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  • · Fachbeitrag · Zahnersatz

    Unbrauchbarkeit und Nachbesserungsrecht: Wann entfällt der Honoraranspruch?

    von Anja Mehling, Syndikusanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht, Health AG, Hamburg

    | Im Mittelpunkt dieser Thematik stehen umfangreiche prothetische Versorgungen. Wenn es Probleme gibt, kommt es meistens relativ schnell nach der Eingliederung des Zahnersatzes zur Eskalation, weil Patient und Zahnarzt ihre Vorstellungen nicht in Einklang bringen können. Häufig wird die Behandlung durch eine Seite abgebrochen - aus Sicht des Patienten, weil dieser mit den Leistungen des Zahnarztes unzufrieden ist, und aus Sicht des Zahnarztes, weil er meint, alles Erforderliche für seinen Patienten getan zu haben. |

    Der Ausgangspunkt

    Die Frage, ob der zahnärztliche Honoraranspruch entfällt, wenn Leistungen unbrauchbar sind, und ob einem Zahnarzt das Recht zur Nachbesserung zusteht, ist oft Gegenstand von Gerichtsentscheidungen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde der auf eine - zahnprothetische - Behandlung gerichtete Vertrag zwischen einem Patienten und einem Zahnarzt grundsätzlich als Dienstvertrag über Dienste höherer Art eingeordnet (nun § 630a BGB).

     

    Das Ergebnis zahnärztlicher Bemühungen ist nicht vorhersehbar, ein Erfolg der Behandlung kann im Allgemeinen wegen der nicht beherrschbaren Vorgänge im menschlichen Körper nicht garantiert werden. Ein korrekt geplanter und eingegliederter Zahnersatz kann Anpassungsschwierigkeiten beim Patienten auslösen, die außerhalb des Einflussbereichs des Zahnarztes liegen.

     

    Laut BGH-Rechtsprechung schuldet der Zahnarzt - ebenso wie jeder andere Arzt - eine sach- bzw. fachgerechte Behandlung des Patienten, nicht aber den Behandlungserfolg. Der Zahnarzt verpflichtet sich mithin, den Patienten unter Berücksichtigung des anerkannten Standards der medizinischen Wissenschaft und Technik zu behandeln, ohne für das Ergebnis seiner Behandlung ein Erfolgsversprechen abzugeben.

    Der Verlust des Honoraranspruchs: Voraussetzungen

    Daraus folgt, dass die Vergütung für die Dienste grundsätzlich auch dann geschuldet ist, wenn die zahnärztlichen Leistungen mangel- oder fehlerhaft gewesen sein sollten. Eine fehlerhaft durchgeführte Behandlung kann ggf. Schadenersatzansprüche des Patienten auslösen, gibt ihm aber nicht das Recht auf Minderung oder Zurückhaltung seiner eigenen Leistung (OLG Hamm, Beschluss vom 6. April 2005, Az. 3 U 222/04, Abruf-Nr. 052149 unter pa.iww.de). Grundsätzlich werden mithin Honoraransprüche durch eventuelle Mängel oder Behandlungsfehler nicht berührt. Voraussetzungen für das Entfallen des zahnärztlichen Honoraranspruchs sind, dass der Zahnersatz funktionsuntüchtig ist, die zahnärztlichen Leistungen unbrauchbar und für den Patienten nicht von Interesse sind und eine Neuanfertigung verlangt werden kann bzw. ein Nachbesserungsrecht nicht (mehr) besteht.

    Rechtsprechung: Wann sind Leistungen unbrauchbar?

    In Gerichtsverfahren werden zur Beurteilung der zahnärztlichen Leistungen zahnmedizinische Sachverständige hinzugezogen. Stellen diese fest, dass die prothetische Versorgung gänzlich unbrauchbar ist, bedeutet das noch nicht, dass die Leistungen für den Patienten tatsächlich unbrauchbar und nicht von Interesse sind. Es kommt nämlich nicht selten vor, dass ein Patient eine Arbeit über Jahre hinweg nutzt. In diesen Fällen ist die Rechtsprechung dazu übergegangen, das Kriterium einer objektiven Unbrauchbarkeit des Zahnersatzes durch eine subjektive Komponente zu erweitern.

     

    Das Interesse von Patienten an zahnärztlichen Leistungen ist danach nur dann entfallen, soweit Patienten die Arbeiten des Zahnarztes nicht mehr wirtschaftlich verwerten können, sie also für sie nutzlos geworden sind. Es genügt demnach zum einen nicht, dass die Leistung objektiv wertlos ist, wenn der Patient sie gleichwohl nutzt, zum anderen aber auch nicht, dass der Patient sie nicht nutzt, obwohl er sie wirtschaftlich verwerten könnte (BGH, Urteil vom 29. März 2011, Az. VI ZR 133/10, Abruf-Nr. 111749 unter pa.iww.de). Nutzt ein Patient den vom Sachverständigen als unbrauchbar eingestuften Zahnersatz über einen längeren Zeitraum, so ist nicht davon auszugehen, dass Leistungen gänzlich unbrauchbar und wertlos sind.

