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  • · Der praktische Fall

    Kindergeld versus Kinderfreibeträge: Wann ist was steuerlich günstiger?

    Bild: © Sinuswelle ‒ stock.adobe.com

    von Dipl.-Finw. Marvin Gummels, Hage

    | Einige Wochen nach der Geburt ihres Kindes beantragen die frisch gebackenen Eltern regelmäßig Kindergeld. Dabei erfahren sie oft, dass es auch steuerliche Freibeträge für das Kind gibt. Diese werden vom FA allerdings erst im Rahmen einer Günstigerprüfung über den Familienleistungsausgleich gewährt. Schnell kommen da folgende Fragen auf: Was ist besser und mit welchen Entlastungen ist zu rechnen? Und können die Freibeträge zur Steueroptimierung übertragen werden? Der Beitrag liefert die Antworten. |

    1. Sachverhalt

    Adam und Eva Meise sind verheiratet. Ihr zu versteuerndes Einkommen beläuft sich für 2025 auf voraussichtlich 60.000 EUR. Beide gehören der evangelischen Konfession an und leben in Niedersachsen. Eva ist schwanger und wird voraussichtlich im Oktober 2025 ihr erstes Kind entbinden. Weil sie bei ihrem Steuerberater ohnehin einen Termin zwecks Erstellung der Steuererklärung für das Jahr 2024 hat, fragt sie diesen, wie hoch das Kindergeld ausfallen wird und ob es für sie zusätzliche Entlastungen durch Kinderfreibeträge gibt.

     

    Der Steuerberater erklärt zunächst, wie lange und unter welchen Voraussetzungen Kinder für steuerliche Zwecke berücksichtigt werden und wie hoch das Kindergeld derzeit ist. Danach stellt er die Freibeträge sowie den Familienleistungsausgleich vor und erläutert, ab welchem zu versteuernden Einkommen das Paar durch die Freibeträge profitiert. Im Anschluss gibt er dem Paar Hinweise, unter welchen Voraussetzungen sich die Freibeträge zur Steueroptimierung übertragen lassen.

    2. Lösung

    2.1 Für diese Kinder gibt es finanzielle Entlastungen

    Damit Adam und Eva Meise Kindergeld sowie steuerliche Freibeträge erhalten, müssen sie ein Kind i. S. des § 32 EStG haben. Diese Norm legt zugleich fest, wie lange der Anspruch auf die finanziellen Entlastungen besteht.

     

    Berücksichtigt werden sowohl im ersten Grad mit Adam bzw. Eva verwandte Kinder sowie Pflegekinder. Für diese Kinder werden Kindergeld sowie steuerliche Freibeträge ab dem Monat der Geburt bzw. der Aufnahme als Pflegekind gewährt ‒ und zwar zunächst bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat.

     

    Beachten Sie | Doch Kinder können auch darüber hinaus berücksichtigt werden (§ 32 Abs. 4 EStG). Das ist z. B. der Fall, wenn

    • das Kind noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldet ist,

     

    • das Kind noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
      • für einen Beruf ausgebildet wird (Ausbildung, Studium, Schule),
      • sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet (z. B. Schule/Ausbildung),
      • eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortführen kann oder
      • ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst oder Ähnliches ableistet.

     

    • Beachten Sie | Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung/eines Erststudiums werden diese Kinder allerdings nur berücksichtigt, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit (z. B. Job mit mehr als 20 Wochenstunden) nachgehen.

     

    • das Kind wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG).

     

    Sollte die Geburt des Kindes (wie geplant) im Oktober 2025 erfolgen, können Adam und Eva Meise damit rechnen, dass sie mindestens bis zum Monat des 18. Geburtstags des Kindes ‒ also bis einschließlich Oktober 2043 ‒ finanzielle Förderungen erhalten.

     

    2.2 Kindergeld

     

    • Kindergeld für alle zu berücksichtigenden Kinder (§ 66 EStG)
    Jahr
    Jährliches Kindergeld (in EUR) für ...
    Einmaliger Zu-
    schlag je Kind (in EUR)
    1. Kind
    2. Kind
    3. Kind
    jedes weitere Kind

    2022

    2.628

    2.628

    2.700

    3.000

    100

    2023

    3.000

    3.000

    3.000

    3.000

    2024

    3.000

    3.000

    3.000

    3.000

    2025

    3.060

    3.060

    3.060

    3.060

    2026

    3.108

    3.108

    3.108

    3.108

     

    MERKE | Das Kindergeld wird mit monatlich einem Zwölftel von den Familienkassen ausgezahlt, aber nicht automatisch. Dafür müssen Adam und Eva Meise bei der Familienkasse einen Antrag stellen, für den es zeitliche Vorgaben gibt. Denn das Kindergeld wird nach § 70 Abs. 1 EStG nur rückwirkend für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats ausgezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld bei der Familienkasse eingegangen ist.

