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  • 31.07.2012

    Landesarbeitsgericht: Urteil vom 07.12.2011 – 6 Sa 71/11

    1. Der Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe enthält keine Definition des Begriffs "Wechselschicht", so dass für den Anspruch auf die Wechselschichtzulage auf den allgemeinen Schichtbegriff zurückzugreifen ist.

    2. Schichtarbeit ist danach dann gegeben, wenn Arbeitnehmer eine gemeinsame Arbeitsaufgabe in vorgegebenen Schichten dergestalt erfüllen, dass die Zeiträume der Überlappung der Schichten, gemessen an der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit, kleiner sind als die zusätzlich zur Regelarbeitszeit abgedeckten Zeiträume, oder wenn die Schichtzeiten außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeiten liegen. Dies ist zumindest dann anzunehmen, wenn Schichten vor 07.00 Uhr beginnen oder nach 18.00 Uhr enden.


    In dem Rechtsstreit

    P... A...

    - Kläger, Berufungsbeklagter und Anschlussberufungskläger -

    Prozessbevollmächtigte/r:

    Rechtsanwälte L...

    gegen

    H... a. G.

    vertreten durch den Vorstand Dr. W... W...

    - Beklagte, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte -

    Prozessbevollmächtigte/r:

    Rechtsanwälte H..., K..., E...

    erlässt die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht V e t t e r als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Bengel und Kreser

    im Namen des Volkes

    folgendes

    Urteil:

    Tenor:

    I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg, vom 02.12.2010, Az.

    3 Ca 647/10, wird zurückgewiesen.

    II. Die Beklagte hat an den Kläger weitere € 1.162,- (in Worten: Euro eintausendeinhundertzweiundsechzig) brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 166,- € seit 01.11.2010, 01.12.2010, 01.01.2011, 01.02.2011, 01.03.2011, 01.04.2011 und 01.05.2011 zu zahlen.

    III. Die Beklagte hat an den Kläger weitere € 472,94 (in Worten: Euro vierhundertzweiundsiebzig 94/100) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.06.2011 zu zahlen.

    IV. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 4/10, die Beklagte 6/10 zu tragen.

    V. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über die Verpflichtung eines Arbeitgebers zur Zahlung einer Wechselschichtzulage.

    Der Kläger ist seit 01.08.2001 bei der Beklagten als Sachbearbeiter in der Abteilung Informatik beschäftigt. Er ist in der Abteilung xx in der Benutzerunterstützung tätig. In dieser Abteilung arbeiten die Mitarbeiter jeweils wechselnd in Früh-, Mittel- und Spätschicht, wobei die Schichtzeiten mit 7.00 Uhr bis 15.06 Uhr, 10.00 Uhr bis 18.06 Uhr und 11.54 Uhr bis 20.00 Uhr vorgegeben sind. Seit 01.01.2009 gilt im Betrieb in C... eine Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit, nach der sich die Arbeitszeit im Betrieb auf montags bis freitags von 7.00 Uhr bis 20.15 Uhr erstreckt (Ziff. 4 der BV vom 08.12.2009, Anlage A 3 zur Berufungserwiderung vom 27.05.2011, Bl. 221 ff. d.A.). Für die Organisationseinheit, in der der Kläger beschäftigt ist, ist hiervon abweichend in der Anlage 2 zu dieser Betriebsvereinbarung die oben genannte Schichtregelung - verbunden mit Vor- und Nacharbeit von jeweils 15 Minuten bzw. in Absprache mit dem Führungsverantwortlichen - festgelegt (Anlage A 3, ebenda, Bl. 225 Rückseite d.A.).

    Die Beklagte ist an die Tarifverträge für das private Versicherungsgewerbe gebunden. Im Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung (TR 27 - 150 ab 165) sind hinsichtlich der Arbeitszeit, soweit vorliegend von Interesse, folgende Regelungen enthalten:

    § 11 Arbeitszeit, Ausgleich für schwere Arbeit

    1. Regelmäßige Arbeitszeit

    Für die Angestellten im Innendienst (ausgenommen Hausmeister und Heizer) beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 38 Stunden in der Woche. Pausen gelten nicht als Arbeitszeit. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit verteilt sich gleichmäßig auf die Tage Montag bis Freitag.

    Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann die Arbeitszeit abweichend davon für alle Angestellten oder für Gruppen von Angestellten einheitlich oder unterschiedlich festgelegt werden. ...

    2. Mehrarbeit

    ...

    3. Nachtarbeit

    Bei Nachtarbeit der Angestellten im Innendienst ist ein Zuschlag von 25% von 1/162 des Monatesbezugs (einschließlich aller Zulagen) für jede Nachtarbeitsstunde zu zahlen. Als Nachtarbeitsstunden gelten die Arbeitsstunden von 21 bis 6 Uhr. ...

    4. Schichtarbeit

    Angestellte, die regelmäßig in Wechselschicht arbeiten, erhalten eine monatliche Schichtzulage in Höhe von

    166,- Euro bei Zweischichtbetrieb und von

    332,- Euro bei Dreischichtbetrieb.

    Die Vorschriften der Ziff. 2 bis 4 bleiben unberührt.

    Als Ausgleich für zusätzliche Belastungen bei Nachtarbeit im Wechselschichtbetrieb (2- oder 3-Schicht-Betrieb) erhalten die Angestellten jeweils eine Freischicht:

    a) für 15 geleistete Nachtschichten mit einer zusammenhängenden Arbeitszeit von mindestens 6 Stunden in der Zeit von 20 bis 6 Uhr;

    b) für 45 geleistete Früh- oder Spätschichten mit einer Arbeitszeit von mindestens 2 Stunden, jedoch weniger als 6 Stunden in der Zeit von 20 bis 6 Uhr.

    Für den Anspruch auf eine Freischicht sind die geleisteten Wechselschichten wie folgt anzurechnen:

    Eine geleistete Nachtschicht gilt als 3 Früh- oder Spätschichten, 3 Früh- oder Spätschichten gelten als 1 Nachtschicht.

    Im Anstellungsvertrag des Klägers vom 27.07.2001 ist, soweit vorliegend von Interesse, folgendes vereinbart (Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 5 ff. d.A.):

    § 2 Allgemeine Arbeitsbedingungen

    Für das Arbeitsverhältnis gelten die tariflichen Bestimmungen für die Arbeitnehmer der privaten Versicherungswirtschaft in ihrer jeweiligen Fassung und die für die H... gültigen Betriebsvereinbarungen, soweit im folgenden nichts anderes vereinbart ist. Im übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen.

    § 3 Arbeitszeit und Mehrarbeit

    (1) Die regelmäßige Arbeitszeit richtet sich nach dem Manteltarifvertrag (MTV) für das private Versicherungsgewerbe in der jeweils gültigen Fassung, soweit einzelvertraglich nichts anderes vereinbart ist.

    (2) Der Arbeitnehmer erklärt sich bereit, notwendige Mehrarbeit zu leisten, im Bedarfsfall auch in Schichtarbeit oder in Rufbereitschaft tätig zu sein.

    § 4 Vergütung

    Die monatliche Bruttovergütung beträgt:

    Tarifgruppe ..., 13. Berufsjahr =

    ...DM

    2-Schichtzulage

    325,- DM

    Zusätzlich zu seinem Anstellungsvertrag unterzeichneten Kläger und Beklagte ein Schreiben selben Datums, in dem folgendes geregelt ist (Anlage A 9 zum Schriftsatz der Klägervertreter vom 01.08.2011, Bl. 280 d.A.):

    für den 2-Schicht-Betrieb im Bereich Benutzerservice gilt folgende Regelung:

    1. Schicht

    von 06.00 Uhr bis 14.06 Uhr

    2. Schicht

    von 11.54 Uhr bis 20.00 Uhr

    In den Schichtzeiten ist gem. Arbeitszeitgesetz je Schicht eine Pause von 30 Minuten (entsprechend der Mittagspause) enthalten, ...

    Der Kläger erhielt verschiedene Gehaltsmitteilungen, in denen sein Gehalt um eine Tätigkeitszulage bzw. um eine Gehaltsstufe angehoben wurde. Dabei ist jeweils zwischen "Gehaltsgruppe", "Tätigkeitszulage gem. § 6 MTV" und "Schichtzulage" unterschieden (Anlagen K 6 ff. zum Schriftsatz der Klägervertreter vom 11.10.2010, Bl. 58 ff d.A.).

