierung gilt die temporäre Stabilisierung des Zahnes. Wird ein reimplantierter Zahn nicht nur fixiert, sondern durch Schienung stabilisiert, z. B. mittels Drahtligatur oder Adhäsivtechnik, können diese Maßnahmen gesondert berechnet werden.

    Anlegen und Fixation einer Schiene

    Umfangreiche Schienungen werden nach der Nr. 2698 GOÄ berechnet. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn nicht nur der Approximalraum der Schienung eher einzelner Zähne dient, sondern wenn z. B. die Oberflächen der vestibulären Glattflächen der zu schienenden Zähne mit Kunststoff und TTS zur Schienung herangezogen werden.

     

    Die Leistung nach der Nr. 2698 GOÄ beschreibt das Anlegen und Fixieren einer Schiene am unverletzten Ober- oder Unterkiefer. Die Nr. 2698 GOÄ kann auch bei vollständiger Erneuerung einer festsitzenden Schienung berechnet werden. Für die teilweise Erneuerung von Schienen bzw. die Wiederanbringung gelöster Apparaturen ist die Nr. 2702 GOÄ je Kiefer zzgl. Materialkosten berechnungsfähig. Die Entfernung einer festsitzenden Schienung kann ebenfalls nach der Nr. 2702 GOÄ je Kiefer abgerechnet werden. Eine Schienung die an den Glattflächen mittels Draht und Komposit zur Stabilisierung traumatisierter Zähne befestigt wird, stellt eine semipermanente Schienung dar. Die Abrechnung erfolgt nach der Nr. 2698 GOÄ zzgl. Materialkosten und die adhäsive Befestigung nach Nr. 2197 GOZ je Zahn.

    Kontrolle und Wundbehandlung

    Die Nr. 3290 GOZ beschreibt die lokale visuelle Kontrolle und ist eine klinische Kurzuntersuchung einer Wunde. Somit ist die Wundkontrolle eine fakultative Leistung, die nicht zwangsläufig einer Wundnachbehandlung vorausgeht, somit nicht darin eingeschlossen sein kann. In den Leistungsbeschreibungen zu der Nr. 3300 GOZ wird die Wundkontrolle nicht andeutungsweise erwähnt. Sie ist also bereits dem Wortlaut nach kein Bestandteil der nach der Kontrolle einer Wunde ggf. notwendigen Nachbehandlung im Sinne der Nr. 3300 GOZ. Allerdings wird dieses Thema bekanntermaßen kontrovers diskutiert; lesen Sie hierzu den Beitrag auf Seite 13 dieser Ausgabe.

    Nachsorgekonzept

    Nach Entfernung der adhäsiv befestigten Schiene im Oberkiefer wird die Vitalität der Zähne 13‒23 geprüft und die labialen Zahnoberflächen werden nach Entfernung der Klebereste fluoridiert. Anfangs werden die Kontrolltermine in kurzen Abständen definiert und befundbezogen variiert. Die regelmäßige Nachsorge nach dem Abschluss der Primärtherapie ist essenziell, um potenzielle Komplikationen frühzeitig zu erkennen. Die Wahrscheinlichkeit pulpaler und parodontaler Schäden ist dabei eng mit Art und Schweregrad des Zahntraumas verknüpft.

    Prävention ist alles!

    Gesichtsschutz und Mundschutz sind effektive Möglichkeiten, Zahn- und Gesichtsverletzungen zu verhindern. Eine amerikanisch-italienische Studiengruppe hat sich eingehend mit der Sport- und Zahntraumatologie beschäftigt und u. a. eine Übersicht zur Prävention gegeben. Die Wissenschaftler erarbeiteten in ihrer Überprüfung, dass Sportler mit Mundschutz eine 82- bis 93%ig geringere Wahrscheinlichkeit einer traumatischen Zahnverletzung haben und die Prävalenz von Zahntrauma bei Mundschutzträgern zwischen 7,5 % und 7,75 % im Vergleich zu 48,31 % bis 59,98 % bei Nicht-Trägern liegt. Im Wesentlichen werden 3 Mundschutz-Typen unterschieden:

    • Vorgefertigt (universelle Passform, im Handel erhältlich).
    • Boil-and-Bite (thermoplastisches Material wird in heißem Wasser erweicht und vom Sportler selbst angepasst, im Handel erhältlich).
    • Individuell angepasst (durch ZA und ZT), besserer Schutz [Quelle unten].

     

    PRAXISTIPP | Angesichts möglicher intraoraler Verletzungen durch traumatische Sportereignisse und der nachgewiesenen Effektivität eines Mundschutzes zur Prävention sollten Zahnärzte die Verwendung von Mundschutz bei Profi- und Freizeitsportlern fördern.

     

    Quelle

    • Mordini L, Lee P, Lazaro R, Biagi R, Giannetti L. Sport and Dental Traumatology: Surgical Solutions and Prevention. Dentistry Journal. 2021; 9(3):33. doi.org/10.3390/dj9030033.
    Quelle: Ausgabe 07 / 2023 | Seite 2 | ID 49543121