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  • 08.09.2016 · IWW-Abrufnummer 188556

    Finanzgericht München: Urteil vom 15.06.2016 – 9 K 190/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht München

    Urt. v. 15.06.2016

    Az.: 9 K 190/16

    In der Streitsache
    Kläger
    prozessbevollmächtigt:
    gegen
    Finanzamt Beklagter

    wegen Einkommensteuer 2009 bis 2011
    gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31.Dezember 2009, 31. Dezember 2010, und 31. Dezember 2011
    hat der 9. Senat des Finanzgerichts München durch
    den Präsidenten des Finanzgerichts,
    den Richter am Finanzgericht und
    den Richter am Finanzgericht
    sowie der ehrenamtlichen Richter und

    auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2016 für Recht erkannt:

    Tenor:

    1. Die Einkommensteuerbescheide für 2009 bis 2011 und die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009, 31. Dezember 2010 und 31. Dezember 2011 jeweils vom 14. April 2015 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2015 werden dahin geändert, dass die Kapitalerträge des Klägers aus seiner Beteiligung an der A-GmbH in Höhe von 1.050.000 € (2009), 1.500.000 € (2010) und 800.000 € (2011) zu 40 % steuerfrei gestellt werden. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuern und der gesondert festzustellenden verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer werden dem Beklagten übertragen.

    2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Gründe

    I.

    In den Streitjahren 2009 bis 2011 war der Kläger als Rechtsanwalt selbstständig tätig. Daneben war er Geschäftsführer der B-GmbH. Die B-GmbH war eine 100%-ige Tochtergesellschaft der A-GmbH, deren Allein-Gesellschafter der Kläger war. Für seine Tätigkeit als Geschäftsführer bezog er von der B-GmbH in den Jahren 2009 bis 2011 ein Jahresgehalt in Höhe von 2 Mio. € und eine Tantieme für das Jahr 2010 in Höhe von 700.000 €. Außerdem erhielt er von der B-GmbH im Jahr 2009 750.000 € für von ihm als Rechtsanwalt erbrachte Beratungsleistungen. Die A-GmbH schüttete in den Streitjahren keine Gewinne aus.

    In den Einkommensteuererklärungen für 2009 bis 2011 - die der Kläger am 21. Januar 2011, 21. Dezember 2011 und 11. Januar 2013 beim Beklagten (dem Finanzamt - FA -) abgegeben hatte - erklärte der Kläger das Entgelt für die Beratungsleistungen als Einnahmen bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit und die Geschäftsführergehälter und die Tantieme als Einnahmen bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Dementsprechend erklärte er in den Anlagen KAP 2009 bis 2011 keine Einkünfte aus einer unternehmerischen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft und stellte nicht den dort in Zeile 24 vorgesehenen Antrag auf Anwendung der tariflichen Einkommensteuer für die Erträge aus einer solchen Beteiligung. In den Anlagen KAP 2010 und 2011 stellte er den Antrag auf Günstigerprüfung und auf Überprüfung des Steuereinbehalts. Mit Bescheiden vom 14. März 2011, 7. Februar 2012 und 1. Juli 2013 veranlagte das FA den Kläger erklärungsgemäß - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (vgl. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO -) - zur Einkommensteuer 2009 bis 2011 und stellte die verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer zum Ende dieser Veranlagungszeiträume - ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung - entsprechend gesondert fest. Mit Bescheid vom 22. März 2011 änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 2009; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

    Bei einer Außenprüfung beim Kläger für die Jahre 2007 bis 2010 stellte das FA fest, dass - wie zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht - die Geschäftsführergehälter in Höhe von jeweils 800.000 € und die Tantieme sowie das Entgelt für die Beratungsleistungen in Höhe von 250.000 € verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) sind. Dabei gelangte es zu der Auffassung, dass der Antrag auf Besteuerung der vGA nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) nicht nachgeholt werden könne. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 trat der Kläger dieser Auffassung entgegen, beantragte hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und reichte entsprechend berichtigte Anlagen KAP 2009 bis 2011 ein, in denen er jeweils in Zeile 24 für diese Kapitalerträge die Anwendung der tariflichen Einkommensteuer beantragte.

