01.09.2025 · IWW-Abrufnummer 249947
Finanzgericht Münster: Urteil vom 13.06.2025 – 14 K 2124/21 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster, Urteil vom 13.06.2025, Az. 14 K 2124/21 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Kläger begehren die Anerkennung von Umzugskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin.
2
Die Kläger wurden im Streitjahr 2020 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. […].
3
Bereits im August 2018 ‒ noch während des Referendariates der Klägerin ‒ stellte das Schulamt für den Kreis F. die Klägerin mit Wirkung zum 01.02.2019 für ein unbefristetes Tarifbeschäftigungsverhältnis als Grundschullehrerin ein. Im Schreiben des Schulamtes für den Kreis F. vom 15.08.2018, mit dem der Klägerin auch der Arbeitsvertrag übersandt wurde, heißt es zum Grund der Einstellung:
4
„Es handelt sich um eine Tätigkeit im Rahmen der schulübergreifenden Vertretungsreserve für die Dauer von zwei Jahren. Nach Ablauf dieses Zeitraums werden Sie einer bestimmten Grundschule zugewiesen. Die konkrete Grundschule wird ihnen rechtzeitig vor Ablauf der zwei Jahre mitgeteilt.“
5
Zum 01.02.2019 nahm die Klägerin ihre Tätigkeit als Grundschullehrerin am Grundschulverbund T. auf. Dem Grundschulverbund T. gehören die ehemals eigenständigen Grundschulen G01, G02 und die G03 an. Ab dem Schuljahr 2013/2014 bildeten die drei Grundschulen einen Schulverbund. Die drei Grundschulen fusionierten. Seither gibt es in der Gemeinde T. zwar noch drei Schulstandorte, aber nur noch eine Grundschule, den Grundschulverbund T.. Seit Januar 2020 ist die Klägerin an dem Standort G01 eingesetzt. Im Mai 2020 erhielt die Klägerin die Zusage, künftig als Klassenlehrerin an diesem Standort eingesetzt zu werden.
6
Im Juni 2020 zogen die Kläger innerhalb von F. von einer kleineren Wohnung mit zwei Zimmern (Anschrift: A.-straße) in eine größere Wohnung mit drei Zimmern (G.-straße) um. In der neuen Wohnung richtete sich die Klägerin im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Lehrerin ein häusliches Arbeitszimmer ein. Die Entfernung zu ihrer Arbeitsstätte verringerte sich durch den Umzug lediglich von zehn auf neun Kilometer.
7
Mit ihrer Steuererklärung für 2020 machten die Kläger unter anderem Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie Umzugskosten in Höhe von 3.563 € (einschließlich 80 € für Verpflegungsmehraufwendungen und 1.633 € doppelte Miete) als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
8
Mit Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 30.04.2021 berücksichtigte der Beklagte zwar das häusliche Arbeitszimmer, lehnte aber den Abzug der Umzugskosten ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Kosten für den Umzug innerhalb von F. nicht berücksichtigt werden könnten, da eine berufliche Veranlassung nicht erkennbar sei. Auf die Ausführungen im amtlichen Lohnsteuerhandbuch 2020 zu R 9.9 hinsichtlich der beruflichen Veranlassung werde hingewiesen.
9
Hiergegen legten die Kläger am 10.05.2021 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass durch den Wohnungswechsel von einer Zwei-Zimmer-Wohnung in eine Drei-Zimmer-Wohnung erst die Möglichkeit der Einrichtung eines abgeschlossenen Arbeitszimmers für die Klägerin ermöglicht worden sei. Bisher sei die Vor- und Nachbearbeitung für den Unterricht, Klausuren sowie Telefonate mit Kollegen und Eltern der Schüler im Wohnzimmer der Kläger erfolgt. Auch die Bestellung der Ehefrau als Klassenlehrerin habe ein Arbeitszimmer unabdingbar gemacht.
10
Mit Einspruchsentscheidung vom 22.07.2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Da das Bewohnen einer Wohnung dem privaten Lebensbereich zuzurechnen sei, seien auch die Kosten für einen Wechsel der Wohnung grundsätzlich als steuerlich nicht abziehbare Kosten der Lebensführung anzusehen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Etwas anderes gelte nur dann, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstelle und private Umstände nur eine ganz untergeordnete Rolle spielten (Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.11.1991 - Vl R 77/89, BFHE 166, 534). Eine derartige berufliche Veranlassung habe der BFH z.B. anerkannt, wenn der Umzug aus Anlass eines Arbeitsplatzwechsels erfolge oder wenn ‒ auch ohne berufliche Veränderung ‒ durch den Umzug der erforderliche Zeitaufwand für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wesentlich vermindert werde. Als wesentliche Verkürzung der Wegezeit habe er dabei eine Fahrtzeitverkürzung von einer Stunde täglich angesehen (Urteile vom 15.10.1976 - Vl R 162/74; vom 10.09.1982 - Vl R 95/81, vom 21.07.1989 - Vl R 129/86).
11
Vorliegend sei eine erhebliche Fahrzeitverkürzung durch den Umzug nicht erfolgt. Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei lediglich von zehn Kilometer auf neun Kilometer reduziert worden. Auch beruhe der Wohnungswechsel nicht auf einen Arbeitgeberwechsel.
12
Der Umstand, dass die neue Wohnung aufgrund der wesentlich großzügigeren Platzverhältnisse die Einrichtung eines Arbeitszimmers ermögliche, reiche für die Feststellung eines Umzugs aus nahezu ausschließlich beruflichen Gründen nicht aus; denn aufgrund des natürlichen Bestrebens nach Verbesserung der Wohnqualität lasse sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit ermitteln, ob die Einrichtung des Arbeitszimmers Anlass oder nur Folge des Umzugs in eine wesentlich größere Wohnung mit besseren Wohnbedingungen gewesen sei. Das Gebot der Rechtssicherheit erfordere, bei der Frage nach der beruflichen Veranlassung des Umzugs regelmäßig nur auf objektiv feststellbare Umstände abzustellen, die typischerweise auf eine berufliche Veranlassung schließen lassen würden. Solche Umstände seien allein in dem Bestreben, ein abgeschlossenes Arbeitszimmer einzurichten ‒ anders als bei einem Umzug aus konkretem beruflichen Anlass (Arbeitgeberwechsel, Umzug in neue Betriebsräume oder bei einer wesentlichen Fahrzeitverkürzung) ‒ nicht gegeben. Zudem sei als private Mitveranlassung zu berücksichtigen, dass die Einrichtung eines abgeschlossenen Arbeitszimmers in der neuen Wohnung zur ungestörten Nutzung des ansonsten mit der Arbeitsecke belasteten Wohnraums führe.