     

    2.3 Kinder- und Betreuungsfreibeträge

    Als weiteren Baustein zur Förderung der Kinder gibt es steuerliche Freibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG). Diese werden nicht ausgezahlt, sondern über das FA im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung gewährt. Damit bleibt das Einkommen von Adam und Eva in Höhe der Freibeträge von Steuern verschont. Im Jahr 2025 sind das grundsätzlich 9.600 EUR. Weil es sich aber um einen Jahresbetrag handelt, werden die Freibeträge zeitanteilig gekürzt, wenn das Kind nur zeitweise i. S. des § 32 EStG zu berücksichtigen ist. Deshalb stehen dem Paar bei einer Geburt im Oktober für das Jahr 2025 nur 2.400 EUR zu (9.600 EUR ÷ 12 Monate × 3 Monate).

     

    • Übersicht Kinder- und Betreuungsfreibeträge (in EUR)
    Jahr
    Kinderfreibetrag
    Betreuungsfreibetrag
    Summe Freibetrag

    2022

    5.620

    2.928

    8.548

    2023

    6.024

    2.928

    8.952

    2024

    6.612

    2.928

    9.540

    2025

    6.672

    2.928

    9.600

    2026

    6.828

    2.928

    9.756

     

    Beachten Sie | Grundsätzlich steht jedem Elternteil jeweils der halbe Freibetrag zu, sodass nur bei einer Zusammenveranlagung der volle Betrag berücksichtigt wird. Sollte der andere Elternteil jedoch verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sein oder hat ein Elternteil alleine das Kind angenommen (der andere Elternteil ist z. B. nicht bekannt), wird bei diesem Elternteil der volle Freibetrag berücksichtigt (§ 32 Abs. 6 S. 3 EStG). Für Kinder mit Wohnsitz in Ländern mit einem niedrigeren Lebensstandard werden die Freibeträge je nach Land aber auf 1/4 bis 3/4 gekürzt (Ländergruppeneinteilung; BMF 18.12.23, IV D 5 ‒ S 2285/19/10001 :004; § 32 Abs. 6 S. 4 EStG).

     

    2.4 Kindergeld versus Kinderfreibeträge

    Der Fiskus unterstützt die Eltern entweder mit Kindergeld oder mit Freibeträgen. Es erfolgt eine Günstigerprüfung (§ 31 EStG), wonach die Förderung mit der höchsten Entlastung gewährt wird. Während das Paar bereits Monat für Monat Anspruch auf Kindergeld hat und dieses durch die Familienkasse ausgezahlt wird, können die steuerlichen Freibeträge erst berücksichtigt werden, wenn die Steuerfestsetzung durch das FA erfolgt. Aus diesem Grund erfolgt auch die Günstigerprüfung immer rückwirkend für ein abgeschlossenes Jahr nach Abgabe einer Einkommensteuererklärung durch das FA.

     

    Kommt das FA zu dem Ergebnis, dass das Kindergeld günstiger ist, passiert weiter nichts. Sind die Freibeträge hingegen lukrativer, werden diese von dem Einkommen des Paares abgezogen. Adam und Eva müssen in dieser Höhe ihr Einkommen nicht versteuern. Da sie parallel aber einen Anspruch auf Kindergeld haben, wird dieses auf die Einkommensteuer aufgeschlagen. Gewissermaßen wird das Kindergeld als Vorauszahlung für die Entlastung durch die steuerlichen Freibeträge angesehen.

     

    MERKE | Die Günstigerprüfung erfolgt nur für die Einkommensteuer. Für die Zuschlagsteuern (Kirchensteuer und Soli) werden die Freibeträge immer abgezogen (§ 51a Abs. 2 EStG) ‒ auch im Lohnsteuerabzugsverfahren. Hier sparen also alle Paare. Das Besondere dabei ist, dass für die Berechnung der Zuschlagsteuern immer die vollen Jahresbeträge abgezogen werden. Das gilt sogar dann, wenn das Kind erst im laufenden Jahr geboren wurde.

     
    • Beispiel

    Adam und Eva Meise haben ab Oktober 2025 ein Kind, für das 2025 Kindergeld i. H. von 765 EUR gezahlt wurde (3 Monate × 255 EUR). Ihr zu versteuerndes Einkommen beträgt im Jahr 2025 ohne Berücksichtigung von Freibeträgen für das Kind

    a) 60.000 EUR

    b) 120.000 EUR

    Der jährliche Freibetrag beträgt 9.600 EUR bzw. zeitanteilig 2.400 EUR (× 3/12).

    z. v. E. ohne Freibeträge

    60.000 EUR

    120.000 EUR

    Einkommensteuer 2025

    8.606 EUR

    28.830 EUR

    z. v. E. bei Abzug der Freibeträge (2.400 EUR)

    57.600 EUR

    117.600 EUR

    Einkommensteuer 2025

    7.930 EUR

    27.898 EUR

    Differenz (Ersparnis durch Freibeträge)

    676 EUR

    932 EUR

    erhaltenes Kindergeld

    765 EUR

    765 EUR

    Ergebnis (günstiger ist …)

    Kindergeld

    Kinderfreibetrag

     

    Zur Variante a): Da das Kindergeld günstiger ist, werden die Freibeträge bei der Festsetzung der Einkommensteuer nicht berücksichtigt und es wird eine Steuer von 8.606 EUR festgesetzt. Das Kindergeld von 765 EUR darf das Paar behalten. Auf die Kirchensteuer wirken sich die Freibeträge allerdings aus. Für die Berechnung der Kirchensteuer werden vom Einkommen 9.600 EUR abgezogen.

