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  • 08.09.2011 · IWW-Abrufnummer 113125

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 15.07.2011 – 14 K 1226/10 E

    1) Werden Mahlzeiten zum Verzehr in den Haushalt angeliefert, aber dort nicht auch zubereitet, steht dies der Anerkennung als haushaltsnahe Dienstleistung im Sinne von § 35a Abs. 2 EStG entgegen und scheidet eine Steuerermäßigung aus.


    2) Der verdoppelte Höchstbetrag für die Steuerermäßigung in Höhe von 1.200 ist erstmals für Dienstleistungen und Zahlungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2008 erbracht und angefallen sind.


    Im Namen des Volkes
    URTEIL
    In dem Rechtsstreit
    hat der 14. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtliche Richterin … ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 15. Juli 2011 für Recht erkannt:
    Tatbestand
    Streitig ist, ob Aufwendungen der Kläger für an sie gelieferte Mahlzeiten als sog. haushaltsnahe Dienstleistungen im Sinne des § 35a Abs. 2 des
    Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) anzusehen und Aufwendungen für Handwerkerleistungen lediglich mit einem Höchstbetrag von 600 EUR zu berücksichtigen sind.
    Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 (Streitjahr) machten sie Aufwendungen für an sie gelieferte Mahlzeiten in Höhe von 1.824 EUR als sog. haushaltsnahe Dienstleistungen sowie Aufwendungen für Handwerkerleistungen in Höhe von 7.757 EUR geltend. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr mit Bescheid vom 20. Juli 2009 fest. Die Aufwendungen für die Mahlzeiten berücksichtigte er dabei als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG, die geltend gemachten Aufwendungen für Handwerkerleistungen kürzte er um Materialkosten in Höhe von 2.591 EUR und berücksichtigte die verbleibenden Aufwendungen in Höhe des aus seiner Sicht im Streitjahr geltenden gesetzlichen Höchstbetrages von 600 EUR. Den hiergegen gerichteten Einspruch der Kläger wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 8. März 2010 zurück. Er verwies zur Begründung auf eine Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (3 K 2002/09), nach der die Erhöhung der Steuerermäßigung für die Handwerkerleistungen auf 1.200 EUR im Streitjahr 2008 noch nicht gelte. Die Anerkennung der Aufwendungen für die den Klägern gelieferten Mahlzeiten scheitere, weil die Zubereitung der Mahlzeiten nicht im Haushalt der Kläger erfolge. Die von den Klägern zitierte Entscheidung des Bundesfinanzhofes betreffe einen anderen Sachverhalt.
    Ihre hiergegen gerichtete Klage begründen die Kläger damit, dass es sich bei den Aufwendungen für die ihnen gelieferten Mahlzeiten um haushaltsnahe Dienstleistungen im Sinne des Gesetzes handele. Sie hätten sich durch das Diakonische Werk das Mittagessen zubereiten und anrichten sowie zum Verzehr in ihre – mit einer kompletten Küche ausgestatteten – Wohnung liefern lassen. Die hierfür angefallenen Kosten in Höhe von 1.824,10 EUR seien – reduziert um Sachkosten in Höhe von 385 EUR – als haushaltsnahe Dienstleistungen zu berücksichtigen. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 29. Januar 2009 (VI R 28/08).
    Desweiteren seien Aufwendungen für Handwerkerleistungen in Höhe von insgesamt 4.906,25 EUR angefallen, die in Höhe von 20 Prozent = 981,25 EUR und nicht lediglich in Höhe von 600 EUR anzuerkennen seien. Der gesetzliche Höchstbetrag von 1.200 EUR sei bereits im Jahr 2008 und nicht erst ab dem Jahr 2009 anwendbar.
    Die Kläger beantragen sinngemäß,
    den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 20. Juli 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 8. März 2010 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung einer Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen in Höhe von 20 Prozent von 1.439,10 EUR (= 287,82 Euro) sowie einer Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen in Höhe von 20 Prozent von insgesamt 4.906,25 EUR (= 981,25 EUR) niedriger festzusetzen
    hilfsweise,
    die Revision zuzulassen.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung dargelegten Rechtsauffassung fest.
    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