    Bis einschließlich März 2010 zahlte die Beklagte dem Kläger die Wechselschichtzulage von 166,- € monatlich. Mit Schreiben vom 26.03.2010 teilte sie dem Kläger mit, sie habe die Neugestaltung der Betriebsvereinbarung flexible Arbeitszeit zum Anlass genommen, die Anwendung des Manteltarifvertrages einer Prüfung zu unterziehen. Ergebnis dieser Prüfung sei, dass der MTV bezüglich der Schichtzulagen nicht zutreffend angewandt worden sei. Dies hätten beide Tarifvertragsparteien bestätigt. Aus diesem Grund werde sie ab 01.04.2010 Schichtzulagen nur dann zahlen, wenn regelmäßig im Rahmen des Schichtbetriebes bei Früh- oder Spätschicht wenigstens zwei Stunden, jedoch weniger als sechs Stunden in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr lägen, bei Nachtschicht mindestens sechs Stunden in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr. Arbeitszeiten zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr gälten als Tagschicht und lösten keine Schichtzulage aus, wenn nicht zusätzlich mindestens eine der vorgenannten Bedingungen erfüllt sei. Da die Voraussetzungen beim Schichtmodell, wie es durch den Kläger geleistet werde, nicht gegeben seien, entfalle für ihn künftig die Schichtzulage. Sie biete ihm jedoch einen finanziellen Ausgleich dahingehend an, dass die bisherige Schichtzulage in eine individuelle Zulage umgewandelt und als solche in der Gehaltstabelle ausgewiesen werde. Diese individuelle Zulage werde allerdings mit künftigen Tariferhöhungen verrechnet. Die Regelung komme nur im Falle eines Klageverzichts zur Anwendung (Anlagen K 2 und K 3 zur Klageschrift, Bl. 7 ff. d.A.). Die von der Beklagten angestrebte Betriebsvereinbarung zur Festlegung dieses Ausgleichs kam mangels Bereitschaft des Betriebsrats zu einer solchen Abmachung nicht zustande. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 11.05.2010 zur Weiterzahlung der Zulage auf.

    Mit seiner am 01.07.2010 zum Arbeitsgericht Bamberg, Kammer Coburg, eingereichten Klage hat der Kläger Weiterzahlung der Schichtzulage geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich im Arbeitsvertrag verpflichtet, die Zulage zu leisten. Es sei daher unerheblich, ob die Beklagte der Meinung sei, sie habe den Manteltarifvertrag in diesem Punkt falsch angewandt. Es sei nicht ersichtlich, weswegen sich die Voraussetzungen für die Zahlung in der Zwischenzeit geändert hätten. Im übrigen sei auch die Rechtsauffassung der Beklagten bezüglich der Auslegung des § 11 Ziff. 5 MTV nicht zutreffend. Soweit sich die Beklagte auf die Definition von Früh-, Spät- und Nachtschicht im nachfolgenden Absatz des § 11 Ziff. 5 MTV stütze, sei diese Auffassung unrichtig. Die dortige Definition sei nur für einen zusätzlichen Ausgleich für Belastungen durch Nachtschicht relevant. Der Manteltarifvertrag definiere nicht die Begriffe Zwei- bzw. Dreischichtbetrieb.

    Der Kläger hat die Klage jeweils für nachfolgende Zeiträume erweitert, zuletzt Zahlung der Zulage für die Monate April bis September 2010 verlangt und - nach Rücknahme eines ursprünglich gestellten Feststellungsantrages - vor dem Arbeitsgericht zuletzt beantragt:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

    332,-- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. Juni 2010

    sowie weitere 166,-- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juli 2010

    sowie 166,-- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. August 2010

    sowie 166,-- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. September 2010

    sowie 166,-- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. Oktober 2010 zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe die Schichtzulage nicht zu. Sie habe im Rahmen einer Neugestaltung der Betriebsvereinbarung zu flexiblen Arbeitszeiten festgestellt, dass sie in der Vergangenheit die Schichtzulagen bezahlt habe, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen hätten. Der Manteltarifvertrag unterscheide zwischen Früh- und Spätschichten mit einer Arbeitszeit von mindestens zwei, jedoch weniger als sechs Stunden in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Die Begriffe "Schichtarbeit" und "Wechselschicht" seien weder im Tarifvertrag selbst noch im Gesetz definiert, so dass auf die von der Rechtsprechung entwickelte Definition zur Schichtarbeit zurückzugreifen sei. Schichtarbeit zeichne sich nach dem Urteil des BAG vom 18.01.1983 (3 AZR 447/80) dadurch aus, dass eine bestimmte Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die übliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus anfalle und daher von mehreren Arbeitnehmern, die sich einander ablösten, in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge, teilweise auch außerhalb der allgemeinen üblichen Arbeitszeit, erbracht werde. Voraussetzung für Schichtarbeit sei, dass ein bestimmter Arbeitserfolg nur durch Besetzung des Arbeitsplatzes mit mehreren Arbeitnehmern nacheinander erreicht werden könne. Vorliegend finde eine solche Ablösung nicht statt, da der Kläger zum einen um 07.00 Uhr, zum nächsten um 10.00 Uhr und zum dritten um 11.54 Uhr mit seiner Schicht beginne. Im Zeitraum 11.54 Uhr bis 15.06 Uhr arbeiteten alle drei Schichtgruppen gleichzeitig. In den Zeiträumen zwischen 10.00 Uhr und 11.54 Uhr und zwischen 15.06 Uhr und 18.06 Uhr arbeiteten darüber hinaus zwei Gruppen zeitgleich. Damit stehe fest, dass sich die Mitarbeiter nicht ablösten. Unabhängig davon gehe der Tarifvertrag für einen Drei-Schicht-Betrieb von Früh-, Mittel- und Spätschicht aus. In diesem Zusammenhang hätten die Tarifparteien das für die Schichtarbeit maßgebliche Kriterium "außerhalb der üblichen Arbeitszeit" dahingehend konkretisiert, dass Schichten dann gegeben seien, wenn mindestens zwei Stunden außerhalb der regulären Arbeitszeit gearbeitet werde. Keine der drei Schichten in dem Bereich, in dem der Kläger tätig sei, stelle in diesem Sinn eine Früh-, Spät- oder Nachtschicht dar. Schließlich sei eine Individualvereinbarung über eine Schichtzulage nicht getroffen. Der Arbeitsvertrag nehme ersichtlich auf den Tarifvertrag Bezug. Die Schichtzulage werde wiedergegeben im Zusammenhang mit der monatlichen Bruttovergütung. Ihr als Arbeitgeberin stehe das Direktionsrecht offen, die Arbeitszeit auch anders zu verteilen oder den Kläger in eine andere Abteilung mit anderen Arbeitszeiten zu versetzen. Es verstehe sich von selbst, dass die Schichtzulage nur dann gewährt werden könne, wenn der Kläger tatsächlich im Schichtbetrieb arbeite. Der Kläger habe auch unter diesem Gesichtspunkt nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der Schichtzulage vertrauen dürfen. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung sei nicht gegeben, da sie, die Beklagte, sich erkennbar tarifgerecht habe verhalten wollen.

    Die Beklagte hat erklärt, sie habe die Rechtslage durch Auskunft sowohl beim Arbeitgeberverband als auch bei der tarifschließenden Gewerkschaft überprüfen lassen. Beide hätten in der Bewertung zugestimmt, dass die Zahlung der tariflichen Zulage vorliegend nicht veranlasst sei (Anlagen zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 06.10.2010, Bl. 44 und Bl. 46 d.A.). Die spätere Einschränkung der Gewerkschaft (ebenda, Bl. 43 d.A.) sei irrelevant.

    Der Kläger hat dem entgegengehalten, das Bestehen einer einzelvertraglichen Zusage ergebe sich daraus, dass hinsichtlich der Grundvergütung auf den Tarifvertrag verwiesen werde, hinsichtlich der Schichtzulage aber nicht. Dies gelte auch für die nachfolgenden Schreiben, in denen die Entgelterhöhungen mitgeteilt worden seien (Anlagen K 6 bis K 8, aaO., Bl. 58 ff. d.A.). Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt deutlich gemacht, dass sie die Schichtzulage nur entsprechend den Bestimmungen des Tarifvertrages gewähren wolle. Die Beklagte könne sich von dieser Zusage nicht einseitig lösen. Im übrigen habe es der Tarifvertrag den Arbeitsvertragsparteien überlassen, wie sie den Begriff der Wechselschicht verstehen wollten. Die Parteien hätten sich aber auf eine Zweischichtzulage in Höhe von 166,- € geeinigt. Die Schichtzulage werde im Unternehmen seit mindestens zwei Jahrzehnten gewährt. Die Beklagte sei mit den Bestimmungen des Manteltarifvertrages bestens vertraut; deren Personalvorstand sei seit mehreren Jahren Vorsitzender der tariflichen Verhandlungskommission. Es sei wenig glaubwürdig, wenn sie jetzt plötzlich einen Irrtum in der Tarifanwendung behaupte. Schichtarbeit sei nach der Rechtsprechung schon dann anzunehmen, wenn eine bestimmte Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die tägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus zu erfüllen sei und wenn sie deshalb von mehreren Arbeitnehmern in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge teilweise außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit erbracht werden müsse. Es genüge, dass die jeweilige Arbeitszeit der einzelnen Mitarbeiter teilweise auseinanderfalle. Eine "Ablösung" in dem Sinn, dass die Arbeitsaufgabe jeweils an den nächsten Mitarbeiter übergeben werden müsse, sei nicht verlangt. Auf die Tatsache, dass das Gleitzeitmodell für diejenigen Arbeitnehmer, die an der Gleitzeit teilnähmen, einen Rahmen von 7.00 Uhr bis 20.15 Uhr erlaube, komme es nicht an; vielmehr sei die Länge der regelmäßigen Arbeitszeit eines Arbeitnehmers entscheidend. Die Tarifparteien hätten mit der Zulage die in der Schichtarbeit liegenden zusätzlichen Erschwernisse der wechselnden Arbeitszeiten ausgleichen wollen. Soweit der Tarifvertrag die Begriffe Früh-, Mittel- und Spätschicht definiere, gelte dies nur für die Frage, wann insoweit bei Wechselschicht mit Nachtarbeit ein zusätzlicher Ausgleich in Freizeit geleistet werden müsse. Im übrigen sei auch eine betriebliche Übung entstanden. Die Beklagte habe die Schichtzulage neun Jahre lang geleistet, ohne irgendwelche Einschränkungen zu machen. Er, der Kläger, habe aus seinem Empfängerhorizont darauf vertrauen dürfen, dass ihm die mit der Schichtarbeit verbundenen Unannehmlichkeiten vergütet würden.

