Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Neue Mobilitätsprämie erstmals in der Steuererklärung für 2021 beantragen

    | Um die Auswirkungen der neuen CO 2 -Bepreisung abzumildern, wurde die Entfernungspauschale ab dem 21. Entfernungskilometer erhöht. Zudem wurde eine neue Mobilitätsprämie für Geringverdiener eingeführt. Der praktische Fall stellt die ab dem VZ 2021 geltenden Neuregelungen vor. |

    1. Sachverhalt

    Im Rahmen der jährlichen Bilanzbesprechung erzählt der selbstständige Tischlermeister Gerd Sommer stolz, dass seine Tochter Lilli in seine Fußstapfen treten wird und eine Lehre als Tischlerin begonnen hat. Da sie sich zunächst in einem anderen Unternehmen „behaupten“ möchte, macht sie ihre Lehre in der 60 Kilometer entfernten Nachbarstadt.

     

    Der Steuerberater von Herrn Sommer interessiert sich für dieses Thema und erkundigt sich, ob sich Lilli bereits Gedanken über ihre Steuererklärung für 2021 gemacht hat. Herr Sommer war bislang davon ausgegangen, dass eine Steuererklärung wirkungslos ist, zumal der Arbeitgeber für seine Tochter infolge der geringen Ausbildungsvergütung keine Lohnsteuer einbehält.

    2. Lösung

    Der Steuerberater stellt zunächst die erhöhten Entfernungspauschalen vor. Anschließend erläutert er Herrn Sommer die neue Mobilitätsprämie für Geringverdiener und zeigt, dass sich diese für Lilli lohnen kann.

     

    2.1 Entfernungspauschale ab dem VZ 2021

    Für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte kann eine Entfernungspauschale geltend gemacht werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Diese ist für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit 0,30 EUR anzusetzen. Um die Mehrbelastung durch die neue CO2-Bepreisung abzumildern, wurde die Pauschale ab dem 21. Entfernungskilometer wie folgt erhöht:

     

    • Entfernungspauschale ab dem VZ 2021
    VZ 2021 bis 2023
    VZ 2024 bis 2026

    Entfernungspauschale für die ersten 20 Kilometer

    0,30 EUR/Kilometer

    0,30 EUR/Kilometer

    Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer

    0,35 EUR/Kilometer

    0,38 EUR/Kilometer (Entwurf Steuerentlastungsgesetz 2022: 0,38 EUR bereits ab dem 1.1.22)

     

    Beachten Sie | Sofern Gerd Sommer an seine Mitarbeiter Fahrtkostenzuschüsse zahlt und diese pauschalversteuert (§ 40 Abs. 2 S. 2 EStG), ist ab dem VZ 2021 ggf. eine Anpassung vorzunehmen.

     

    2.2 Neue Mobilitätsprämie für Geringverdiener

    Neben der erhöhten Entfernungspauschale wurde durch das „Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht“ (BGBl I 19, 2886) auch die neue Mobilitätsprämie für Geringverdiener eingeführt (§ 101 ff. EStG). Die Mobilitätsprämie soll Bürger und Bürgerinnen entlasten, bei denen die erhöhte Entfernungspauschale zwar theoretisch greift, es aber faktisch zu keiner finanziellen Entlastung kommt, weil das zu versteuernde Einkommen unter dem Grundfreibetrag liegt.

     

    Für die Anwendung der Mobilitätsprämie müssen generell drei Voraussetzungen erfüllt sein:

     

    Übersicht / Voraussetzungen für die Mobilitätsprämie

    • Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte > 20 Kilometer
    • zu versteuerndes Einkommen < Grundfreibetrag
    • Antragstellung bzw. Abgabe einer Einkommensteuer-Erklärung
     

    Die erste Voraussetzung für die Beanspruchung der Mobilitätsprämie ist, dass die erste Tätigkeitsstätte mehr als 20 Entfernungskilometer von der Wohnung entfernt ist. Darüber hinaus kann die Mobilitätsprämie auch für Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung geltend gemacht werden (§ 101 S. 1 i. V. mit § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 S. 9 EStG).