13
Hiergegen haben die Kläger am 23.08.2021 Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass der Umzug in die größere Wohnung nach den Kriterien der einschlägigen Rechtsprechung ausschließlich beruflich veranlasst gewesen sei.
14
Zwar werde durch den Umzug die Fahrzeit zur Arbeit nicht wesentlich verkürzt, der Umzug brächte für sie, die Klägerin, jedoch sonstige wesentliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, welche nach der Rechtsprechung des BFH ebenfalls begründen könnten, dass die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstelle und private Umstände eine ganz untergeordnete Rolle spielten.
15
Sofern der Beklagte sich im Einspruchsverfahren darauf berufen habe, die durch den Umzug geschaffene Möglichkeit, erstmals ein häusliches Arbeitszimmer einzurichten, reiche für eine berufliche Veranlassung nicht aus, sei dies unzutreffend. Insbesondere lasse sich dies aus den vom Beklagten zitierten Urteilen des BFH aus dem Jahre 1992 (VI R 132/88) sowie des FG Baden-Württemberg vom 29.07.2014 (6 K 767/14) nicht herleiten. Vielmehr fordere der BFH u.a. im Urteil vom 16.10.1992 (Vl R 132/88) das Vorliegen objektiver Kriterien dafür, dass die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstelle und private Umstände eine nur ganz untergeordnete Rolle spielten. Wenn nach diesen objektiven Kriterien, zu denen im Urteil neben dem Ein- oder Auszug aus einer Dienstwohnung oder einer wesentlichen Fahrzeitverkürzung von mindestens einer Stunde „sonstige erhebliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen" gezählt würden, die berufliche Veranlassung des Umzuges feststehe, stelle der BFH nicht mehr entscheidend darauf ab, aus welchen Motiven der Steuerpflichtige gerade in eine bestimmte Wohnung (z.B. eine größere Mietwohnung oder ein Einfamilienhaus) umgezogen sei.
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Ihr Umzug sei nach objektiven Kriterien ausschließlich aus beruflichen Gründen erfolgt. Anlass des Umzuges sei gewesen, dass sie, die Klägerin, erstmals nach Beendigung von Studium und Referendariat ihre Tätigkeit als Lehrerin am Grundschulverbund T. aufgenommen habe. Sie habe sich nach Abschluss ihres Referendariats seit dem 01.02.2019 über das Schulamt in F. in einer Anstellung als Grundschullehrerin befunden und habe hierbei, wie bei Berufseinsteigern üblich, eine zweijährige Tätigkeit im Rahmen der Vertretungsreserve (sog. „Springer") ausgeübt; diese sei dadurch gekennzeichnet, dass Krankheits-, Schwangerschafts- oder sonstige Abwesenheitsvertretungen für planmäßige Lehrer übernommen und hierzu zwischen Schulen innerhalb des Kreises F. gewechselt werden müsse. Im Mai 2020 habe sie, die Klägerin, die Zusage erhalten, als Klassenlehrerin für eine erste Grundschulklasse im Grundschulverbund T. an der Grundschule G01 eingesetzt zu werden. Der Einsatz als Klassenlehrerin erfolge regelmäßig durchgehend von der ersten bis zur vierten Klasse, so dass eine Klassenlehrerin die Grundschule während der gesamten Grundschulzeit betreue. Mit den Aufgaben der Klassenlehrerin gingen umfangreiche und materialintensive Vorbereitungstätigkeiten sowie der regelmäßige und ausführliche Kontakt zu den Kindeseltern in ‒ vor allem abends geführten ‒ Telefonaten einher, ebenso die (pandemiebedingte) Unterrichtsgestaltung durch Videokonferenzen und Erstellung digitaler Lerninhalte über die einschlägigen Plattformen aus dem heimischen Arbeitszimmer. Die vorherige Tätigkeit als „Springer" verursache, da hiermit keine eigenverantwortliche Betreuung einer Klasse verbunden sei, noch deutlich weniger organisatorischen Aufwand und zeitliche Verfügbarkeit außerhalb der Schulzeiten; die notwendigen Arbeiten seien damals ‒ in letztlich schon nicht zumutbarer Weise ‒ am Wohnzimmertisch und mit Telefonaten im Schlafzimmer und in der Küche zur Wahrung einer gewissen Vertraulichkeit organisiert worden.
17
Etwas anderes folge auch nicht aus der Entscheidung des BFH vom 05.02.2025 (VI R 3/23), da diese in entscheidenden Punkten einen abweichenden Sachverhallt betroffen habe. Vorliegend sei der Umzug ‒ anders als im dortigen Fall ‒ im zeitlichen Zusammenhang mit der Zusage einer Stelle als Kassenlehrerin erfolgt. Im Vergleich zur vorherigen „Springer-Stelle“ hätten sich damit auch ihre Aufgaben geändert. Mit der Tätigkeit als Klassenlehrerin seien, wie ausgeführt, erhöhte Anforderungen an Verwaltung und Organisation der nunmehr „eigenen“ Schulklasse verbunden. Außerdem habe sie, die Klägerin, die (neue) Tätigkeit als Klassenlehrerin niemals in einer „Arbeitsecke“ ausgeübt, sondern sei in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Übernahme dieser Tätigkeit in die Wohnung mit dem Arbeitszimmer gezogen.
18
Darüber hinaus sei der BFH-Entscheidung nicht zu entnehmen, ob bzw. in welchem Umfang die Tätigkeit der dortigen Kläger datenschutzrechtlichen Restriktionen unterworfen seien. Sie, die Klägerin, unterliege als Grundschullehrerin umfangreichen (näher bezeichneten) datenschutzrechtlichen Anforderungen. Schon deshalb benötige sie zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts inkl. der Pflege von Online-Lern-Plattformen, Korrektur von Tests und Klassenarbeiten, Abfassen von Zeugnissen sowie für Online-Videokonferenzen und die Durchführung von ‒ oft spontanen ‒ Elterngesprächen in den Abendstunden sowie die Aufbewahrung von persönlichen Unterlagen der Schüler ein eigenes ‒ abschließbares ‒ Arbeitszimmer.
19
Da auch er, der Kläger, im Streitjahr pandemiebedingt umfangreich im Homeoffice gearbeitet habe, sei eine Fortführung der Arbeitsbedingungen in der vorherigen Wohnung nicht denkbar gewesen. Er sei ab Mai 2020 ‒ für den Rest des Jahres ‒ zu 50 % im Homeoffice eingesetzt gewesen. Er habe jeweils eine Woche zu Hause und eine Woche im Büro gearbeitet. Ein gemeinsames Arbeiten im Homeoffice sei in der vormaligen Zwei-Zimmer-Wohnung nicht möglich gewesen.