    Die Beklagte hat ihr Vorbringen dahingehend ergänzt, es sei falsch, dass die allgemein üblichen Arbeitszeiten - bei denen von Schichtarbeit nicht die Rede sein könne - zwischen 7.00 Uhr und 18.00 Uhr lägen. Das BAG habe sich in der Entscheidung vom 18.01.1983 an den allgemeinen Ladenschlusszeiten orientiert. Diese seien heute anders festgelegt. Im Versicherungsgewerbe seien Arbeitszeiten zumindest von 7.00 Uhr bis 20.15 Uhr branchenspezifisch allgemein üblich.

    Das Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - hat mit Endurteil vom 02.12.2010 wie folgt entschieden:

    I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 332,-- € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.06.2010 zu bezahlen.

    II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 664,-- € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von jeweils 166,-- € seit 01.07.2010, 01.08.2010, 01.09.2010 und 01.10.2010 zu bezahlen.

    III. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klagepartei 80 %, die Beklagte 20 %.

    IV. Der Streitwert wird auf 996,-- € festgesetzt.

    Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, der Anspruch des Klägers ergebe sich aus den Bestimmungen des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Manteltarifvertrages. Der Begriff der Wechselschicht sei im Manteltarifvertrag selbst nicht geregelt. Er ergebe sich auch nicht aus der Freischichtenregelung in § 11 Nr. 5 S. 3a und 3b MTV. Diese Bestimmung regele nur, unter welchen Voraussetzungen zusätzliche Belastungen bei Nachtarbeit im Wechselschichtbetrieb vorlägen, die einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung einer zusätzlichen Freischicht auslösten. § 11 Nr. 5 S. 3 MTV enthalte damit eine eigenständige Anspruchsgrundlage für die Gewährung dieser zusätzlichen Freischichten, die den Begriff der Wechselschicht ebenso wie § 11 Nr. 5 S. 2 MTV, der die Zahlung der Zulage normiere, voraussetze. Beschrieben würden in dieser Bestimmung nur die Anforderungen an die zusätzlichen Belastungen, die bei Nachtarbeit im Wechselschichtbetrieb gegeben sein müssten, um einen zusätzlichen Anspruch auf Gewährung der Freischicht auszulösen. Ein Umkehrschluss, dass nur Arbeiten, die zu diesen Zeiten stattfänden, den Anspruch auf die Schichtzulage als solches auslösten, sei nicht statthaft. Daher sei der allgemeine Schichtbegriff zugrunde zu legen. Für diesen sei wesentlich, dass eine bestimmte Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die tatsächliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus erfüllt und daher von mehreren Arbeitnehmern oder einer Arbeitnehmergruppe in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge teilweise auch außerhalb der allgemein üblichen Zeit erbracht werde. Es müsse eine übereinstimmende Arbeitsaufgabe von untereinander austauschbaren Arbeitnehmern erfüllt werden. Schichtarbeit setze nicht notwendig die Ablösung des Arbeitnehmers am selben Arbeitsplatz voraus. Es genüge, wenn ein gewisses Maß an Arbeitsteilung für ein und denselben Arbeitserfolg erforderlich sei. Maßgeblich sei, dass der gesamte Arbeitsinhalt der sich gegenseitig ablösenden Arbeitnehmer übereinstimmen müsse. Schichtarbeit liege auch dann vor, wenn sich die verschiedenen Schichten überlappten oder wenn Arbeitsbeginn und Arbeitsende der Schichten nur wenige Stunden auseinanderlägen. Wechselschicht sei gegeben, wenn Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers regelmäßig wechselten und somit nach einem bestimmten Rhythmus ein Wechsel im tageszeitlichen Einsatz stattfinde. Es genüge, wenn ein regelmäßiger Wechsel zwischen Schichtarbeit und "Normalarbeitszeit" stattfinde. In der Abteilung, in der der Kläger tätig sei, werde eine Arbeitsaufgabe täglich von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr und damit 13 Stunden erfüllt, während die normale Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nach dem Tarifvertrag so gestaltet sei, dass sich die Wochenarbeitszeit von 38 Stunden auf fünf Tage verteile. Es lösten sich mehrere Arbeitnehmer in einer zeitlich geregelten Reihenfolge zeitversetzt ab. Die Arbeitsleistung werde teilweise außerhalb der üblichen Geschäftszeit zwischen 7.00 Uhr und 18.00 Uhr erbracht. Zudem sei der Kläger im Verhältnis zu den an der Gleitzeit teilnehmenden Arbeitnehmern dadurch besonders belastet, dass er in einem festen System nicht selbst entscheiden könne, wann er arbeiten wolle. Er sei in der Gestaltung seiner Freizeit durch das Arbeitszeitsystem erheblich eingeschränkt. Dies rechtfertige den Anspruch auf die Zweischichtzulage. Bei der Kostenentscheidung sei der Wert des - zurückgenommenen - Feststellungsbegehrens zu berücksichtigen.

    Das Endurteil des Arbeitsgerichts ist den Prozessvertretern der Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 11.01.2011 zugestellt worden. Diese haben namens der Beklagten mit Schriftsatz vom 27.01.2011, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 31.01.2011, Berufung gegen die Entscheidung eingelegt. Sie haben die Berufung - nach Verlängerung der Begründungsfrist aufgrund am 04.03.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Antrags bis 08.04.2011 - mit am 08.04.2011 eingegangenem Schriftsatz selben Datums begründet. Diese Berufungsbegründung ist den Prozessvertretern des Klägers ausweislich deren Empfangsbekenntnisses am 14.04.2011 zugestellt worden. Diese haben mit Schriftsatz vom 09.05.2011, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Verlängerung der Beantwortungsfrist bis 27.05.2011 beantragt. Diese ist ihnen gewährt worden. Sie haben namens des Klägers mit Schriftsatz vom 27.05.2011, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Anschlussberufung eingelegt.

    Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte unter Inbezugnahme, Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlich vorgetragenen Argumente aus, das Arbeitsgericht habe die tarifliche Vorschrift unzutreffend ausgelegt. Zwar kenne § 11 Ziff. 5 MTV keine explizite Definition von Schichtarbeit. Allerdings werde im Zusammenhang mit der Freischichtenregelung des § 11 Ziff. 5 Abs. 3 MTV definiert, unter welchen Voraussetzungen vom Vorliegen einer Nacht-, einer Tag- und einer Spätschicht auszugehen sei. Bei der Auslegung müsse hier besonders auf die systematische Betrachtung und die vom Bundesarbeitsgericht zugrunde zu legende Andeutungstheorie zurückgegriffen werden. Die Tarifparteien hätten die Begriffe Wechselschicht, Zweischicht, Dreischicht, Tagschicht, Spätschicht und Nachtschicht bewusst gewählt. Dabei sei die Überschrift "Schichtarbeit" zu beachten. Der Tariftext beinhalte drei Kernelemente, und zwar "regelmäßige Wechselschicht", "Zweischichtbetrieb und Dreischichtbetrieb" sowie Freischichtenregelung für Wechselschichten bei "Nacht-, Früh- und Spätschicht". Im Licht der systematischen Auslegung sei bei der Frage der Definition der Wechselschicht auf die Definition der Nacht-, Früh- und Spätschicht in Ziff. 5 Abs. 3 MTV zurückzugreifen. Dies entspreche im übrigen auch dem Verständnis des BAG in der Entscheidung vom 18.01.1983, das festgestellt habe, dass bei Wechselschichten im allgemeinen zwischen Früh-, Spät- und Nachtschichten unterschieden werde. Die Freischichtenregelung diene zwar in erster Linie dem Ausgleich der besonderen Belastungen bei Nachtarbeit und sei erst im Jahr 1981 und damit erst nach der seit 1974 normierten Regelung der Schichtzulagen eingeführt worden. Dennoch hätten die Tarifparteien hierin ihr Verständnis von Schichtarbeit klar zum Ausdruck gebracht. Der MTV kenne offensichtlich nur diese drei Arten von Sonderschichten neben der regulären Tagesarbeitszeit. In der genannten Regelung finde sich eine klare Andeutung der Tarifparteien über das Vorliegen einer Nacht-, Früh- und Spätschicht im Manteltarifvertrag. Hierdurch brächten diese unmissverständlich zum Ausdruck, dass diese Schichtdefinitionen die tariflich vorgesehenen Schichtbegriffe darstellten. Die Freischichtenregelung könne nicht isoliert gesehen werden. Dies werde darin deutlich, dass die Freischichtenregelung ebenso wie die Schichtzulagenregelung ausdrücklich nur auf einen Zwei- oder Dreischichtbetrieb abstelle. Nachtarbeit könne ausschließlich in einem Zwei- oder Dreischichtbetrieb anfallen; nur hierfür hätten die Tarifparteien Regelungen getroffen. Dies verdeutliche, dass die Tarifparteien branchenbezogen entweder auf eine reguläre Tagschicht oder einen Zweischicht- oder einen Dreischichtbetrieb als typische Arbeitszeitmodelle abstellten. Diese Definition werde von den Vertretern des Arbeitgeberverbandes wie von denjenigen der Gewerkschaft geteilt. Erst im Nachgang habe die Gewerkschaft ihre Stellungnahme geändert.

    Die Beklagte meint, selbst wenn man den allgemeinen Wechselschichtbegriff zugrunde lege, sei das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis nicht zutreffend. In diesem Fall sei darauf abzustellen, dass Beginn und Ende der Arbeitszeit außerhalb der allgemein üblichen Arbeits- und Geschäftszeiten liegen müssten. Dies sei vorliegend nicht der Fall, weil die geschäftsüblichen Zeiten zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr lägen. Das Bundesarbeitsgericht habe im Urteil vom 18.01.1983 die dort maßgeblichen Zeiten von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr nur beispielhaft angegeben. Maßgeblich seien nicht solche allgemeinen Erwägungen, sondern die branchenspezifischen Zeiten. Diese hätten die Tarifparteien in Ziff. 5 Abs. 3 mit dem Blick auf die Freischichten von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr definiert. Auch die maßgebliche Betriebsvereinbarung setze im Hinblick auf die veränderten Bedürfnisse der Kunden den Arbeitszeitrahmen zwischen 7.00 Uhr und 20.15 Uhr. Der Begriff der Wechselschicht setze zudem voraus, dass sich einzelne Arbeitnehmer und Arbeitnehmergruppen zur Erfüllung der Arbeitsaufgabe abwechselten. In der Gruppe xx, in der der Kläger eingesetzt sei, finde jedoch kein typischer Ablösungsmechanismus statt. In den ersten beiden Gruppen werde mit 7.00 Uhr und 10.00 Uhr deutlich überlappend begonnen, die letzte Gruppe beginne um 11.54 Uhr. Alle Gruppen arbeiteten über einen großen Zeitraum hinweg parallel. Ein Ablösevorgang sei nicht erkennbar. Zudem sei eine flexible Gestaltung ihrer Arbeitszeit durch die Arbeitnehmer auch dadurch möglich, dass sie eigenverantwortlich Schichten tauschen könnten.

    Die Beklagte ist der Auffassung, eine arbeitsvertragliche Anspruchsgrundlage bestehe nicht. Die arbeitsvertraglichen Abmachungen wie die Mitteilungen über die Veränderung des Entgelts seien deklaratorischer Natur, da sie als tarifgebundenes Unternehmen jeweils die entsprechenden Tarifverträge anwende. Zudem entspreche der Betrag der Schichtzulage exakt der tariflichen Festlegung. Eine betriebliche Übung habe nicht entstehen können, da sie früher irrtümlich davon ausgegangen sei, dass die Voraussetzungen für die Zulage vorgelegen hätten. Ein anderweitiges Vertrauen der Arbeitnehmer sei nicht erkennbar.

    Die Beklagte und Berufungsklägerin stellt im Berufungsverfahren folgende Anträge:

    1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg - vom 02.10.2010, Az. 3 Ca 647/10, wird aufgehoben.

    2. Die Klage wird abgewiesen.

    3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

    Der Kläger und Berufungsbeklagte stellt folgende Anträge:

    1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

    2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte und Berufungsklägerin.

    Der Kläger hat im Termin vor dem Landesarbeitsgericht vom 01.12.2011 den zunächst in Ziffer 3 gestellten zusätzlichen Feststellungsantrag mit dem Inhalt, dass die Beklagte bei unveränderten Arbeitsbedingungen auch künftig zur Zahlung der Wechselschichtzulage verpflichtet sei, für erledigt erklärt. Er beantragt zuletzt im Wege der Anschlussberufung:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.158,00 € brutto nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von jeweils 166,00 € seit dem 01.05.2010, 01.06.2010, 01.07.2010, 01.08.2010, 01.09.2010, 01.10.2010, 01.11.2010, 01.12.2010, 01.01.2011, 01.02.2011, 01.03.2011, 01.04.2011 und 01.05.2011 zu bezahlen.

    2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 472,94 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

    Die Beklagte und Berufungsbeklagte hat den Rechtsstreit hinsichtlich des Feststellungsantrags ebenfalls für erledigt erklärt und weiter beantragt,

    die weitergehenden Anträge abzuweisen.

    Der Kläger hat seine Klage bezüglich der Monate Oktober 2010 bis einschließlich April 2011 sowie hinsichtlich der Berücksichtigung der Schichtzulage bei Überstunden und Sonderzahlungen im Wege der Anschlussberufung erweitert. Er hat geltend gemacht, er sei in Schichten eingeteilt, die unter Einschluss der Vor- und Nacharbeiten montags bis freitags zwischen 6.45 Uhr und 20.15 Uhr lägen. Er schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts über die Auslegung der Tarifregelung an. Er meint, die Tarifparteien hätten in Ziff. 5 S. 3 des § 11 MTV mit der Einführung der Freischicht weitere Nachteile der betroffenen Arbeitnehmer, die über die Wechselschichtbelastungen hinausgingen, ausgleichen wollen. Hätten die Tarifparteien die Schichtzulage nur für diejenigen Schichten gewähren wollen, für die es auch die Freischicht gebe, hätte es einer Differenzierung zwischen den Absätzen 2 und 3 des § 11 Ziff. 5 MTV nicht bedurft. Die Stellungnahmen von Arbeitgeberverband und Gewerkschaft führten nicht weiter, da es sich um subjektive Einschätzungen handele. Entscheidend sei der allgemeine Schichtbegriff. Hiernach genüge es, dass eine bestimmte Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die tatsächliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus erfüllt werde und daher auch von mehreren Arbeitnehmern in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge, teilweise auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit, erbracht werde. Die übliche Arbeitszeit liege nicht zwischen 06.00 Uhr und 20.00 Uhr, wie schon die Betriebsvereinbarung zeige, in welcher der Beginn des Gleitzeitrahmens auf 07.00 Uhr festgelegt sei. Die Einräumung des Gleitzeitrahmens betreffe nicht die tatsächliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers. Zu beachten sei auch, dass der Gleitzeitrahmen an anderen Betriebsstandorten der Beklagten auf 08.00 Uhr bis 18.00 Uhr, 07.30 Uhr bis 18.30 Uhr und 07.30 Uhr bis 18.00 Uhr normiert sei. Dies spreche gegen die Annahme der Beklagten, in der Versicherungsbranche seien Arbeitszeiten von 07.00 Uhr bis 20.00 Uhr allgemein üblich. Diese lägen auch in C... zwischen 08.00 Uhr und 18.00 Uhr, wofür Beweis durch Sachverständigengutachten angeboten werde. Die tarifliche Arbeitszeit von 38 Stunden wöchentlich sei an fünf Tagen zu erbringen. Es errechne sich eine "Normalarbeitszeit" von 7,6 Stunden am Tag. Diese werde vorliegend deutlich überschritten. Die durch die Zulage auszugleichende besondere Belastung liege ebenfalls vor, da er als in die festen Schichten eingeteilter Arbeitnehmer nicht zu den üblichen Arbeitszeiten anderer Arbeitnehmer eingesetzt werde und da sich die Schichteinteilung erheblich auf seinen Lebensrhythmus auswirke.

