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  • · Kieferorthopädie

    Zahnkorrektur mittels Alignern: Achten Sie auf wirtschaftliche Abrechnung!

    Bild: ©Andrey Popov - adobe.stock.com

    von Isabel Baumann, Mülsen, praxiskonzept-baumann.de

    | Schienen zur Korrektur der Zahnstellung erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Egal ob es sich dabei beispielsweise um Clear-Aligner, Invisalign oder Hinz-Aligner handelt ‒ mit dieser Art von Schienen können kleinere Zahnfehlstellungen ohne großen kosmetischen Aufwand korrigiert werden. Die GOZ bietet allerdings nur unzureichende Abrechnungsmöglichkeiten. Dieser Praxisfall erläutert, worauf bei der Abrechnung von Alignern zu achten ist. |

    Praxisfall Alignertherapie

    Bei einem Patienten werden die nach vestibulär gekippten und in sich gedrehten Zähne 13, 12 (um 35 Grad) mittels Aligner ohne Attachment umgeformt. Die Korrektur soll ca. 2,5 mm betragen.

     

    • Behandlungsablauf
    Datum
    Zahn
    Leistung
    GOZ

    04.01.

    Eingehende Untersuchung

    0010

    Beratung: Patient möchte über Möglichkeiten der kieferorthopädischen Behandlung aufgeklärt werden. Er wird über Voruntersuchungen sowie die Therapiemöglichkeiten informiert.

    Ä1

    06.01.

    Aufstellen eines Heil- und Kostenplans (HKP) für die Voruntersuchungen und KFO-Planungsunterlagen

    0040

    Panoramaschichtaufnahme

    Ä5004

    Aufnahme des Schädels (Röntgen Schädelübersicht)

    Ä5090

    Zuschlag zur digitalen Radiografie

    Ä5298

    OK/UK

    Abformung, Bissnahme für das Erstellen von Modellen

    0060 + Mat.

    Fotos inklusive diagnostischer Auswertung

    2 x 6000

    12.01.

    OK/UK

    Modellanalyse (Planungsmodelle bei Behandlungsbeginn)

    6010

    Untersuchung des Gesichtsschädels, zeichnerisch-rechnerische Methode

    6020

    Aufstellung des Kostenplans für die Alignertherapie

    0040

    18.01.

    Umfangreiche Beratung nach Auswertung der diagnostischen Unterlagen und Modelle, Dauer 25 Minuten

    Ä3

    Patient wünscht Alignertherapie

    28.01.

    OK

    Umformung eines Kiefers einschließlich Retention einfachen Umfangs (Abschlag)

    6030

    OK

    Abformung mit individuellem Löffel zur Herstellung der Aligner-Schienen (ungünstige Zahnbogenform)

    5170

    Approximale Schmelzreduktion durch Strippen oder Slicen je Zahn

    § 6 Abs. 1

    03.02.

    OK

    Eingliederung der ersten Aligner-Schiene

     

    * Weitere Leistungen sind zusätzlich berechnungsfähig, insbesondere Röntgen etc.

    Erläuterungen der einzelnen Leistungen

    Bevor die einzelnen Leistungen und Abrechnungspositionen erläutert werden, hier noch die wichtigsten Basisinformationen zu Alignern.

     

    • Aligner ‒ das Wichtigste in Kürze

    Aligner sind dünne, elastische, durchsichtige Schienen. Bei dieser kieferorthopädischen Therapie werden mehrere aufeinander abgestimmte Schienen dem Patienten sequenziell eingegliedert, wobei pro Schiene ca. 0,2 mm Korrektur der Zahnfehlstellung möglich sind. Die Schienen werden nach den individuellen Vorgaben industriell angefertigt. Häufig erfolgt die Datenübertragung der Präzisionsabformungen mittels digitalem Scan und virtueller Modelle. In diesem Datensatz können die einzelnen Zähne virtuell am Bildschirm in die gewünschte Zielposition gebracht werden. Auf Grundlage dieser Daten werden dann die einzelnen Schienen entsprechend hergestellt.

     

    04.01.

    Die eingehende Untersuchung wird nach Nr. 0010 GOZ berechnet. Für die erbrachte Beratung ist zusätzlich die Ä1 berechnungsfähig.

     

    06.01.

    Das Aufstellen eines schriftlichen Heil- und Kostenplans für kieferorthopädische Leistungen ist nach Nr. 0040 GOZ zu berechnen.