    Mit Bescheiden vom 14. April 2015 änderte das FA die Einkommensteuerbescheide für 2009 bis 2011 dahin, dass es die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen um die festgestellten vGA in Höhe von 1.050.000 € (2009), 1.500.000 € (2010) und 800.000 € (2011) erhöhte und diese zwar nach der tariflichen Einkommensteuer, aber nicht unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens besteuerte. Mit weiteren Bescheiden vom selben Tag änderte es die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum Ende dieser Veranlagungszeiträume entsprechend. Zugleich hob es mit den Änderungsbescheiden jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Die hiergegen gerichteten Einsprüche des Klägers wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2015 als unbegründet zurück. Der Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG könne nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG nicht nachgeholt werden. Der Kläger habe wissen können und müssen, dass die Beteiligungserträge verdeckt als Geschäftsführergehalt und Rechtsanwaltshonorar an ihn abgeflossen seien. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht.

    Mit seiner Klage bringt der Kläger im Wesentlichen vor, er habe den Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG bereits bei erstmaliger Abgabe der Steuererklärung konkludent gestellt, indem er die Günstigerprüfung für seine Kapitalerträge beantragt habe. Selbst wenn man nicht von einer konkludenten Antragstellung ausgehe, sei im hier vorliegenden Fall der nachträglichen Feststellung einer vGA durch die Außenprüfung der Antrag auch durch Einreichung einer berichtigten Steuererklärung nach Abschluss der Außenprüfung zulässig. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG sei nur dann anwendbar, wenn entsprechende Beteiligungserträge vorlägen. Jedenfalls sei ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Wiedereinsetzungsfrist habe erst mit Abschluss der Außenprüfung zu laufen begonnen.

    Der Kläger beantragt,

    die Einkommensteuerbescheide für 2009 bis 2011 und die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009, 31. Dezember 2010 und 31. Dezember 2011 jeweils vom 14. April 2015 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2015 dahin zu ändern, dass die Kapitalerträge des Klägers aus seiner Beteiligung an der A-GmbH in Höhe von 1.050.000 € (2009), 1.500.000 € (2010) und 800.000 € (2011) zu 40 % steuerfrei gestellt werden.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Nach Auffassung des FA kann der Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nach dem Gesetzeswortlaut nicht mehr nachgeholt werden. Die Vorschrift ziele nur darauf ab, ob eine Beteiligung unternehmerisch sei oder nicht. Ob daraus im jeweiligen Veranlagungszeitraum Einkünfte bzw. offene Gewinnausschüttungen anfielen oder nicht, spiele keine Rolle. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht innerhalb der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO gestellt worden. Das FA habe die einkommensteuerlichen Auswirkungen auf den Kläger in zwei Besprechungen im Mai 2014 mit dem damaligen Vertreter des Klägers unter Übergabe einer schriftlichen Ausfertigung vom 22. Mai 2014 erörtert.

    II.

    Die Klage ist begründet. Das FA hat zu Unrecht das Teileinkünfteverfahren nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG auf die Kapitalerträge des Klägers aus seiner Beteiligung an der A-GmbH nicht angewendet.

    1. Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG gilt § 32d Abs. 1 EStG und somit der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen auf Antrag nicht für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt wird, unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. In diesem Fall ist nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG das sog. Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Buchst. c EStG) anzuwenden; nach dieser Vorschrift findet § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG - die Vorschrift schließt das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG für Einkünfte aus Kapitalvermögen aus - keine Anwendung. Der Antrag gilt für die jeweilige Beteiligung erstmals für den Veranlagungszeitraum, für den er gestellt worden ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG). Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG ist der Antrag spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen und gilt, solange er nicht widerrufen wird, auch für die folgenden vier Veranlagungszeiträume, ohne dass die Antragsvoraussetzungen erneut zu belegen sind.

    2. Nach diesen Maßstäben ist das Teileinkünfteverfahren auf die Kapitalerträge des Klägers aus seiner Beteiligung an der A-GmbH anzuwenden. Die dem Kläger zugeflossenen vGA gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu den sonstigen Bezügen i.S. des § 20 Abs. 1 Satz 1 EStG; die vGA der Z-GmbH sind über die A-GmbH zum Kläger "durchzuleiten" (vgl. Gosch, KStG, 3. Aufl., § 8 Rz 239, zum mehrstufigen Konzernverbund). Auch ist der Kläger als Allein-Gesellschafter der A-GmbH unmittelbar zu 100 % an dieser beteiligt. Entgegen der Auffassung des FA hat er den Antrag für 2009 noch im Dezember 2014 stellen können, obwohl er die Einkommensteuererklärung 2009 zu diesem Zeitpunkt bereits abgegeben hatte, da § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 1 EStG vorliegend im Wege einer teleologischen Reduktion nicht anzuwenden ist. Der Senat braucht daher nicht der Frage nachzugehen, ob der Kläger mit dem Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG in den Jahren 2010 und 2011 konkludent einen Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG gestellt hat, oder ob ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

