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  • · Fachbeitrag · Bilanzierung

    Passive latente Steuern als Rückstellungen: Unterschiedliche Vorgaben für WP und StB

    von StB Dipl.-Finw. (FH) Sonja Steben, Dortmund

    | Kleine Kapitalgesellschaften sind von der Bildung latenter Steuern befreit. Strittig ist jedoch, ob passive latente Steuerbelastungen über den Umweg des § 249 HGB als Verbindlichkeitsrückstellung zu passivieren sind. Hierzu vertreten das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) und die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) unterschiedliche Auffassungen, was für die Mitglieder dieser Berufsverbände mit Konflikten verbunden sein kann. |

    1. Ausgangssituation

    Durch latente Steuern sollen die zukünftigen Steuerbelastungen bzw. Steuerentlastungen aus Buchwertunterschieden zwischen Aktiv- und Passivposten der Handels- und Steuerbilanz bilanziell abgebildet werden. Des Weiteren soll das handelsrechtliche Ergebnis vor Steuern mit einem dazu passenden Steueraufwand dargestellt werden.

     

    § 274 HGB fordert die Bildung latenter Steuern nach dem vermögensorientierten Temporary-Concept. Hiernach werden sich umkehrende Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanzansatz als Bemessungsgrundlage für die latenten Steuern herangezogen.

     

    Hinweis | Vor BilMoG galt das ergebnisorientierte Timing-Concept, das auf die Ergebnisunterschiede in Handels- und Steuerbilanz abstellte.

     

    Aktive latente Steuern sollen zukünftige Steuerentlastungen, passive latente Steuern spätere Steuerbelastungen abbilden. Es gilt folgende Faustformel: Mindervermögen (Mehrvermögen) in der Handelsbilanz gegenüber der Steuerbilanz: aktive (passive) Latenz.

     

    • Beispiele

    Aktive latente Steuern: In der Handelsbilanz wird eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften i.H. von 600 TEUR gebildet. Steuerlich ist eine Passivierung nach § 5 Abs. 4a EStG nicht zulässig. Bei einem unterstellten Steuersatz von 30 % führt das handelsrechtliche Mindervermögen zu einer aktiven Steuerlatenz i.H. von 200 TEUR.

    Passive latente Steuern: Die X-GmbH veräußert ihr unbebautes Grundstück und bildet in Höhe der stillen Reserven von 100 TEUR eine Rücklage gemäß § 6b EStG in der Steuerbilanz. Da handelsrechtlich kein Rücklagenausweis erfolgen darf, führt die Rücklagenbildung zu einer passiven Steuerlatenz von 30 TEUR (Prämisse: Steuersatz 30 %).

     

    Latente Steuern dürfen nur dann gebildet werden, wenn sich die bilanziellen Wertdifferenzen in den Folgejahren wieder abbauen (temporäre Differenzen). Für permanente Differenzen, die auch später keine Umkehr erfahren, dürfen dagegen keine aktiven oder passiven latenten Steuern gebildet werden. Die Bilanzierungsunterschiede beruhen hier auf Geschäftsvorfällen, die entweder nur in der Handels- oder nur in der Steuerbilanz erfolgswirksam behandelt werden. Dies gilt z.B. für steuerfreie Investitionszulagen oder steuerlich nicht abzugsfähige Betriebsausgaben.

     

    Vor BilMoG wurde noch eine dritte Fallgruppe (die quasi-permanenten Differenzen) unterschieden, die sich zwar dem Grunde nach später umkehren können, deren Auflösung aber von noch zu treffenden Dispositionen des Bilanzierenden abhängt. Im Unterschied zu permanenten Differenzen kann der Ausgleich zu einem unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft jedoch erfolgen. Wurden quasi-permanente Differenzen bis dato nicht erfasst, sind latente Steuern seit BilMoG nun auch bei quasi-permanenten Differenzen zu bilden.

     

    Die aktiven und passiven Steuerlatenzen aus den Buchwertunterschieden werden saldiert und als separater Posten auf der Aktiv- bzw. Passivseite der Handelsbilanz ausgewiesen. Ergibt sich insgesamt ein Passivüberhang, muss dieser angesetzt werden (§ 274 Abs. 1 S. 1 HGB). Ein Aktivüberhang darf angesetzt werden (§ 274 Abs. 1 S. 2 HGB).