20
Die Größe des Arbeitszimmers sei mit 13 Quadratmetern angemessen. Eine anderweitige, insbesondere private (Teil-)Nutzung des Arbeitszimmers finde nicht statt. Die Notwendigkeit eines eigenen heimischen Arbeitszimmers begründe sich auch daraus, dass in der Schule für mehr als zehn Lehrer nur ein Arbeitsplatz mit bescheidener PC Ausstattung vorhanden sei, welcher zudem in einer Ecke des Lehrerzimmers ohne bauliche Abtrennung und ohne jeglichen Blick- oder Schallschutz eingerichtet worden sei.
21
Der Umzug in die größere Wohnung sei damit ausschließlich beruflich veranlasst gewesen. Die hiermit einhergehende Wahl einer insgesamt etwas größeren Wohnung sei nach den vorgenannten Kriterien der Rechtsprechung unbeachtlich. Sollte, wie das Finanzgericht Baden-Württemberg in seinen Urteilsgründen ausgeführt habe, auf eine Gesamtbetrachtung abzustellen sein, wäre hierbei zu berücksichtigen, dass der private Wohnkomfort durch den Umzug allein dadurch gelitten habe, dass für die alte Wohnung zwei Garagen für ihre beiden Pkw zur Verfügung gestanden hätten während zu der neuen Wohnung lediglich ein Stellplatz gehöre.
22
Die Kläger beantragen,
23
den Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 30.04.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.07.2021 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit Umzugskosten in Höhe von 3.563,- € als weitere Werbungskosten berücksichtigt werden.
24
Der Beklagte beantragt,
25
die Klage abzuweisen.
26
Zur Begründung verweist er vollumfänglich auf die Einspruchsentscheidung und nimmt darüber hinaus wie folgt Stellung:
27
Umzugskosten seien grundsätzlich Kosten der privaten Lebensführung. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstelle und private Umstände nur eine ganz untergeordnete Rolle spielten. Im Urteil vom 16.10.1992 (Vl R 132/88) habe der BFH über einen vergleichbaren Fall entschieden. Auch im dortigen Streitfall sei eine Lehrerin umgezogen, um in der größeren Wohnung ein Arbeitszimmer einrichten zu können. Fahrzeitverkürzung oder ein beruflicher Arbeitsplatzwechsel hätten auch dort nicht vorgelegen. Entgegen den Ausführungen der Kläger sei der private Wohnkomfort schon alleine dadurch gestiegen, dass die Arbeitsunterlagen der Klägerin nicht mehr im Wohnzimmer lagern müssten und das Wohnzimmer wieder jederzeit privat genutzt werden könne. Der Wegfall einer Garage wiege diese Wohnkomfortverbesserung nicht auf. Auch die Ausführungen, dass (aufgrund der coronabedingten Situation) der Kläger alle zwei Wochen im Homeoffice tätig sei, zeige eindeutig die nicht ausschließliche berufliche Veranlassung der Klägerin für den Wohnungswechsel.
28
Am 09.02.2023 hat ein Erörterungstermin vor der (damaligen) Berichterstatterin stattgefunden. Das Verfahren hat zwischenzeitlich aufgrund des Beschlusses vom 13.06.2023 bis zum Ergehen einer Entscheidung des BFH im Verfahren VI R 3/23 am 05.02.2025 geruht. Am 13.06.2025 hat der Senat in der Sache mündliche verhandelt. Auf die Protokolle des Erörterungstermins und der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
30
Entscheidungsgründe
31
Die Klage ist unbegründet.
32
Der Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 30.04.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.07.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‒ FGO ‒). Der Beklagte hat die Umzugskosten zu Recht nicht als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.
33
1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht. Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, das heißt, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stehen. Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die ‒ wertende ‒ Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments", zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (BFH, Urteil vom 05.02.2025 - VI R 3/23, juris, m.w.N.).
34
Zu den Werbungskosten können auch Aufwendungen für einen Umzug gehören. Zwar ist das Bewohnen einer Wohnung dem privaten Lebensbereich zuzurechnen, so dass die Kosten für einen Wechsel der Wohnung grundsätzlich als steuerlich nicht abziehbare Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) und nicht als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG anzusehen sind. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstellt und private Umstände hierfür eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle spielen. Das Gebot der Rechtssicherheit verlangt zudem, dass sich dies anhand objektiver Umstände, die typischerweise auf eine berufliche Veranlassung des Umzugs schließen lassen, feststellen lässt (BFH, Urteil vom 05.02.2025 - VI R 3/23, juris, m.w.N.).
35
a) Eine derartige (objektivierte) berufliche Veranlassung wird von der Rechtsprechung beispielsweise anerkannt, wenn der Umzug die Folge eines Arbeitsplatzwechsels ist und die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit sich durch den Umzug erheblich vermindert (BFH, Urteil vom 15.10.1976 - VI R 162/74, BFHE 121, 27, BStBl II 1977, 117). Unter letzterer Voraussetzung kann ein Umzug auch ohne Arbeitsplatzwechsel beruflich veranlasst sein; in einem solchen Fall treten mit einem Umzug (stets) einhergehende private Begleitumstände regelmäßig in den Hintergrund und können deshalb vernachlässigt werden. Als wesentliche Verkürzung der Wegezeit gilt dabei eine Zeitersparnis von mindestens einer Stunde täglich (z.B. BFH, Urteile vom 16.10.1992 - VI R 132/88, BFHE 170, 484, BStBl II 1993, 610; vom 23.03.2001 - VI R 175/99, BFHE 195, 225, BStBl II 2001, 585; vom 23.05.2006 - VI R 56/02, BFH/NV 2006, 1650 und vom 07.05.2015 - VI R 73/13). Aber auch andere objektive Gründe für einen Umzug, wie zum Beispiel der Auszug aus einer oder der Einzug in eine Dienstwohnung (BFH, Urteil vom 22.11.1991 - VI R 77/89, BFHE 166, 534, BStBl II 1992, 494), können nach der Rechtsprechung des BFH für eine (nahezu ausschließliche) berufliche Veranlassung von Umzugskosten streiten (BFH, Urteil vom 05.02.2025 - VI R 3/23, juris, m.w.N.).
36
b) Der berufliche Veranlassungszusammenhang ist von der Rechtsprechung dabei stets nur aufgrund objektiver, außerhalb der individuellen Wohnsituation liegender Umstände bejaht worden. Steht danach die (nahezu ausschließliche) berufliche Veranlassung des Umzugs nach objektiven Kriterien eindeutig fest, ist deshalb auf Motive des Steuerpflichtigen für den Umzug in eine bestimmte Wohnung (zum Beispiel in eine größere Mietwohnung oder ein Einfamilienhaus) nicht mehr abzustellen. Denn die Motive für die Auswahl einer Wohnung und die Bestimmung des Wohnorts sind nahezu stets durch die private Lebensgestaltung geprägt. Würden sie eine Rolle spielen, könnten Umzugskosten nie als Werbungskosten abgezogen werden (BFH, Urteil vom 05.02.2025 - VI R 3/23, juris, m.w.N.).