    Der Kläger bleibt dabei, dass sich der Anspruch auch aus den arbeitsvertraglichen Abmachungen ergebe, weil gerade hinsichtlich der Schichtzulage anders als bei den anderen Gehaltsbestandteilen nicht auf die Bestimmungen des Tarifvertrages verwiesen worden sei. Außerdem sei das weitere Schreiben vom 27.07.2001, in dem die konkreten Schichtzeiten aufgeführt seien, Inhalt des Arbeitsvertrages dadurch geworden, dass er und die Beklagte dies unterzeichnet hätten. In den Betriebsvereinbarung vom 04.12.1997 (Anlage A 10 zum Schriftsatz der Klägervertreter vom 01.08.2011, Bl. 281 ff. d.A.), gültig bei Vertragsschluss, und vom 10.09.2001 (Anlage A 11, ebenda, Bl. 287 ff. d.A.) sei zudem geregelt, dass der Arbeitszeitrahmen für Mitarbeiter im Schichtdienst einzelvertraglich mit den jeweiligen Mitarbeitern zu vereinbaren sei (Anlage A 3, Bl. 285 Rückseite bzw. Anlage A 3, Bl. 291 Rückseite). Schließlich ergebe sich der Anspruch, wenn er nicht schon aus der arbeitsvertraglichen Regelung folge, aus betrieblicher Übung. Die Beklagte habe die Zulage über viele Jahre hinweg ohne Vorbehalte geleistet.

    Die Beklagte hält dem entgegen, der Kläger müsse zwar um 07.00 Uhr einsatzbereit sein; hierfür genügten - ebenso wie zum Herunterfahren des PC - aber wenige Minuten, die für die Gewährung einer Schichtzulage nicht entscheidend sein könnten. Soweit durch Betriebsvereinbarungen oder einzelvertragliche Absprachen die Verteilung der Arbeitszeit geregelt sei, habe dies mit dem Anspruch auf die tarifliche Schichtzulage nichts zu tun. Im übrigen werde das zur Verfügung stehende Arbeitszeitvolumen eines Mitarbeiters durch die Schichtmodelle gerade einmal um etwas mehr als die Hälfte überschritten. Die Belastung des Klägers werde zudem durch die Möglichkeit des Schichttausches mit einem anderen Mitarbeiter und durch die Möglichkeit zur flexiblen Pauseneinteilung gemindert.

    In der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat die Beklagte auf die Einrede der Verjährung und auf die Einhaltung von Ausschlussfristen verzichtet, soweit diese nicht bereits eingetreten seien. Sie hat darüber hinaus erklärt, sie werde sich an eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auch für künftige Anspruchszeiträume halten, falls dieses zum Ergebnis komme, die Voraussetzungen des Anspruchs auf Schichtzulage lägen vor. Dies gelte für alle Ansprüche, deren Berechnung unter Einbeziehung der Schichtzulage erfolge. Die Beklagte hat des weiteren ausdrücklich erklärt, soweit den Ansprüchen in erster Instanz stattgegeben worden sei, werde die Berechnung weder in der Hauptsache noch hinsichtlich der Zinsen bestritten. Dies gelte auch für die mit der Anschlussberufung, gegen die keine Bedenken beständen, geltend gemachten Zahlungsansprüche (Niederschrift über die Verhandlung vom 01.12.2011, Bl. 328 f. d.A.). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung des Sachverhalts im arbeitsgerichtlichen Urteil, die Niederschriften über die Verhandlungen vor dem Landesarbeitsgericht vom 07.06.2011 (Bl. 250 ff. d.A.) und vom 01.12.2011 (Bl. 327 ff. d.A.) sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    I. Berufung und Anschlussberufung sind zulässig. Der von der Beklagten geltend gemachte Beschwerdewert übersteigt 600,- €. Die Berufung ist innerhalb der gesetzlichen Fristen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Dies gilt auch für die Anschlussberufung (vgl. § 524 Abs. 2, Abs. 3 ZPO). Dabei ist unschädlich, dass die Anschlussberufung erst innerhalb der vom Gericht verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist erfolgt ist (Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Aufl. 2009, § 64 Rn. 106; Heßler in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 524 Rn. 10). Die Beklagte hat der in der Anschlussberufung enthaltenen Klageerweiterung nicht widersprochen; sie ist zudem sachdienlich, da sie lediglich weitere Zeiträume der schon in erster Instanz streitgegenständlichen Ansprüche betrifft.

    II. Die Berufung der Beklagten ist aber nicht begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Zahlungsansprüche zu. Er hat Anspruch auf die Wechselschichtzulage, und zwar die Zweischichtzulage. Dies gilt auch für diejenigen Zeiträume, die er mit der Anschlussberufung erst in der Berufungsinstanz geltend macht. Die Kammer folgt den sehr sorgfältigen und ausgewogenen Begründungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die in der Berufungsinstanz vertieften und neu vorgetragenen Umstände und Argumente der Parteien ist folgendes zu ergänzen:

    1. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage nicht schon deswegen begründet ist, weil ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf die Wechselschichtzulage begründet worden wäre, der unabhängig von den tariflichen Voraussetzungen bestehen würde.

    a. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem abgeschlossenen Anstellungsvertrag. Die Auslegung der im Anstellungsvertrag getroffenen Abmachungen ergibt, dass die Parteien keinen unabdingbaren Anspruch auf die Schichtzulage vereinbaren wollten. Im Anstellungsvertrag vom 27.07.2001 ist in § 2 ausdrücklich niedergelegt, dass die tariflichen Bestimmungen zur Anwendung kämen, soweit nichts anderes vereinbart sei. Es ist dagegen nicht geregelt, dass "im übrigen" die tarifvertraglichen Regelungen gelten sollten. Im Hinblick auf diese vorangestellte Klausel müsste also in den nachfolgenden Bestimmungen des Anstellungsvertrages eine deutliche Regelung getroffen sein, die darauf hinweisen würde, dass die Parteien in einer bestimmten Frage von der Tarifregelung abweichen wollten.

    Eine solche deutliche Regelung ist in § 4 des Anstellungsvertrages nicht getroffen. Dort findet sich neben der exakt bezeichneten Tarifgruppe zwar der Begriff "2-Schicht-Zulage", ohne dass hierbei gesondert auf die entsprechende tarifliche Bestimmung Bezug genommen ist. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Gewährung dieser Zulage mit den tariflichen Regelungen nichts zu tun hat. Zunächst ist im Anstellungsvertrag keine Bestimmung des Inhalts enthalten, dass der Kläger durchgehend in Schichtarbeit eingesetzt werde. In § 3 des Anstellungsvertrages ist vielmehr festgelegt, dass der Kläger sich bereit erkläre, notwendige Mehrarbeit zu leisten und "im Bedarfsfall" auch in Schichtarbeit oder in Rufbereitschaft tätig zu sein. Die Vertragsparteien haben also gerade nicht vereinbart, dass die Beklagte verpflichtet wäre, den Kläger grundsätzlich in Schichtarbeit einzusetzen, und dass der Kläger das Recht hätte, durchgehend in Schichtarbeit beschäftigt zu werden. Wäre die Auslegung des Klägers zutreffend, dass der Anspruch auf die Wechselschichtzulage fester Bestandteil der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen wäre, hätte dies zur Folge, dass der Anspruch auf die Zahlung auch dann bestehen würde, wenn er nicht in Schichtarbeit eingesetzt würde. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte. Auch der Kläger geht nicht hiervon aus.

    Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien im Anstellungsvertrag von einem anderen Schichtbegriff ausgegangen wären als demjenigen, der auch im Manteltarifvertrag zugrunde gelegt ist. Auch sie haben eine Definition des Begriffs "Schichtarbeit" oder des Begriffs "Wechselschicht" nicht in den Vertragstext aufgenommen.

    Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Betrag der im Anstellungsvertrag aufgeführten Wechselschichtzulage exakt demjenigen Betrag entspricht, auf den Arbeitnehmer Anspruch haben, wenn sie im Sinne des Tarifvertrages Wechselschicht leisten. Auch hieraus ist erkennbar, dass die Arbeitsvertragsparteien davon ausgegangen sind, dass der Kläger die Schichtzulage nicht unabhängig von den tariflichen Voraussetzungen erhalten sollte.