     

    • OLG Naumburg, Urteil vom 13. Dezember 2007, Az. 1 U 10/07, Abruf-Nr. 080367: Eine Prothese ist nicht völlig wertlos und unbrauchbar, wenn sie seit mehr als drei Jahren in unveränderter Form benutzt wurde.

    Das Recht des Zahnarztes auf Nachbesserung

    Selbst wenn die zahnärztliche Leistung für den Patienten unbrauchbar und wertlos ist, bleibt der Vergütungsanspruch bestehen, wenn dem Zahnarzt noch ein Nachbesserungsrecht zusteht. Nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte hat der Patient dem Zahnarzt bei einer prothetisch noch nicht beendeten Behandlung zu gestatten, durch Korrekturmaßnahmen einen funktionstüchtigen und beschwerdefrei zu tragenden Zahnersatz herzustellen.

     

    Zahnärztliche Behandlungen sind nicht mit dem ersten Einsetzen des Zahnersatzes abgeschlossen. Vielmehr müssen oft Korrekturmaßnahmen durchgeführt werden. In der Rechtsprechung ist grundsätzlich anerkannt, dass der Zahnarzt über den ersten Eingliederungstermin hinaus die Gelegenheit zur Fortführung der Behandlung erhalten soll. Das Recht zur Nachbesserung soll die Patienten dazu verpflichten, Druckstellen sowie Lockerungen oder sonstige merkliche Passungenauigkeiten dem Zahnarzt anzuzeigen und ihm zu ermöglichen, die Behandlung fortzusetzen.

     

    Nur wenn prothetische Leistungen derart mit Mängeln bzw. Fehlern behaftet sind, dass diese durch Nachbessern nicht mehr behoben werden können, sondern eine komplette Neuanfertigung erforderlich ist und der Patient nach vorwerfbar nicht gelungenen Korrekturmaßnahmen das Vertrauen zu dem Zahnarzt verliert, entfällt ein Nachbesserungsrecht des Zahnarztes.

     

    Die Rechtsprechung sieht aber keinen Automatismus zwischen der Notwendigkeit einer Neuversorgung und dem Vertrauensverlust des Patienten zum Zahnarzt (OLG Dresden, Beschluss vom 21. Januar 2008, Az. 4 W 28/08, Abruf-Nr. 080766: komplette Neuanfertigung der Oberkieferprothese zumutbar). Bricht der Patient die Behandlung ab, obwohl dem Zahnarzt noch ein Nachbesserungsrecht zusteht, kann der Patient keinen Schadenersatz verlangen, wenn er eine Weiter- oder Neubehandlung bei einem anderen Zahnarzt durchführen lässt (LG Münster, Urteil vom 18. Dezember 2014, Az. 111 O 26/12). Zudem bleibt der Patient weiterhin verpflichtet, das zahnärztliche Honorar zu zahlen (OLG Celle, Beschluss vom 15. Februar 2013, Az. 1 U 87/12, Abruf-Nr. 131187).

    Umfang und Grenzen des Nachbesserungsrechts

    Der Anspruch hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Es ist zu beurteilen, ob weitere Nachbesserungen zumutbar sind. Dabei spielen Gesichtspunkte wie die Komplexität der zu erbringenden zahnärztlichen Leistung, die Vorstellungen und Empfindungen des Patienten und das eventuelle Eintreten nicht vorhersehbarer Komplikationen eine Rolle. Spannungen zwischen Behandler und Patient, die aus wechselseitigen Frustrationsgefühlen resultieren können, sind nur bedingt tauglich, die Unzumutbarkeit zu begründen. Nur ein Verhalten des Zahnarztes, das aus Sicht eines Patienten nicht mehr hinnehmbar erscheint, kann ausreichen, die Behandlung einseitig abzubrechen (OLG Köln, Beschluss vom 20. August 2012, Az. 5 U 52/12, Abruf-Nr. 131338).

     

    Sofern dem Zahnarzt bei der Behandlung ein grober Behandlungsfehler unterlaufen ist, gehen Gerichte davon aus, dass eine Weiterbehandlung für den Patienten nicht mehr zumutbar ist (OLG Hamm, Urteil vom 6. Juni 2014, Az. 26 U 14/13, Abruf-Nr. 142152). Der Zahnarzt verliert auch dann sein Nachbesserungsrecht, wenn er von vornherein eine fehlerhafte Leistung bestreitet.

     

    PRAXISHINWEIS | Wenn zahnärztliche Leistungen objektiv unbrauchbar sind, stellt sich die Frage, ob sie für den Patienten von Interesse sind. Ein Interessenfortfall ist regelmäßig nicht anzunehmen, wenn der Patient die eingegliederte Prothetik über Jahre hinweg nutzt. Der Patient muss dem Zahnarzt grundsätzlich ein Recht zur Nachbesserung einräumen. Der Zahnarzt sollte dem Patienten in Fällen einer mangel- bzw. fehlerhaft durchgeführten Behandlung die Nachbesserung ausdrücklich - am besten schriftlich - anbieten. Soweit sie durch den Patienten abgelehnt wird, sollte das dokumentiert werden. Lehnt der Zahnarzt von sich aus bei Beanstandung die Weiterbehandlung ab, verliert er nicht nur das Recht auf Nachbesserung, sondern unter Umständen auch den Honoraranspruch.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2015 | Seite 2 | ID 43616647