37
c) Davon ausgehend ist eine nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung des Umzugs in eine andere Wohnung auch dann zu verneinen, wenn in dieser Wohnung (erstmals) die Möglichkeit zur Einrichtung eines Arbeitszimmers besteht. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, welches nicht durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist. Denn auch in einem solchen Fall ist wegen des natürlichen Bestrebens nach einer ‒ von individuellen Vorlieben geprägten ‒ Verbesserung der Wohnqualität nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu ermitteln, ob die Einrichtung des Arbeitszimmers Anlass oder nur Folge des Umzugs in die neue, unter Umständen größere Wohnung (anderen Zuschnitts) ist. Das Gebot der Rechtssicherheit erfordert ‒ wie oben dargelegt ‒ jedoch, bei der Frage nach der beruflichen Veranlassung des Umzugs regelmäßig nur auf objektiv feststellbare Umstände abzustellen, die typischerweise auf eine berufliche Veranlassung schließen lassen. Solche Umstände sind allein in dem Bestreben, ein abgeschlossenes Arbeitszimmer einzurichten ‒ anders als bei einem Umzug aus konkretem beruflichen Anlass (zum Beispiel Arbeitgeberwechsel, Umzug in neue Betriebsräume oder bei einer wesentlichen Fahrtzeitverkürzung) ‒, nicht gegeben. Die Wahl einer Wohnung, insbesondere deren Lage, Größe, Zuschnitt und Nutzung, ist vielmehr vom Geschmack, den Lebensgewohnheiten, den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln, der familiären Situation und anderen privat bestimmten Vorentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig. Dies ist grundsätzlich der privaten Lebensführung gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzuordnen (BFH, Urteil vom 05.02.2025 - VI R 3/23, juris).
38
Der BFH berücksichtigt bei seiner Entscheidung durchaus, dass sich die Arbeitswelt erheblich gewandelt hat. Allerdings ändert auch die zunehmende Akzeptanz von Homeoffice, Tele- und sogenannter Remote-Arbeit (ortsunabhängiges/mobiles Arbeiten) nichts daran, dass der Wunsch, im privaten Lebensbereich in einem (häuslichen) Arbeitszimmer zu arbeiten, nicht allein auf objektiven beruflichen Kriterien, sondern in erster Linie auf privaten Motiven und Vorlieben beruht. Der BFH verkennt dabei nicht, dass mit einem separaten Arbeitszimmer eine wesentliche Verbesserung und Erleichterung der Arbeitsbedingungen einhergeht und für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen deshalb für ein ungestörtes Arbeiten "zu Hause" als notwendig empfunden wird. Der Wunsch, einen (separaten) Raum als Arbeitszimmer vorzuhalten, wird jedoch nicht in einem solchen Maße durch objektive berufliche Erwägungen überlagert, als dass diese typischerweise für eine nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung eines Wohnungswechsels streiten. Denn die Entscheidung, "im neuen Zuhause" einen ‒ unter Umständen durch den Umzug "hinzugewonnenen" ‒ gesonderten Raum nicht privat, sondern (erstmals) auch oder ausschließlich beruflich als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer "Arbeitsecke" auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Sie mag zwar auch von beruflichen Erwägungen bestimmt sein, gründet aber letztlich vorrangig auf privaten Motiven und Vorlieben des Steuerpflichtigen betreffend die Gestaltung seiner individuellen Wohnsituation. Dies gilt auch dann, wenn er über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt, weil er ‒ wie in Zeiten der Corona-Pandemie ‒ (zwangsweise) zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten war oder er durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. Ob es sich um ein steuererhebliches häusliches Arbeitszimmer handelt, ist wegen des multikausalen Veranlassungszusammenhangs insoweit ebenfalls unerheblich. Denn auch mit der Einrichtung eines (häuslichen) Arbeitszimmers geht nicht nur eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einher, es verbessert sich stets auch die private Wohnsituation insoweit, als der ansonsten mit der Arbeitsecke belastete Wohnraum nunmehr davon ungestört genutzt werden kann (BFH, Urteil vom 05.02.2025 - VI R 3/23, juris, m.w.N.).
39
2. In Anwendung dieser Kriterien, denen der Senat folgt, sind die streitigen Umzugskosten der Kläger nicht als Werbungskosten abzugsfähig.
40
Es fehlt an einem objektiven Kriterium, welches nicht durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist. Etwas anders folgt auch nicht aus den von den Klägern angeführten Datenschutzvorgaben. Selbst wenn der Senat den Klägern darin folgen würde, dass die Tätigkeit der Klägerin als Klassenlehrern an einer Grundschule ‒ anders als die vorherige „Springer-Tätigkeit“ an derselben Grundschule ‒ zwingend ein häusliches Arbeitszimmer erfordert, lässt sich nicht anhand objektiver Kriterien feststellen, dass private Motive für den Wohnungswechsel eine ganz unbedeutende Rolle gespielt haben. Denn, wie auch vom BFH ausgeführt, ist wegen des natürlichen Bestrebens nach einer ‒ von individuellen Vorlieben geprägten ‒ Verbesserung der Wohnqualität nicht mit der erforderlichen Gewissheit zu ermitteln, dass private Motive nur eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben, zumal die Wahl einer Wohnung im Hinblick auf Lage, Größe, Zuschnitt, Miete etc. von Entscheidungskriterien geprägt ist, die grundsätzlich der privaten Lebensführung gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzuordnen sind. Vor dem Hintergrund ist der Umzug in eine größere Wohnung im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss der Ausbildung (Studium und Referendariat) und dem Eingehen einer ersten Vollzeitstelle im gelernten Beruf nicht ungewöhnlich. Im Übrigen gehen mit der Einrichtung des häuslichen Arbeitszimmers ‒ wie der BFH ebenfalls ausgeführt hat ‒ nicht nur eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sondern auch eine Verbesserung der privaten Wohnsituation einher, da der (übrige) Wohnraum ‒ anders als in der alten Wohnung der Kläger, in welcher sie im Wohnzimmer gearbeitet und in der Küche und im Schlafzimmer telefoniert hat ‒ von Arbeitsmaterialien freigehalten werden kann.
41
3. Der Senat kann auch nicht feststellen, dass etwa ein Teil der Umzugskosten auf den Transport der Möbel für das Arbeitszimmer entfielen, zumal die Kläger vor dem Umzug kein (möbliertes) Arbeitszimmer hatten und die Anschaffung der Möbel für das (erste) Arbeitszimmer in der neuen Wohnung bereits bei den Aufwendungen für das Arbeitszimmer berücksichtigt worden sind.
42
4. Klarstellend wird im Übrigen drauf hingewiesen, dass die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer selbst zwischen den Beteiligten ‒ zu Recht ‒ unstreitg ist.