     

    Zur Variante b): Weil die Freibeträge günstiger sind, werden sie von dem Einkommen abgezogen und reduzieren die Steuer um 932 EUR auf 27.898 EUR. Parallel wird das bereits ausgezahlte Kindergeld von 765 EUR auf die Steuer aufgeschlagen, sodass die Familie eine Steuererstattung in Höhe der Differenz von 167 EUR erhält (= Vorteil der Freibeträge). Zudem wirken sich die vollen Freibeträge (9.600 EUR) auf die Höhe der Kirchensteuer aus.

     

    MERKE | Das Beispiel zeigt, dass von den steuerlichen Freibeträgen nur diejenigen profitieren, die über ein hohes Einkommen verfügen. Denn bei einem geringen bzw. einem normalen Einkommen bietet das Kindergeld eine höhere Entlastung. Für das Jahr 2025 liegt die Grenze für das erste Kind (Kindergeld 3.060 EUR/Freibeträge 9.600 EUR) bei einem Einkommen von etwa 85.000 EUR (Zusammenveranlagung, keine Progressionseinkünfte). Nur wenn das Einkommen diese Grenze erreicht bzw. überschreitet, sind die Kinderfreibeträge lukrativer.

     

    Beachten Sie | Sollte das Paar mehrere Kinder haben, wird die Günstigerprüfung für jedes Kind einzeln vorgenommen, beginnend mit dem ältesten Kind. Findet keine Zusammenveranlagung statt, erfolgt die Günstigerprüfung isoliert für jede Person, die Anspruch auf Kindergeld bzw. steuerliche Freibeträge hat.

     

    2.5 Freibeträge bei identischem Kindergeld erhöhen

    Grundsätzlich stehen die Freibeträge jedem Elternteil zur Hälfte zu. Die Freibeträge können jedoch auch zwischen den Eltern verteilt werden. Diese Verteilung kann zu einer erheblichen Ersparnis führen, wenn die Eltern einzeln veranlagt werden. Denn hat ein Elternteil Anspruch auf das halbe Kindergeld, jedoch auf die vollen Freibeträge, wirken sich Letztere erheblich stärker auf die Steuer aus. Da die vollen Freibeträge das Einkommen und damit die Steuer mindern, jedoch nur das halbe Kindergeld angerechnet wird, ergibt sich bereits bei einem sehr niedrigen Einkommen ein Vorteil für die Freibeträge. Die verschiedenen Möglichkeiten zur Übertragung regelt § 32 Abs. 6 S. 6 ff. EStG:

     

    • 1. Bei nicht verheirateten Eltern wird auf Antrag eines Elternteils der Kinderfreibetrag sowie der Betreuungsfreibetrag des anderen Elternteils auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind im Wesentlichen nachgekommen ist oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Das gilt nicht für Zeiträume, in denen Unterhaltsleistungen nach dem UVG gezahlt werden.

     

    • 2. Bei nicht verheirateten Eltern wird auf Antrag eines Elternteils der Betreuungsfreibetrag des anderen Elternteils auf ihn übertragen, wenn es sich um ein minderjähriges Kind handelt und dieses in seiner Wohnung gemeldet ist. Das gilt nicht, wenn der andere Elternteil der Übertragung widersprechen sollte, weil er selbst Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.

     

    • 3. Kinderfreibetrag und Betreuungsfreibetrag lassen sich auf einen Stief- oder Großelternteil übertragen, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.

     

    • Beispiel

    Adam Meise ist ledig und hat ein gemeinsames minderjähriges Kind mit Linda. Sein zu versteuerndes Einkommen beläuft sich 2025 auf 40.000 EUR.

     

    Lösung:

    Das Adam Meise zuzurechnende Kindergeld beträgt 1.530 EUR (3.060 EUR ÷ 2) und die steuerlichen Freibeträge belaufen sich auf 4.800 EUR (9.600 ÷ 2). Weil der Abzug der Kinderfreibeträge bei einem zu versteuernden Einkommen von 40.000 EUR nur eine steuerliche Entlastung von 1.492 EUR bewirkt, ist das Kindergeld günstiger.

     

    Ergänzung/Abwandlung:

    Da das Kind bei Adam Meise gemeldet ist, beantragt er den vollen Betreuungsfreibetrag. Linda widerspricht der Übertragung nicht.

     

    Lösung:

    Bei Adam Meise ist weiterhin das Kindergeld mit 1.530 EUR zu berücksichtigen. Die Freibeträge erhöhen sich jedoch auf 6.264 EUR (6.672 EUR ÷ 2 + 2.928 EUR). Sie bieten eine steuerliche Entlastung von 1.931 EUR. Ein Vorteil von 401 EUR im Vergleich zum Kindergeld, sodass Meise eine Erstattung erhält.

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2025 | Seite 154 | ID 50465295