Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    „Steuerfalle“ des § 23 EStG bei Veräußerung eines Zweifamilienhauses im Blick haben

    | Die Besteuerung privater Grundstücksgeschäfte nach § 23 EStG führt immer wieder zu Diskussionen in Betriebsprüfungen und finanzgerichtlichen Verfahren. Umso wichtiger ist es, sich die Grundsätze und Besonderheiten regelmäßig bewusst zu machen. Der praktische Fall zeigt mögliche Fallstricke und wie diese umgangen werden können. |

    1. Sachverhalt

    Adam Meise ist Controller und Eigentümer eines Zweifamilienhauses. Als sein Arbeitgeber ankündigt, den Firmensitz von Nord- nach Süddeutschland zu verlegen, fragt er einen Immobilienmakler nach einem möglichen Veräußerungspreis. Der Immobilienmakler schätzt den Wert des Objekts auf 800 TEUR und versichert, dass er für diesen Preis bis zum 31.12.22 einen Käufer finden wird. Adam Meise erkundigt sich daraufhin bei seinem Steuerberater, welche steuerlichen Auswirkungen die Veräußerung haben würde.

     

    Adam Meise hat das Grundstück 2014 für 200 TEUR erworben und 2015 ein Gebäude für 400 TEUR errichtet. Das Erdgeschoss und das Obergeschoss umfassen 60 % der Gesamtfläche und wurden seit der Fertigstellung von Adam Meise zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Im Erdgeschoss befindet sich ein kleines häusliches Arbeitszimmer (15 qm). Das Kellergeschoss (umfasst 40 % der Gesamtfläche) hat er seiner Mutter unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen.

    2. Lösung

    Der Steuerberater stellt zunächst die gesetzlichen Grundlagen für die Besteuerung von privaten Immobilienverkäufen vor. Anschließend geht er konkret auf die mögliche Veräußerung von Adam Meise ein und zeigt die drohenden steuerlichen Folgen.

     

    2.1 Grundlagen der Besteuerung bei privaten Immobilienverkäufen

    Nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG sind Gewinne aus der Veräußerung von privaten Grundstücken, bei denen zwischen der Anschaffung und der Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre liegen, steuerpflichtig. Die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gehören zu den sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 2 EStG.

     

    Eine Versteuerung nach § 23 EStG kommt nur in Betracht, wenn der Veräußerungsgewinn nicht bereits einer anderen Einkunftsart zuzurechnen ist (Subsidiarität nach § 23 Abs. 2 EStG). Zu denken ist hier insbesondere an

    • „verdeckte“ L&F-Grundstücke und
    • den gewerblichen Grundstückshandel.

     

    Besondere Vorsicht ist bei „landwirtschaftlichen Grundstücken“ geboten. Dass die Erlöse ggf. jahrelang als Vermietungserträge gemäß § 21 EStG veranlagt wurden, schützt nämlich nicht vor einer „überraschenden“ Klassifizierung als (ruhender) landwirtschaftlicher Betrieb. In diesen Fällen ist die zehnjährige Haltefrist ohne Bedeutung und es kann zu einer unerwarteten Versteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 13 EStG kommen.

     

    Darüber hinaus sollte vor jeder Veräußerung geprüft werden, ob ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt (Stichwort: „Drei-Objekt-Grenze“; vgl. hierzu u. a. MBP 21, 213). Sind die Voraussetzungen für einen gewerblichen Grundstückshandel erfüllt, ist der Veräußerungsgewinn als „Einkünfte aus Gewerbebetrieb“ zu erfassen (§ 15 EStG) und unterliegt zudem der Gewerbesteuer.

