· Fachbeitrag · Der praktische Fall
Steuerfalle bei der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG kennen und beachten
von Dipl.-Finw. Marvin Gummels, Hage
| Sonderabschreibungen (allen voran die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG) sind wegen des flexiblen Anwendungsbereichs sehr beliebt. Dabei wird jedoch oft § 7a Abs. 9 EStG vergessen ‒ und eine Steuerfalle tritt auf. Weil diese häufig bei einer Betriebsprüfung aufgedeckt wird, kommt es schnell zu immensen Steuernachzahlungen. Der praktische Fall zeigt, wie die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG eingesetzt werden kann und wie sich eine Nichtbeachtung des § 7a Abs. 9 EStG in einer Betriebsprüfung auswirken kann. |
1. Sachverhalt
Adam Meise hat im Januar 2025 eine Windkraftanlage in Betrieb genommen. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer beträgt 16 Jahre und die Anschaffungskosten belaufen sich auf 5 Mio. EUR.
Frage 1: Wie kann Meise die Windkraftanlage abschreiben und ist hier die Sonderabschreibung des § 7g Abs. 5 EStG nutzbar?
Frage 2: 2033 kommt es zu einer Betriebsprüfung für die Jahre 2030 bis 2032. Der Prüfer macht Adam Meise auf die Vorschrift des § 7a Abs. 9 EStG aufmerksam. Doch davon hat Meise noch nie etwas gehört. Hat die Nichtbeachtung Auswirkungen?
2. Lösung zur Frage 1
Nach einigen Ausführungen zu den grundsätzlichen Abschreibungsmöglichkeiten (linear versus degressiv) und zur Sonderabschreibung (§ 7g Abs. 5 EStG) wird gezeigt, welche Möglichkeiten Meise im vorliegenden Fall nutzen kann.
2.1 Abschreibung von beweglichen Wirtschaftsgütern
Abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzuschreiben, sodass sich die aufgewandten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nicht sofort, sondern nur über die Abschreibung gewinnmindernd auswirken. Bei der Abschreibung steht dem Unternehmer aber ein Wahlrecht zu:
- Entweder er entscheidet sich für die lineare Abschreibung (§ 7 Abs. 1 EStG) und verteilt die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten gleichmäßig auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer oder
- er wendet die jüngst reaktivierte degressive Abschreibung bei Anschaffung bzw. Herstellung des beweglichen Wirtschaftsguts nach dem 30.6.25 und vor dem 1.1.28 an (§ 7 Abs. 2 EStG).
Bei Nutzung des § 7 Abs. 2 EStG darf der Prozentsatz bis zum Dreifachen des linearen Satzes betragen und 30 % nicht übersteigen. Dieser Abschreibungssatz bezieht sich im ersten Jahr auf die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und ab dem zweiten Jahr auf den noch nicht abgeschriebenen Restbuchwert, sodass sich die Abschreibung von Jahr zu Jahr reduziert.
MERKE | In späteren Jahren kann zur linearen Abschreibung gewechselt werden (§ 7 Abs. 3 EStG). Die lineare Abschreibung ist dann aber neu zu berechnen, indem der Restbuchwert auf die Restnutzungsdauer verteilt wird. |
2.2 „Steuerbooster“ durch Sonderabschreibungen
Unerheblich davon, ob die lineare oder degressive Abschreibung angewandt wird, können unter den Voraussetzungen des § 7g Abs. 5 EStG für bewegliche abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zusätzlich zur regulären Abschreibung Sonderabschreibungen geltend gemacht werden. Dafür sind zwei Voraussetzungen zu erfüllen:
- Der Betrieb darf im Jahr vor der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts einen Gewinn von maximal 200.000 EUR erzielt haben und
- das Wirtschaftsgut muss im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in dem folgenden Wirtschaftsjahr vermietet oder in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt werden (private Mitbenutzung maximal 10 %).
Werden die Voraussetzungen erfüllt, kann im Jahr der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts und in den vier Folgejahren eine Sonderabschreibung von bis zu 40 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten geltend gemacht werden. Das Besondere: Die 40 % können beliebig verteilt werden. Es müssen weder in jedem Jahr Sonderabschreibungen vorgenommen werden noch muss der Höchstbetrag von 40 % vollständig genutzt werden.
Beachten Sie | Wurde das Wirtschaftsgut vor dem 1.1.24 angeschafft oder hergestellt, reduziert sich die Sonderabschreibung auf maximal 20 %.