     

    Hinweis | Darüber hinaus hat der Bilanzierende ein Wahlrecht, ob er den zu bilanzierenden Saldo oder die hinter diesem stehenden Steuerbelastungen und Steuerentlastungen unsaldiert in der Bilanz zeigt (§ 274 Abs. 1 S. 3 HGB).

     

    § 274 HGB ist verpflichtend für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften i.S. von § 264a HGB. Kleine Gesellschaften i.S. des § 267 HGB sind nach § 274a Nr. 5 HGB von der Anwendung des § 274 HGB indes befreit. Eine freiwillige Anwendung der Steuerlatenzrechnung für kleine Gesellschaften sowie unabhängig von der Größe auch für Einzelunternehmen und haftungsunbeschränkte Personenhandelsunternehmen ist möglich (IDW RS HFA 7 Tz. 18; Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, § 274 HGB, Rz. 3g).

    2. Auffassung des IDW

    In der am 6.2.12 verabschiedeten Neufassung der „IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Handelsrechtliche Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften“ (IDW RS HFA 7, veröffentlicht in FN 3/12, 189 ff.) vertritt das IDW die Auffassung, dass kleine Personenhandelsgesellschaften i.S. von § 264a HGB und nicht haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften bei Nichtanwendung des § 274 HGB gleichwohl Rückstellungen für passive latente Steuern ansetzen müssen, sofern die Voraussetzungen einer Rückstellung gemäß § 249 HGB erfüllt sind.

     

    Das IDW bezieht sich dabei auf die Gesetzesbegründung zum BilMoG, in der es heißt: „De facto haben kleine Kapitalgesellschaften danach nur passive latente Steuern zu ermitteln und dies nur dann, wenn gleichzeitig die Tatbestandsvoraussetzungen für den Ansatz einer Rückstellung gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 HGB vorliegen“ (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 68).

     

    Hinweis | Die Steuerlatenzrechnung würde damit nicht über die Regelung des § 274 HGB eröffnet, sondern über § 249 HGB, der für alle Kaufleute gilt. Damit wären nicht nur Personenhandelsunternehmen, sondern insbesondere auch kleine Kapitalgesellschaften betroffen.

     

    Das IDW sieht im Abbau der Buchwertdifferenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz, die künftig zu Steuerbelastungen führen, eine wirtschaftliche Belastung zum Abschlussstichtag (IDW RS HFA 7, Tz. 26). Damit seien die Voraussetzungen des § 249 HGB erfüllt. Anders als im Bereich des § 274 HGB sollen hier jedoch quasi-permanente Differenzen nicht zu berücksichtigen sein, wenn mit dem Eintritt der Steuerbelastung auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist. Dies soll an jedem Abschlussstichtag überprüft werden.

     

    Die Bewertung der Rückstellung für passive latente Steuern soll nach den allgemeinen Grundsätzen erfolgen. Aktive Steuerlatenzen und Vorteile aus steuerlichen Verlustvorträgen sind rückstellungsmindernd zu berücksichtigen. Darüber hinaus wird es nicht beanstandet, wenn eine Abzinsung der Rückstellung unterbleibt (IDW RS HFA 7, Tz. 27). Der Ausweis soll gesondert unter den Steuerrückstellungen erfolgen IDW RS HFA 7, Tz. 28).

    3. Auffassung der BStBK

    Die BStBK hatte bereits im September 2011 zum Entwurf des IDW RS HFA 7 Stellung genommen. Aktuell hat sie ihre Position bekräftigt (Verlautbarung der BStBK zum Ausweis passiver latenter Steuern als Rückstellungen in der Handelsbilanz, beschlossen am 18.9.12, DStR 12, 2296; unter www.iww.de/sl204).

     

    Nach Auffassung der BStBK sind die Voraussetzungen einer Rückstellungsbildung für passive latente Steuern grundsätzlich nicht gegeben. Notwendige Bedingung für den Ansatz einer Rückstellung ist entweder eine rechtlich oder wirtschaftlich entstandene Verbindlichkeit. Eine rechtlich entstandene Steuerschuld wird vorliegend verneint, denn Ertragsteuern entstehen erst mit Ablauf des jeweiligen Erhebungsjahrs und nicht schon in dem Jahr der Buchwertdifferenz zwischen Handels- und Steuerbilanz.