    Irgendwelche besonderen Umstände bei oder vor Vertragsschluss, aus denen abzuleiten wäre, dass die Parteien der Aufnahme der Schichtzulage in den Anstellungsvertrag ausnahmsweise eine anders zu qualifizierende Bedeutung hätten zumessen wollen, hat der Kläger nicht dargetan. Er hat insbesondere nicht behauptet, dass er mit der Beklagten über die Schichtzulage verhandelt oder dass diese ihm die Gewährung unabhängig von den tariflichen Voraussetzungen ausdrücklich zugesichert hätte.

    b. Aus den vorgelegten Gehaltsmitteilungen lässt sich nichts anderes entnehmen. Diese sprechen im Gegenteil ebenfalls dafür, dass der Kläger die Schichtzulage nur bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen zu beanspruchen hat. In der Mitteilung vom 17.06.2004 (Anlage K 7, aaO., Bl. 59 d.A.) hat die Beklagte ausdrücklich auf die "Überprüfung" der Tätigkeit "anhand der tariflichen Gehaltsgruppenmerkmale" abgestellt. Sie hat im Rahmen dieser Überprüfung auch die Schichtzulage in dieser Mitteilung aufgeführt. Für die Einbeziehung dieser Schichtzulage in die Mitteilung hätte kein Anlass bestanden, wenn diese völlig unabhängig von den tariflichen Merkmalen anfallen würde. Dies gilt in gleichem Maße für die Mitteilung vom 08.12.2008 (Anlage K 8, aaO., Bl. 60 d.A.).

    c. Zu Recht führt die Beklagte aus, dass eine betriebliche Übung als Anspruchsgrundlage für die Wechselschichtzulage nicht in Betracht kommen kann. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Entscheidend hierfür ist, wie die Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen mussten und durften (vgl. zuletzt BAG vom 19.10.2011, 5 AZR 359/10, zitiert nach juris, Rn. 13). Vorliegend ist zu beachten, dass der Anspruch auf eine Wechselschichtzulage sowohl im Anstellungsvertrag als auch im Tarifvertrag, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, benannt ist. In solchen Fällen käme ein Anspruch aus betrieblicher Übung nur in Betracht, wenn die Arbeitnehmer davon ausgehen könnten, dass der Arbeitgeber eine weitere, hiervon unabhängige Leistung gewähren wollte (zuletzt BAG vom 12.10.2011, 10 AZR 746/10, zitiert nach juris, Rn. 52). Anhaltspunkte hierfür sind nicht erkennbar. Aus Sicht des Klägers stellt sich die Gewährung als Erfüllung eines vertraglichen oder tariflichen Anspruchs dar. In einem solchen Fall wird die Leistungsgewährung nicht als stillschweigendes Angebot des Arbeitgebers zur Begründung eines dauerhaften Anspruchs wahrgenommen, sondern als Normvollzug (zuletzt BAG vom 17.08.2011, 10 AZR 347/10, zitiert nach juris, Rn. 17; BAG vom 17.03.2010, 5 AZR 317/09). Nach den Vertragsbestimmungen hat die Beklagte dem Kläger die Schichtzulage dann zu gewähren, wenn die tariflichen Voraussetzungen vorliegen. Tatsachen, die ein darüber hinausgehendes Vertrauen rechtfertigen würden, sind in keiner Weise vorgetragen.

    2. Der Anspruch des Klägers ergibt sich jedoch daraus, dass er im derzeit praktizierten Schichtsystem tatsächlich in - eine tarifliche Zweischichtzulage auslösende - Wechselschicht eingesetzt wird.

    a. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die tariflichen Bestimmungen aufgrund beiderseitiger Tarifbindung, darüber hinaus aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis, anwendbar sind.

    b. Der Kläger ist dadurch, dass seine festen Arbeitszeiten in der Abteilung xx ständig von 07.00 Uhr bis 15.06 Uhr, 10.00 Uhr bis 18.06 Uhr und 11.54 Uhr bis 20.00 Uhr wechseln - wobei noch gewisse Vor- und Nacharbeiten hinzukommen, die der Kläger mit jeweils 15 Minuten angibt, die Beklagte mit "wenigen Minuten" - auch in Wechselschicht tätig, so dass die Voraussetzungen für die Zwei-Schicht-Zulage gegeben sind.

    c. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Begriff der Wechselschicht nicht in den Vorschriften des MTV selbst definiert. Insbesondere sieht § 11 Ziff. 5 Abs. 3 ff. MTV keine solche Definition vor.

    aa. Schon der Wortlaut der Norm spricht dagegen. In diesen Absätzen wird ein "Ausgleich für zusätzliche Belastungen bei Nachtarbeit im Wechselschichtbetrieb" gegeben, und zwar in Form einer Freischicht. Systematisch baut diese Bestimmung auf den ersten beiden Absätzen auf und geht darüber hinaus. Soweit die Arbeitnehmer in Wechselschicht arbeiten, haben sie Anspruch auf die in § 11 Ziff. 5 Abs. 1 MTV normierte Zulage. Dann, wenn die Wechselschicht auch Nachtarbeit mit bestimmten Stundenanteilen beinhaltet, besteht ein zusätzlicher Anspruch auf eine Freischicht. Durch die Verwendung der Begriffe "zusätzlich" und "bei Nachtarbeit", also im Fall der Ableistung von Schichten, die in den von den Tarifparteien festgelegten Zeitraum mit Nachtstunden hineinfallen, ist schon vom Wortlaut eindeutig klargestellt, dass die Auffassung der Beklagten, in dieser Bestimmung seien die Begriffe Früh-, Spät- und Nachtschicht definiert, nicht zutreffend sein kann.

    bb. Aus diesen Bestimmungen lässt sich nicht entnehmen, dass die Tarifparteien von Schichtarbeit nur dann ausgehen würden, wenn Früh-, Spät- oder Nachtschichten in der aufgeführten Form geleistet würden. Wäre die Auffassung der Beklagten zutreffend, dass eine Früh- bzw. eine Spätschicht nur dann vorliegen würde, wenn mindestens zwei Stunden vor 6.00 Uhr oder mindestens zwei Stunden nach 20.00 Uhr geleistet würden, dann müsste jeder die Wechselschichtzulage auslösende Schichtbetrieb automatisch mit zusätzlichen Freischichten wegen der Belastungen bei Nachtarbeit versehen sein. Hätten die Tarifparteien dies gewollt, hätte es nahegelegen, Zulagen- und Freischichtgewährung in einer Norm zusammenzufassen und auf die Verwendung der Präposition "bei" (Nachtarbeit) zu verzichten. Wortlaut und systematischer Zusammenhang stehen somit klar gegen eine solche Auslegung. Im Gegenteil: Wenn die Tarifparteien Freischichten als Ausgleich für zusätzliche Belastungen bei Vorliegen von Nachtarbeit geschaffen haben, spricht alles dafür, dass sie davon ausgegangen sind, dass es auch Wechselschicht ohne derartige zusätzliche Belastungen durch Schichten, die Nachtarbeit beinhalten, geben kann.

    cc. Dies gilt umso mehr, als die Tarifparteien bei Einführung der Wechselschichtzulage diesen zusätzlichen Ausgleich nicht vorgesehen hatten (vgl. z.B. Manteltarifvertrag vom 16.04.1977, TR 27 - 150 ab 45). Die Sonderbestimmung mit dem Ausgleich zusätzlicher Belastungen im Wechselschichtbetrieb im Fall der Nachtarbeit hat hingegen erst seit 1981 Eingang in den Tarifvertrag gefunden. Dafür, dass die Tarifparteien mit dieser nachträglichen Einführung des zusätzlichen Ausgleichs für Nachtarbeit auch den Begriff der Schichtarbeit - möglicherweise auch noch abweichend zum vor diesem Zeitpunkt praktizierten Verständnis des Begriffs - hätten definieren wollen, sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.

    dd. Zu beachten ist allerdings, wie aus dem Begriff "zusätzliche Belastungen" in § 11 Ziff. 5 Abs. 3 MTV ebenso deutlich wird wie aus der Überschrift zu § 11 MTV "Ausgleich für schwere Arbeit", dass die Tarifparteien davon ausgegangen sind, dass Belastungen der Arbeitnehmer tatsächlich vorliegen müssen. Nicht jede etwa nur um wenige Minuten versetzte Schicht enthält derartige Belastungen, stellt "schwere Arbeit" dar. Gerade die Lage der verschiedenen Schichten muss daher die Lebensführung erheblich beeinflussen, etwa durch den ständigen Wechsel der Einsatzzeiten, die den Lebensrhythmus stört, oder durch den wechselnden Einsatz zu ungünstigen, die private Lebensführung erheblich beeinträchtigenden Zeiten. Letzteres kann, muss aber nicht durch den Einsatz während der Nachtzeiten geprägt sein.