43
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
44
6. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.
Tenor:
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Kläger begehren die Anerkennung von Umzugskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin.
2
Die Kläger wurden im Streitjahr 2020 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. […].
3
Bereits im August 2018 ‒ noch während des Referendariates der Klägerin ‒ stellte das Schulamt für den Kreis F. die Klägerin mit Wirkung zum 01.02.2019 für ein unbefristetes Tarifbeschäftigungsverhältnis als Grundschullehrerin ein. Im Schreiben des Schulamtes für den Kreis F. vom 15.08.2018, mit dem der Klägerin auch der Arbeitsvertrag übersandt wurde, heißt es zum Grund der Einstellung:
4
„Es handelt sich um eine Tätigkeit im Rahmen der schulübergreifenden Vertretungsreserve für die Dauer von zwei Jahren. Nach Ablauf dieses Zeitraums werden Sie einer bestimmten Grundschule zugewiesen. Die konkrete Grundschule wird ihnen rechtzeitig vor Ablauf der zwei Jahre mitgeteilt.“
5
Zum 01.02.2019 nahm die Klägerin ihre Tätigkeit als Grundschullehrerin am Grundschulverbund T. auf. Dem Grundschulverbund T. gehören die ehemals eigenständigen Grundschulen G01, G02 und die G03 an. Ab dem Schuljahr 2013/2014 bildeten die drei Grundschulen einen Schulverbund. Die drei Grundschulen fusionierten. Seither gibt es in der Gemeinde T. zwar noch drei Schulstandorte, aber nur noch eine Grundschule, den Grundschulverbund T.. Seit Januar 2020 ist die Klägerin an dem Standort G01 eingesetzt. Im Mai 2020 erhielt die Klägerin die Zusage, künftig als Klassenlehrerin an diesem Standort eingesetzt zu werden.
6
Im Juni 2020 zogen die Kläger innerhalb von F. von einer kleineren Wohnung mit zwei Zimmern (Anschrift: A.-straße) in eine größere Wohnung mit drei Zimmern (G.-straße) um. In der neuen Wohnung richtete sich die Klägerin im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Lehrerin ein häusliches Arbeitszimmer ein. Die Entfernung zu ihrer Arbeitsstätte verringerte sich durch den Umzug lediglich von zehn auf neun Kilometer.
7
Mit ihrer Steuererklärung für 2020 machten die Kläger unter anderem Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie Umzugskosten in Höhe von 3.563 € (einschließlich 80 € für Verpflegungsmehraufwendungen und 1.633 € doppelte Miete) als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
8
Mit Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 30.04.2021 berücksichtigte der Beklagte zwar das häusliche Arbeitszimmer, lehnte aber den Abzug der Umzugskosten ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Kosten für den Umzug innerhalb von F. nicht berücksichtigt werden könnten, da eine berufliche Veranlassung nicht erkennbar sei. Auf die Ausführungen im amtlichen Lohnsteuerhandbuch 2020 zu R 9.9 hinsichtlich der beruflichen Veranlassung werde hingewiesen.
9
Hiergegen legten die Kläger am 10.05.2021 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass durch den Wohnungswechsel von einer Zwei-Zimmer-Wohnung in eine Drei-Zimmer-Wohnung erst die Möglichkeit der Einrichtung eines abgeschlossenen Arbeitszimmers für die Klägerin ermöglicht worden sei. Bisher sei die Vor- und Nachbearbeitung für den Unterricht, Klausuren sowie Telefonate mit Kollegen und Eltern der Schüler im Wohnzimmer der Kläger erfolgt. Auch die Bestellung der Ehefrau als Klassenlehrerin habe ein Arbeitszimmer unabdingbar gemacht.
10
Mit Einspruchsentscheidung vom 22.07.2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Da das Bewohnen einer Wohnung dem privaten Lebensbereich zuzurechnen sei, seien auch die Kosten für einen Wechsel der Wohnung grundsätzlich als steuerlich nicht abziehbare Kosten der Lebensführung anzusehen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Etwas anderes gelte nur dann, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstelle und private Umstände nur eine ganz untergeordnete Rolle spielten (Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.11.1991 - Vl R 77/89, BFHE 166, 534). Eine derartige berufliche Veranlassung habe der BFH z.B. anerkannt, wenn der Umzug aus Anlass eines Arbeitsplatzwechsels erfolge oder wenn ‒ auch ohne berufliche Veränderung ‒ durch den Umzug der erforderliche Zeitaufwand für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wesentlich vermindert werde. Als wesentliche Verkürzung der Wegezeit habe er dabei eine Fahrtzeitverkürzung von einer Stunde täglich angesehen (Urteile vom 15.10.1976 - Vl R 162/74; vom 10.09.1982 - Vl R 95/81, vom 21.07.1989 - Vl R 129/86).
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Vorliegend sei eine erhebliche Fahrzeitverkürzung durch den Umzug nicht erfolgt. Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei lediglich von zehn Kilometer auf neun Kilometer reduziert worden. Auch beruhe der Wohnungswechsel nicht auf einen Arbeitgeberwechsel.
12
Der Umstand, dass die neue Wohnung aufgrund der wesentlich großzügigeren Platzverhältnisse die Einrichtung eines Arbeitszimmers ermögliche, reiche für die Feststellung eines Umzugs aus nahezu ausschließlich beruflichen Gründen nicht aus; denn aufgrund des natürlichen Bestrebens nach Verbesserung der Wohnqualität lasse sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit ermitteln, ob die Einrichtung des Arbeitszimmers Anlass oder nur Folge des Umzugs in eine wesentlich größere Wohnung mit besseren Wohnbedingungen gewesen sei. Das Gebot der Rechtssicherheit erfordere, bei der Frage nach der beruflichen Veranlassung des Umzugs regelmäßig nur auf objektiv feststellbare Umstände abzustellen, die typischerweise auf eine berufliche Veranlassung schließen lassen würden. Solche Umstände seien allein in dem Bestreben, ein abgeschlossenes Arbeitszimmer einzurichten ‒ anders als bei einem Umzug aus konkretem beruflichen Anlass (Arbeitgeberwechsel, Umzug in neue Betriebsräume oder bei einer wesentlichen Fahrzeitverkürzung) ‒ nicht gegeben. Zudem sei als private Mitveranlassung zu berücksichtigen, dass die Einrichtung eines abgeschlossenen Arbeitszimmers in der neuen Wohnung zur ungestörten Nutzung des ansonsten mit der Arbeitsecke belasteten Wohnraums führe.
13
Hiergegen haben die Kläger am 23.08.2021 Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass der Umzug in die größere Wohnung nach den Kriterien der einschlägigen Rechtsprechung ausschließlich beruflich veranlasst gewesen sei.
14
Zwar werde durch den Umzug die Fahrzeit zur Arbeit nicht wesentlich verkürzt, der Umzug brächte für sie, die Klägerin, jedoch sonstige wesentliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, welche nach der Rechtsprechung des BFH ebenfalls begründen könnten, dass die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstelle und private Umstände eine ganz untergeordnete Rolle spielten.
15
Sofern der Beklagte sich im Einspruchsverfahren darauf berufen habe, die durch den Umzug geschaffene Möglichkeit, erstmals ein häusliches Arbeitszimmer einzurichten, reiche für eine berufliche Veranlassung nicht aus, sei dies unzutreffend. Insbesondere lasse sich dies aus den vom Beklagten zitierten Urteilen des BFH aus dem Jahre 1992 (VI R 132/88) sowie des FG Baden-Württemberg vom 29.07.2014 (6 K 767/14) nicht herleiten. Vielmehr fordere der BFH u.a. im Urteil vom 16.10.1992 (Vl R 132/88) das Vorliegen objektiver Kriterien dafür, dass die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstelle und private Umstände eine nur ganz untergeordnete Rolle spielten. Wenn nach diesen objektiven Kriterien, zu denen im Urteil neben dem Ein- oder Auszug aus einer Dienstwohnung oder einer wesentlichen Fahrzeitverkürzung von mindestens einer Stunde „sonstige erhebliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen" gezählt würden, die berufliche Veranlassung des Umzuges feststehe, stelle der BFH nicht mehr entscheidend darauf ab, aus welchen Motiven der Steuerpflichtige gerade in eine bestimmte Wohnung (z.B. eine größere Mietwohnung oder ein Einfamilienhaus) umgezogen sei.
16
Ihr Umzug sei nach objektiven Kriterien ausschließlich aus beruflichen Gründen erfolgt. Anlass des Umzuges sei gewesen, dass sie, die Klägerin, erstmals nach Beendigung von Studium und Referendariat ihre Tätigkeit als Lehrerin am Grundschulverbund T. aufgenommen habe. Sie habe sich nach Abschluss ihres Referendariats seit dem 01.02.2019 über das Schulamt in F. in einer Anstellung als Grundschullehrerin befunden und habe hierbei, wie bei Berufseinsteigern üblich, eine zweijährige Tätigkeit im Rahmen der Vertretungsreserve (sog. „Springer") ausgeübt; diese sei dadurch gekennzeichnet, dass Krankheits-, Schwangerschafts- oder sonstige Abwesenheitsvertretungen für planmäßige Lehrer übernommen und hierzu zwischen Schulen innerhalb des Kreises F. gewechselt werden müsse. Im Mai 2020 habe sie, die Klägerin, die Zusage erhalten, als Klassenlehrerin für eine erste Grundschulklasse im Grundschulverbund T. an der Grundschule G01 eingesetzt zu werden. Der Einsatz als Klassenlehrerin erfolge regelmäßig durchgehend von der ersten bis zur vierten Klasse, so dass eine Klassenlehrerin die Grundschule während der gesamten Grundschulzeit betreue. Mit den Aufgaben der Klassenlehrerin gingen umfangreiche und materialintensive Vorbereitungstätigkeiten sowie der regelmäßige und ausführliche Kontakt zu den Kindeseltern in ‒ vor allem abends geführten ‒ Telefonaten einher, ebenso die (pandemiebedingte) Unterrichtsgestaltung durch Videokonferenzen und Erstellung digitaler Lerninhalte über die einschlägigen Plattformen aus dem heimischen Arbeitszimmer. Die vorherige Tätigkeit als „Springer" verursache, da hiermit keine eigenverantwortliche Betreuung einer Klasse verbunden sei, noch deutlich weniger organisatorischen Aufwand und zeitliche Verfügbarkeit außerhalb der Schulzeiten; die notwendigen Arbeiten seien damals ‒ in letztlich schon nicht zumutbarer Weise ‒ am Wohnzimmertisch und mit Telefonaten im Schlafzimmer und in der Küche zur Wahrung einer gewissen Vertraulichkeit organisiert worden.
17
Etwas anderes folge auch nicht aus der Entscheidung des BFH vom 05.02.2025 (VI R 3/23), da diese in entscheidenden Punkten einen abweichenden Sachverhallt betroffen habe. Vorliegend sei der Umzug ‒ anders als im dortigen Fall ‒ im zeitlichen Zusammenhang mit der Zusage einer Stelle als Kassenlehrerin erfolgt. Im Vergleich zur vorherigen „Springer-Stelle“ hätten sich damit auch ihre Aufgaben geändert. Mit der Tätigkeit als Klassenlehrerin seien, wie ausgeführt, erhöhte Anforderungen an Verwaltung und Organisation der nunmehr „eigenen“ Schulklasse verbunden. Außerdem habe sie, die Klägerin, die (neue) Tätigkeit als Klassenlehrerin niemals in einer „Arbeitsecke“ ausgeübt, sondern sei in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Übernahme dieser Tätigkeit in die Wohnung mit dem Arbeitszimmer gezogen.
18
Darüber hinaus sei der BFH-Entscheidung nicht zu entnehmen, ob bzw. in welchem Umfang die Tätigkeit der dortigen Kläger datenschutzrechtlichen Restriktionen unterworfen seien. Sie, die Klägerin, unterliege als Grundschullehrerin umfangreichen (näher bezeichneten) datenschutzrechtlichen Anforderungen. Schon deshalb benötige sie zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts inkl. der Pflege von Online-Lern-Plattformen, Korrektur von Tests und Klassenarbeiten, Abfassen von Zeugnissen sowie für Online-Videokonferenzen und die Durchführung von ‒ oft spontanen ‒ Elterngesprächen in den Abendstunden sowie die Aufbewahrung von persönlichen Unterlagen der Schüler ein eigenes ‒ abschließbares ‒ Arbeitszimmer.
19
Da auch er, der Kläger, im Streitjahr pandemiebedingt umfangreich im Homeoffice gearbeitet habe, sei eine Fortführung der Arbeitsbedingungen in der vorherigen Wohnung nicht denkbar gewesen. Er sei ab Mai 2020 ‒ für den Rest des Jahres ‒ zu 50 % im Homeoffice eingesetzt gewesen. Er habe jeweils eine Woche zu Hause und eine Woche im Büro gearbeitet. Ein gemeinsames Arbeiten im Homeoffice sei in der vormaligen Zwei-Zimmer-Wohnung nicht möglich gewesen.
