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  • 30.07.2018 · IWW-Abrufnummer 202596

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 22.02.2018 – 6 K 2033/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor:

    Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 06.10.2015 wird der Bescheid über Umsatzsteuer für 2013 vom 14.09.2015 dahingehend geändert, dass die Steuer von ./. 79.190,91 € um 26.461,47 € auf ./. 105.652,38 € herabgesetzt wird.Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

    Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

    Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darum, ob die Übernahme von Umzugskosten für Angestellte der Klägerin durch diese im Zusammenhang mit ihrer Errichtung als neuer Konzerndienstleister steuerbar ist, sowie darum, ob in diesem Zusammenhang gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehbar ist.

    Die Klägerin ist eine Gesellschaft, deren ins Handelsregister eingetragener Unternehmensgegenstand wie folgt lautet: Beratung von und das Erbringen von Dienstleistungen an Gesellschaften der Konzerngruppe in deren jeweiligen Geschäftsfeldern.

    Gesellschafterin der Klägerin ist die Y. Gegründet wurde die Klägerin als Zentralpunkt innerhalb der Organisationsstruktur der Gruppe. Ihre Aufgabe sollte es sein, die Zusammenarbeit zwischen den Gruppengesellschaften zu unterstützen und zu verstärken sowie eine zentrale Führungsposition hinsichtlich der Gruppenstrategie und internen Richtlinien darzustellen. Zu diesem Zweck wurden bestimmte Zuständigkeiten bzw. Funktionen vom Hauptsitz und anderen Standorten auf die Klägerin verlagert. Im Zuge der Funktionsverlagerung und der Aufnahme des gruppeninternen Beratungsgeschäftes mussten erfahrene Mitarbeiter, die zuvor am Hauptsitz bzw. an anderen Standorten tätig waren, an den Standort Z der Klägerin versetzt werden, damit die Klägerin ihre Tätigkeit aufnehmen konnte.

    Im Jahr 2013 vereinbarte die Gruppe deshalb mit verschiedenen ihrer Mitarbeiter schriftlich, dass diese künftig für die Klägerin in Z arbeiten werden. In diesem Zusammenhang wurde Mitarbeitern, welche bislang u.a. im Ausland tätig waren, und daher erst nach Z umziehen mussten, die Übernahme verschiedener dabei entstehender Kosten zugesagt. Insbesondere sollten sie bei der Suche nach einer Wohnung bzw. einem Haus unterstützt werden. Ergänzend wird hierzu Bezug genommen auf die vorliegenden Vereinbarungen mit dem bislang in Singapur tätigen Herrn A sowie mit den Herren B und C, die bis dahin im Ausland für die Gruppe gearbeitet hatten.

    Im Jahr 2013 wurden der Klägerin Leistungen von Immobilienmaklern in Rechnung gestellt, u.a. für die Vermittlung von Wohnungen an die Herren B und C. Wegen der Einzelheiten wird auf die betreffenden Maklerrechnungen verwiesen.

    Mit Bericht vom 23.05.2014 wurde eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin für die Monate Juni bis Oktober 2013 abgeschlossen. Dabei traf der Betriebsprüfer u.a. die Feststellung, dass die Klägerin für Angestellte, die von anderen Konzerngesellschaften zu ihr gewechselt und nach Z umgezogen sind, Maklerprovisionen und Kosten der Wohnungsbesichtigung übernommen hat. Die Kostenübernahme sei arbeitsvertraglich vereinbart gewesen, weshalb es sich um einen tauschähnlichen Umsatz gehandelt habe. Bemessungsgrundlage sei der gemeine Wert der Gegenleistung. In Folge dessen seien die Umsätze zum allgemeinen Steuersatz von 19 %, aufgeteilt auf die Voranmeldungszeiträume Juli bis Oktober 2013, um insgesamt 49.425,00 € zu erhöhen, was einer Erhöhung der festzusetzenden Vorauszahlungen um insgesamt 9.390,75 € entspreche.