     

    Eine wirtschaftliche Belastung soll (ausnahmsweise) nur dann vorliegen, wenn die Buchwertdifferenz auf steuerlichen Tatbeständen beruht, mit denen eine Steuerstundung erreicht wird. Dies betrifft nur Fälle von unversteuerten Rücklagen (§ 6b EStG und Rücklagen für Ersatzbeschaffung nach R 6.6 Abs. 4 EStR) sowie die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG - und zwar auch nur dann, wenn „aus der Sicht des Abschlussstichtags eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme (Entstehung der Steuer) besteht, dass die Rücklage oder der Investitionsabzugsbetrag in der Zukunft ohne Übertragung auf ein Wirtschaftsgut aufgelöst werden wird“.

     

    Darüber hinaus vertritt die BStBK folgende Sichtweisen:

     

    • keine Kürzung um aktive Steuerlatenzen,
    • Abzinsung nach den allgemeinen Grundsätzen des § 253 Abs. 2 S. 1 HGB,
    • Ausweis unter den Steuerrückstellungen; ein gesonderter Ausweis ist nicht erforderlich.

     

    Beachten Sie | Das IDW hat am 15.10.12 eine Gegenäußerung zur Ansicht der BStBK veröffentlicht und (wie nicht anders zu erwarten) im Ergebnis auf seiner Position beharrt.

    4. Bewertung

    Die BStBK hat eine Rückstellungsbildung mit guten Argumenten verneint bzw. den Anwendungsbereich im Vergleich zum IDW deutlich eingeschränkt.

     

    4.1 Weitere Gründe gegen eine Rückstellung

    Auch m.E. scheidet eine Rückstellung nach § 249 HGB grundsätzlich aus, da eine wirtschaftliche Verursachung erst dann gegeben ist, wenn das Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt und damit der Tatbestand, an den das Gesetz das Entstehen der Verpflichtung knüpft, im Wesentlichen bereits verwirklicht ist (u.a. BFH 25.8.89, III R 95/87). Für Jahressteuern wird hierfür nach herrschender Meinung gefolgert, dass diese erst mit Ablauf des jeweiligen Erhebungszeitraums wirtschaftlich entstehen. Vorher ist der steuerauslösende Tatbestand noch nicht im Wesentlichen verwirklicht (Weber-Grellet, in Ludwig Schmidt, § 5 EStG, Rz. 387). Die wirtschaftliche Verursachung liegt erst mit Ablauf des jeweiligen Erhebungszeitraums vor, in dem die latente Steuer zu einer echten Verpflichtung wird.

     

    Zudem ist zu bedenken, dass passive latente Steuern aus Buchwertdifferenzen nur einen wertbildenden Beitrag zu in künftigen Perioden möglicherweise entstehenden Steuerschulden leisten (vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, § 274 HGB, Rz. 3e). Sie können damit eine Steuerschuld erhöhen, sind selbst aber keine Schuld dem Grunde nach. Eine Subsumierung unter § 249 Abs. 1 S. 1 HGB verbietet sich damit, steht jedoch einem Ausweis nach § 274 HGB als lex specialis nicht entgegen.

     

    Folgt man der Auffassung des IDW, wird der Vereinfachungsgedanke des § 274a Nr. 5 HGB komplett konterkariert. Das Ziel, kleine Kapitalgesellschaften von der komplexen Thematik der latenten Steuern zu entlasten, würde über die Hintertür des § 249 HGB zunichte gemacht.

     

    4.2 Unterschiedliche Stellungnahmen als echtes Praxisproblem

    Wie soll nun aber der Jahresabschluss erstellt werden? Mitglieder des IDW sind an dessen Stellungnahmen grundsätzlich gebunden, was insbesondere sog. Doppelbänder (sowohl Wirtschaftsprüfer als auch Steuerberater) in Konflikte bringen könnte. Der DStV (Eingabe S 13/11 an das BMJ vom 11.8.11, unter www.iww.de/sl205) befürchtet daher schon zwei unterschiedliche Jahresabschlüsse, je nachdem durch welchen Berater der Mandant vertreten wird. Offen ist auch, wie ein von einem Steuerberater erstellter Jahresabschluss bei einer Abschlussprüfung durch einen dem IDW angeschlossenen Wirtschaftsprüfer beurteilt wird. Soweit ersichtlich hat die Wirtschaftsprüferkammer hierzu bislang noch nicht offiziell Stellung bezogen.

     

    Ausblick: Der DStV (a.a.O.) strebt eine Änderung des § 249 Abs. 2 HGB dahingehend an, dass eine Rückstellung für latente Steuern ausdrücklich ausgeschlossen wird. Die weitere Entwicklung bleibt somit abzuwarten.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2012 | Seite 208 | ID 36747000

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