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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Erwerb einer Mietimmobilie ohne Trauschein und die Besonderheiten des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG

    | Bei der Erstellung der Steuererklärungen gilt vielfach das Motto: „Hoch lebe das Vorjahr.“ Doch wenn es neue Sachverhalte gibt, kommt man damit natürlich nicht weiter. Der praktische Fall zeigt, wie zu verfahren ist, wenn ein unverheiratetes Paar eine Mietimmobilie erwirbt und bereits vor dem Erwerb Renovierungskosten tätigt. |

    1. Sachverhalt

    Florentine Strauß und Max Meise leben seit vielen Jahren ohne Trauschein zusammen. In 2020 haben sie beschlossen, ein Einfamilienhaus zum Verkehrswert von 250.000 EUR zu kaufen (Anteil Grund und Boden: 50.000 EUR).

     

    In dem Notarvertrag wurde eine Anzahlung von 50.000 EUR vereinbart, die fristgerecht am 1.12.20 auf das Konto des Verkäufers überwiesen wurde. Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten gingen mit der Restzahlung (200.000 EUR) am 1.2.21 auf die Erwerber über. Bereits vor dem Eigentumsübergang haben Strauß und Meise Renovierungen (keine Erweiterung und auch keine wesentliche Verbesserung i. S. d. § 255 Abs. 2 HGB) vorgenommen, für die sie in 2020 insgesamt 45.000 EUR bezahlt haben.

     

    Die Anzahlung (50.000 EUR) und die Renovierungskosten (45.000 EUR) haben Strauß und Meise zu gleichen Teilen „bar“ bezahlt. Für den restlichen Kaufpreis (200.000 EUR) haben sie ein gemeinschaftliches Darlehen aufgenommen. Tilgungs- und Zinszahlungen erfolgen ab dem 1.2.21. Strauß und Meise wurden als Eigentümer (je zur Hälfte) ins Grundbuch eingetragen. Die fremdübliche Vermietung erfolgt ab dem 1.4.21.

     

    Die Steuerfachangestellte Müller soll nun die Steuererklärung 2020 sowohl für Florentine Strauß als auch für Max Meise erstellen. Bis auf den Immobilienerwerb ergeben sich hier keine Besonderheiten.

    2. Lösung

    Strauß und Meise wurden gemeinsam als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Somit ist eine gesonderte und einheitliche Feststellungserklärung abzugeben.

     

    Abschreibungen können erstmals im Jahr der Anschaffung und Fertigstellung eines Gebäudes geltend gemacht werden. Ist das Gebäude bei einer Anschaffung bereits fertiggestellt (was der Regelfall sein dürfte), ist für den Abschreibungsbeginn nicht der Zeitpunkt der Grundbucheintragung maßgebend, sondern der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ‒ und dieses erlangt der Erwerber mit dem Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten (hier also zum 1.2.21). Demzufolge sind in der Feststellungserklärung für 2020 noch keine Abschreibungen zu berücksichtigen.

     

    Da das gemeinschaftliche Darlehen erst in 2021 aufgenommen wurde, sind die Zinszahlungen als Werbungskosten ebenfalls erst im Veranlagungszeitraum 2021 zu berücksichtigen.

     

    Zu klären ist aber noch, wie die in 2020 gezahlten Renovierungskosten i. H. von 45.000 EUR zu behandeln sind. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um (vorweggenommene) Werbungskosten, die den beiden Grundstückseigentümern je zur Hälfte zuzurechnen sind.

     

    Allerdings ist in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu beachten. Hiernach führen Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die der Steuerpflichtige innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes tätigt, zu Herstellungskosten des Gebäudes, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Hiervon ausgenommen sind lediglich Aufwendungen für Erweiterungen i. S. d. § 255 Abs. 2 S. 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 EStG).

     

    MERKE | Wer also ein instandsetzungsbedürftiges Vermietungsobjekt erwirbt und mit der Instandsetzung nach dem Erwerb beginnt, muss damit rechnen, dass das FA die an sich sofort abziehbaren Instandsetzungskosten in lediglich abschreibbare anschaffungsnahe Herstellungskosten umqualifiziert. Als Rettungsanker bleiben in diesem Fall nur

    • eine Reduzierung der Kosten oder
    • eine etwaige zeitliche Verschiebung der Instandsetzung (= Nutzung der Dreijahresfrist).
     

    Im vorliegenden Fall übersteigen die Renovierungskosten (45.000 EUR) die Anschaffungskosten des Gebäudes (200.000 EUR) um mehr als 15 %. Demnach würde es sich eigentlich um anschaffungsnahe Herstellungskosten handeln. Die Besonderheit besteht aber hier darin, dass die Aufwendungen vor dem Erwerb getätigt wurden. Und nach einem Beschluss des BFH (28.4.20, IX B 121/19, Abruf-Nr. 216741) fallen Aufwendungen, die vor dem Erwerb einer Immobile getätigt werden, nicht in die Prüfung der 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG! Vielmehr sind vor der Anschaffung des Grundstücks vom Steuerpflichtigen getätigte Aufwendungen nach den allgemeinen handelsrechtlichen Abgrenzungskriterien als Anschaffungs-, Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand steuerlich zu berücksichtigen.

     

    FAZIT | Da die Grundstückseigentümer Strauß und Meise die Renovierungsaufwendungen vor dem Erwerb getätigt haben, handelt es sich nach dem BFH-Beschluss um sofort abzugsfähige Werbungskosten in 2020. Eine Umwidmung in lediglich über die Nutzungsdauer des Gebäudes abschreibbare anschaffungsnahe Herstellungskosten i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG kommt nicht in Betracht.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2021 | Seite 66 | ID 47141331

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