    ee. Angesichts dieses eindeutigen Auslegungsergebnisses kann dahinstehen, wie die von der Beklagten vorgelegten widersprüchlichen Auskünfte der Vertreter der Gewerkschaft Ver.di zu bewerten sind. Es handelt sich insoweit um Parteivortrag, der im übrigen nicht das tatsächliche Tarifgeschehen oder einvernehmliche Tarifübungen wiedergibt (grundlegend zum möglichen Inhalt von Tarifauskünften vgl. BAG vom 18.08.1999, 4 AZR 247/98; BAG vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08, Rn. 32, jeweils zitiert nach juris). Angesichts des sich aus der Auslegung der Tarifbestimmungen ergebenden eindeutigen Ergebnisses bedurfte es der gerichtlichen Einholung einer amtlichen Tarifauskunft nicht (vgl. zuletzt etwa BAG vom 24.02.2010, 10 AZR 40/09, Rn. 23; BAG vom 14.09.2011, 10 AZR 358/10, Rn. 28, jeweils zitiert nach juris).

    ff. Sonstige Bestimmungen des Tarifvertrages, die auf eine eigene Definition von Schichtarbeit hindeuten könnten, sind nicht erkennbar. Mangels sonstiger Anhaltspunkte ist daher davon auszugehen, dass die Tarifparteien vom allgemein im Sprachgebrauch verwendeten Schichtbegriff ausgegangen sind und diesen zugrunde gelegt haben, wobei - wenn sich dies nicht ohnehin aus dem allgemeinen Schichtbegriff ergibt - der Zweck der Zulage, nämlich die oben dargelegten Belastungen auszugleichen, berücksichtigt werden muss.

    d. Eine Definition des Begriffs "Schichtarbeit" findet sich in Art. 2 Ziff. 5 der RL 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie; ebenso schon der Richtlinie 93/104 vom 23.11.1993). Danach ist unter Schichtarbeit zu verstehen "jede Form der Arbeitsgestaltung kontinuierlicher oder nicht kontinuierlicher Art mit Belegschaften, bei der Arbeitnehmer nach einem bestimmten Zeitplan, auch im Rotationsturnus, sukzessive an den gleichen Arbeitsstellen eingesetzt werden, so dass sie ihre Arbeit innerhalb eines Tages oder Wochen umfassenden Zeitraums zu unterschiedlichen Zeiten verrichten müssen". Würde man diesen Begriff zugrunde legen, käme es auf die Zeitabstände, in denen die Schichten liegen, nicht an. Allerdings ist auch hier der Zweck der Richtlinie zu beachten, wie aus Art. 12 der Richtlinie deutlich wird: Es geht um den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter. Eine Schichteinteilung, die keine gesundheitlichen Belastungen enthält - unstreitig ist dies etwa für die Einteilung in eine nicht wechselnde Tagschicht -, ist nach dem Zweck der Richtlinie nicht erfasst. Die Frage, wann ein "sukzessiver" Einsatz an der Arbeitsstelle, der auch gesundheitliche Belastungen auslösen kann, gegeben ist, wird von der Richtlinie nicht definiert.

    e. In § 15 Abs. 7 BAT ist Schichtarbeit definiert als "Arbeit nach einem Schichtplan (Dienstplan)", "der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten" vorsieht. Auch diese Bestimmung sieht keine Mindestverschiebung der Schichten vor; nach § 33a BAT wurde den Mitarbeitern eine Zulage jedoch erst bei einer mit Schichtarbeit 13 Stunden überschreitenden Zeitspanne gewährt. § 7 Abs. 2 TVöD-AT nimmt diese 13 Stunden für die Definition der Schichtarbeit auf, setzt zusätzlich einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden voraus. Schon aus der Verwendung dieser Begrifflichkeiten wird deutlich, dass "Schichtarbeit" im tariflichen und auch allgemeinen Verständnis nicht nur dann vorliegt, wenn sich die Mitarbeiter kontinuierlich ablösen, so dass sich die Arbeitszeit des einen Arbeitnehmers an diejenige des anderen anschließen würde.

    f. Dementsprechend ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff des "Schichtdienstes" dann als erfüllt anzusehen, wenn die Arbeitsleistungen mehrerer Arbeitnehmer sich planmäßig an einem Arbeitsplatz einander ablösen, damit der Arbeitsplatz nicht nur während der regelmäßigen Arbeitszeit eines Arbeitnehmers besetzt ist, sondern nacheinander von mehreren Arbeitnehmer für eine die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers übersteigende Zeitspanne (BAG vom 23.09.1960, 1 AZR 567/59, zitiert nach juris, Rn. 20; das BAG hat in der genannten Entscheidung bei einer täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer von acht Stunden die Besetzung eines Tores von 6.30 Uhr bis 20.00 Uhr als Schichtarbeit nach dem allgemeinen Schichtbegriff angesehen). Berücksichtigt man sowohl den Zweck der Richtlinien als auch den oben dargestellten Zweck der Zulage, die mit dem Einsatz in verschiedenen Schichten verbundene Belastung auszugleichen, der durch den wechselnden Arbeitsrhythmus entsteht (vgl. hierzu auch Neumann/Biebl, ArbZG, 15. Aufl. 2008, § 6 Rn. 5), ist zu verlangen, dass die abzuleistenden Schichten tatsächlich erheblich versetzt sind, so dass davon ausgegangen werden muss, dass sich die Arbeitnehmer wechselseitig "ablösen" (so ausdrücklich auch BAG vom 18.01.1983, 3 AZR 447/80, zitiert nach juris, Rn. 25 ff.). Zu fordern ist daher, dass die Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die tägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus zu erfüllen ist und dass sie teilweise auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit erbracht werden muss (BAG vom 18.01.1983, aaO., Rn. 27; BAG vom 20.06.1990, 4 AZR 5/90). Dabei kann, weil die eine Schicht außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit stattfindet und daher die persönliche Lebensführung beeinträchtigt, selbst ein regelmäßig wechselnder Einsatz von 5.30 Uhr bis 14.30 Uhr einerseits und von 7.30 Uhr bis 17.00 Uhr für die Erfüllung des Schichtbegriffs ausreichend sein (BAG vom 18.07.1990, 4 AZR 295/89, zitiert nach juris). Schichtarbeit kann auch dann vorliegen, wenn sich die verschiedenen Schichten überlappen oder wenn Arbeitsbeginn und Arbeitsende der verschiedenen Schichten nur um wenige Stunden auseinander liegen (BAG vom 26.09.2007, 5 AZR 808/06, Rn. 34). Der jeweils abgelöste Arbeitsplatz muss dabei nicht identisch sein, wenn nur die jeweils betroffenen Arbeitnehmer gegenseitig austauschbar sind (BAG vom 04.02.1988, 6 AZR 203/85; BAG vom 20.04.2005, 10 AZR 302/04, jeweils zitiert nach juris).

    g. Der Kläger erfüllt mit seinen Einsatzzeiten die Voraussetzungen des so verstandenen Schichtbegriffs.

    aa. Die Schichten, in denen der Kläger eingesetzt wird, decken mit den Einsatzzeiten von kurz vor 7.00 Uhr bis kurz nach 20.00 Uhr mehr als 13 Stunden ab. Damit differieren seine Einsatzzeiten in einem Maß, dass sie selbst unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Pausen von einem Arbeitnehmer nicht mehr vollständig abgedeckt werden können. Sie überschreiten die zulässige Höchstarbeitszeit - unter Einschluss der gesetzlichen Pausen - von 10,75 Stunden pro Arbeitstag erheblich. Zudem überschreiten sie auch die regelmäßige Arbeitszeit eines Arbeitnehmers, wie sie im vom Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe vorgesehen ist - nach § 11 Ziff. 1 des MTV ist die regelmäßige Wochenarbeitszeit von 38 Stunden regelmäßig auf fünf Tage Montag bis Freitag zu verteilen, die regelmäßige tägliche Arbeitszeit beträgt damit 7,6 Stunden - erheblich. Dies gilt auch, wenn man zu den 7,6 Arbeitsstunden Pausen von 45 Minuten hinzurechnen würde. Die wechselnde Ableistung der für seine Abteilung festgelegten Schichten rechtfertigt die Qualifizierung als "Wechselschicht" jedenfalls dann, wenn der Zeitraum der Überlappung der - für die Gewährung der Zweischichtzulage notwendigen - Früh- und Spätschichten, ausgehend von der Regelarbeitszeit, kleiner ist als derjenige Zeitraum, in dem die Beschäftigten die Arbeitsaufgaben nacheinander erbringen. Bei der im Versicherungsgewerbe maßgeblichen Regelarbeitszeit von 7,6 Stunden ist von "Wechselschicht" in diesem Sinn nach alldem jedenfalls dann auszugehen, wenn die beiden Schichten eine Arbeitszeit von mehr als 11,4 Stunden abdecken. Dies ist bei denjenigen Schichten, die der Kläger entsprechend seinem Schichtplan abzuleisten hat und die einen Zeitrahmen von vor 7.00 Uhr bis nach 20.00 Uhr und damit mehr als 13 Stunden abdecken, der Fall. Die im ständigen Wechsel auch des Lebensrhythmus führenden Belastungen sind bei Vorliegen solcher Voraussetzungen gegeben.