     

    Bei einer privaten Veräußerung gemäß § 23 EStG sind drei wichtige Ausnahmen zu beachten, auf deren Grundlage eine Versteuerung vermieden werden kann:

     

    • Vermeidung eines privaten Veräußerungsgewinns gemäß § 23 EStG
    Haltefrist
    Eigennutzung

    Zehnjahresgrenze

    ausschließliche Eigennutzung

    Eigennutzung im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren

     § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG

    § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 Alt. 1 EStG

    § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 Alt. 2 EStG

     

    Für die Berechnung der Zehnjahresfrist im Rahmen des § 23 EStG sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH (u. a. 10.12.15, IX R 23/13) grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden. Mit Blick auf den Zweck des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ‒ innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen ‒ kann von einer (rechtsgeschäftlichen) „Anschaffung“ oder „Veräußerung“ nur gesprochen werden, wenn die Vertragserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist bindend abgegeben worden sind (BFH 25.3.21, IX R 10/20).

     

    Von der Besteuerung des Veräußerungsgewinns sind Wirtschaftsgüter ausgenommen, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (1. Alternative). Nach der 2. Alternative sind Wirtschaftsgüter ausgenommen, die im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.

     

    MERKE | Bei der 2. Alternative muss die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken über einen zusammenhängenden Zeitraum vorliegen, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt. Es genügt aber, dass der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut im Jahr der Veräußerung zumindest am 1. Januar, im Vorjahr der Veräußerung durchgehend sowie im zweiten Jahr vor der Veräußerung mindestens am 31. Dezember zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat (BMF 17.6.20, IV C 1 - S 2256/08/10006 :006).

     

    2.2 Steuerliche Auswirkungen für Adam Meise

    Zunächst ist festzuhalten, dass die Gründe des Verkaufs für die steuerliche Klassifizierung grundsätzlich irrelevant sind. Eine Versteuerung nach § 23 EStG kann also auch erfolgen, wenn der Verkauf aufgrund einer Krankheit oder einem arbeitsplatzbedingten Ortswechsel erfolgt.

     

    Beachten Sie | Auch eine Zwangsversteigerung eines Grundstücks kann ein privates Veräußerungsgeschäft auslösen (FG Düsseldorf 28.4.21, 2 K 2220/20 E). Anders sieht es hingegen bei einer Enteignung aus. Hier entschied der BFH (23.7.19, IX R 28/18), dass ein Eigentumsverlust durch Enteignung keine Veräußerung ist. An einer willentlichen Übertragung auf eine andere Person fehlt es, wenn (wie bei einer Enteignung) der Verlust des Eigentums am Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen (und ggf. auch gegen seinen Willen) stattfindet.

     

    Das Erd- und Obergeschoss wurden durch Adam Meise seit der Herstellung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Eine Versteuerung des Veräußerungsgewinns würde insoweit (nach der 1. Alternative) nicht erfolgen.

     

    Beachten Sie | Adam Meise könnte überlegen, die Wohnung in 2022 bis zur Veräußerung kurzfristig zu vermieten. Damit wäre die Ausnahmeregelung nach der 1. Alternative „ausschließliche Eigennutzung“ nicht mehr anwendbar. Würde der Verkauf aber noch in 2022 abgeschlossen, wäre die Versteuerung wegen der durchgehenden „Eigennutzung in den letzten drei Jahren“ (2. Alternative) ausgeschlossen. Sofern der Verkauf aber tatsächlich erst in 2023 erfolgen würde, wäre die 2. Alternative nicht erfüllt und es müsste eine Versteuerung erfolgen. Dies sollte Adam Meise vor Abschluss eines (eventuell in Betracht kommenden) Mietvertrags bewusst sein!

     

    Lange Zeit war umstritten, wie der anteilig auf ein häusliches Arbeitszimmer entfallende Veräußerungsgewinn steuerlich zu behandeln ist. Der BFH (1.3.21, IX R 27/19) hat nun für steuerzahlerfreundliche Klarheit gesorgt: Wird eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Eigentumswohnung innerhalb der zehnjährigen Haltefrist veräußert, ist der Veräußerungsgewinn auch insoweit gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen, als er auf ein zur Erzielung von Überschusseinkünften genutztes häusliches Arbeitszimmer entfällt.