    Entscheidungsgründe
    Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
    Die Klage ist unbegründet.
    Der Beklagte hat die streitigen Aufwendungen für die Lieferung der Mahlzeiten an die Kläger zu Recht nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen im Sinne des § 35a EStG anerkannt.
    Gem. § 35a Abs. 2 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, für andere als in Abs. 1 der Regelung aufgeführte haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 3 sind, auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 4.000 EUR, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen.
    Die Steuerermäßigungen nach den Absätzen 1 bis 3 können allerdings nur in Anspruch genommen werden, wenn das Beschäftigungsverhältnis, die Dienstleistung oder die Handwerkerleistung in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen oder – bei Pflege- und Betreuungsleistungen – der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht wird (§ 35a Abs. 4 EStG).
    Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (z. B. BFH Urteile vom 1. Februar 2007 VI R 77/05, BStBl II 2007, 760 und VI R 74/05, BFH/NV 2007, 900) ist unter dem Begriff des Haushalts die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen. Das Wirtschaften im Haushalt umfasst Tätigkeiten, die für die Haushaltung oder die Haushaltsmitglieder erbracht werden. Dazu gehören das Einkaufen von Verbrauchsgütern, die Zubereitung von Mahlzeiten, die Wäschepflege, die Reinigung und Pflege der Räume, des Gartens und auch die Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern und kranken Haushaltsangehörigen.
    „Haushaltsnahe” Leistungen sind solche, die eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung haben bzw. damit im Zusammenhang stehen (BFH in BStBl II 2007, 760; in BFH/NV 2007, 900; BFH Urteil vom 29. Januar 2009, VI R 28/08, BStBl 2010, 166). Dazu gehören Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen. Insofern sind die Begriffe „haushaltsnah” und „hauswirtschaftlich” (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG a.F.) sinnverwandt.
    Zwar ist der Senat – wie die Kläger – der Meinung, dass es sich bei den Aufwendungen für die Zubereitung und Lieferung der Mahlzeiten um Aufwendungen für eine typischerweise im Haushalt anfallende Leistung handelt. Die Dienstleistung als solche ist damit zwar haushaltsnah, allerdings wird sie im Streitfall nicht im Haushalt der Kläger, sondern im anliefernden Unternehmen erbracht. Dies steht der Gewährung der Steuerermäßigung des § 35a EStG entgegen.
    Dass der Begriff der haushaltsnahen Dienstleistung im Sinne des § 35a Abs. 2 EStG nicht nur einen inhaltlichen Bezug zu Haushaltstätigkeiten verlangt, sondern notwendigerweise auch einen räumlichen Bezug zum Haushalt des Steuerpflichtigen voraussetzt, ergibt sich insbesondere auch aus § 35a Abs. 4 EStG. Dieser sieht ausdrücklich vor, dass die Dienstleistung „in einem …. Haushalt des Steuerpflichtigen … erbracht wird”.
    Eine Entscheidung dazu, ob eine Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen auch deswegen ausgeschlossen ist, weil diese vorrangig als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG zu berücksichtigten sind (vgl. § 35a Abs. 5 EStG) kann daher dahinstehen.
    Ebenfalls zu Recht hat der Beklagte die Steuerermäßigung nach § 35a EStG für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen nur bis zum gesetzlichen Höchstbetrag von 600 EUR berücksichtigt.
    Für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungsund Modernisierungsmaßnahmen, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, mit Ausnahme der nach dem CO2-Gebäude-Sanierungsprogramm der KfW Förderbank geförderten Maßnahmen, ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, gem. § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Art. 1 des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl. I 2007 S. 3150) auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 600 EUR der Aufwendungen des Steuerpflichtigen.
