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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Viele Anwendungsfragen zu den Neuregelungen bei der Umkehr der Steuerschuldnerschaft

    von Dipl.-Finw. (FH) Thomas Meurer, Baesweiler

    | Der Gesetzgeber hat die Vorschrift des § 13b UStG durch das sogenannte Kroatiengesetz (BGBl I 14, 1266) zum 1.10.14 umfassend ausgedehnt und modifiziert. Der Kreis der betroffenen Unternehmen wurde erheblich erweitert. Obwohl das BMF (26.9.14, IV D 3 - S 7279/14/10002, Abruf-Nr. 142988 ) einige Erläuterungen und Übergangsregelungen vorgenommen hat, bleiben dennoch Anwendungsfragen offen. |

    1. Überblick über die Änderungen

    Neben der Herstellung des alten Status Quo bei den Bauleistungen (vgl. Meurer, MBP 14, 158) sind zum 1.10.14 folgende Änderungen in Kraft getreten:

     

    • § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG (Lieferungen von Mobilfunkgeräten sowie von integrierten Schaltkreisen) wurde um Lieferungen von Tablet-Computern und Spielekonsolen ergänzt.

     

    • Erweiterung auf Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen, Selen und Cermets (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG).

     

    • Gesetzliche Fixierung der Vereinfachungsregelung des A 13b.8 UStAE in § 13b Abs. 5 S. 7 UStG.

     

    • Bei Lieferungen von in § 13b Abs. 2 Nr. 2, 7 und 9 bis 11 UStG genannten Gegenständen, für die der leistende Unternehmer die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG anwendet, wird der Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner (§ 13b Abs. 5 S. 9 UStG).

     

    PRAXISHINWEIS | Die Erweiterungen bzw. Änderungen sind auf Umsätze und Teilleistungen anzuwenden, die nach dem 30.9.14 ausgeführt werden. Neben zahlreichen Nichtbeanstandungsregelungen für Anzahlungsfälle verfügt das BMF in seinem Schreiben vom 26.9.14 insbesondere, dass bei Lieferungen von Tablet-Computern, Spielekonsolen, Edelmetallen (mit Ausnahme der Lieferungen von Gold i.S. des § 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG), unedlen Metallen, Selen und Cermets eine Anwendung der Neuregelungen erst ab dem 1.1.2015 zwingend erfolgen muss.

     

    2. Differenzbesteuerung

    Die neue Vorschrift des § 13b Abs. 5 S. 9 UStG regelt, dass eine Umkehr der Steuerschuldnerschaft - trotz erfüllter Voraussetzungen - bei bestimmten Tatbeständen nicht stattfindet, wenn der leistende Unternehmer die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG anwendet.

     

    Hiervon erfasst werden:

     

    • sicherungsübereignete Gegenstände (§ 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG),
    • bestimmte Schrott- und Abfalllieferungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG),
    • bestimmte Lieferungen von Gold (§ 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG),
    • Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern etc. (§ 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG) und
    • Lieferungen von Edelmetallen/unedlen Metallen (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG).

     

    Die Anwendung der Steuerschuldnerschaft wäre für den Leistungsempfänger in diesen Fällen nahezu unmöglich. Bei der Differenzbesteuerung hat der Unternehmer nur die Marge zwischen dem Verkaufs- und dem Einkaufspreis zu besteuern (§ 25a Abs. 3 UStG). Würde die Steuerschuld aus der Marge auf den Leistungsempfänger übergehen, müsste dieser den Einkaufspreis seines Lieferanten kennen. Da der Lieferant diesen regelmäßig nicht offenlegen wird, hat der Leistungsempfänger also gar nicht die Möglichkeit, eine ordnungsgemäße Besteuerung vorzunehmen.

     

    Beachten Sie | Diese „Unmöglichkeit der ordnungsgemäßen Besteuerung“ war auch schon vor dem 1.10.14 vorhanden. Im BMF-Schreiben vom 26.9.14 ist insoweit von einer Klarstellung die Rede, was bedeuten könnte, dass 13b UStG in diesen Fällen auch vor dem 1.10.14 nicht zur Anwendung kommt.