     

    Des Weiteren muss das zu versteuernde Einkommen unterhalb des Grundfreibetrags liegen. Im VZ 2021 beträgt der Grundfreibetrag 9.744 EUR (§ 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG). Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, sind das gemeinsame zu versteuernde Einkommen und der doppelte Grundfreibetrag maßgebend (§ 101 S. 2 HS 2 EStG).

     

    Der Antrag auf Festsetzung der Mobilitätsprämie ist zusammen mit der Einkommensteuer-Erklärung zu stellen (Zeile 3 des Hauptvordrucks ESt 1 A; bei beschränkter Steuerpflicht in Zeile 2 des Hauptvordrucks ESt 1 C). In der neuen Anlage Mobilitätsprämie ist in der Zeile 4 der Antrag auf Festsetzung der Mobilitätsprämie zu stellen. In den Zeilen 5 bis 18 sind dann Angaben zur Mobilitätsprämie zu machen.

     

    MERKE | Der Anspruchsberechtigte hat den Antrag auf Mobilitätsprämie bis zum Ablauf des vierten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem nach § 103 EStG die Mobilitätsprämie entsteht, zu stellen (§ 104 Abs. 2 S. 1 EStG).

     

    Sind die Anspruchsvoraussetzungen für eine Mobilitätsprämie erfüllt, muss im nächsten Schritt die Höhe bzw. der konkrete Auszahlungsbetrag bestimmt werden. Der Auszahlungsbetrag wird generell wie folgt ermittelt:

     

    Mobilitätsprämie (Auszahlungsbetrag) = Bemessungsgrundlage × 14 %

     

    Bemessungsgrundlage für die Mobilitätsprämie ist grundsätzlich die Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer. Die Mobilitätsprämie beträgt 14 % der Bemessungsgrundlage (§ 101 S. 4 EStG). Dieser Prozentsatz ist nicht „willkürlich“ definiert, sondern entspricht dem Eingangssteuersatz.

     

    Um eine ungerechtfertigte Doppelförderung (Entlastung bei der Einkommensteuer und Auszahlung der Mobilitätsprämie) zu verhindern, wird die generelle Bemessungsgrundlage ‒ die erhöhte Entfernungspauschale ‒ gleich zweifach eingeschränkt. Bei der Ermittlung der Mobilitätsprämie sind zwei Fragen zu beantworten:

     

    • Allgemeine Begrenzung (§ 101 S. 2 EStG): Inwieweit hat sich die erhöhte Entfernungspauschale bereits mindernd auf das zu versteuernde Einkommen ausgewirkt?
    • Zusätzliche Begrenzung für Arbeitnehmer (§ 101 S. 3 EStG): Inwieweit haben sich die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte schon indirekt über den Arbeitnehmer-Pauschbetrag steuermindernd ausgewirkt?

     

    Zunächst muss der Effekt neutralisiert werden, um den sich die erhöhte Entfernungspauschale bereits mindernd auf das zu versteuernde Einkommen ausgewirkt hat. Nach § 101 S. 2 EStG gilt: „Bemessungsgrundlage der Mobilitätsprämie sind die berücksichtigten Entfernungspauschalen (ab dem 21. Kilometer) ..., begrenzt auf den Betrag, um den das zu versteuernde Einkommen den Grundfreibetrag ... unterschreitet ...“ Vom zu versteuernden Einkommen wird daher der Grundfreibetrag abgezogen. Die Differenz (bei Anspruch auf Mobilitätsprämie ein negativer Wert) wird mit der erhöhten Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer verglichen. Der kleinere Wert stellt die Bemessungsgrundlage für die Mobilitätsprämie dar.

     

    Arbeitnehmer erhalten ohne Einzelnachweis pauschale Werbungskosten i. H. von 1.000 EUR (Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a S. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG). Damit Arbeitnehmer gegenüber Selbstständigen oder Gewerbetreibenden, die keine derartige Pauschale beanspruchen können, nicht bevorzugt werden, wird die Bemessungsgrundlage für die Mobilitätsprämie bei Arbeitnehmern ein zweites Mal begrenzt.

