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  • · Fachbeitrag · Chirurgie

    Beispiele zur Entfernung von Zähnen bei Patienten mit einer Blutgerinnungsstörung

    | Extraktionen von Zähnen sind Bestandteil der täglichen Arbeit eines Zahnarztes. Manchmal kommt es je nach Zerstörungsgrad zu operativen Entfernungen. Hier gilt die Aufmerksamkeit den direkten Nachbarstrukturen wie zum Beispiel der Kieferhöhle sowie dem Verlauf des Nervus alveolaris inferior bzw. Nervus mentalis im Unterkiefer-Bereich. Viele Patienten leiden an Allgemeinerkrankungen, die besonderer Beachtung durch den Behandler bedürfen. Bei zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen sind angeborene oder erworbene bzw. medikamentös hervorgerufene Störungen der Blutgerinnung besonders zu berücksichtigen. In diesem Beitrag wird daher die Vorgehensweise und Abrechnung der erbrachten Leistungen aufgezeigt. |

    Die Vorgehensweise bei Blutgerinnungsstörungen

    Die Bedeutung eines sorgfältig ausgefüllten Anamnesebogens sowie die ergänzende mündliche Nachfrage beim Patienten nach derartigen Erkrankungen respektive Medikationen ist besonders wichtig. Ein eigenmächtiges Absetzen von blutgerinnungshemmenden Medikamenten durch den Patienten oder den Zahnarzt ist nicht geraten. Es empfiehlt sich daher in den weitaus meisten Fällen eine Rückfrage bzw. Absprache mit dem behandelnden Hausarzt, Internisten oder Kardiologen.

     

    Wie bei allen Behandlungen ist auch hier die Vermeidung von Blutungskomplikationen die beste Maßnahme. Hierzu zählen neben einem atraumatischen Vorgehen lokale resorbierbare Hämostyptika wie Cellulose oder Kollagenvliese bzw. resorbierbare Gelantineschwämmchen. In ausgewählten Fällen ist der Einsatz eines lokal anzuwendenden Fibrinklebers zu erwägen. Diese dienen der Stabilisierung des Blutkoagulums, wobei die Wundränder mittels Nähten - eventuell auch resorbierbar - fixiert werden. In den genannten Fällen liegt die Schwierigkeit oftmals mehr in der Blutungsneigung des Patienten als in der Schwierigkeit der Zahnentfernung.

     

    Trotz Beachtung der Maßnahmen kann es zu stärkeren Blutungen intra- bzw. postoperativ kommen, die eine besondere Behandlung erforderlich machen. Diese ist manchmal sehr zeitaufwendig und steht nicht im entsprechenden Verhältnis zur Abrechnungsmöglichkeit dieser Leistungen. In diesem Beitrag beschäftigen wir uns daher mit den diversen Abrechnungspositionen.

     

    In den Allgemeinen Bestimmungen des Abschnitts D der GOZ heißt es unter anderem, dass die primäre Wundversorgung nicht gesondert berechnungsfähig ist. Dazu gehören sowohl das Tamponieren als auch der Wundverschluss ohne zusätzliche Lappenbildung. Materialien zur Förderung der Blutgerinnung oder der Gewebsregeneration sowie zum Verschluss von oberflächlichen Blutungen bei hämorrhagischen Diathesen sind gesondert berechnungsfähig. Diese können dem Patienten gesondert in Rechnung gestellt werden.

    Sehen wir uns die Abrechnungspositionen zur Blutstillung in der GOZ an:

     

    GOZ

    Leistungsbeschreibung

    Faktor

    Betrag Euro

    3050

    Stillung einer übermäßigen Blutung im Mund- und/ oder Kieferbereich, als selbstständige Leistung

    2,3

    14,23

     

    Die Gebührenziffer ist mehrfach abrechenbar, wenn örtlich und oder zeitlich getrennt mehrere Blutungen auftreten.

     

    Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) ergänzt, dass „im Rahmen von chirurgischen Eingriffen es zwangsläufig zu Blutungen kommt, die aber in der Regel selbst zum Stillstand kommen oder durch einfache Maßnahmen gestillt werden können.“ Die BZÄK erläutert weiterhin: „Die Stillung einer Blutung, auch größeren Umfanges, die operationsspezifisch ist, ist mit der jeweiligen Gebühr abgegolten.“

     

    Darunter zählen das Auflegen eines Tupfers zur Kompression und das Einbringen eines Hämostypticums mit anschließender zeitverzögerter Kontrolle hinsichtlich des Blutungsstillstandes. Hier würde man bei der Abrechnung dann für die Hauptleistung - Extraktion oder operative Entfernung - den Steigerungssatz anheben.

     

    Weiter erläutert die BZÄK: „Nur eine Blutung, die das typische Maß deutlich übersteigt und deren Stillung eine Unterbrechung der eigentlichen chirurgischen Leistung erfordert oder nach der chirurgischen Leistung auftritt, löst den Ansatz der GOZ 3050 aus.“ Hier dokumentiert die BZÄK eindeutig, dass die selbstständige Leistung bei der Berechnung der GOZ-Nr. 3050 ausschlaggebend für die Berechnung ist. Zwei Varianten - die Unterbrechung und die Vollendung des eigentlichen Eingriffs - sind im Kommentar der BZÄK angesprochen.

    Erstes Beispiel

    Entfernung von Zahn 36, leichte Sickerblutung, Kompression mittels Tupfer und Kontrolle nach 10 Minuten - die Blutung steht.

     

    Zahn
    Anzahl
    GOZ
    GOÄ
    Leistungsbeschreibung
    Faktor
    Betrag Euro

    36

    1

    0100

    Intraorale Leitungsanästhesie

    2,3

    9,05

    36

    1

    0090

    Infiltrationsanästhesie 
Begründung: chirurgischer Eingriff - Schmerzausschaltung

    2,3

    7,76

    Anästhesielösung § 4 (3) GOZ

    xxxx

    36

    1

    3020

    Entfernung tieffrakturierter/zerstörter Zahn; Begründung: Erhöhter Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wg. Blutstillung

    3,0

    45,57

    1

    0500

    OP-Zuschlag gemäß Abschnitt L der GOZ

    1,0

    22,50

     

    Die Faktorbestimmung ist bei allen Beispielen praxisindividuell gewählt. Je nach Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand muss der Behandler selbst diese Angaben zur Leistung modifizieren. Ebenfalls sind in den Beispielen die Vor- und Nachbehandlung nicht aufgeführt.

    Zweites Beispiel

    Die eigentliche Behandlung - zum Beispiel die Entfernung eines Zahnes - ist beendet, die Blutung kommt auch nach Kompression mittels Tupfer nicht zum Stillstand. Ein Kollagenkegel wird zur Blutstillung eingelegt, es erfolgt zusätzlich eine Nahtlegung zur Fixierung. Die Wunde wird anschließend erneut durch einen Tupfer komprimiert und nach 15 Minuten kontrolliert. Die Einbringung des Kegels ist nicht gesondert berechenbar. Die Materialkosten gemäß § 4 Abs. 3 GOZ sind ansetzbar.

     

    Zahn
    Anzahl
    GOZ
    GOÄ
    Leistungsbeschreibung
    Faktor
    Betrag Euro

    36

    1

    0100

    Intraorale Leitungsanästhesie

    2,3

    9,05

    36

    1

    0090

    Infiltrationsanästhesie; Begründung: chirurgischer Eingriff - Schmerzausschaltung

    2,3

    7,76

    Anästhesielösung § 4 (3) GOZ

    xxxx

    36

    1

    3020

    Entfernung tieffrakturierter/zerstörter Zahn

    Begründung: Erhöhter Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen gekrümmter Wurzeln sowie stärkerer Blutung

    3,5

    53,15

    1

    0500

    OP-Zuschlag gemäß Abschnitt L der GOZ

    1,0

    22,50

    36

    1

    3050

    Stillung einer übermäßigen Blutung im Mund-/oder Kieferbereich, als selbstständige Leistung; Begründung: Blutstillung mittels Kollagenkegel und Situationsnaht

    3,5

    21,65

    Kollagenkegel § 4 (3) GOZ

    xxxx

    Atraumatisches Nahtmaterial § 4 (3) GOZ

    xxxx

     

    Der PKV-Verband weist in seiner Publikation (www.pkv.de/publikationen) auf die Ausführungen der Bundeszahnärztekammer hin. Wörtlich heißt es: „In derselben Sitzung kann die GOZ-Nr. 3050 zusammen mit einer chirurgischen Leistung nur dann berechnet werden, wenn die Blutstillungsmaßnahme an einer anderen Stelle, das heißt nicht im Operationsgebiet erfolgt. Unter sehr engen Voraussetzungen ist die GOZ Nr. 3050 auch dann in derselben Sitzung berechnungsfähig, wenn die Blutung derart stark ist und das typische Maß außergewöhnlich deutlich übersteigt, dass die eigentliche chirurgische Leistung unterbrochen werden muss, um Blutstillungsmaßnahmen einzuleiten“.

