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  • · Fachbeitrag · Kostenerstattung

    Vergleichsangebote über Internetportale als Service einer PKV: Ist das zulässig?

    von Rechtsanwältin Doris Mücke, Bad Homburg

    | Seit Jahren offerieren Internetportale interessierten Patienten die Möglichkeit, Vergleichsangebote zu von ihrem Zahnarzt veranschlagten Kosten geplanter Behandlungen einzuholen. Sie werben mit der Aussicht, einen Großteil der veranschlagten Kosten einsparen zu können. Krankenversicherungen nutzen das Angebot, um ebenfalls Kosten zu sparen. Dürfen sie das? |

    Wie funktionieren die Portale?

    In der Regel sind diese Internetportale - wie z. B. „2te-zahnarztmeinung.de“ - mit Partnerkrankenkassen bzw. -versicherungen assoziiert. Das Angebot richtet sich sowohl an gesetzlich als auch privat versicherte Patienten. Für Mitglieder ihrer Krankenkassen bzw. Versicherungen ist das Angebot für den Kunden kostenfrei, ansonsten wird ein Entgelt von 25 Euro erhoben. Die Kunden können nach ihrer Registrierung das Zahnschema der geplanten Versorgung nebst Preisen aus dem ihnen vorliegenden Heil- und Kostenplan in ein bereitgestelltes Formblatt übertragen und erhalten online mehrere Vergleichsangebote „bietender“ Zahnärzte aus der näheren Umgebung.

     

    Wenn sie sich für ein Vergleichsangebot entschieden haben, erhalten sie die Kontaktdaten des Zahnarztes und können sich bei diesem zwecks Untersuchung vorstellen. Den über das Portal bietenden Zahnärzten wird in Aussicht gestellt, durch Abgabe eines günstigen Angebots einen neuen Patienten zu erhalten - verbunden mit dem Vorteil, sich über eine gute Anschluss-Bewertung auf dem Portal bekannt zu machen und weiterzuempfehlen.

    Das Angebot der ERGO direkt Versicherung

    Seit einiger Zeit hat die ERGO direkt Versicherung als Partnerin des Portals „2te-zahnarztmeinung.de“ die Möglichkeit für sich und ihre Versicherten entdeckt, in den Genuss einer erheblichen Kostenersparnis kommen zu können. Als Service bietet sie ihren Versicherten an, die von ihren Zahnärzten erstellten Heil- und Kostenpläne kostenfrei und anonymisiert in das Portal einzustellen und ihnen kurzfristig Vergleichsangebote anderer Zahnärzte online zukommen zu lassen. Für Maßnahmen überschaubaren Umfangs wird dem Versicherten ein „Self-Service“ angeboten: Er kann die Daten auf einem bereitgestellten Formblatt direkt eingeben und der Versicherung übermitteln.

    Wie ist das aus rechtlicher Sicht einzuschätzen?

    Die Bundeszahnärztekammer sieht in diesem Angebot einen unredlichen Eingriff in das bestehende Arzt-Patienten-Verhältnis und die freie Arztwahl. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich bereits mit Urteil vom 01.12.2010 (Az. I ZR 55/08, Abruf-Nr. 110852 unter pa.iww.de) mit der Frage befasst, inwieweit ein Zahnarzt, der auf einer Internetplattform zum Heil- und Kostenplan eines Kollegen ein Gegenangebot abgibt, berufswidrig handelt. Er hat mit der Begründung, dass dem Zahnarzt eine sachliche Information über seine Berufstätigkeit gestattet ist, darin keine berufswidrige Werbung gesehen. Der Zahnarzt präsentiere mit dem Gegenangebot lediglich seine eigene Leistung und trete nicht aktiv an den Patienten heran, sondern werde auf Initiative des Patienten tätig. Das Internetportal leiste lediglich eine zulässige „Hilfestellung“.

     

    Die Befürchtung, dass die Abgabe kostengünstigerer Gegenangebote zu Dumpingpreisen führe und dies mit der Gefahr nicht ordnungsgemäßer Ausführung von Leistungen verbunden wäre, erachtet der BGH als spekulativ. Schließlich sei auch die Vergütung, die der „Bieter“ dem Portal zahle (20 Prozent des mit dem Patienten vereinbarten Honorars), nicht als Entgelt für die Zuweisung von Patienten zu verstehen, sondern werde als Entgelt für die Nutzung des virtuellen Marktplatzes gezahlt.

     

    Das BGH-Urteil mag mit dieser Argumentation als vordergründig und wenig realitätsbezogen bewertet werden. Es eröffnet jedoch wenig Chancen, aussichtsreich gegen die Nutzung virtueller Marktplätze auf dem Gebiet medizinischer Versorgungen vorzugehen. Allenfalls in Fällen, in denen Heil- und Kostenpläne ohne Kenntnis des Patienten von der Versicherung in anonymisierter Form „zum Bieten“ freigegeben werden, wäre dies wettbewerbs- und datenschutzrechtlich bedenklich und ein Vorgehen hiergegen aussichtsreich.

    Nicht alle Versorgungen haben den gleichen Qualitätsstandard

    Zu wenig beachtet wird der Umstand, dass eine gleichartige Versorgung nicht gleichzusetzen ist mit einer gleichwertigen Versorgung. Nicht alle Uhren sind gleich, nur weil sie die gleiche Zeit anzeigen. Die Werbung der betreffenden Internetportale enthält eine Aussage, die zweifelhaft sein dürfte - nämlich dass alle zahnärztlichen Leistungen und Versorgungen den gleichen Qualitätsstandard haben. Meist wird dies daraus hergeleitet, dass immer eine „Lege- artis“-Behandlung geschuldet ist. Das mag für die Mindestanforderungen an Qualität gelten, die in der Zahnmedizin einzuhalten sind, nicht jedoch für die Qualitätssteigerung nach oben, die in der Regel zeitabhängig ist.

     

    Einzuräumen ist, dass es sich beim Serviceangebot der ERGO direkt um ein Angebot handelt, das der Versicherte in Anspruch nehmen kann, aber nicht muss. Es mag daher richtig sein, dass die Initiative, ein Vergleichsangebot einzuholen, vom Patienten ausgeht. Jedoch macht dieser sich nicht immer bewusst, dass zahnärztliche Leistungen nicht isoliert und nur nach dem Preis beurteilt werden können. Der Zweitzahnarzt erstellt den alternativen Heil- und Kostenplan, ohne den Patienten auch nur gesehen zu haben.

    Durch Aufklärung ein gutes Vertrauensverhältnis schaffen

    Letztendlich wird es angesichts der zunehmenden Möglichkeiten virtueller Marktplätze auch im Bereich des Gesundheitswesens wichtig sein, den Patienten umfassend aufzuklären und so ein Vertrauensverhältnis zu schaffen, das ihn für Billigangebote im Gesundheitswesen weniger anfällig macht.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2016 | Seite 1 | ID 44391270