     

    Beachten Sie | Die zusätzliche Begrenzung ergibt sich, indem von den gesamten Werbungkosten des Arbeitnehmers der Arbeitnehmer-Pauschbetrag abgezogen wird (§ 101 S. 3 EStG). Der ermittelte Betrag wird dann mit der generellen Bemessungsgrundlage verglichen. Der kleinere Wert stellt letztendlich die Bemessungsgrundlage für die Mobilitätsprämie dar.

     

    2.3 Konkrete Auswirkungen für Lilli Sommer

    Da Lilli Sommer 60 Kilometer zu ihrer ersten Tätigkeitsstätte fährt, ist die erste Voraussetzung (Entfernung > 20 Kilometer) für den Erhalt der Mobilitätsprämie erfüllt. Gerd Sommer geht davon aus, dass das zu versteuernde Einkommen seiner Tochter bei ca. 8.000 EUR liegt. Da der Grundfreibetrag somit unterschritten wird, ist auch diese Voraussetzung erfüllt.

     

    Nachfolgend erfolgt die Berechnung der Mobilitätsprämie für Lilli Sommer:

     

    Bei unterstellten 150 Fahrten in 2021 beträgt die Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer 2.100 EUR (150 Tage × 40 Kilometer × 0,35 EUR). Bei Anwendung der generellen Bemessungsgrundlage würde sich eine Mobilitätsprämie von 294 EUR (2.100 EUR × 14 %) ergeben.

     

    Im nächsten Schritt ist jedoch die allgemeine Begrenzung der Bemessungsgrundlage nach § 101 S. 2 EStG zu prüfen:

     

    • Allgemeine Begrenzung

    zu versteuerndes Einkommen (nach Berücksichtigung der Entfernungspauschale)

    8.000 EUR

    abzüglich Grundfreibetrag für 2021

    9.744 EUR

    Differenz (Unterschreitung des Grundfreibetrags)

    ‒ 1.744 EUR

     

    Die erhöhte Entfernungspauschale hat sich hinsichtlich der Unterschreitung des Grundfreibetrags lediglich i. H. von 1.744 EUR noch nicht steuerlich ausgewirkt. Die Bemessungsgrundlage für die Mobilitätsprämie reduziert sich daher von 2.100 EUR auf 1.744 EUR.

     

    Lilli Sommer erzielt Einkünfte nach § 19 EStG. Nach § 101 S. 3 EStG müssen daher auch die Auswirkungen des Arbeitnehmer-Pauschbetrags neutralisiert werden:

     

    • Weitere Begrenzung für Arbeitnehmer

    Entfernungspauschale für die ersten 20 Kilometer

    (150 Fahrten x 20 Kilometer × 0,30 EUR)

    900 EUR

    Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer

    (150 Fahrten x 40 Kilometer × 0,35 EUR)

    2.100 EUR

    sonstige Werbungskosten

    (Aufwendungen für Ausbildungs-materialien etc.)

    500 EUR

    Summe Werbungskosten

    3.500 EUR

    abzüglich Arbeitnehmer-Pauschbetrag

    ‒ 1.000 EUR

    maximale Bemessungsgrundlage

    2.500 EUR

     

    Insbesondere wegen der weiten Entfernung zur ersten Tätigkeitsstätte greift die Begrenzung der Bemessungsgrundlage für Arbeitnehmer hier nicht. Ergo hat Lilli Sommer einen Prämienanspruch von 244,16 EUR (1.744 EUR × 14 %).

     

    FAZIT | Trotz der weiten täglichen Fahrten hat Lilli Sommer nur einen relativ geringen Prämienanspruch von rund 245 EUR. Wenn man hiervon die Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuer-Erklärung abzieht, ist die politisch angestrebte Entlastung recht überschaubar. Auch für den Steuerberater scheint das neue Mandat nicht wirklich interessant bzw. lukrativ zu sein.

     

    Im vorliegenden Fall fördert das Engagement des Steuerberaters aber sicherlich die Mandantenbindung zum selbstständigen Tischlermeister Gerd Sommer. Und wenn seine Tochter wirklich die Nachfolge im väterlichen Betrieb antritt, kann dies der Anfang eines langjährigen und lukrativen Mandatsverhältnisses sein.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2022 | Seite 65 | ID 47952508

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents