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  • 01.04.2008 | Musterschreiben

    Die Berechnung funktionsanalytischer Leistungen ohne Befunderhebung nach GOZ-Nr. 800

    Nach wie vor gibt es viele Probleme bei der Erstattung funktionsanalytischer Leistungen – vor allem im Zusammenhang mit prothetischen Versorgungen –, wenn nicht zuvor ein vollständiger Funktionsstatus nach der GOZ-Nr. 800 erhoben wurde. Dabei beweisen etliche Untersuchungen, dass sich die Präzision und Passform aufwändigen Zahnersatzes durch derartige Maßnahmen auch in einem Gebiss ohne erkennbare Funktionsstörungen deutlich steigern lässt.  

     

    Nachfolgend fassen wir daher in einem aktualisierten Musterschreiben die wesentlichen Argumente, Stellungnahmen und Gerichtsurteile zusammen, die für eine Berechnung der GOZ-Nrn 801 ff. auch ohne vorausgehende Erbringung der Position 800 sprechen. Das Schreiben kann für den jeweiligen Einzelfall abgewandelt, individualisiert oder auch gekürzt werden. Es dient in dieser Ausführlichkeit dazu, sich auf möglichst viele verschiedene Argumente stützen zu können. Sie finden das Schreiben wie üblich auch im Online-Service von „Privatliquidation aktuell“ in der Rubrik „Musterschreiben“.  

     

    Musterschreiben 

    Sehr geehrte(r) Frau/Herr ...,  

     

    in Ihrem Schreiben vom ..... behaupten Sie, die GOZ-Nrn. 801 ff. könnten nur berechnet werden, wenn vorher ein klinischer Funktionsstatus gemäß GOZ-Nr. 800 erhoben worden sei. Das ist jedoch nicht nur aus gebührenrechtlicher, sondern auch aus zahnmedizinisch-fachlicher Sicht unzutreffend.  

     

    Nicht ohne Grund enthält die GOZ keinerlei Bestimmung, wonach der Ansatz einer der Gebührenpositionen 801 ff. nur im Anschluss an die Befunderhebung nach der Nr. 800 möglich wäre. Vielmehr werden unter den GOZ-Nrn. 801 ff. eigenständige zahnärztliche Leistungen berechnet, die nach einhelliger Meinung sämtlicher Fachverbände speziell im Zusammenhang mit der Herstellung aufwändigen Zahnersatzes dessen Passform und Funktionstüchtigkeit erheblich verbessern. Und das keinesfalls nur bei Patienten, die unter einer funktionellen Störung des stomathognathen Systems leiden. So erlauben zum Beispiel das Anlegen eines Gesichtsbogens sowie die zentrische Registrierung der Unterkieferposition, Kiefermodelle schädel- und gelenkbezüglich – und damit funktionsbezogen – in einen Artikulator einzubringen. Dadurch ist es möglich, die Bewegungen der Kiefer exakt nachzuvollziehen und bei der Gestaltung des Zahnersatzes, speziell der Kauflächen, zu berücksichtigen.  

     

    Im Gegensatz zur vertragszahnärztlichen Versorgung, im Rahmen derer zur Anfertigung von Zahnersatz grob pauschalierend von einer „mittelwertigen“ Kiefergelenkssituation ausgegangen wird (wobei sich auch hier immer mehr eine gnathologische, vom Patienten zu bezahlende Vorgehensweise durchsetzt), erfordert die Behandlung im Rahmen einer privatärztlichen Versorgung eine derartige Einschränkung nicht. Vielmehr kann die Behandlung hier unter Zugrundelegung aufwändig ermittelter und mit entsprechenden Geräten individuell rekonstruierter Werte erfolgen. Schließlich argumentieren private Krankenversicherungen bei der Werbung neuer Mitglieder ja gerade mit einer solchen, im Vergleich zur Kassenmedizin verbesserten Qualität der Versorgung.  

     

    Ein klinischer Funktionsstatus nach GOZ-Nr. 800 (der bei Vorliegen von Muskel- und Kiefergelenksbeschwerden unverzichtbar ist) erlaubt lediglich eine erste Einschätzung der Situation bei einem bestimmten Patienten. Diese muss durch die Bestimmung individueller Werte – also mittels Verfahren, wie sie unter den GOZ-Nrn. 801 ff. beschrieben sind – präzisiert werden. Somit sind derartige Leistungen keinesfalls Folge der Erhebung eines vollständigen Funktionsbefundes, sondern im Gegenteil sogar dessen unverzichtbarer Bestandteil. Die GOZ-Nr. 800 kann also gar nicht Voraussetzung funktionsanalytischer Maßnahmen nach den Nummern 801 ff. sein.  

     

    Wenn nun aber das Ausfüllen eines Formulars zur Erhebung des Funktionsbefundes für die nachfolgenden Leistungen entbehrlich ist, ist nicht nachzuvollziehen, warum es trotzdem gefordert wird. Das würde bedeuten, unnötige Leistungen nur deshalb zu erbringen und abzurechnen, damit man für die unverzichtbaren Leistungen ein Honorar geltend machen kann. Ein solches Vorgehen steht aber in Widerspruch zu § 1 GOZ, nachdem der Zahnarzt Vergütungen nur für Leistungen berechnen darf, die nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst für eine zahnmedizinisch notwendige zahnärztliche Versorgung erforderlich sind.  

     

    In diesem Sinne haben verschiedene Gerichte entschieden, die sich mit der Thematik auseinandergesetzt haben.  

     

    So stellt unter anderem das Landgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 19. November 1998 (Az: 6 S 48/98) fest, der Zahnarzt könne bei einem offensichtlichen Befund nicht allein aus abrechnungstechnischen Gründen zu Leistungen genötigt werden, die medizinisch nicht notwendig seien. Ein Zahnarzt, der verantwortungsvoll zur Kostenreduzierung beitrage, dürfe nicht dadurch bestraft werden, dass er tatsächlich erbrachte, zahnmedizinisch indizierte Behandlungsmaßnahmen nicht berechnen könne.  

     

    Wenige Monate vorher hat das Landgericht Frankfurt genauso entschieden. Im Urteil vom 16. Juli 1998 (Az: 2/24 S 394/97) erklären die Richter zutreffenderweise, aus der Leistungsbeschreibung der GOZ-Nr. 800 lasse sich nicht entnehmen, dass die Befunderhebung nach der GOZ-Nr. 800 Voraussetzung für die Erbringung der Nrn. 801 ff. sei.  

     

    Abschließend möchte ich noch die diesbezügliche Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer – einer maßgeblichen fachlichen Instanz zu Fragen der GOZ-Auslegung – zitieren: „Aus gebührenrechtlicher Sicht (§ 1 Abs. 2 S. 1 GOZ) ist der Zahnarzt berechtigt, die Gebühren-Nrn. 801 GOZ ff. zu berechnen, ohne das nicht notwendige Formblatt nach Gebühren-Nr. 800 GOZ zu erstellen.“  

     

    Zuammenfassend ist festzuhalten, dass einer Erstattung der GOZ-Nrn. 801 ff. weder aus gebührenrechtlichen noch aus zahnmedizinischen Gründen etwas entgegensteht. Im Gegenteil unterstreichen die genannten Argumente, Urteile und Stellungnahmen gerade die hier in Rede stehende Abrechnungsmöglichkeit. Ich bitte Sie daher, die Angelegenheit nochmals zu prüfen und nach Maßgabe des geltenden Gebührenrechts im Sinne des Patienten bzw. Ihres Versicherungsnehmers zu entscheiden.  

     

    Mit freundlichen Grüßen