     

    PRAXISHINWEIS | Verzichtet der leistende Unternehmer nach § 25a Abs. 8 UStG auf die Anwendung der Differenzbesteuerung, ist § 13b UStG zu beachten. Für den Leistungsempfänger dürfte dies regelmäßig aus den Rechnungen erkennbar sein, da der Leistende nach § 14a Abs. 6 UStG verpflichtet ist, in seinen Ausgangsrechnungen auf die Anwendung des § 25a UStG hinzuweisen. Fehlt dieser Hinweis und enthält die Rechnung auch keinen Hinweis auf die Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (vgl. § 14a Abs. 5 UStG), muss beim leistenden Unternehmer angefragt werden, welche Besteuerungsform gewählt wurde.

     

    3. Vereinfachungsregelung

    Die bisherige Vereinfachungsregelung in A 13b.8 UStAE wurde nunmehr gesetzlich festgeschrieben (§ 13b Abs. 5 S. 7 UStG). Gehen der Leistungsempfänger und der leistende Unternehmer in Zweifelsfällen übereinstimmend vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Nr. 4, Nr. 5 Buchst. b, Nr. 7 bis 11 UStG aus, obwohl dies nach der Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Kriterien nicht zutreffend war, gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner.

     

    Beachten Sie | Voraussetzung ist, dass durch die Einigung keine Steuerausfälle entstehen. Nach Auffassung des BMF ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn der Umsatz vom Leistungsempfänger in zutreffender Höhe versteuert wird. Fraglich ist, ob neben der Erklärung auch die Entrichtung der Steuer (sofern kein entsprechender Vorsteuerabzug gegeben ist) erfolgt sein muss. Bislang hatte die Verwaltung (u.a. BMF 2.12.04, IV A 6 - S 7279 - 100/04) nur die ordnungsgemäße Anmeldung des Leistungsempfängers verlangt, die Formulierung „keine Steuerausfälle“ dürfte jedoch darüber hinausgehen.

     

    Die Vereinfachungsregelung soll zudem - nach Verwaltungsmeinung - nicht gelten, wenn fraglich war, ob die Voraussetzungen hierfür in der Person der beteiligten Unternehmer (z.B. die Eigenschaft als Bauleistender) erfüllt sind. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Einigkeit nur über die Art der Leistung (z.B. liegt eine Lieferung eines Tablet-Computers vor) hergestellt werden kann.

     

    PRAXISHINWEIS | Der leistende Unternehmer sollte stets eine Netto-Vereinbarung treffen und sich die Anwendung der Vereinfachungsregelung sowie dessen Beibehaltung durch den Leistungsempfänger schriftlich bestätigen lassen, um bei etwaigen, späteren Rückgriffen der Finanzverwaltung zumindest einen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Leistungsempfänger geltend machen zu können.

     

    4. Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen, Selen und Cermets

    Welche Gegenstände unter den neuen § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG fallen, regelt die Anlage 4 zum UStG. Hierzu gehören vor allem Metalle in Rohform oder als Halberzeugnis (z.B. Silber, Platin, Gold, Kupfer, Aluminium). Die Anlage 4 nimmt eine Unterscheidung anhand der Zolltarifposition vor.

     

    Die neue Vorschrift sieht keine betragsmäßige Einschränkung analog der „5.000 EUR-Grenze“ des § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG vor. Zudem gilt die Vorschrift nach § 13b Abs. 5 S. 6 UStG auch, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich des Leistungsempfängers bezogen wird, was zu abstrusen Steuerfolgen führen kann.

     

    • Beispiel

    Kauft ein Unternehmer in einem Supermarkt z.B. Alufolie, fällt diese Lieferung auch dann unter die Neuregelung, wenn der Unternehmer die Alufolie ausschließlich privat verwendet. Der Supermarkt müsste demnach netto abrechnen und auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinweisen, was kassentechnisch nicht möglich sein wird. Weist der Supermarkt die Umsatzsteuer aus, entsteht zusätzlich Steuer nach § 14c UStG.

     

    Im Schreiben vom 26.9.14 definiert das BMF näher, was unter die einzelnen Nummern der Anlage 4 fallen soll. Unter die Nr. 6 der Anlage 4 fallen z.B.: nicht raffiniertes Kupfer und Kupferanoden zum elektrolytischen Raffinieren, raffiniertes Kupfer und Kupferlegierungen (in Rohform). Nicht jedoch: dünner steriler Bronzedraht für chirurgische Zwecke (Nähte), Kupferrohre, Saiten für Musikinstrumente, Streckbleche und -bänder, Prägefolien aus Kupfer oder Kupferpulver, bedruckte Etiketten aus Kupferfolien, als Christbaumschmuck aufgemachte Folien und vieles mehr.

     

    Jedoch lassen die Ausführungen der Finanzverwaltung weiterhin eine Vielzahl von Fragen offen. Kauft z.B. ein Dachdecker im Baumarkt Regenrinnen aus Kupfer, müssen die Beteiligten klären, ob raffiniertes Kupfer bzw. eine Kupferlegierung vorliegt oder ggf. ein Kupferrohr, weshalb eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nicht vorliegt.

     

    Wie diese beispielhaften Ausführungen zeigen, dürfte es für Unternehmer ohne physikalisches und chemisches Spezialwissen regelmäßig nicht möglich sein, zu bestimmen, ob ein Umsatz unter die Anlage 4 fällt oder nicht.

     

    PRAXISHINWEIS | Bestehen Zweifel, können die Beteiligten die oben aufgeführte Vereinfachungsregelung anwenden. Sie können aber auch bei dem zuständigen Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung eine unverbindliche Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke (uvZTA) mit dem Vordruckmuster 0310 einholen (vgl. A 13b.4 Abs. 1 S. 2 bis S. 4 UStAE).

     

     

    Derzeit bleibt nur zu hoffen, dass zumindest eine betragsmäßige Beschränkung eingeführt wird, um die o.g. Massenpraxisprobleme (z.B. Einkauf im Super- oder Baumarkt) zu entschärfen.

    5. Lieferungen von Tablet-Computern und Spielekonsolen

    Durch den neuen § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG wurde das Reverse-Charge-Verfahren für Lieferungen von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen um Lieferungen von Tablet-Computern und Spielekonsolen ergänzt. Voraussetzung ist, dass die Summe der in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5.000 EUR beträgt.

     

    Hinsichtlich der neuen Gegenstände hat das BMF folgende Begriffsdefinitionen vorgenommen:

     

    • Ein Tablet-Computer (aus Unterposition 8471 30 00 des Zolltarifs) ist ein tragbarer, flacher Computer in besonders leichter Ausführung, der vollständig in einem Touchscreen-Gehäuse untergebracht ist und mit den Fingern oder einem Stift bedient werden kann.

     

    • Spielekonsolen sollen Computer oder computerähnliche Geräte sein, die in erster Linie für Videospiele entwickelt werden. Neben dem Spielen können sie weitere Funktionen bieten, z.B. Wiedergabe von Audio-CDs, Video-DVDs und Blu-Ray Discs.

     

    Die vom BMF angeführte Unterposition führt „Datenverarbeitungsmaschinen, automatisch, tragbar, mit einem Gewicht von <= 10 kg, mit mindestens einer Zentraleinheit, einer Eingabetastatur und einem Bildschirm (ausg. periphere Einheiten)“ an. Ob tatsächlich Waren unter diese Position des Zolltarifs fallen, könnte fraglich sein, insbesondere da Tablet-PCs keine (externe) Eingabetastatur haben. Betroffene Unternehmer sollten auch für diese Waren eine uvZTA einholen oder die o.a. Vereinfachungsregelung anwenden. Für Spielekonsolen fehlt die Angabe einer Zolltarifposition, sodass Unternehmer insoweit keine Rechtssicherheit durch eine uvZTA erlangen können.

     

    Beachten Sie | Können sich Tablet-Computer bzw. Spielekonsolen in ein Mobilfunknetz einloggen, gelten sie nach Auffassung der Finanzverwaltung als Mobilfunkgeräte (A 13b.7 Abs. 1 UStAE) und unterliegen bereits seit dem 1.7.11 der Umkehr der Steuerschuldnerschaft.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 213 | ID 43060476

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