     

    Im Rahmen der Diagnostik und der Voruntersuchung wird eine Panoramaschichtaufnahme nach Nr. Ä5004 und zusätzlich eine Aufnahme des Schädels nach Nr. 5090 GOZ angefertigt. Der Zuschlag nach Nr. Ä5298 ist nur neben den Leistungen nach den Nrn. Ä5010‒Ä5290 berechenbar. Dabei beträgt der GOZ-Zuschlag 25 Prozent des einfachen Gebührensatzes der jeweiligen Leistung ‒ hier also 5,83 Euro (= 25 Prozent vom Einfachsatz der Nr. Ä5090).

     

    MERKE | Der Zuschlag nach Nr. Ä5298 ist nicht neben den Röntgenaufnahmen nach Nrn. Ä5000, Ä5002 und Ä5004 berechenbar. In unserem Fall ist der Zuschlag in derselben Sitzung jedoch berechnungsfähig, weil auch eine Aufnahme des Schädels nach Nr. 5090 GOZ erfolgte.

     

    Das Anfertigen von Fotos wird je Aufnahme nach Nr. 6000 GOZ berechnet. Zum Leistungsinhalt gehören die diagnostische Auswertung und eventuelle Kosten für das Filmmaterial. Je diagnostischer Sitzung werden in der Regel zwei Aufnahmen angefertigt ‒ eine En-Face-Aufnahme und eine Profilaufnahme.

     

    12.01.

    Die Modellauswertung nach Nr. 6010 GOZ enthält dreidimensionale, grafische und metrische Analysemethoden. Zum Leistungsinhalt gehören die Auswertung und die Dokumentation. Im Laufe der Behandlung ist die Nr. 6010 GOZ mehrfach berechenbar. In der Regel erfolgen eine Anfangs-, eine Zwischen- und eine Enddiagnose. Beachten Sie, dass die Analyse von virtuellen Modellen als selbstständige Leistung analog nach § 6 Abs. 1 GOZ zu berechnen ist.

     

    Die Auswertung der Röntgenaufnahme des Schädels erfolgt nach Nr. 6020 GOZ. Diese Leistung enthält verschiedene Analysemethoden (die zeichnerische Auswertung und die zeichnerisch-rechnerische Auswertung). Es kann je Methode die Nr. 6020 GOZ berechnet werden.

     

    18.01.

    Die umfangreiche Beratung erfolgt hier als alleinige Leistung in dieser Sitzung. Da die Dauer von 10 Minuten deutlich überschritten wird, kann die Nr. Ä3 berechnet werden.

     

    PRAXISTIPP | Einige Zahnärzte nutzen zur Erläuterung der Behandlung und Vorschau auf das mögliche Behandlungsergebnis eine computergestützte Auswertung (z. B. ClinCheck). Diese computergestützte Vorschau ist keine Leistung, die in der GOZ aufgeführt ist. Sie wird entsprechend § 6 Abs.1 GOZ analog berechnet.

     

    28.01.

    Die Maßnahmen zur Umformung eines Kiefers nach den Nrn. 6030 bis 6050 GOZ enthalten alle im Behandlungsplan festgelegten Maßnahmen innerhalb eines Zeitraums von bis zu vier Jahren. Die Zuordnung der durchzuführenden Maßnahmen nach den Nrn. 6030 bis 6050 GOZ ist nicht von der Schwierigkeit und dem Zeitaufwand abhängig, sondern vom vorgesehenen Umfang. Die Frage, ob ein geringer, mittlerer oder hoher Umfang vorliegt, wird nach den folgenden fünf Kriterien bewertet und zugeordnet.

     

    • Kriterien für die Einordnung als geringer, mittlerer oder hoher Umfang

    1) Zahl der bewegten Zahngruppen ‒ zwei und mehr Zahngruppen

    Der Kiefer wird in zwei Seitengruppen und eine Frontzahngruppe eingeteilt, wobei die Frontzahngruppe aus den vier Schneidezähnen und den beiden Eckzähnen besteht.

     

    2) Ausmaß der Zahnbewegung: mehr als zwei Millimeter

    Das Ausmaß der Zahnbewegung bezieht sich sowohl auf Zahngruppen als auch auf einzelne Zähne. Dabei wird die Zahngruppe oder der Zahn mit der größten Bewegung im Kiefer gemessen.

     

    3) Art der Zahnbewegung: körperlich mehr als zwei Millimeter

    Von den folgenden Kriterien der Zahnbewegung muss eines gegeben sein: Die Wurzelbewegung erfolgt kontrolliert, direkte Veränderung der Bisshöhe, Zahndrehung mehr als 30 Grad.