     

    Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt auch vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld hat, unentgeltlich zu Wohnzwecken überlässt. Die unentgeltliche Überlassung an andere (unterhaltsberechtigte) Angehörige stellt hingegen keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dar (BMF 5.10.00, IV C 3 - S 2256 - 263/00, Tz. 23). Die unentgeltliche Überlassung der Kellergeschosswohnung an die Mutter kann somit nicht als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken klassifiziert werden.

     

    Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns bei teilweise zu eigenen Wohnzwecken und teilweise zu anderen Zwecken genutzten Gebäuden ist eine Aufteilung vorzunehmen, die grundsätzlich anhand der Nutzfläche erfolgt (vgl. BMF 5.10.00, a. a. O., Tz. 32).

     

    2.3 Konkrete Ermittlung des Veräußerungsgewinns

    Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn für die Kellerwohnung kann wie folgt ermittelt werden (§ 23 Abs. 3 EStG):

     

    • Ermittlung des Veräußerungsgewinns
    • Veräußerungspreis (40 % von 800 TEUR)

    320.000 EUR

    • ‒ Anschaffungskosten Grund und Boden (40 % von 200 TEUR)

     

    ‒ 80.000 EUR

    • Herstellungskosten Gebäude (40 % von 400 TEUR)

     

    160.000 EUR

    • ‒ kumulierte Abschreibungen

    ‒ 0 EUR

    • ‒ fortgeführte Herstellungskosten

    160.000 EUR

    ‒ 160.000 EUR

    • ‒ Werbungskosten (40 % der erwarteten Makler-, Notarkosten)

     

    ‒ 10.000 EUR

    Veräußerungsgewinn

    70.000 EUR

     

    Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindern sich um Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen worden sind (§ 23 Abs. 3 S. 4 EStG). Da Adam Meise die Kellerwohnung seiner Mutter jedoch unentgeltlich überlassen hat, erzielte er keine Vermietungseinkünfte. Da somit in der Vergangenheit auch keine Gebäudeabschreibungen geltend gemacht wurden, erhöhen sie auch nicht den steuerlichen Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG.

     

    Beachten Sie | Der Veräußerungsgewinn gemäß § 23 EStG wird grundsätzlich erst im Jahr des Zuflusses des Veräußerungspreises realisiert. Veräußerungsgewinne bleiben nach § 23 Abs. 3 S. 5 EStG steuerfrei, soweit sie die Freigrenze von 600 EUR nicht übersteigen. Zur Verlustverrechnung vgl. § 23 Abs. 3 S. 7 und S. 8 EStG.

     

    PRAXISTIPP | Die Versteuerung erfolgt zum individuellen Steuersatz des Veräußerers. Nach Ansicht des BFH (23.4.21, IX R 8/20) liegt kein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vor, wenn der Steuerpflichtige, der die Veräußerung seines Grundstücks „eingefädelt“ hat, es zuvor unentgeltlich auf seine Kinder überträgt, die es dann an den Erwerber veräußern. Der Veräußerungsgewinn ist in diesen Fällen bei den Kindern nach deren (oftmals günstigeren) steuerlichen Verhältnissen zu erfassen.

     

    Zu beachten ist bei dieser Gestaltung aber auch, dass eine unentgeltliche Zuwendung an die Kinder Schenkungsteuer auslösen kann.

     

    FAZIT | Die Veräußerung des Zweifamilienhauses würde für Adam Meise zu einer erheblichen Steuerbelastung führen. Diese könnte er vermeiden, wenn er die Immobilie erst nach zehn Jahren veräußert. Inwieweit die mitunter geführte politische Diskussion zur Verlängerung der Haltefrist oder gar der Abschaffung der Steuerbefreiung an Fahrt aufnimmt, bleibt vorerst abzuwarten.

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2022 | Seite 81 | ID 48046226

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents