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  • · Fachbeitrag · Betriebsverpachtung im Ganzen

    Neue Regeln für das Verpächterwahlrecht

    von Dipl.-Finw. (FH) Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg

    | Gibt der Steuerpflichtige seine betriebliche Tätigkeit auf, hat dies in der Regel die Aufdeckung der stillen Reserven im Rahmen einer Betriebsaufgabe zur Folge. Der Steuerpflichtige kann die Betriebsaufgabe jedoch durch Verpachtung seines Betriebs verhindern bzw. zeitlich hinauszögern. Welche Voraussetzungen an eine steuerwirksame Betriebsverpachtung gestellt werden, wird nachfolgend näher erläutert. Dabei wird sowohl die bisherige als auch die durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 (vom 1.11.11, BGBl I 11, 2131) normierte Rechtslage vorgestellt. |

    1. Wahlrecht bei Verpachtung des ganzen Betriebs

    Verpachtet der Steuerpflichtige den ganzen Gewerbebetrieb, gesteht ihm die Rechtsprechung des BFH und ihr folgend die Finanzverwaltung ein Wahlrecht zu:

     

    • Der Betrieb kann durch ausdrückliche Aufgabeerklärung aufgegeben werden, wodurch ein steuerbegünstigter Aufgabegewinn entsteht. Die Betriebsverpachtung führt nunmehr zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG).

     

    • Hat der Verpächter des Betriebs indes die Absicht und zudem die objektive Möglichkeit, die bisherige gewerbliche Tätigkeit später wieder (selbst oder durch einen Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolger) auszuüben, kann zunächst von einer nur vorübergehenden Betriebsunterbrechung ausgegangen werden.

     

    Konkret bedeutet dies: Erklärt der Verpächter keine Betriebsaufgabe, besteht der Betrieb einkommensteuerrechtlich fort und er bezieht in Form der Pachterträge weiterhin Einkünfte aus § 15 EStG. Der verpachtende Einzelunternehmer ist mit seinen gewerblichen Erträgen nicht mehr gewerbesteuerpflichtig, weil der Gewerbesteuer nur „werbende“ Betriebe unterliegen (BFH 18.6.98, IV R 56/97). Ist der Verpächter jedoch eine GmbH oder eine gewerblich geprägte GmbH und Co. KG (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG), liegen auch weiterhin gewerbesteuerpflichtige Einnahmen vor (BFH 25.10.95, IV B 9/95).

    2. Voraussetzungen für die Wahlrechtsausübung

    Die Möglichkeit, das Verpächterwahlrecht auszuüben, ist an bestimmte (sachliche und persönliche) Voraussetzungen geknüpft. Grundsätzlich ist zu beachten, dass das Verpächterwahlrecht bei einer Betriebsaufspaltung sowie bei einer Mitunternehmerschaft zwischen Verpächter und Pächter keine Anwendung findet. Denn in beiden Fällen kann die Betriebsvermögenseigenschaft der verpachteten Wirtschaftsgüter nicht durch Aufgabeerklärung beendet werden.

     

    2.1 Sachliche Voraussetzungen

    Grundvoraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige einen noch „lebenden“, von ihm bislang betriebenen Gewerbebetrieb verpachtet, und zwar in der Weise, dass der Pächter den Betrieb im Wesentlichen fortsetzen kann. Dies setzt voraus, dass der Steuerpflichtige alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet. Wesentliche Betriebsgrundlagen liegen vor, wenn die Wirtschaftsgüter dem Betrieb das Gepräge geben. Hierzu gehören regelmäßig die Betriebsgrundstücke sowie bei Produktionsunternehmen der Maschinenpark.

     

    Maschinen, Geräte und Einrichtungsgegenstände sind dagegen als Wirtschaftsgüter von untergeordneter Bedeutung anzusehen, wenn für den Umsatz und Gewinn die Lage und der Zustand des Betriebsgrundstücks samt Aufbauten und Betriebsvorrichtungen ausschlaggebend ist und/oder das bewegliche Anlagevermögen leicht und kurzfristig wiederbeschaffbar ist (BFH 11.10.07, X R 39/04).

    • Beispiel

    Der einen Handwerksbetrieb betreibende Steuerpflichtige verpachtet das Werkstattgebäude und veräußert seine gesamte Betriebsausstattung. Dennoch kommt er in den Genuss des Verpächterwahlrechts, da das eingesetzte, jederzeit wiederbeschaffbare Werkstattinventar für den Erfolg eines Handwerksbetriebs nur eine untergeordnete Rolle spielt und daher nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört (BFH 18.8.09, X R 20/06).

    Neben der Verpachtung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen muss dem Verpächter objektiv die Möglichkeit verbleiben, den (vorübergehend eingestellten) Betrieb in der bisherigen Form wieder aufzunehmen und fortzuführen. Werden daher anlässlich der Verpachtung die wesentlichen Betriebsgrundlagen so umgestaltet, dass sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden können, entfällt grundsätzlich die Möglichkeit der Betriebsverpachtung. Entsprechendes gilt, wenn der Verpächter wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert.

     

    PRAXISHINWEIS | Eine branchenfremde Verpachtung führt noch nicht zur Zwangsbetriebsaufgabe, wenn der Verpächter den Betrieb nach Ablauf der Pachtzeit ohne wesentliche Änderung fortführen kann (BFH 28.8.03, IV R 20/02). Auch eine Anpassung an wirtschaftlich veränderte Gegebenheiten (z.B. die Umstellung von Groß- auf Einzelhandel oder die Modernisierung des Maschinenparks) ist regelmäßig keine schädliche Umgestaltung (u.a. BFH 11.2.99, III R 112/96).

    2.2 Persönliche Voraussetzungen

    Der Verpächter muss eine natürliche Person oder eine Personengesellschaft sein (bei Kapitalgesellschaften und gewerblich geprägten Personengesellschaften liegen generell immer gewerbliche Einkünfte vor). Bei einer Personengesellschaft kann das Wahlrecht nur einheitlich ausgeübt werden.

     

    Vor der Verpachtung muss der Verpächter den Gewerbebetrieb grundsätzlich betrieben haben. Wurde der (noch nicht verpachtete) Betrieb unentgeltlich (z.B. durch einen Erben) erworben, tritt dieser in die Rechtsstellung des Rechtsvorgängers ein mit der Konsequenz, dass ihm das Wahlrecht auch dann zusteht, wenn er sofort verpachtet (BFH 12.3.92, IV R 29/91).

     

    HINWEIS | Auch bei langfristiger Verpachtung bzw. bei Verpachtung auf unbestimmte Zeit ist so lange von einer Fortführung des Betriebs auszugehen, wie die Möglichkeit besteht, den Betrieb fortzuführen und der Steuerpflichtige nicht die Betriebsaufgabe erklärt (BFH 19.3.09, IV R 45/06). Im Prinzip wird also die Betriebsunterbrechungsabsicht vermutet, solange der Verpächter oder sein Rechtsnachfolger den Betrieb bei Beendigung des Vertrags ohne wesentliche Änderung wieder aufnehmen und fortsetzen könnte.

    3. Betriebsaufgabe

    Nachfolgend werden die bisherige Rechtslage und die durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 eingeführten Neuregelungen betrachtet.

     

    3.1 Bisherige Rechtslage

    Liegen die Voraussetzungen des Verpächterwahlrechts vor, hat es der Steuerpflichtige in der Hand, die Betriebsaufgabe jederzeit durch Aufgabeerklärung auszulösen. Die gegenüber dem FA abzugebende Aufgabeerklärung ist formfrei und wird grundsätzlich zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem sie dem FA zugeht, d.h. zu diesem Zeitpunkt erfolgt die Gewinnrealisierung durch Auflösung der stillen Reserven (BFH 26.6.03, IV R 61/01).

     

    Die Finanzverwaltung akzeptiert jedoch auch einen anderen, vom Steuerpflichtigen gewählten Zeitpunkt, wenn die Aufgabeerklärung spätestens drei Monate nach diesem Zeitpunkt abgegeben wird. Dies gilt auch dann, wenn der dem FA innerhalb der Drei-Monats-Frist mitgeteilte Aufgabezeitpunkt in einem zurückliegenden Kalenderjahr liegt, für das hinsichtlich der Besteuerung des Aufgabegewinns eine gegenüber dem Kalenderjahr des Zugangs der Betriebsaufgabeerklärung abweichende gesetzliche Regelung zur Anwendung kommt (R 16 Abs. 5 S. 6 und 7 EStR).

     

    Problematisch sind die Fälle, in denen sich der Steuerpflichtige nicht eindeutig verhält, die bislang gewerblichen Einkünfte jedoch nun als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Dies allein bewirkt noch keine Betriebsaufgabe. Allerdings soll das FA in derartigen Fällen nachfragen, ob der Steuerpflichtige damit den Betrieb als aufgegeben ansieht. Hieraus können sich folgende Konsequenzen ergeben (R 16 Abs. 5 S. 11 ff. EStR):

     

    • Gibt der Steuerpflichtige innerhalb der ihm gesetzten Frist keine eindeutige Aufgabeerklärung ab, ist von einer Betriebsfortführung auszugehen.

     

    • Teilt der Steuerpflichtige mit, dass er den Betrieb als aufgegeben ansieht, ist die Steuererklärung, mit der die Vermietungseinkünfte erklärt werden, als Aufgabeerklärung anzusehen. Da die Steuererklärung regelmäßig nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt eingeht, von dem an die Einkünfte nach § 21 EStG erklärt werden, gilt der Betrieb in der Regel im Zeitpunkt des Eingangs der Steuererklärung als aufgegeben.

     

    Eine Betriebsaufgabe wird jedoch nicht nur durch eine Aufgabeerklärung des Steuerpflichtigen ausgelöst, sondern auch dadurch, dass die Voraussetzungen für eine Betriebsverpachtung nicht mehr vorliegen. Denn diese müssen nicht nur zu Beginn der Verpachtung, sondern während der gesamten Dauer des Pachtverhältnisses vorliegen (R 16 Abs. 5 S. 3 EStR).

     

    Demzufolge wird der Betrieb auch dann aufgegeben, wenn der Verpächter wesentliche Teile des Betriebsvermögens ersatzlos veräußert, entnimmt oder verbraucht oder die wesentlichen Betriebsgrundlagen so umgestaltet werden, dass sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden können. In derartigen Fällen wird eine Betriebsaufgabe zum Zeitpunkt der Veränderung ausgelöst.

     

    3.2 Neuregelung durch Steuervereinfachungsgesetz 2011

    Nach der bisherigen Rechtslage kann es durch Veräußerung oder Entnahme der wesentlichen Betriebsgrundlagen auch ohne ausdrückliche Aufgabeerklärung zu einer schleichenden Betriebsaufgabe kommen, sodass sich der tatsächliche Zeitpunkt der Betriebsaufgabe nur schwer feststellen lässt. Außerdem kommt es - wie die Besteuerungspraxis zeigt - immer wieder zu Betriebsaufgaben in rechtsverjährter Zeit, d.h. das FA stellt im Nachhinein fest, dass die Betriebsaufgabe bereits in einem Veranlagungszeitraum stattgefunden hat, für den Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

     

    Um diesen Problemen zu begegnen, hat der Gesetzgeber mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 den neuen § 16 Abs. 3b EStG in das Gesetz eingefügt. Danach liegt nun eine Betriebsaufgabe erst dann vor, wenn entweder der Steuerpflichtige die Betriebsaufgabe ausdrücklich gegenüber dem FA erklärt oder dem FA Tatsachen bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Betriebsaufgabe erfüllt sind. Der Steuerpflichtige kann die Betriebsaufgabe auch rückwirkend (allerdings beschränkt auf einen Zeitraum von drei Monaten) erklären.

    • Beispiel

    Durch die vom Pächter in 2002 vorgenommenen Veränderungen ist eine Wiederaufnahme des ursprünglichen Betriebs durch den Verpächter nicht mehr möglich. Dem FA wird dieser Umstand in 2011 im Rahmen einer Betriebsprüfung bekannt.

    Während die Betriebsaufgabe nach alter Rechtslage in 2002 stattgefunden hat und die stillen Reserven infolge der für 2002 bereits abgelaufenen Festsetzungsfrist nicht mehr zu realisieren sind, erfolgt die Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3b EStG erst in 2011. Der Aufgabegewinn ist somit der Besteuerung zu unterwerfen.

    Die Neuregelung des § 16 Abs. 3b EStG tritt am Tag nach der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 in Kraft (dies ist der 5.11.11, da das Gesetz am 4.11.11 im BGBl veröffentlicht wurde). Sie gilt nicht für Betriebsaufgaben von ruhenden oder verpachteten Gewerbebetrieben und Mitunternehmeranteilen, die bis zum Inkrafttreten stattgefunden haben (§ 52 Abs. 34 S. 9 EStG). Für diese Fälle gilt weiterhin die unter 3.1 erläuterte Rechtslage.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2011 | Seite 215 | ID 29878690

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