    a) Zwar hat der Gesetzgeber in § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG ("spätestens") eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Ausübung des Wahlrechts - grundsätzlich - zeitlich durch die Abgabe der Einkommensteuererklärung befristet ist. Diese Auslegung wird gestützt durch die Gesetzesbegründung. Danach ist die zeitliche Begrenzung eingeführt worden, um einen auf Steueroptimierung gerichteten ständigen Wechsel des Besteuerungsregimes zu verhindern und die Administration der Wahlrechtsausübung, die bis zu einem Widerruf für insgesamt fünf Veranlagungszeiträume gilt, zu erleichtern. Sie soll der Verfahrensvereinfachung sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung dienen (BTDrucks 16/7036, S. 14). Dass § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG lediglich ein befristetes Wahlrecht gewährt, ergibt sich auch aus einer systematischen Auslegung des § 32d EStG. So findet sich weder bei der Regelung des Antrags auf Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG noch auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG, die jeweils nur für einen Veranlagungszeitraum Wirkung entfalten, eine zeitliche Einschränkung dahingehend, dass der Antrag "spätestens" mit der Einkommensteuererklärung zu stellen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Juli 2015 VIII R 50/14, BFHE 250, 413, BStBl II 2015, 894 [BFH 28.07.2015 - VIII R 50/14]).

    b) § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 1 EStG ist indes im Wege einer teleologischen Reduktion nicht anzuwenden, wenn dem Steuerpflichtigen aus der betreffenden Beteiligung ausschließlich vGA zugeflossen sind, die er in seiner Einkommensteuererklärung entsprechend den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Rechtsverhältnissen als Einnahmen bei anderen Einkunftsarten als den Kapitaleinkünften erklärt und die vom FA erst nach einer Außenprüfung (zutreffend) als Kapitalerträge besteuert werden. Der Steuerpflichtige kann in so einem Fall sein Wahlrecht solange ausüben, bis der Einkommensteuerbescheid des fraglichen Jahres formell und materiell bestandskräftig ist (vgl. BFH- Urteil vom 9. Dezember 2015 X R 56/13, BFHE 252, 241, BFH/NV 2016, 618, [BFH 09.12.2015 - X R 56/13] unter II.2.a.aa, m.w.N.).

    aa) Eine Vorschrift ist ihrem Zweck entsprechend einzuschränken, wenn sich der Wortlaut - gemessen am Gesetzeszweck - als planwidrig zu weit erweist (sog. teleologische Reduktion oder Restriktion). Eine teleologische Reduktion scheidet aus, wenn der weite Wortlaut Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers ist (BFH-Urteil vom 29. Mai 2008 III R 3/05, BFHE 220, 569, BStBl II 2008, 884, [BFH 29.05.2008 - III R 3/05] m.w.N.).

    bb) § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG soll - wie unter aa) ausgeführt - einen auf Steueroptimierung gerichteten ständigen Wechsel des Besteuerungsregimes verhindern, die Administration der Wahlrechtsausübung erleichtern sowie das Verfahren für den Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung vereinfachen. Diese Ziele werden jedoch nicht erreicht, wenn dem Steuerpflichtigen aus der betreffenden Beteiligung ausschließlich vGA zugeflossen sind, die er in seiner Einkommensteuererklärung entsprechend den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Rechtsverhältnissen als Einnahmen bei anderen Einkunftsarten als den Kapitaleinkünften erklärt und die vom FA erst nach einer Außenprüfung als Kapitalerträge besteuert werden. Denn in diesem Fall führt die erstmalige Ausübung des Wahlrechts nach Abgabe der Einkommensteuererklärung nicht zu einem Wechsel des Besteuerungsregimes, sondern zur erstmaligen Anwendung entweder des § 32d Abs. 1 EStG oder des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG auf die betreffenden Kapitalerträge. Des Weiteren vereinfacht es nicht das Verfahren für den Steuerpflichtigen, müsste er das Wahlrecht für seine Beteiligung (vorsorglich) spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung ausüben, obwohl er - aus seiner Sicht - keine Kapitaleinkünfte aus dieser Beteiligung erzielt hat. Dies widerspräche überdies dem Zweck des Wahlrechts, es dem unternehmerisch beteiligten Steuerpflichtigen zu ermöglichen, seine "Dividendeneinkünfte" - vergleichbar einer Beteiligung im Betriebsvermögen - dem progressiven Einkommensteuertarif unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens zu unterwerfen und seine Aufwendungen für die Fremdfinanzierung auch oberhalb der Grenze des SparerPauschbetrages geltend zu machen (vgl. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Sätze 1 und 2 EStG; BTDrucks 16/7036, S. 14). Dieser Zweck kommt auch im Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG zum Ausdruck, der den Antrag ausdrücklich auf Kapitalerträge ("für") bezieht. Dementsprechend macht die Ausübung des Wahlrechts für den Steuerpflichtigen nur und erst dann Sinn, wenn er - aus seiner Sicht - (positive oder negative) Kapitaleinkünfte aus der Beteiligung erzielt hat. Die Auffassung des FA, § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ziele nur darauf ab, ob eine Beteiligung unternehmerisch sei oder nicht, wobei es kein Rolle spiele, ob daraus im jeweiligen Veranlagungszeitraum Einkünfte bzw. offene Gewinnausschüttungen anfielen oder nicht, verkennt den Zweck des Wahlrechts.