    bb. Die in den Schichten eingesetzten Mitarbeiter erbringen gemeinsam eine bestimmte gleiche Arbeitsaufgabe, so dass auch das Moment des "Ablösens" erfüllt ist.

    cc. Dabei ist - davon geht wohl auch die Beklagte aus - unerheblich, dass in der Abteilung, in der der Kläger beschäftigt ist, tatsächlich in drei Schichten gearbeitet wird, von denen der Einsatz in der ersten und der zweiten Schicht - kurz vor 07.00 Uhr bis 15.06 einerseits und 10.00 Uhr bis 18.06 Uhr andererseits - für sich genommen nach den oben aufgeführten Kriterien keine "Wechselschicht" darstellen und daher die Zulage wohl nicht auslösen würde. Um regelmäßige Wechselschicht handelt es sich auch dann, wenn der Wechsel dergestalt erfolgt, dass eine Spätschicht auf zwei Frühschichten folgt oder umgekehrt oder wenn - wie hier - dem Frühschicht und Spätschichteinsatz eine dritte Schicht zwischengeschaltet ist und mitrotiert, wenn dabei insgesamt eine Arbeitszeitmenge abgedeckt wird, die den oben dargestellten für den Erhalt der "Zweischichtzulage" maßgeblichen Schichtbegriff erfüllt.

    h. Die Kammer geht davon aus, dass schon die Belastungen, die in dem ständigen Wechsel des Einsatzes dergestalt liegen, dass auch der Lebensrhythmus in der oben dargestellten Weise ständig verschoben wird, das Merkmal der "Schichtarbeit" bzw. "Wechselschicht" erfüllen und den Anspruch auf die tarifliche Zulage rechtfertigen.

    aa. Auf das weitere Merkmal "außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit" in dem Sinn, dass zusätzlich die Schichten außerhalb von in Deutschland oder in der Branche oder im Betrieb üblichen Arbeitszeiten liegen müssten, kommt es damit nicht mehr an (auf dieses zusätzliche Merkmal verzichten etwa Linck in Schaub u.a., Arbeitsrechtshandbuch, 14. Aufl. 2011, § 45 Rn. 54; Wank in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Aufl. 2012, § 6 ArbZG, Rn. 2; Anzinger in Münchner Handbuch Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2009, § 300 Rn. 8; Schliemann, ArbZG, Luchterhand 2009, § 6 Rn. 11; Neumann/Biebl, ArbZG, 15. Aufl. 2008, § 6 Rn. 5; Wichert in Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwaltKommentar Arbeitsrecht, § 6 ArbZG Rn. 3 ff.). Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Auch dieses Merkmal "außerhalb der üblichen Arbeitszeit" ist vorliegend als erfüllt anzusehen.

    bb. Hierbei kann nicht, wie die Beklagte meint, auf eine im Betrieb oder in der Branche übliche Betriebsöffnungszeit oder Erreichbarkeit abgestellt werden. Wäre dies zutreffend, so wäre etwa eine über 24 Stunden andauernde Dreischicht in einem Krankenhaus oder Pflegeheim nicht als "Schichtarbeit" im allgemeinen Sprachgebrauch anzusehen. Das Bundesarbeitsgericht hätte auch bei den Dienstplänen der Taxifahrer, deren Dienste branchenüblich rund um die Uhr angeboten werden (BAG vom 18.07.1990, aaO.), nicht auf Schichtarbeit in diesem Sinn erkennen dürfen. In den Entscheidungen vom 24.01.2001 (aaO.; betrifft den Groß- und Außenhandel) und vom 26.09.2007 (aaO.; betrifft einen Omnibusverkehr) hat das Bundesarbeitsgericht gerade nicht darauf abgestellt, ob die Schichten "außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit" in dem Sinn liegen würden, dass auf die Arbeitszeit des Beschäftigungsbetriebs oder auf diejenige der Branche abgestellt worden wäre.

    cc. Entscheidend ist daher nicht, ob der Arbeitgeber sich entschieden hat, seine Leistungen auch außerhalb von Schichten für acht, sechzehn oder vierundzwanzig Stunden am Tag anzubieten oder zu erbringen. Entscheidend sind auch nicht die in der Branche üblichen Arbeitszeiten, was etwa im Einzelhandel dazu führen könnte, dass angesichts langer Öffnungszeiten generell keine Schichtarbeit mehr anfallen könnte. Eine entsprechende Tatsachenfeststellung, welche Arbeitszeiten in der jeweiligen Branche üblich sind, hat das Bundesarbeitsgericht in keiner der oben genannten und, soweit ersichtlich, auch in keinen sonstigen veröffentlichten Entscheidung getroffen.

    dd. Das Merkmal "außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit" muss vielmehr unter Beachtung des weiteren Zwecks der Zulage, auch die im wechselnden Arbeitsrhythmus zusätzlich einzuhaltenden ungewöhnlichen Arbeitszeiten auszugleichen, interpretiert werden. Im wiederkehrenden Einsatz zu Arbeitszeiten, die im normalen Alltag nicht "üblich" sind, liegt eine eigenständige Belastung vor, die ebenfalls mit der Zulage ausgeglichen werden kann. Diese Belastungen können sowohl in der schlechteren Erreichbarkeit des Einsatzortes mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch in der schwieriger zu gestaltenden Teilhabe am allgemeinen gesellschaftlichen Leben liegen. Zu beachten sind auch die nach wie vor üblichen Öffnungszeiten von Kindergärten und Kinderhorten. Unter Berücksichtigung derartiger Umstände ist - wie für das Bundesarbeitsgericht etwa im Urteil vom 18.01.1983 (aaO.) - für die Berufungskammer offenkundig, dass jedenfalls die zwischen 07.00 Uhr und 17.00 Uhr zu erbringenden Arbeitsleistungen üblich sind (so auch HK-ArbR-Growe, 2. Aufl. 2010, § 6 ArbZG Rn. 4). Es kann dahinstehen, ob die Belastungen, wozu die Kammer neigt, schon bei Überschreiten dieses Zeitrahmens ausgeglichen werden sollten. Jedenfalls dann, wenn Schichtzeiten außerhalb von 07.00 Uhr und 18.00 Uhr liegen, ist auch das Merkmal "außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit" erfüllt. Auf den durch Betriebsvereinbarungen in den Betrieben der Beklagten festgelegten Arbeitszeitrahmen kommt es demgegenüber nicht an. Unabhängig davon macht ein Arbeitszeitrahmen, innerhalb dessen die Erbringung der Arbeitszeit nach Wunsch des Arbeitnehmers mit Kernzeit und Gleitzeit möglich ist, die in diesem Rahmen mögliche Arbeitszeit nicht zur "allgemein üblichen".

    3. Nach alldem erfüllt der Kläger die tariflichen Voraussetzungen der geltend gemachten Zweischichtzulage. Die unbegründete Berufung der Beklagten ist daher zurückzuweisen. Die der Höhe und dem Zinsbetrag nach in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 01.12.2011 (Bl. 328 d.A.) ausdrücklich unstreitig gestellten eingeklagten Zahlungsansprüche stehen dem Kläger zu.

    4. Bei der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens hat es zu verbleiben. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte 6/10, der Kläger 4/10 zu tragen. Die Kostenlast trifft die Beklagte, soweit über die im Berufungsverfahren gestellten Anträge zu entscheiden war (entsprechend § 97 Abs. 1 ZPO). Soweit die Parteien den zunächst zusätzlich vom Kläger gestellten Feststellungsantrag für erledigt erklärt haben, trifft die Kostenlast insoweit den Kläger. Der Antrag wäre abzuweisen gewesen. Die Einteilung in den Schichtplan betrifft nicht die "Arbeitsbedingungen". Zudem fällt die Schichtzulage nur dann an, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich am Schichtbetrieb teilnimmt. Der Kläger hätte in seinem Antrag sämtliche Umstände ausnehmen müssen - etwa längere Arbeitsunfähigkeit -, in denen ein Anspruch auf die Schichtzulage nicht besteht (BAG vom 13.03.2002, 5 AZR 755/00; BAG vom 09.04.2008, 4 AZR 104/07, jeweils zitiert nach juris). Die Kostenquote errechnet sich nach dem Maß des jeweiligen tatsächlichen und - entsprechend § 91a ZPO - hypothetischen Obsiegens bzw. Unterliegens der Parteien.

    5. Die Zulassung der Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung - Verständnis des Begriffs "Schichtarbeit" bzw. "Wechselschicht" und Vielzahl möglicher betroffener Arbeitsverhältnisse - veranlasst.

    Vetter
    Bengel
    Kreser

    VorschriftenTVG § 1, MTV privates Versicherungsgewerbe (TR 27 - 150 ab 165) § 11