    Mit Datum vom 14.07.2014 folgte der Beklagte (das Finanzamt, FA) den Prüfungsfeststellungen und setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Juli bis Oktober 2013 abweichend von den Umsatzsteuer-Voranmeldungen der Klägerin fest. Dagegen legte diese am 15.08.2014 Einsprüche ein.

    Am 20.02.2015 ging die Umsatzsteuererklärung der Klägerin für 2013 beim FA ein, in welcher die Prüfungsfeststellungen bzw. die nach Ansicht des FA daraus zu ziehenden steuerlichen Folgen unberücksichtigt blieben. Erklärt wurden u.a. steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 16.441,00 € sowie abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 138.666,69 €, woraus sich eine festzusetzende Umsatzsteuer von ./. 122.723,12 € ergab.

    Eine vom FA angeforderte Vorsteuerverprobung zeigte auf, dass die erklärten Vorsteuerbeträge um 17.070,72 € über den rechnerisch ermittelten angegeben worden waren, dass in den übrigen Vorsteuerbeträgen solche im Zusammenhang mit den übernommenen Umzugskosten in eben der Höhe von 17.070,72 € betreffend die Monate November und Dezember 2013 enthalten sind und dass bei den erklärten Umsätzen die Umzugskostenerstattung - entgegen den Änderungen in Folge der Umsatzsteuer-Sonderprüfung - unberücksichtigt geblieben war. Mit Datum vom 14.09.2015 erließ das FA einen Bescheid über Umsatzsteuer für 2013, in dem es Umsätze zum allgemeinen Steuersatz von 19 % in Höhe von 155.712,00 € sowie Vorsteuerbeträge in Höhe 121.595,97 € berücksichtigte und die Steuer auf ./. 79.190,91 € festsetzte.

    Mit Entscheidung vom 06.10.2015 wies das FA den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

    Am 10.11.2015 hat die Klägerin beim Hessischen Finanzgericht Klage erhoben.

    Zur Begründung wird seitens der Klägerin ausgeführt, die streitgegenständlichen Umzugskosten seien unternehmerisch veranlasst und berechtigten daher zum Vorsteuerabzug. Bis zur Einführung von § 15 Abs. 1a Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sei bei einem dienstlich veranlassten Umzug die Kostentragung durch den Arbeitgeber unter Abzug der Vorsteuer nach § 39 der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) in der seinerzeit geltenden Fassung (a.F.) stets möglich gewesen. Da § 15 Abs. 1a Nr. 3 UStG, der den Vorsteuerabzug für Umzugskosten ausdrücklich ausgeschlossen habe, gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen habe, da Deutschland zu einer derartigen Einschränkung des Vorsteuerabzugs nicht berechtigt gewesen sei, sei er im Jahr 2006 - auch aufgrund des Urteils des Finanzgerichtes Hamburg vom 04.04.2006 (Az. III 105/05) - aufgehoben worden.

    Ein tauschähnlicher Umsatz sei vorliegend nicht gegeben, denn wegen der ausschließlich betrieblichen Veranlassung der Umzüge scheide eine private Motivation der Arbeitnehmer denklogisch aus.

    Eine Dienstleistungsentnahme liege ebenso wenig vor. Gemäß Ziff. 1.8 Abs. 4 Satz 1 des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) werde bei einer betrieblich veranlassten Maßnahme, die auch die Befriedigung eines privaten Bedarf der Arbeitnehmer zur Folge habe, diese Folge stets durch den mit diesen Maßnahmen angestrebten betrieblichen Zweck überlagert. Sollten also der Umzug und damit zusammenhängende Kosten überhaupt einen privaten Anteil haben, würde dieser Anteil durch den angestrebten betrieblichen Zweck, die neue Konzernaktivität in Z, überlagert. Vorliegend fehle es allerdings an einer privaten Motivation für die erfolgten Umzüge, denn ohne die Errichtung eines neuen Konzerndienstleisters hätte kein Grund für die betroffenen Mitarbeiter bestanden, nach Z umzuziehen. Vielmehr hätte sich ein derartiger Umzug sogar negativ auf die Erfüllung der bisherigen arbeitsvertraglichen Pflichten ausgewirkt. Für die Angestellten habe im Ergebnis keinerlei private Veranlassung zum Umzug nach Z bestanden.

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheid über Umsatzsteuer für 2013 vom 14. September 2015

    in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 2015 dahingehend zu ändern, dass die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze um EUR 139.270,89 gekürzt werden und die zu zahlende Umsatzsteuer damit um EUR 26.461,47 herabgesetzt wird,

    das Urteil hinsichtlich der Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erkläre,

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

    hilfsweise, die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zuzulassen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung wird der Antrag seitens des FA dahingehend begründet, dass die steuerpflichtigen Umsätze zu Recht wegen der von der Klägerin an ihre Arbeitnehmer weitergegebenen Maklerleistungen erhöht worden seien. Insbesondere seien diese Leistungen entgeltlich im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes gegenüber den Arbeitnehmern erfolgt. Vorliegend hätten diese nach den mit ihnen getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen einen Anspruch gegenüber der Klägerin auf Übernahme der Maklerkosten gehabt, während sie selber im Gegenseitigkeitsverhältnis ihre Arbeitsleistung zur Verfügung zu stellen gehabt hätten.

    Wenn die Klägerin vortrage, es sei in ihrem Interesse gewesen, dass die Arbeitnehmer ihren Wohnsitz nach Z verlegt hätten, so sei nicht erkennbar, worin genau dieses Interesse bestehen solle. Zum einen sei es letztlich Sache des jeweiligen Arbeitnehmers, dafür Sorge zu tragen, rechtzeitig am Arbeitsplatz zu erscheinen. Zum anderen handele es sich, selbst wenn man ein betriebliches Interesse des Arbeitgebers unterstellen könnte, bei einem Umzug stets auch um eine private Angelegenheit des Arbeitnehmers, die nicht als unbedeutend vernachlässigt werden könne.

    Zwar könnten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte überwiegend im unternehmerischen Interesse liegen und der private Vorteil demgegenüber nur nebensächlich sein. Hierfür müssten aber besondere Umstände vorliegen, die vom Normalfall deutlich abwichen. Das allgemeine Interesse des Unternehmers, dass seine Arbeitnehmer möglichst in der Nähe zum Arbeitsplatz ihren Wohnsitz hätten, reiche hierfür nicht aus. Besondere Umstände habe die Klägerin nicht vorgetragen, so dass im Hinblick auf ihre Darlegungspflicht davon ausgegangen werden müsse, dass weitere Umstände, die über das allgemeine Interesse hinausgingen, nicht gegeben seien.

    Selbst wenn man von einem unentgeltlichen Vorgang ausgehen würde, wäre die Steuer im Ergebnis zutreffend festgesetzt. Zwar entfiele dann die Versteuerung der Leistungen gegenüber den Arbeitnehmern, dafür sei aber der Vorsteuerabzug aus den Maklerleistungen zu versagen, denn dieser sei dann ausgeschlossen, wenn die bezogene Leistung nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers verwendet werde. Bereits im Bezugszeitpunkt der Maklerleistungen, habe für den Fall der Unentgeltlichkeit festgestanden, dass die Leistungen nicht für das Unternehmen der Klägerin, sondern für private Zwecke ihrer Arbeitnehmer verwendet würden.
    Gründe

    1. Die zulässige Klage ist begründet.

    Der angefochtene Bescheid über Umsatzsteuer für 2013 vom 14.09.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-), soweit die Steuer darin um 26.461,47 € zu hoch festgesetzt ist.

    a) Zu Unrecht hat das FA die Übernahme von Umzugskosten von Arbeitnehmern der Klägerin durch diese als tauschähnlichen Umsatz der Besteuerung unterworfen.

    aa) Sachzuwendungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer ohne ein dafür besonders berechnetes Entgelt sind dann als entgeltlicher Umsatz i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG zu beurteilen, wenn diese Leistung auf eine vereinbarte oder übliche (andere) Gegenleistung zielt. Diese kann in einem Anteil der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gesehen werden, der vom Barlohn nicht abgegolten wird (Urteil des BFH vom 10.06.1999 V R 87/98, BFHE 189, 196, BStBl II 1999, 580). Besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Nutzungsüberlassung und Arbeitsleistung, handelt es sich um einen tauschähnlichen Umsatz (§ 3 Abs. 12 Satz 2 UStG) (Urteil des BFH vom 05.06.2014 XI R 3/12, BFH/NV 2015, 64).

    bb) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der Übernahme der Kosten im Zusammenhang mit dem Umzug von Mitarbeitern der Klägerin nach Z nicht um Leistungen im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes. Zwar hat die Klägerin ihren Arbeitnehmern gegenüber die Kostenübernahme schriftlich zugesagt, zusammen mit anderen Vereinbarungen u.a. zum künftigen Gehalt und zur Nutzung eines Geschäftswagens, im Gegensatz zu den beiden letztgenannten steht die Übernahme von Umzugskosten aber nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang zur Arbeitsleistung der Arbeitnehmer. Nach Überzeugung des Senats sollte die Übernahme der streitgegenständlichen Kosten mit dazu beitragen, die betroffenen Angestellten des Konzerns zu veranlassen, unter Inkaufnahme von erheblichen persönlichen Veränderungen wie insbesondere dem erforderlichen Umzug der Familie in ein "fremdes" Land die für sie ausersehenen Aufgaben bei der Klägerin in Z zu übernehmen. Damit war sie der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung aber vorgelagert und sollte erst die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Arbeitsleistungen gegenüber der Klägerin überhaupt erbracht werden können. Hiervon abzugrenzen ist das Entgelt für die Arbeitsleistung selber, welches vorliegend naturgemäß in Barlohn gezahlt wird, aber auch Sachleistungen beinhaltet. Dass die Umzugskostenübernahme nicht dazu zählt, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass es sich - anders als bei der Gestellung eines Dienstwagens - um eine einmalige Vergünstigung handelt, welche allenfalls kurzfristig neben den Barlohn treten würde. Weitergedacht würde der betreffende Arbeitnehmer im Anschluss seine Arbeitskraft teilweise unentgeltlich zur Verfügung stellen, was bei lebensnaher Auslegung auszuschließen ist.

    b) Die Übernahme der Maklerkosten durch die Klägerin stellt auch keine einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellte unentgeltliche Leistungserbringung dar.

    aa) Nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG wird die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen, einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt.

    Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine steuerbare unentgeltliche Leistung entsprechend der genannten Regelung regelmäßig (auch) vor, wenn Leistungen des Arbeitgebers zwar aus betrieblichem Anlass erfolgen, die Leistung jedoch den privaten Bedarf der Arbeitnehmer befriedigt wie z.B. die Beförderung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder die Abgabe von Mahlzeiten. Anders ist es, wenn besondere Umstände vorliegen und die Leistung deshalb durch betriebliche Erfordernisse bedingt ist (Urteile des EuGH vom 16.10.1997 C-258/95, Fillibeck, Slg. 1997, I-5577 und vom 11.12.2008 C-371/07, Danfoss A/S und Astrazeneca A/S, BFH/NV 2009, 336; Urteile des BFH vom 10.06.1999 V R 104/98, BFHE 188, 466, BStBl II 1999, 582; vom 27.02.2008 XI R 50/07, BFHE 221, 410, BStBl II 2009, 426; vom 29.058.2008 V R 17/07, BFH/NV 2008, 1893 [BFH 29.05.2008 - V R 17/07] und vom 29.05.2008 V R 12/07, BFHE 221, 525, BStBl II 2009, 428).

    Unter diesen Voraussetzungen ist ein persönlicher Vorteil, den der Arbeitnehmer haben könnte, gegenüber dem Bedarf des Unternehmens nebensächlich und wird von diesem überlagert (vgl. Urteil des EuGH vom 16.10.1997 C-258/95, Fillibeck, Slg. 1997, I-5577; Urteil des BFH vom 21.07.1994 V R 21/92, BFHE 175, 169, BStBl II 1994, 881). Der EuGH hat dies für den Fall angenommen, dass die Erfordernisse des Unternehmens im Hinblick auf besondere Umstände wie die Schwierigkeit, andere geeignete Verkehrsmittel zu benutzen, und wechselnde Arbeitsstätten es gebieten, dass die Beförderung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber übernommen wird (Urteil des EuGH vom 16.10.1997 C-258/95, Fillibeck, Slg. 1997, I-5577). Gleiches soll gelten, wenn die Lieferung von Mahlzeiten durch einen Unternehmer an sein Personal in seinen Räumlichkeiten, die grundsätzlich dem privaten Bedarf des Personals diene, ausnahmsweise aufgrund von Erfordernissen des Unternehmens wie der Gewährleistung der Kontinuität und des ordnungsgemäßen Ablaufs von Arbeitssitzungen notwendig ist (Urteil des EuGH vom 11.12.2008 C-371/07, Danfoss A/S und Astrazeneca A/S, BFH/NV 2009, 336).

    bb) Nach Überzeugung des Senats wird der vom Beklagten angeführte private Bedarf der Arbeitnehmer, durch die Wahl ihres Wohnsitzes sicherzustellen, dass sie rechtzeitig am Arbeitsplatz erscheinen, vorliegend durch unternehmerische Erfordernisse überlagert. Soweit dies durch den Senat ersichtlich und von den Beteiligten vorgetragen ist, wurde die Übernahme der Maklerkosten ausschließlich Angestellten gewährt, welche bereits für die Gruppe tätig waren und deren bisherige Arbeits- und Wohnorte u.a. in Singapur und Paris es ihnen unter keinen Umständen erlaubt hätten, ohne einen Umzug ihre Arbeit in Z aufzunehmen. Gleichzeitig bestand ein erhebliches unternehmerisches Interesse der Klägerin als im Zuge einer internen Umstrukturierung der Gruppe neu geschaffener Zentralstelle ihre Tätigkeit so schnell wie möglich aufzunehmen. Hierzu bedurfte es nach dem unstreitigen Sachvortrag aber erfahrener Angestellter der Gruppe, welche von der Klägerin gezielt angefordert worden waren.

    Unter diesen besonderen Bedingungen steht das unternehmerische Interesse der Klägerin, erfahrene Mitarbeiter des Konzerns unabhängig von deren bisherigem Arbeits- und Wohnort für den Aufbau der Klägerin als neuem Konzerndienstleister rasch nach Z zu holen, deutlich im Vordergrund und tritt ein privater Bedarf der Arbeitnehmer dahinter zurück.

    c) Schließlich besteht ein Anspruch der Klägerin darauf, dass 26.461,47 € in Maklerrechnungen gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer Berücksichtigung finden.

    aa) Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Das Merkmal "für das Unternehmen" dient der Abgrenzung zum nichtunternehmerischen Bereich, für den ein Vorsteuerabzug nicht zulässig ist. Zur Erfüllung dieses Merkmals reicht es aus, dass der Leistungsbezug in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit steht und diese fördern soll. Die Entscheidung des Unternehmers über die Zuordnung zum Unternehmen äußert sich regelmäßig in der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs bei der Beschaffung (vgl. z.B. Urteile des BFH vom 17.09.1998, V R 27/96, BFH/NV 1999, 832 und vom 28.03.1996, V R 34/95, BFH/NV 1996, 793; Beschluss des BFH vom 10.03.2006, V B 81/05, BFH/NV 2006, 1364; alle m.w.N.).

    Die Zuordnung eines Leistungsbezugs zu einem Unternehmen ist jedoch dann nicht möglich, wenn der Unternehmer einen Gegenstand oder eine Dienstleistung ausschließlich für seinen nichtunternehmerischen Bereich verwendet. In diesem Fall eröffnet sich ihm nicht das Recht zum Vorsteuerabzug (vgl. Urteil des EuGH vom 11.07.1991, Rs. C-97/90, Lennartz, Slg. 1991, I-3795). Dem entspricht Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und stellt gleichzeitig klar, dass der Steuerpflichtige nur dann berechtigt ist, Mehrwehrsteuer als Vorsteuer abzuziehen, soweit er die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet.

    Maßgebend für die Überprüfung der durch objektive Anhaltspunkte belegten Verwendungsabsicht ist der jeweilige Zeitpunkt des Leistungsbezugs, zu dem das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht (Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG; Urteil des BFH vom 08.03.2001, V R 24/98, BFH/NV 2001, 876). Beabsichtigt der Unternehmer bereits bei Empfang der Leistung, diese ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme im Sinne von § 3 Abs. 9a UStG zu verwenden, kann er den Vorsteuerabzug auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn er hiermit mittelbar Ziele verfolgt, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigen (Urteil des BFH vom 09.12.2010 V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53).

    In tatsächlicher Hinsicht trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind (Beschluss des BFH vom 22.09.1993, V B 113/93, BFH/NV 1994, 281).

    bb) Die Klägerin hat als Vertragspartnerin und Rechnungsadressatin diverser Immobilienmakler von diesen unstreitig Leistungen empfangen. Dies geschah auch für ihr Unternehmen, wobei derselbe Maßstab gilt, der für die Bestimmung einer im Sinne von § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG für den privaten Bedarf des Personals ausgeführten sonstigen Leistung angelegt wird (vgl. Urteil des BFH vom 23.11.2000 V R 49/00, BFHE 193, 170, BStBl II 2001, 266) und der vorliegend zu der Annahme geführt hat, dass die Übernahme von Umzugskosten durch die Klägerin nicht für den privaten Bedarf des Personals erfolgte und deshalb auch nicht als einer entgeltlichen sonstigen Leistung gleichgestellte Leistung steuerbar ist (siehe oben Ziff. 1.b.aa).

    Der Senat folgt damit nicht einer im Schrifttum früher verbreiteten (Reiß in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 14 Rz. 169; Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 540, 54. Lfg. 09/2005; Lohse, IStR 2000, 232) und heute noch vereinzelt vertretenen Ansicht (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rz. 644, 170. Lfg. 01/2017; Stadie in Stadie, UStG, § 15 Rz. 148, 3. Aufl. 2015), wonach es sich bei Umzugskosten um untrennbar gemischte Aufwendungen handelt, bei denen die private Mitveranlassung nicht von untergeordneter Bedeutung ist und für die deshalb die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges grundsätzlich nie besteht. Nach der Rechtsprechung des BFH, welcher sich der Senat anschließt, gilt im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH allgemein, dass Leistungen an Arbeitnehmer, die aus deren Sicht ihren privaten Zwecken dienen, dann nicht als Entnahme zu berücksichtigen sind, wenn ausnahmsweise der persönliche Vorteil, den die Arbeitnehmer daraus ziehen, gegenüber den Bedürfnissen des Unternehmens als nur untergeordnet erscheint (Urteile des BFH vom 29.01.2014 XI R 4/12, BFHE 244, 131, BFH/NV 2014, 992; vom 09.12.2010 V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 5 [BFH 06.07.2011 - II R 44/10] und vom 07.10.2010 V R 12/10, BFHE 231, 349, BStBl II 2011, 303; vgl. auch Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, 1. Aufl. 1995, 143. Lieferung, § 15 UStG). Im Hinblick darauf gibt es nach Ansicht des Senates keine plausible Begründung, gerade die Umzugskostenübernahme hiervon auszunehmen. Im Einzelfall kann diese - ebenso wie andere vergleichbare Aufwendungen des Unternehmers wie Verpflegung und Beförderung seines Personals - durch vorrangige unternehmerische Interessen veranlasst sein, so dass ein zwar bestehender, aber hinter den Bedürfnissen des Unternehmens zurücktretender persönlicher Vorteil einem Vorsteuerabzug nicht entgegensteht (so auch: Urteil des FG Hamburg vom 04.04.2006 III 105/05 EFG 2006, 1627 und Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 485, 64. Lfg. 09/2010).

    2. Die Kosten des Verfahrens hat das FA als unterliegender Beteiligter nach § 135 Abs. 1 FGO zu tragen.

    3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der erstattungsfähigen Kosten folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung, die zur Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

    4. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

    VorschriftenUStG § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1

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