    Entgegen der Auffassung der Kläger ist der in § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG enthaltene Höchstbetrag für Aufwendungen, die – wie im Streitfall – im Veranlagungszeitraum 2008 geleistet und deren zu Grunde liegende Leistungen im Veranlagungszeitraum 2008 erbracht wurden, nicht durch das Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpaketes „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung” vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I 2008 S. 2896 – Maßnahmenpaket) von 600 EUR auf 1.200 EUR erhöht worden. Vielmehr ist § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Maßnahmenpaketes erstmals bei Aufwendungen anzuwenden, die im Veranlagungszeitraum 2009 geleistet und deren zu Grunde liegende Leistungen nach dem 31. Dezember 2008 erbracht worden sind.
    Zwar regelt Art. 1 Nr. 3 des Maßnahmenpakets, dass im Rahmen der Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen i. S. d. § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in der bisher geltenden Fassung der Höchstbetrag von 600 EUR auf 1.200 Euro erhöht wird. Zugleich bestimmt Art. 4 Abs. 3 dieses Gesetzes, dass die in Art. 1 Nr. 3 enthaltene Regelung am Tage nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft tritt. Das Gesetz wurde am 29. Dezember 2008 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I 2008 S. 2896) verkündet.
    Art. 1 Nr. 4 Buchst. b des Maßnahmenpakets ändert allerdings darüber hinaus § 52 Abs. 50b EStG dahingehend, dass § 35a in der Fassung des Art. 1 Nr. 3 des Maßnahmenpakets erstmals bei Aufwendungen anzuwenden ist, die im Veranlagungszeitraum 2009 geleistet und deren zu Grunde liegende Leistungen nach dem 31. Dezember 2008 erbracht worden sind. Art. 1 Nr. 4 Buchst. b des Gesetzes – d.h. die Neufassung des § 52 Abs. 50b EStG – tritt nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 des Maßnahmenpakets am 1. Januar 2009 in Kraft.
    Während Art. 1 Nr. 3 des Maßnahmenpakets seinem Wortlaut nach ein Inkrafttreten am 30. Dezember 2008 vorsieht, schreibt Art. 1 Nr. 4 Buchst. b ein Inkrafttreten am 1. Januar 2009 fest. Das Maßnahmenpaket ist somit bereits in sich widersprüchlich und daher auszulegen.
    Der Senat ist davon überzeugt, dass der Gesetzgeber bei der Einfügung des Art. 4 Abs. 3 übersehen hat, dass Art. 1 Nr. 4 Buchst. b inhaltlich auf Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes Bezug nimmt, jedoch gem. Art. 4 Abs. 1 später in Kraft tritt.
    Der Gesetzgeber wollte nach seinem – aus Sicht des Senates – eindeutigen Willen den Höchstbetrag der Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen i. S. d. § 35a EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2009 verdoppeln. Dabei hat er es auf Grund eines Redaktionsversehens lediglich unterlassen, neben Art. 1 Nr. 3 auch Art. 1 Nr. 4 Buchst. b des Gesetzes in Art. 4 Abs. 3 aufzunehmen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat ergänzend auf die Darlegungen des Finanzgerichts Münster in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2009 (10 V 4132/09 E, EFG 2010, 485), denen er sich anschließt (so im Ergebnis auch: FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Januar 2010, 3 K 2002/09, EFG 2010, 725, FG Köln Urteil vom 11. Dezember 2009, 5 K 2763/09, EFG 2010, 800).
    Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes bestätigt dieses Auslegungsergebnis. Nach der Gesetzesbegründung sollte die Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen bei Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen erst ab dem 1. Januar 2009 ausgeweitet und der Höchstbetrag erst ab diesem Zeitpunkt auf 1.200 EUR erhöht werden (BT-Drucksache 16/10930 v. 13. November 2008). Die Verdoppelung des Höchstbetrages sollte erfolgen, um im Handwerk weitere Impulse für die Stärkung und Stabilisierung der Auftragslage zu setzen. Dieses Ziel konnte mit einem im Dezember verabschiedeten Gesetz zwangsläufig erst in der Zukunft – d.h. ab dem Jahr 2009 greifen.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
    Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, da zu der Frage der erstmaligen Geltung des Höchstbetrages von 1.200 EUR zumindest ein Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof anhängig ist (VI R 65/10).

    VorschriftenEStG § 35a Abs. 2

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