20
Die Größe des Arbeitszimmers sei mit 13 Quadratmetern angemessen. Eine anderweitige, insbesondere private (Teil-)Nutzung des Arbeitszimmers finde nicht statt. Die Notwendigkeit eines eigenen heimischen Arbeitszimmers begründe sich auch daraus, dass in der Schule für mehr als zehn Lehrer nur ein Arbeitsplatz mit bescheidener PC Ausstattung vorhanden sei, welcher zudem in einer Ecke des Lehrerzimmers ohne bauliche Abtrennung und ohne jeglichen Blick- oder Schallschutz eingerichtet worden sei.
21
Der Umzug in die größere Wohnung sei damit ausschließlich beruflich veranlasst gewesen. Die hiermit einhergehende Wahl einer insgesamt etwas größeren Wohnung sei nach den vorgenannten Kriterien der Rechtsprechung unbeachtlich. Sollte, wie das Finanzgericht Baden-Württemberg in seinen Urteilsgründen ausgeführt habe, auf eine Gesamtbetrachtung abzustellen sein, wäre hierbei zu berücksichtigen, dass der private Wohnkomfort durch den Umzug allein dadurch gelitten habe, dass für die alte Wohnung zwei Garagen für ihre beiden Pkw zur Verfügung gestanden hätten während zu der neuen Wohnung lediglich ein Stellplatz gehöre.
22
Die Kläger beantragen,
23
den Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 30.04.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.07.2021 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit Umzugskosten in Höhe von 3.563,- € als weitere Werbungskosten berücksichtigt werden.
24
Der Beklagte beantragt,
25
die Klage abzuweisen.
26
Zur Begründung verweist er vollumfänglich auf die Einspruchsentscheidung und nimmt darüber hinaus wie folgt Stellung:
27
Umzugskosten seien grundsätzlich Kosten der privaten Lebensführung. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstelle und private Umstände nur eine ganz untergeordnete Rolle spielten. Im Urteil vom 16.10.1992 (Vl R 132/88) habe der BFH über einen vergleichbaren Fall entschieden. Auch im dortigen Streitfall sei eine Lehrerin umgezogen, um in der größeren Wohnung ein Arbeitszimmer einrichten zu können. Fahrzeitverkürzung oder ein beruflicher Arbeitsplatzwechsel hätten auch dort nicht vorgelegen. Entgegen den Ausführungen der Kläger sei der private Wohnkomfort schon alleine dadurch gestiegen, dass die Arbeitsunterlagen der Klägerin nicht mehr im Wohnzimmer lagern müssten und das Wohnzimmer wieder jederzeit privat genutzt werden könne. Der Wegfall einer Garage wiege diese Wohnkomfortverbesserung nicht auf. Auch die Ausführungen, dass (aufgrund der coronabedingten Situation) der Kläger alle zwei Wochen im Homeoffice tätig sei, zeige eindeutig die nicht ausschließliche berufliche Veranlassung der Klägerin für den Wohnungswechsel.
28
Am 09.02.2023 hat ein Erörterungstermin vor der (damaligen) Berichterstatterin stattgefunden. Das Verfahren hat zwischenzeitlich aufgrund des Beschlusses vom 13.06.2023 bis zum Ergehen einer Entscheidung des BFH im Verfahren VI R 3/23 am 05.02.2025 geruht. Am 13.06.2025 hat der Senat in der Sache mündliche verhandelt. Auf die Protokolle des Erörterungstermins und der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
30
Entscheidungsgründe
31
Die Klage ist unbegründet.
32
Der Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 30.04.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.07.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‒ FGO ‒). Der Beklagte hat die Umzugskosten zu Recht nicht als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.
33
1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht. Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, das heißt, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stehen. Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die ‒ wertende ‒ Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments", zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (BFH, Urteil vom 05.02.2025 - VI R 3/23, juris, m.w.N.).
34
Zu den Werbungskosten können auch Aufwendungen für einen Umzug gehören. Zwar ist das Bewohnen einer Wohnung dem privaten Lebensbereich zuzurechnen, so dass die Kosten für einen Wechsel der Wohnung grundsätzlich als steuerlich nicht abziehbare Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) und nicht als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG anzusehen sind. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstellt und private Umstände hierfür eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle spielen. Das Gebot der Rechtssicherheit verlangt zudem, dass sich dies anhand objektiver Umstände, die typischerweise auf eine berufliche Veranlassung des Umzugs schließen lassen, feststellen lässt (BFH, Urteil vom 05.02.2025 - VI R 3/23, juris, m.w.N.).
35
a) Eine derartige (objektivierte) berufliche Veranlassung wird von der Rechtsprechung beispielsweise anerkannt, wenn der Umzug die Folge eines Arbeitsplatzwechsels ist und die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit sich durch den Umzug erheblich vermindert (BFH, Urteil vom 15.10.1976 - VI R 162/74, BFHE 121, 27, BStBl II 1977, 117). Unter letzterer Voraussetzung kann ein Umzug auch ohne Arbeitsplatzwechsel beruflich veranlasst sein; in einem solchen Fall treten mit einem Umzug (stets) einhergehende private Begleitumstände regelmäßig in den Hintergrund und können deshalb vernachlässigt werden. Als wesentliche Verkürzung der Wegezeit gilt dabei eine Zeitersparnis von mindestens einer Stunde täglich (z.B. BFH, Urteile vom 16.10.1992 - VI R 132/88, BFHE 170, 484, BStBl II 1993, 610; vom 23.03.2001 - VI R 175/99, BFHE 195, 225, BStBl II 2001, 585; vom 23.05.2006 - VI R 56/02, BFH/NV 2006, 1650 und vom 07.05.2015 - VI R 73/13). Aber auch andere objektive Gründe für einen Umzug, wie zum Beispiel der Auszug aus einer oder der Einzug in eine Dienstwohnung (BFH, Urteil vom 22.11.1991 - VI R 77/89, BFHE 166, 534, BStBl II 1992, 494), können nach der Rechtsprechung des BFH für eine (nahezu ausschließliche) berufliche Veranlassung von Umzugskosten streiten (BFH, Urteil vom 05.02.2025 - VI R 3/23, juris, m.w.N.).
36
b) Der berufliche Veranlassungszusammenhang ist von der Rechtsprechung dabei stets nur aufgrund objektiver, außerhalb der individuellen Wohnsituation liegender Umstände bejaht worden. Steht danach die (nahezu ausschließliche) berufliche Veranlassung des Umzugs nach objektiven Kriterien eindeutig fest, ist deshalb auf Motive des Steuerpflichtigen für den Umzug in eine bestimmte Wohnung (zum Beispiel in eine größere Mietwohnung oder ein Einfamilienhaus) nicht mehr abzustellen. Denn die Motive für die Auswahl einer Wohnung und die Bestimmung des Wohnorts sind nahezu stets durch die private Lebensgestaltung geprägt. Würden sie eine Rolle spielen, könnten Umzugskosten nie als Werbungskosten abgezogen werden (BFH, Urteil vom 05.02.2025 - VI R 3/23, juris, m.w.N.).