2.3 Abschreibungsmöglichkeiten für Adam Meise
Infolge des Anschaffungszeitpunkts (Januar 2025) kann die Windkraftanlage nur linear mit jährlich 312.500 EUR (5 Mio. EUR/16 Jahre) abgeschrieben werden. Zusätzlich kann Meise die Sonderabschreibung z. B. wie folgt nutzen:
| ||||||
Jahr | Gleichmäßig | Zu Beginn | Am Ende | In der Mitte | Variabel | Nicht voll |
2025 | 400.000 EUR | 2.000.000 EUR | ‒ | ‒ | 1.000.000 EUR | 750.000 EUR |
2026 | 400.000 EUR | ‒ | ‒ | ‒ | 500.000 EUR | 250.000 EUR |
2027 | 400.000 EUR | ‒ | ‒ | 2.000.000 EUR | 250.000 EUR | ‒ |
2028 | 400.000 EUR | ‒ | ‒ | ‒ | 250.000 EUR | 500.000 EUR |
2029 | 400.000 EUR | ‒ | 2.000.000 EUR | ‒ | ‒ | ‒ |
Summe | 2.000.000 EUR | 2.000.000 EUR | 2.000.000 EUR | 2.000.000 EUR | 2.000.000 EUR | 1.500.000 EUR |
3. Lösung zur Frage 2
3.1 Vorbemerkungen
Das Wirtschaftsgut kann insgesamt nur einmal abgeschrieben werden. Sonderabschreibungen mindern deshalb die spätere lineare oder degressive Abschreibung. Bei der degressiven Abschreibung erfolgt die Minderung gleich zu Beginn des nächsten Jahres, weil die Sonderabschreibung den maßgebenden Restbuchwert reduziert. Bei der linearen Abschreibung muss die Abschreibung hingegen ab dem 6. Jahr, also nach dem Auslaufen des Begünstigungszeitraums von § 7g Abs. 5 EStG, neu berechnet werden (§ 7a Abs. 9 EStG). Das erfolgt, indem der noch nicht abgeschriebene Restbuchwert auf die Restnutzungsdauer verteilt wird.
3.2 Folgen der Nichtbeachtung
Meise hat die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG in 2025 in vollem Umfang genutzt. Zudem hat er die Windkraftanlage Jahr für Jahr linear mit 312.500 EUR abgeschrieben, ohne die Abschreibung neu zu berechnen. Im Prüfungszeitraum (2030 bis 2032) wurde also bisher eine Abschreibung von 937.500 EUR (3 × 312.500 EUR) geltend gemacht.
Der Prüfer wird in diesem Fall § 7a Abs. 9 EStG anwenden und die Abschreibung neu berechnen. Dazu verteilt er den noch nicht abgeschriebenen Restbuchwert zum 31.12.29 von 1.437.500 EUR (5 Mio. EUR abzüglich 2 Mio. EUR Sonderabschreibung und 5 Jahre × 312.500 EUR) auf die verbleibende Nutzungsdauer von elf Jahren (16 Jahre Nutzungsdauer abzüglich fünf Jahre für 2025 bis 2029). Dadurch reduziert sich die Abschreibung auf jährlich 130.682 EUR (1.437.500 EUR/11 Jahre).
Beachten Sie | Damit wird der Prüfer den Gewinn um jährlich 181.818 EUR (bisherige Abschreibung 312.500 EUR abzüglich neuer Abschreibung von 130.682 EUR) bzw. für den Prüfungszeitraum um 545.454 EUR erhöhen. Bei einem Grenzsteuersatz von 42 % bedeutet das eine Steuernachzahlung von fast 230.000 EUR!
FAZIT | Auch wenn Sonderabschreibungen viele Vorteile bieten, sollte man sich der Regelung des § 7a Abs. 9 EStG bewusst sein und die lineare Abschreibung nach Auslaufen des Begünstigungszeitraums neu berechnen. Das gilt im Übrigen nicht nur bei Vornahme von Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 EStG, sondern auch bei allen anderen Sonderabschreibungen, wie zum Beispiel bei Sonderabschreibungen für Mietwohnimmobilien nach § 7b EStG (vgl. hierzu auch BMF 21.5.25, IV C 3 - S 2197/00009/011/024, Rn. 66). Ohne Neuberechnung der weiteren Abschreibung kann es bei Betriebsprüfungen schnell zu empfindlichen Steuernachzahlungen kommen. |