     

    Die Dokumentation muss exakt sein. Die PKV wird gegebenenfalls nur die Kosten übernehmen, wenn eine Unterbrechung des Eingriffs notwendig wurde. Eine Zeitangabe wird nicht gefordert. Die GOZ-Nr. 3050 kann selbstverständlich immer dann berechnet werden, wenn der Patient erneut in die Praxis kommt und eine Blutung gestillt werden muss.

     

    GOZ

    Leistungsbeschreibung

    Faktor

    Betrag Euro

    3060

    Stillung einer Blutung durch Abbinden oder Umstechung des Gefäßes oder durch Knochenbolzung

    2,3

    18,11

     

    Die Leistung kann in derselben Sitzung erfolgen; sie ist bei mehreren örtlich getrennten Blutungen ebenfalls mehrfach berechenbar. Hier ist eine Unterbrechung der Behandlung nicht gefordert. Diese Leistung kann intraoperativ - also während der eigentlichen Behandlung - oder im Anschluss als auch nach erfolgtem Eingriff und in gesonderter Sitzung erfolgen. Wird zusätzlich ein Hämostyptikum eingebracht, kann hier ebenfalls nur das Material, aber nicht die Einbringung berechnet werden.

    Drittes Beispiel

    Der Zahn 36 wird durch Osteotomie entfernt. Eine Lappenbildung ist nicht erfolgt. Es kommt zur Gefäßblutung. Die Blutstillung wird durch Knochenbolzung in Verbindung mit Knochenwachs durchgeführt. Es folgt eine Naht zur Stabilisierung der Wundränder. Die Wunde wird mittels Tupfer komprimiert und nach 15 Minuten eine Kontrolle durchgeführt.

     

    Zahn
    Anzahl
    GOZ
    GOÄ
    Leistungsbeschreibung
    Faktor
    Betrag Euro

    36

    1

    0100

    Intraorale Leitungsanästhesie

    2,3

    9,05

    36

    1

    0090

    Infiltrationsanästhesie 
Begründung: chirurgischer Eingriff - Schmerzausschaltung

    2,3

    7,76

    Anästhesielösung § 4 (3) GOZ

    xxxx

    36

    1

    3030

    Entfernung eines Zahnes durch Osteotomie

    3,5

    68,90

    Hinweis: Die Leistung erfordert nicht zwingend die Bildung eines Mukoperiostlappens.

    1

    0500

    OP-Zuschlag gemäß Abschnitt L der GOZ

    1,0

    22,50

    36

    1

    3060

    Stillung einer Blutung durch Abbinden oder Umstechung des Gefäßes oder durch Knochenbolzung; Begründung: Erhöhter Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand aufgrund erschwerten Zugangs bei schlechten Sichtverhältnissen

    3,5

    27,56

    Atraumatisches Nahtmaterial § 4 (3) GOZ

    xxxx

    Knochenwachs § 4 (3) GOZ

    xxxx

     

     

    Zur Vermeidung längerer postoperativer Nachblutungen wird bei Patienten mit Hämostasestörungen - gleich welcher Art - häufig ein resorbierbares gerinnungsstabilisierendes Material eingesetzt. Hier liegt per se also keine übermäßige Blutung vor - diese soll vielmehr im Vorfeld vermieden werden. Dafür ist keine separate Ziffer vorgesehen (siehe dazu Allgemeine Bestimmungen, Abschnitt D Nr. 3). Hier kann der Steigerungsfaktor angehoben werden.

     

    Gegebenenfalls kann die Nr. Ä2381 (Einfache Hautlappenplastik in speziellen Fällen) zur Anwendung kommen. Die Materialien können dem Patienten gemäß §4 Abs. 3 GOZ berechnet werden. Als weitere Möglichkeit kann für die Entfernung von Zähnen bei Patienten mit Blutgerinnungsstörungen vorab eine Vergütungsvereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ geschlossen werden.

     

    Unter Umständen wird es notwendig sein, Angehörige oder Pflegepersonal in die Aufklärung bzw. Unterweisung in das postoperative Verhalten mit einzubeziehen. Hier könnte dann die GOÄ-Nr. 4 zur Abrechnung eingesetzt werden.

     

    Bei Eingriffen im Oberkiefer - selten im Unterkiefer - ist die Anfertigung einer Verbandplatte bei entsprechender Indikation notwendig. Die Laborkosten werden gemäß § 9 GOZ in Rechnung gestellt, die Verbandplatte nach GOÄ-Nr. 2700 und das Abformmaterial gemäß § 4 Abs. 3 GOZ abgerechnet.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 6 | ID 40180690