    Der zu weite Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG ist auch nicht Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers. Den Gesetzesmaterialien ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den Fall, dass dem Steuerpflichtigen aus der betreffenden Beteiligung ausschließlich vGA zugeflossen sind, die er in seiner Einkommensteuererklärung entsprechend den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Rechtsverhältnissen als Einnahmen bei anderen Einkunftsarten als den Kapitaleinkünften erklärt und die vom FA erst nach einer Außenprüfung als Kapitalerträge besteuert werden, bei der Schaffung der Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 4 Satz 4 EStG bedacht hat.

    Die vom FA für seine gegenteilige Auffassung angeführten Entscheidungen des BFH in BFHE 250, 413, BStBl II 2015, 894 [BFH 28.07.2015 - VIII R 50/14] und der Vorinstanz Finanzgericht (FG) Münster vom 21. August 2014 7 K 4608/11 E (EFG 2014, 962) sowie des FG Sachsen-Anhalt vom 19. Dezember 2011 1 K 1108/11 (DStRE 2013, 18) stehen der hier vorgenommenen teleologischen Reduktion des § 32d Abs. 2 Nr. 4 Satz 4 Halbsatz 1 EStG nicht entgegen. Diese Entscheidungen sind zu Sachverhalten ergangen, in denen - anders als im Streitfall - der Steuerpflichtige die betreffenden Kapitalerträge bei den Einkünften aus Kapitalvermögen erklärt hat und diese bei der Veranlagung mangels fristgerechter Stellung des Antrags nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert worden sind.

    c) Nach diesen Grundsätzen ist § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 1 EStG im Streitfall nicht anwendbar, da dem Kläger im Jahr 2009 aus seiner Beteiligung an der A-GmbH ausschließlich vGA zugeflossen waren, die er in der Einkommensteuererklärung 2009 entsprechend den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Rechtsverhältnissen - Beratungs- und Geschäftsführervertrag - als Einnahmen bei seinen Einkünften aus selbständiger und nicht selbständiger Arbeit erklärt hat und die vom FA erst nach Durchführung der Außenprüfung als Kapitalerträge besteuert worden sind.

    Der Kläger hat daher den Antrag noch im Dezember 2014 stellen können; der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 22. März 2011 hat als Vorbehaltsbescheid ungeachtet seiner Verbindlichkeit keine materielle Bestandskraft entfaltet (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 IV R 15/08, BFHE 233, 290, BStBl II 2011, 764, [BFH 09.02.2011 - IV R 15/08] m.w.N.).

    3. Die Klage führt hiernach zur Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2009 bis 2011 und der Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009, 31. Dezember 2010 und 31. Dezember 2011 dahin, dass die Kapitalerträge (vGA) des Klägers aus seiner Beteiligung an der A-GmbH in Höhe von 1.050.000 € (2009), 1.500.000 € (2010) und 800.000 € (2011) nach § 3 Nr. 40 Buchst. d - dessen Voraussetzungen im Streitfall unstreitig vorliegen - zu 40 % steuerfrei gestellt werden. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuern und der gesondert festzustellenden verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem FA übertragen.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

    5. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

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