37
c) Davon ausgehend ist eine nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung des Umzugs in eine andere Wohnung auch dann zu verneinen, wenn in dieser Wohnung (erstmals) die Möglichkeit zur Einrichtung eines Arbeitszimmers besteht. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, welches nicht durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist. Denn auch in einem solchen Fall ist wegen des natürlichen Bestrebens nach einer ‒ von individuellen Vorlieben geprägten ‒ Verbesserung der Wohnqualität nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu ermitteln, ob die Einrichtung des Arbeitszimmers Anlass oder nur Folge des Umzugs in die neue, unter Umständen größere Wohnung (anderen Zuschnitts) ist. Das Gebot der Rechtssicherheit erfordert ‒ wie oben dargelegt ‒ jedoch, bei der Frage nach der beruflichen Veranlassung des Umzugs regelmäßig nur auf objektiv feststellbare Umstände abzustellen, die typischerweise auf eine berufliche Veranlassung schließen lassen. Solche Umstände sind allein in dem Bestreben, ein abgeschlossenes Arbeitszimmer einzurichten ‒ anders als bei einem Umzug aus konkretem beruflichen Anlass (zum Beispiel Arbeitgeberwechsel, Umzug in neue Betriebsräume oder bei einer wesentlichen Fahrtzeitverkürzung) ‒, nicht gegeben. Die Wahl einer Wohnung, insbesondere deren Lage, Größe, Zuschnitt und Nutzung, ist vielmehr vom Geschmack, den Lebensgewohnheiten, den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln, der familiären Situation und anderen privat bestimmten Vorentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig. Dies ist grundsätzlich der privaten Lebensführung gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzuordnen (BFH, Urteil vom 05.02.2025 - VI R 3/23, juris).
38
Der BFH berücksichtigt bei seiner Entscheidung durchaus, dass sich die Arbeitswelt erheblich gewandelt hat. Allerdings ändert auch die zunehmende Akzeptanz von Homeoffice, Tele- und sogenannter Remote-Arbeit (ortsunabhängiges/mobiles Arbeiten) nichts daran, dass der Wunsch, im privaten Lebensbereich in einem (häuslichen) Arbeitszimmer zu arbeiten, nicht allein auf objektiven beruflichen Kriterien, sondern in erster Linie auf privaten Motiven und Vorlieben beruht. Der BFH verkennt dabei nicht, dass mit einem separaten Arbeitszimmer eine wesentliche Verbesserung und Erleichterung der Arbeitsbedingungen einhergeht und für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen deshalb für ein ungestörtes Arbeiten "zu Hause" als notwendig empfunden wird. Der Wunsch, einen (separaten) Raum als Arbeitszimmer vorzuhalten, wird jedoch nicht in einem solchen Maße durch objektive berufliche Erwägungen überlagert, als dass diese typischerweise für eine nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung eines Wohnungswechsels streiten. Denn die Entscheidung, "im neuen Zuhause" einen ‒ unter Umständen durch den Umzug "hinzugewonnenen" ‒ gesonderten Raum nicht privat, sondern (erstmals) auch oder ausschließlich beruflich als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer "Arbeitsecke" auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Sie mag zwar auch von beruflichen Erwägungen bestimmt sein, gründet aber letztlich vorrangig auf privaten Motiven und Vorlieben des Steuerpflichtigen betreffend die Gestaltung seiner individuellen Wohnsituation. Dies gilt auch dann, wenn er über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt, weil er ‒ wie in Zeiten der Corona-Pandemie ‒ (zwangsweise) zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten war oder er durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. Ob es sich um ein steuererhebliches häusliches Arbeitszimmer handelt, ist wegen des multikausalen Veranlassungszusammenhangs insoweit ebenfalls unerheblich. Denn auch mit der Einrichtung eines (häuslichen) Arbeitszimmers geht nicht nur eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einher, es verbessert sich stets auch die private Wohnsituation insoweit, als der ansonsten mit der Arbeitsecke belastete Wohnraum nunmehr davon ungestört genutzt werden kann (BFH, Urteil vom 05.02.2025 - VI R 3/23, juris, m.w.N.).
39
2. In Anwendung dieser Kriterien, denen der Senat folgt, sind die streitigen Umzugskosten der Kläger nicht als Werbungskosten abzugsfähig.
40
Es fehlt an einem objektiven Kriterium, welches nicht durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist. Etwas anders folgt auch nicht aus den von den Klägern angeführten Datenschutzvorgaben. Selbst wenn der Senat den Klägern darin folgen würde, dass die Tätigkeit der Klägerin als Klassenlehrern an einer Grundschule ‒ anders als die vorherige „Springer-Tätigkeit“ an derselben Grundschule ‒ zwingend ein häusliches Arbeitszimmer erfordert, lässt sich nicht anhand objektiver Kriterien feststellen, dass private Motive für den Wohnungswechsel eine ganz unbedeutende Rolle gespielt haben. Denn, wie auch vom BFH ausgeführt, ist wegen des natürlichen Bestrebens nach einer ‒ von individuellen Vorlieben geprägten ‒ Verbesserung der Wohnqualität nicht mit der erforderlichen Gewissheit zu ermitteln, dass private Motive nur eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben, zumal die Wahl einer Wohnung im Hinblick auf Lage, Größe, Zuschnitt, Miete etc. von Entscheidungskriterien geprägt ist, die grundsätzlich der privaten Lebensführung gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzuordnen sind. Vor dem Hintergrund ist der Umzug in eine größere Wohnung im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss der Ausbildung (Studium und Referendariat) und dem Eingehen einer ersten Vollzeitstelle im gelernten Beruf nicht ungewöhnlich. Im Übrigen gehen mit der Einrichtung des häuslichen Arbeitszimmers ‒ wie der BFH ebenfalls ausgeführt hat ‒ nicht nur eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sondern auch eine Verbesserung der privaten Wohnsituation einher, da der (übrige) Wohnraum ‒ anders als in der alten Wohnung der Kläger, in welcher sie im Wohnzimmer gearbeitet und in der Küche und im Schlafzimmer telefoniert hat ‒ von Arbeitsmaterialien freigehalten werden kann.
41
3. Der Senat kann auch nicht feststellen, dass etwa ein Teil der Umzugskosten auf den Transport der Möbel für das Arbeitszimmer entfielen, zumal die Kläger vor dem Umzug kein (möbliertes) Arbeitszimmer hatten und die Anschaffung der Möbel für das (erste) Arbeitszimmer in der neuen Wohnung bereits bei den Aufwendungen für das Arbeitszimmer berücksichtigt worden sind.
42
4. Klarstellend wird im Übrigen drauf hingewiesen, dass die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer selbst zwischen den Beteiligten ‒ zu Recht ‒ unstreitg ist.
43
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
44
6. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.