     

    4) Richtung der Zahnbewegung: entgegen Wanderungstendenz

    Die natürliche Wanderungstendenz der Zähne ist nicht einheitlich. Müssen Zähne entgegen ihrer natürlichen Wanderungstendenz bewegt werden, bedeutet dies einen erhöhten Umfang der Behandlung.

     

    5) Verankerung: mit zusätzlichen intra- und extraoralen Maßnahmen

    Festsitzende Hilfsgeräte zur Verankerung und Stabilisierung können u. a. sein: Headgear, Nance-Appliance, Transpalatinalbogen, Wilson-Appliance, Lip-Bumper, Pins u. v. m. (Kommentar Liebold/Raff/Wissing zu Nr. 6030 GOZ)

     

    Bei Maßnahmen mittleren Umfangs nach Nr. 6040 GOZ müssen mindestens drei der Kriterien 1‒5 und bei Maßnahmen großen Umfangs mindestens vier der Kriterien 1‒5 erfüllt sein.

     

    Aufgrund der geringen Bewertung der Nrn. 6030‒6050 ist es empfehlenswert, vor Behandlungsbeginn mit dem Patienten eine abweichende Vereinbarung nach § 2 Abs. 1 und 2 GOZ zu treffen, um die Leistung bei der Abrechnung auf einen Faktor höher als 3,5 steigern zu können. Der Steigerungsfaktor muss in einem solchen Fall vor Behandlungsbeginn schon festgelegt und in der abweichenden Vereinbarung aufgeführt werden.

     

    Die approximale Schmelzreduktion durch Strippen oder Slicen je Zahn ist als Leistung weder in der GOZ noch in dem für Zahnärzte geöffneten Bereich der GOÄ beschrieben. Da es sich dabei aber um eine selbstständige Leistung handelt, erfolgt die Abrechnung analog nach § 6 Abs. 1 GOZ. Folgende Analogposition könnte gewählt werden:

     

    • Beispiel für Analogansatz der approximalen Schmelzreduktion
    GOZ
    Leistungsbeschreibung
    Gebühr (2,3-fach)

    2110a

    Approximale Schmelzreduktion durch Strippen oder Slicen je Zahn gemäß § 6 Abs. 1 GOZ entsprechend Nr. 2110 GOZ Präparation einer Kavität mit plastischem Material

    41,26 Euro

     

    03.02.

    Die Eingliederung der Aligner-Schienen ist mit der Leistung nach Nr. 6030 GOZ abgegolten, da die Leistung nach Nr. 6030 alle Leistungen zur Kieferumformung und Retention innerhalb eines Zeitraums von bis zu vier Jahren enthält. Das gilt unabhängig von den angewandten Behandlungsmethoden oder den verwendeten Therapiegeräten. Weiterhin ist zu beachten:

     

    • Die Auslagen für zahntechnische Leistungen werden dem Patienten nach § 9 GOZ zusätzlich in Rechnung gestellt.
    • Ebenso werden die Kosten für das Abformmaterial und das Material für die Bissregistrierung zusätzlich berechnet.

     

    PRAXISTIPP | Im Verlauf der Therapie fallen die Röntgenleistungen nach Ä5090 zuzüglich des Zuschlags nach Nr. Ä5298 mehrfach an. Gleiches gilt für das Anfertigen und Auswerten von Fotografien nach Nr. 6000, die Analyse von Kiefermodellen nach Nr. 6010 sowie die Untersuchungen des Gesichtsschädels nach Nr. 6020 GOZ. Das ist erforderlich, um die Wirksamkeit der Alignertherapie verfolgen zu können. Die Auswertungen sind entsprechend zu dokumentieren. Im gesamten Therapieverlauf ist es notwendig, mehrere Aligner-Schienen herzustellen und einzugliedern. Diese weiteren Schienen sind mit den Leistungen nach Nrn. 6030‒6050 abgegolten. Deswegen ist ‒ wie oben erwähnt ‒ eine abweichende Vereinbarung nach § 2 Abs. 1 und 2 GOZ unumgänglich, ansonsten ist die Leistung nicht wirtschaftlich zu erbringen.

     

    Weitere Begleitleistungen wie Untersuchungen, Beratungen, das Entfernen von Zahnstein oder die Professionelle Zahnreinigung sind zusätzlich unabhängig von der kieferorthopädischen Therapie berechenbar.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2021 | Seite 15 | ID 47101019